Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, August 31, 1906, Sweiter Theil., Image 14

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    W
Jm Conslikt. !
VonheleneMarr.
Vier Wochen lang war ihr Stüh
spen, war ihr Herz von eitel Sonnen
ranz durchfluthet gewesen, der um das
elende Haupt des Entelkindes gespielt
und die theuren Züge der Tochter ver
klärt hatte, und ihr Mutterauge hatte
sich nicht sattsehen können an den lie
ben Gestalten.
Aber dann kam der Abschiedsmor
gen.
Seitdem breiteten sich die Schatten
der Einsamkeit wieder düster über ihr
heim und über ihr Herz, und die Son
nenstrahlen vermochten nur verstohlen »
und flüchtig mit durch die abgegrissene
Thüt zu schlupfen, wenn der Posthote
einen jener kleinen Vriese abgab« der
den Stempel des norddeutschen Hasen
siiidtchens trug.
Immer sehnsüchtiger wurden ihre
eigenen Briefe, immer heißer las man
dasckniihsam unterdrückte Verlangen
-- nach Kind und Enkelin zwischen den
Zeilen.
Da faßte die junge Frau sich ein
sei-. . ..
»Fun, konnten wir die Mutter nicht
zu uns nehmen? Sieh, ich habe euch,
aber sie ist so einsam und leidet schwer ;
unter der Trennung.«
Fritz, der norddeutsch-wortiarge s
Mann, der ohne viel Aufhebens zui
machen, Frau und Kind mit seiners
ehrlichen, starken Liebe umschloß, ;
schwieg einen Augenblick betroffen. E
»Meinst du?« fragte er dann klein
laut.
Als er aber in die slehenden Augen
seines Weibes schaute sagte er guther
zig in seiner gleichmiithigen Weise:
«Laß sie nur kommen, Käti. nur —
mehr Haushaltsgeld könnte ich —- bei ;
dem schmalen Beamtengehalt.
Aber das wußte Käti ja, und dessen
bedurfte es doch auch gar nicht, — die 1
Atllcth UU ju lluc Ists clll IOUHILWUU
In überquellender Dankbarkeit flog sie
ihrem Fritz um den Hals.
Die Antwort der Mutter aber war ;
ein einziger Jubelschrei.
»Ich ziehe zu meinen Kindern!"
verkündete sie mit so viel Glückselig-!
keit in der Stimme daß es klang. als l
jage sie geradewegs-: Jch ziehe ins Pa- !
radiest
Selbst gelegentliche, wohlgemeinte
Bemerkungen: »Ach, wenn das nur gut
geht!« — »haben Sie es auch genau
iiberlegt?«——»Alt und jung paßt nicht
zusammen!« vermochten ihre zuver
fichtliche Freude nicht zu dämpsen. ;
Warum sollte das nicht gut gehen? T
—- Sie wollte doch keine Rolle spielen
in dem jungen Haushalt, nichts besser
wissen, keinen Rath aufdrängem —
nichts als ihre Lieben lieb haben und
bei ihnen sein!
Nie hätte Frau Sabine Franzius »
gedacht, daß ihr der Abschied von der "
Heimath, von denBetannten und ihren »
alten Kunden so leicht werden würde. «
Aber hatte sie nach des Gatten frühem
Tode nicht nur für ihr Kind gelebt,
gearbeitet, gestrebt, für ihr einziges zu ;
dem ihr Herz sie jetzt zog mit zwingen- ;
der Gewal t?
Fünfundzwanzig Jahre lang war
sie in die guten Häuser der tleinen
Stadt tagaus, tagein zum Flicken und
Nähen gegangen, hatte die junge Ge- i
neration heranwachsen und die alte:
nach und nach von hinnen gehen sehen. ’
Wirklich, man konnte sich die Stadt j
nicht ohne das fleißige Binchen den-«
ken, das, mit der kleinen Ledertasche
am Arm, die Fingerhut, Schere und
Nadelbuch barg, früh Morgens und
spat Abends durch die Straßen eilteJ
freundlich hierhin und dorthin grü
send.
Und nun hielt sie ihren Einzug im
neuen Heim! Jhre kleinen Erspar
nisse hatte sie mitgebracht, die sollten
die Kinder haben.
Immer wieder ruhten ihre feucht
schimmernden Augen aus Kätis strah
lendem Gesicht, als Mutter und Toch
ter bemüht waren, die Habseligteiten,
von denen Binchen sich nicht zu tren
nen vermocht, in dem aeriiumiaen Ge- -
mach unterzubringen, das in ihrer
Kinder Behausung für sie bereitstand.
»Sogar die liebe, alte Zuckerdose
hast du mitgebracht,« Iubelte Käti.
»wie köstlich die an die Kinderzeit ge
mahnt! O, du mein einziges Mut
terchen« daß ich dich nun wieder habet
Das soll ein Leben werden! Wie du
« mir mit deiner Liebe die Kinderjahte
Iertlärtest, so will ich dir jetzt dein
Alter verschönen! Nein, beim besten
Willen, allein könnte ich es nicht, —;
« . Das da muß mir helfen!"
Das da! Großmutters Singvögek
chen, ihr Sonnenscheinchen, sür das
die alte Frau in überströmender satt
lichteir immer neue Kosenamener and,
das Kind mit seiner anhänglichen Lie
be würde es schon können.
« Als Fritz am Abend nach Hause
"tam, schaute er in lauter glückliche Ge
sichter, und er selbst war auch ausge
tiiumt und gesprächig.
So friedlich und glücklich verstrichen
die WITH-M Binchen vermeinte wirk
lich im Paradiese zu sein.
. Manchmal empfand Frih es aller
W.«st.ätend, ein steundliches Gesicht
aufzulesen ein packe höfliche Worte zu
n, wenn er müde und abge
nat nach hause sam; doch wenn
an solchen Tagen die Anwesenheit
tu alten rau etwas unbeauem zu
W dr te, klangen ihm noch die»
Mase- Borte Kätis an Btnchenz :
Max in den Ohren: »Sei gut;
Muth-e Mutter, ris; was du ihr ;
thust, dastlzn du mir!" i
m
Gewiß, das wollte er ja auch, er
hatte doch seine Käti lieb.
Abends pflegte sie sich neben ihn zu
segen, sobald er sich in dem weichen
Sorgenstuhl im Hintergrunde des
Zimmers ausstreckte. Das Kind spiel
te um die Eltern herum, bis Käti es
zu Bett brachte. Dann nickte auch
Fritz ein wenig ein, oder er sah seiner
Frau aus die fleißigsn Finger und
hatte ab und zu ein freundliches Wort
auf ihr munteres Geplauder, bis er
sich in das Abendblatt vertieftez dabei
hatten sie sich sehr behaglich gefühlt.
Ein Freund vieler Worte war er nie
gewesen, aber daß er so ein stummer,
stumpfer Geselle, das fiel Käti eigent
»lich erst letzthin auf.
»War der Fritz immer so schweig
sam, oder ist er es erst, seit ich hier
bin?« fragte auch Binchen nach ein
paar Monaten etwas ängstlich.
»Er spricht nie viel, aber er meint
es doch gut,« versuchte sie die Mutter
zu beruhigen und ihren Mann zu ver
theidiger » obgleich sie seine Verstim
mung, sein ernstes Wesen täglich brüt
tender empfand .
Unmerklich war es gekommen, daß
er so anders geworden, als sonst. Je «
wortiarger und zurückhaltender Fritz
ward, desto gesprächiger und herzlicher
wurde Käti, als wolle sie an der Mut
ter wieder gut machen, was er ver
säumte.
Voll Interesse lauschte sie auf ihr
Geplauder und staunte über alles
Neue, das sich in den Betanntenireifen
derHeimathstadt seit ihierAbwefenheit
zugeiragen Für Binchen iniipfien
sich liebe Erinnerungen an- die kleinen
Berichte, fiir Käti waren es Heimaths
kliingr.
Häufig sprachen die beiden Frauen
allerdings nur, um das unfreundliche «
Schweigen zu brechen, und hatten oft, .
aber immer vergeblich versucht, Friß
in die Unterhaltung zu ziehen·
Er blieb theilnahmslos, spielte mit"
dem Kinde und lag, wenn es zur Ruhe
gebracht, blaue Rauchwolken vor sich
hinblasend, unbeweglich in seinem
Lehnstuhl.
Es war von jeher nicht seine Art,
rückfichtsvoll und duldsam zu sein,
aber Käti hatte ihn lieb gehabt, so wie
er war. Sein geradez, ehrliches We
sen, sich ohne Verstellung zu geben, ost
selbst auch aus Kosten der Höflichkeit,
war ihr immer als ein Zeichen der
Männlichteit erschienen; was hätte sie
jetzt jedoch darum gegeben, hätte er der
Mutter gegenüber wenigstens eine Zu
neigung vorgegeben, wenn er sie in
Wirklichkeit nicht empfand.
Warum that er es nicht? Sie kannte
doch das gute Herz unter der rauhen
Schale, das so warm siir Frau und
Kind schlug! Für Frau und Kind,
aber nicht fiir die alte Frau, die Kätis
Mutter war!
Kann man Liebe und Sympathie
erzwingen? Mußte er sie täglich um
sich haben, die Gesellschaft seiner Lie
ben mit ihr theilen, nur weil jene durch
die Bande des Blutes mit ihr ver
iniipst waren? sragte er sich immer
häufiger beim Anblick des kleinen, un
schiinen Altfrauengesichtes, und er ver
bisz sich in eine immer erbitterte Stim
mung mit dem ganzen rücksichtslosen
Egoismus des Mannes.
Der leicht süddeuische Dialekt, den «
er bei Käti stets bewundert hatte, siel
ihm in Binchens Munde geradezu aus
die Nerven, und, war es Eisersucht,
war es einer der unbegreiflichen Wi
dersprüche der menschlichen Natur: je
mehr Käti ihn mit ihren bittenden
Augen zu zwingen versuchte, desto un
erträglicher ward ihm der Mutter
bloße Gegenwart-.
Er hatte gewiß das Gute gewollt;
aber wer kann siir seine Gefühle?
Steht icht schon in der Bibel ge
schrieben: ;,Das Weib soll Vater und
Mutter oerlassen?«
mcos Ins Zi- «;- III-I-« -"-;-I« -:-k .
U . »s, bssi U I- blcs ·«
er vorwurssvolL als Käti Thränen ·
vergeß.
,,Laß nur erst den Frühling kom
men, Fritz! Du weißt, Mutters Zim
mer läßt sich nicht heizen, sie würde sich ;
ost gern zurückziehen. Ach, sei gut zur «
Mutter!« flehte sie. ,,Niichst dir und
dem Kinde ist sie doch mein Liebstes
aus der Welt, und so brav und sein
siihlig ist sie und hält so viel aus dichl«
Jn Angst und frommer Täuschung T
beruhigte sie auch die Mutter und ver
sicherte sie, daß der Fritz sie hochschiitze, ·"
wenn er es bei seinem einsilvigen We- L
sen auch nicht zum Ausdruck zu brin- .
gen vermöge. «
Und die alte Frau zwang sich, Fri- .
tzens Unsreundlichteit zu übersehen, I
u«nd Fritz machte immer von neuem
vergebliche Bemühungen, eine wohl- «
wollende Gesinnung zurSchau zu tra
gen.
Binchen hatte gleich nach ihrem
Einzug begonnen, sich im haushalt
der Tochter nützlich zu machen. Sie
nähte, kochte und haniirte herum
mit so viel Freude und Lust.
Aber dem Mann schien der Bissen
im Munde stecken zu bleiben, als Miit
ahnun slos vollStolz erzählte: »Den
te hat ie Mutter-das Mahl bereitet!«
Binchen sah es. und von da an
glautite sie, auch wenn sie nicht hin
schaute, Frisan Blick zu spüren, der
zu sragen schien: Fühlst du denn nicht,
daß du mir im Wege bist?
Der Frühling, der Sommer kom.
Da hatten sie sonst an Sonntagen und
linden Abenden weite Spaziergänge .
miteinander gemacht, und nun?
Blieb Binchen zu Haus, so konnte
Miit nicht fröhlich sein. Ihre ttese
W
Kindesliebe ahnte, wußte, daß die
Mutter in die en Stunden desAlleinss
seins ihr bitteres Weh ungesehen aus
weinte.
Schloß Binchen sich, von Kätis Bit
ten bestürmt, ihnen an, so blieb Fritz
schweigsam und undurchdringlich,
und zwei tiefe Falten gruben sich in
seine sinstere Stirn.
O, wer es doch hätte begreifen tön
nen! Wie war es möglich, sie nicht zu
lieben, diese trauteste Mutter, die Kä
tis vertlärenden Tochteraugen noch
oon all dem Liebreiz umflossen schien,
in dem sie sie seit den Kindertagen ge
schaut.
Nur ein Wesen war glücklich in die
sem Widerstreit der Empfindungen,
das Kind. Das Kind, das sie alle
mit der gleichen Zärtlichkeit umschlos
sen, das alle drei smit der gleichen Lie- «
be beglückte.
Die früher harmonische Ehe erlitt
immer häufigere Vetstimmungen,
und es kam der Tag, an dem die alte
Frau sich nicht länger mehr verhehlen
konnte, daß ihr Kind unter dem steten
Zwiespalt litt, tief und schwer.
»Ich will heim!« damit brach Bin
hen endlich den Bann, als sie mit der
Tochter allein war. »Nein, weine
nicht, Miti, mache es mir nicht schwer,
vir Zwei wissen doch, was wir einan
der sind. —- Bielleicht erlaubt der
Fritz von Zeit zu Zeit, daß ihr mich
ivie damals besucht. Ach, was fiir
eine sonnige Zeit das wart«
»Mutter, fort willst du? Fort von
mir und dem Kindes« stammelte Käti
in leidenschaftlichem Schmerz.
»Das Kind! Das Sonnenschein
hen!« Die alte Frau preßte die Hän
de aufs Herz. »Sprich mit ihm (
manchmal von mir — hörst du, Kätis
—, damit es mich nicht ganz vergißt.«
»Mutter!« schluchzte die junge
Frau.
»Mir wollen start sein, Kind: meint
rltes Herz kann so viel Aufregung-T
nicht vertragen, da pocht es immer so
laut und hart. Sieh’, wir diirsen
ruch niemand anklagen; es gibt Ver
hältnisse im Leben, die auchder beste
Wille nicht bezwingen kann. Dein
Mann hat dich und das Kind lieh,
nun stört ihn die alte Frau in sei
nem Glück. Was könnte ich ihm auch
lein?'« .
»Meine Mutterl«
Alles seit Monaten im Herzen ver
chlossene Leid brach hervor, klang aus
n diesem vorwurssvollen Aufschrei.
Lange lagen Mutter und Tochter
sich in den Armen, und Binchen fand
"o versöhnende, so linde, tröstende
Worte, wie in Kätis KinderzeiL Zum
ersten Mal ward es der alten Frau
oieder warm und friedlich ums Herz,
ind ihre ruhige Heiterkeit besänftigte
ndlich auch Kätis heißen Schmerz.
»Nach Tisch pslege ich ein Stünd
hen der Ruhe, dann packen wir; und
nein Kind ist tasser und macht der al
en Mutter das Scheiben nicht schwer.
Zott segne dich sür alles, was du an
nir getan!"
Ja. sie wollte tapfer sein; sie hatte
7ie Mutter zu lieb, um eine Verlänge
rung des Martyriums zu wünschen.
»Die Mutter will heim,« begann sie
nit einer Stimme. die sest sein sollte
md doch von verhaltenen Tränen zit
crte, als Binchen sich nach Tisch zu
rückgezogen hatte.
»Heim?« fragte Fritz erstaunt.
»Ja, in ihre Heimath. Es ist auch
Das beste.«
»Jn.khre Heimath?« wiekerholte er
tngliiubig.
»Nun ja! Findest du das so wun
)erbar?«.brachte Käti mühsam hervor.
»Aber das ist doch Unsinn, das ist
wch nicht ihr Ernst, darüber läßt sich
oohl noch reden!«
Jn diesem Augenblick hatte er inni
xes Mitleid mit der alten Frau.
Kkiii wollt- midersnkskbpn ab» M- .
Thriinen schnürte-i ihr die Kehle zu.
Sie fielen auf des Kindes blonden
Kons, das sie zur Nachmittagsruhe ins
Lebengemach trug. «
Dann saß sie still bei ihrer Näherei.
un Fritz nicht zu stören, der die Au
ien geschlossen hielt und zu schlafen
"chien. Aber bald entsank die Arbeit
hren Händen.
Konnte sie ihn noch lieben, ihn, des
"en Lieblosigteit die Mutter sorttrieb?
Jhre tkiränenfchweren Augen blickten
nüde hinaus in die grüne, flimmernde
Brucht, irrten hilflos im Zimmer um
vHer und blieben plötzlich haften auf
Dein Frauenbilde im Goldrahinen an
Der Wand, das die Sonnenstrahlen
imspielten, dem Bilde seiner Mutter.
Sie hatte die sriih Verstorbene nicht
Jersönlich getannt; aber unsympathisch
vie das Gesicht mit dem energisch
"elbstbewußten Ausdruck, schien ihr je
)er Zug dieses Frauencharatters, trotz
Der Schilderung des liebenden Sohnes.
Und nun zu denken, daß sie mit die
ser Frau in engster Zusammengehörig
lett hätte leben, die Liebe ihres Man
nes, des Kindes hätte theilen sollen,
würde sie das vermocht haben?
Sie, das Weib, das da gewohnt ist,
Dpfer zu bringen stir seine Liebe, viel
leicht? —- nein, gen-ißt Sie würde in
der ihr geistig und leiblich Fernstehens
den die Mutter ihres Mannes, die
Großmutter ihres Kindes gesehen und
geehrt haben, aber ging das nicht iiber
die Kräfte eines Mannesti
Da drang Frihens Stimme an ihr
Ohr: »Ich kann nicht schlafen!«
Schwerfällig erhob er sich und trat
In ihrrSeitu Ein wenig zaghast strei
helte er ihr da- Haar, und leise bat er
.Bergieb mir, Miti. Deine Mutter
soll et noch einmal mit mir versuchen.«
«
Er tiißte ihr die Thräncn von den
Wangen, so innig, so gut, wie in ver
gangenen. schönen Tagen.
»Komm, wir wollen sie bitten, bei
ans zu bleiben."
Am Ende konnte doch noch alles gut
werden! Man glaubt so gern, was«
man wünscht, besonders wenn man
jung ist und ein warmes, liebende-Z
Hero in der Brust trägt, wie Käti.
Arm in Arm standen sie vor dem
Stäbchen der Mutter und pochten leise,
vorsichtig an.
»Sie schläft noch!" sliisterte Käti
mit ihrem alten, glücklichen Lächeln,
als kein Hei-eint ertönte, und sie wand
ten sich zum Gehen.
Aber nein, etwas Gutes erfährt man
nie zu früh!
Sacht löste sie ihren Arm aus dem
des Mannes und öffnete leise einen
Spalt der Tür, nur eben groß genug,
um hindurchschliipfen zu können.
»Mutter-then! Mutterlit Jch bin
es, wir sind es, der Fritz und ich!
Wache auf, du Herzliebe!« schmeichelte
ihre zärtliche Stimme mit mühsam
unterdrücktem Jubel, und ihre Augen
umfaßten in heißer Liebe die ruhende
Gestalt.
Aber dann stieß sie einen Schrei aus
so grell, fo bang, so voll Entsehenö
daß er den draußen harrenden Mann
in ihre Seite zwang
Jhre freudestrahlenden Augen hatten
auf ein wachsbleiches Angesicht ge
schaut, ihre behenden Hände eisigialte
Wangen geliebtofi.
»Ein Herzschlagk tonstatirie der
herbeigerufene Arzt
»Doch heimgegangen!« hauchten tot
«raurig die Lippen der Tochter.
Mütterchen.
Von J. E. Poriykh.
Der junge Paul Maximowitsch
Bristorv lebte in Berlin, und seine
Mutter im ärmsten Stadtiheile von
protvogrudoh Es war eine alte,
krumme runzlige Frau, die sich aus
Krücken fortdewegte, und die wie eine
«ogelicheua-e aussah. Dennoch liebte
liaul seine Mutter mit einer oerzeh
renden Leidenschaft
Sie saß den ganzen Tag in ihrem
Irinuthreichen Hinterhauztammerchen,
in das sich nicht einmal das Piepsen
eines hungrigen Sperlings verirrte.
und blickte in ihrer trostlosen Ein
samleit über all die Lebeisoitterniß
,in, die sich während fünfundsechzig
z: hren in l,r angesamemlt baue. Und
Dc war tein Mensch, zwem sie sich
cinmal ordentlich aussprechen tonnte.
Denn Paulazen war in Berlin, und
ihr ältester Sohn Troehim lebte —
Denn er überhaupt noch lebte —- in
den Bleibergcrerten Sibiriens als
Sträsling.
Und das lam so: -
Trochim wurde während seiner
Militarzeit von den Vorgesetzten iiber
til-Maßen scharf angepaat, und des-—
zalb hatte allmählich ein flammender
syafz von seinem ganzen Wesen Besitz
krgrissen. Er haste leine bestimmte
bersory erschuf sich vielmehr wie alle
Menschen, die triztz ihrer großen Wuth
in Ohnmacht. verdammt sind, einen
maginären Tyrannen, den es umzu
jringen galt. Kaum hatte er deshalb
sie Kaserne verlassen. als er sich der
nihilistischen Partei anschloß; er be
ring eine Dummheit iiber die andere,
ourde tolltühn in feinen Plänen und
Wagnissem biser sich eines Tages er
:appen ließ« Ohne viel Federlesen
ourde er nach Jrlutsl deportirt, und
nan hatte ihm nicht einmal Gelegen
sseit gegeben, sich von seiner Familie
in verabschieoern Sie durften ihn fiir
todt beweinen, denn der Trupp Ver
fsannt:r, unter denen sich auch Trochiin
besond, wurde zu Fuß durch die große
Büstrnei aeichleift. und man loraie.
set-on dafiie, dag nicht alle Geh-rand-s"
narlten lebend an ihre-n Bestim
nungsort gelangten.
Kurz bevor das Unglück hereinbrach,
var« der Bruder Trochims, Paul Ma
isimowitsch Briåtom zum Milliar
oienst ausgeboben worden.v Er sollte
in einigen Tagen die Garnifon bezie
hen, als seiner Mutter mitgetheilt
wurde, daß Trochim wegen staatsges
fährlicher Urntriebe in die Bergwerke
als-geschoben worden fei. Um eine Kor
respondenz zwischen Mutter und Sohn
unmöglich zu machen, gab man Krag
nojarsl als feinen Verbannungsort
In. Paulchen, als der nunmehr einzige
Sohn seiner alten Mutter und als ihr
Ernähre-, hoffte, vom Militiirdienste
befreit zu bleiben. Aber als man ihm
angesichts seines eben verschickten Bru
ders die Aussichtslosigteit seines Ge
fnelses klargemacht hatte, Und als er
einsah. daß seineMutter, während er
dem Kaiser diente, Hungers sterben
konnte, da blieb ihm nichts übrig. als
sich falsche Papier-e zu verschaffen unb
ins Ausland zu flüchten.
Der Abschied von seiner Mutter
war ein Abschied ans Lebenszeit Es
kannte bei einer Beerdigung nicht
trauriger sein.
- Er liebte seine Mutter über dies-Na
ßen. Er hing an ibr wie das Zicklein
an dem Euter, und ein Leben ohne
feine Mutter schien ihm genau so wi
dersinnig, wie wenn man von einem
Etsch verlangte, daß er auf deinLan
de lebe. Vor lauter Sorgen um the
Wohl befand er sich in anhaltendeni
Fieber, in ewiger Spannung. Nun
ollte er sie bei Nacht und Nebel ver
lazserh die Augen nicht metzr wieder
se en, die tbeurerem die hande nicht
mehr, die sieh fiir ilyn regten; den
W
Mund nicht mehr, der so einfältig
trostvolle Worte sagen konnte. War
er einmal über die Grenze gesiohen,
dann würde er sie nie wiedersehen . . .
niemals wiedersehen.
Da saß er nun in Berlin in irgend
einer Straße, in irgendeinein Ge
schiist Und das Geschäft verlangte,
dasz er den Tag Dinge sagte und ver
richtete, mit denen sich eine Maschine
ebensogut und besser abgesanden ha
ten würde. Er konnte darüber zeit
weise verrriicit werden Er war kraus
Inann, und seine Mutter lebte nun
schon drei Jahr-e von dem Gelde, das
er ihr schickte-.
· Natürlich trant sie auch ein bißchen.
Was sollte denn ein Mensch wohl
sonst beginnen, der so schrecklich ver
lassen war und ans nichts anderes
mehr zu warten hatte als aus den
Tod? Da nimmt man eben dann und
wann ein Schlückchen, und dann koni
men aus stillen- Sohlen allmählich alle
quten Geister zur Thiir herein. Der
rost. der Frieden. der Schlaf
—- setzen sich um die Alte herum und
verweilen und tauschen dem stummen
Monolog ihrer Seele·»
Sie dachte nur an das Glück Paul
chens, und Paul nur an das ihre.
Wenn sie krank war, war auch er irani.
iind ließ sie ihm durch den Studenten
Peter Eipowlowitsaz mittheiten: »Lie
bes Paulchen! Deine alte Mutter lebt
und ist gesund,« so schrieb Paul einen
tollen Brief voller Purzelbäume und
lustiger Schnurren an seine Mutter,
einen Brief, ausgetossen wie ein Pojaz
und fröhlich wie ein Kind. Er ließ
die ganze Welt Kopf stehen in so einem
Briefe. So ein Brief war nichts als
eine grrße Schaar lustiger Worte, die
zusammengestellt einen einzigen großen
Jauchzer bildeten·
-Bris!ow sprach aber nie mit Je
nkand von dieser Liebe zu seiner Mut
ter.
Eines Tages erhielt er den folgen
den Brief: »Lieber Paul Maxima
witsch Brissowi Jrh muß anen tei
der die traurige tsjiittheilung machen«
daß Jhre Mutter im Sterben liegt.
Sie hatte sich iiber den Tod Jhreg
Bruders Trochim, der ihr eben erst
initgetheilt wurde, obschon er schon
lange erfolgt war, allzusehr gegrämt
Sie geht sehr unruhig in den Tod, im
Schmerz darüber, Sie nicht- mehr um
armen zu können. Aber sie schickt
Jhnen tausend Segen. Man wird sie
aus dem Armenlirchhos begraben mitf
sen, wenn Sie es nicht ooteiehem das
Geld für ein ordentliche-It Begräbniß
zu senden. Jch lasse täglich von dem
Probst Slovensli sitr ihre Genesung
beten. Vielleicht, nsenn Sie sich be
eilen, könnte fre- noch die Hände auf
Jhr Haupt legen.
Jhr allezeit treuer
Peter Eipowlowitsch.«
Paulchen wars Scheere und Zenti
meternraß hin und raste zur Bahn. Er
bedachte nichts, er ordnete nichts-, er
hatte tein Gepack. Er war wie eine
Kugel, die-man hingeschleudert hat,
und die ihre gerade Bahn entlang rol
äenßmusn bis sie aus ein Hinderniß
:ö t.
Erst als Paulehen im uge saß,
überlegte er, wie er ohne Pr- -gliicllich
über die Grenze kommen würde. Aber
alle Vorschläge. die ihm seine erhitzte
Phantasie machte, mußten vom Ver
stande verworfen werden.
Der Zug rollte... Paul erduldete
viel während dieser Eisenbahnsahrt.
Die Räder flogen über dir-Schienen,
Städte sausten an seinen Augen vor-«
übers-und er saß unthiiria in einer
Wagenecke und sah es Nacht werden
und wieder Taa——und die Räder
rasten noch immer durch die Welt-—
--— die Minuten wurden zu Ewigkei
ten, und er verzweifelte- keinen Zau
bermantel zu besitzen. Die Räder klap
perten, aber sein Herz tlopste wie ge
wöhnlich. Jn diesem Augenblick lonnte
das Schreckliche geschehen under saß
L-.L-s-— I- h-- Its-l- -:..-- Ess--s.-t.—
lylsbssssl Ill UII UUL loslck LIIsIlIUUIjH
suqu mitten in der gottveraessenen
Welt und las die Tagesneuigteiten
einer Provinzzeitung« unt sich tu zer
streuen.
Er tatn spät Nachts in Max ra
bvwa on. Dort Verließ er den Zug,
that so, als hätte er sein Neisezieler
reicht, und entfernt-« sich langsam von
dem melancholischen Bade-hof. Jn
einer Wirthschast. die an der Land
straße lag, hörte er noch einige Leute
zechenz er ging hinein, bestellte ein
Gläschen Branntwein und Thee und
suchte sich vorsichtig mit einem jungen
Arbeiter anzusreunden, der ihm am
meisten ähnlich sah. Paul Max-two
witsch setzte ihm durch das rasche
Tempo seiner Prosttruse«heftig zu, und
als er ihn ein bischen trunken ge
macht butte, lockte et ihn durch ein
Geldstiick aus die Straße. Er bat den
Arbeiter, ihm aus seinen Namen bis
morgen einen Neisepasze zu besorgen;
er sollte hundert Mart dasiir haben.
Er zitterte, als er es sagte. Es
trieben sich so viel Spione isier he um.
Aber nein, der Bursche wollte icht.
Er hätte vor, in sechs Wochen seine
Verlobung zu feiern. Pein, er wollte
sich nicht in solche Stäntereien einlas
sen. Aber —
Aberii«. -
Er wollte ihn aus einen abseits ge
legenen Fett-weg zu bringen suchen, wo
er sich geiohrlos über die Grenze
schmuggeln könnte. Sie wollten einen
Wa en nehmen. Jn drei Stunden:
tviir n sie in einein beidetrug sein «
und von da hätte er noch eine Stunde
den i Bata Lnrzewo. Dann seies
n dunkel, und wenn er ein wenig
Gl ck t)ittte, und die Posten schliefen.
könnte er morgen-Abend bei seinem
etwa bsur Grenze und noch zwei Sinn
W
Mütterchen sein. Paulchen hatte ihm
alles erzählt.,«
Es war Degen fünf Uhr Morgens
alö er die renzposten witterie· sein
Htkz sagte ihm, daßer an ver Grenze
war. Der Mor en dämmerte schwkt
und trübe herausg. Es war liihl nnd
neblig und die Posten waren nicht zu
sehen· Nun hatte er noch einige hun
dert Schritte. Paulchen sog seine
Stiefel aus und schlich in «triimpfer.
durch die aufgeweichten Wege. Er ging
leise und vorsichtig wie eine Rahe
Sein Herz pochte gewaltig; aber er
dachte jetzt nicht an sich. Er mußte
zu seiner Mutter, mußte sie noch ein
mal sehen. Er wollte dann mit allem
zufrieden -sein,- was- auch über ihn
iommen mochte». Kerker... Sibi
rien... Biertheilung... es war ihm
alles gleich. Es trieb ihn zur Mutter.
O, wenn er sie nur noch lebend traf!
Es war so weit nach Nowogrudoll
Welch ein Gliick, daß es neblig war!
Gott stand ihm gewiß bei. Wenn er
sie noch am Leben fand, dann wollte er
sein Lebenlang fromm bleilsen... nie
sein Loos beklagen . . . immer den Ar
men helfen . ..
»Halt!« schrie es hinter ihm.
Er begann entsetzt, in gerader Rich
tung weiterzulausem Er wußte gar
nicht, wie er über die Grenze gekom
men war. Er lief behende.
»Halt!« hörte er es- wieder rufen.
Der Straßentoth beschwerte sein;
Strümpr aber er raste mit dem Blitz
um die Wette. Er lief im Zickzack, um
der Kugel zu entrinnen, die ihm viel-«
leicht drohte.
»Halt!« schrie es wieder. und im
selben Augenblict zertiß ein Schuß die
Stille des friedlichen Morgens. Paul
liefundlieh aber plötzlich tnatterten
vier oder fünf Gewehre aus einmal . ..
Paulchen machte einen Luftsprung
und brach zusammen...
Als die herbeigeeilten Eoldaienihn
empor-hohem lächelte er. »Ich wollte
— nur — —- zum — Miitterchen«
konnte er noch sagen. Dann verschied
er am Meere
»
Gute Eintheilung.
»Wer sorgt sich bei Euch um die
Bezahlunx der Haushaltusgstechnum
gen? Du oder Dein Mann?«
»Unsere LieferantenF
Begründete Pantoffeln-echt
»...Jnteressirit Du Dich nicht
mehr für fdie reiche Wittwe?"
»Nein, hab’ zu viel Respekt vor ihr
bekommen-: sie lenkt ein sftpierdigee
Autornobit!«
Bett-must
Mutter. »Einer von Euch Jungens
hat wird-.- Rosinen genascht. Ich habe
die Kerne in Eurer Stute an der
Erde gefunden«
Junge: »Das war ich aber nicht,
Monta! Jch habe die Kerne mit hin
unter geschluckt"'
Leim Schiene-innern
»Wollen Sie nicht wenigstens einen "
von den beleidigenden Ausdriieten
z:iriicknehtnen?«
»Hm... übte das »Kameei« ließe
sich reden —- aber den »Schafstopf"
nehm’ ich unter teinen Umständen
zuriick!«
Grob.
A.: »Wie soll ich denn Inein neues
Witzblatt nennens«
B.:" »Ich meine, »Der Trödel
!aden.««
A.: »Warum dcnnFm
f Its »Weil lauter alte SICH-en darin
In .«
—
Er kennt thu.
Junge: »Mutter, heute hat nich der
Lehrer gefragt, ob mich der Vater
tüchtig prikgeln würde, wenn ich eine
schlechte Zeniur mit nach Hause
bringe.«
Mutter: »Nun, was haft Du da ge
sagst-«
»Junge: »Ich sagte: »Mein Vater
harrt nicht, der weiß auch nüte thut
wenn man Prügel betornmt.«
Der Istsichttse Verehrer.