Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, July 06, 1906, Sweiter Theil., Image 10

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    Maives Mitgift
Rontqu von Gurt Darm-dort
(11. Fortsetzung.) !
»Es ist vielleicht undankbar-, aber
Du mußt Nachsichi mit mit haben.
c- wiitde mich zu tief beschämen, eine
äreundlichkeit anzunehmen, die unter
n jeyigen Verhältnissen doch nur
eine versteckte Wohlthat wäre.« ?
»Wie kannst Du das so ansehen,
Metle Nahesiehenden Menschen
Gastfteundschaft zu erweisen, bedeu
tet doch keine Wohlthat —- mn we
in ten aus dem Lende wo jeder Be- «
sn als eine angenehme Abwechselung:
hochwillkommen ist. Uebrigens :
brauchtest Du Lydia nur kennen zuj
lernen, um das Thörichte solcher Be- ?
denklichkeit sofort einzusehen Sie’
M eins viel en vornehme Natur« als
Daß sie nur einen einzigen Augenblick
an die Möglichkeit einer solchen Aus
Iegung gedacht haben könnte. Jch
kann mich dafiir verbürgen, denn ich
kenne sie seit ihrer frühesten Kindheit.
Nach allem, was ich ihr von Dir er
öhlt habe, liegt ihr daran, Deine
reundlchaft zu gewinnen. Sie hat
es mir gesagt, und ich weiß. daß sie
niemals aus bloßer Höflichkeit die
Unwahrheit sprechen würde.«
Er war sehr lebhaft geworden.
denn er wünschte aufrichtig, Malves
Widerstand zu beseitigen. Jhre über
große Empfindlichteit machte ihn et
was berdrießlich, und sie war feinhö
rig genug, den Klang des Unwillens
in feiner Stimme zu spüren. Wie
immer,«wenn sie fürchten mußte, feine
Unzufriedenheit erregt zu haben,
senkte sie gleich einem gescholtenen
Kinde den Kopf. Aber sie gab da
rum doch nicht nach.
»Es ist gewiß alles so, wie Du
kagsi. Aber, wenns auch Deine Cou
ne wirklich so hochsinnig und so vor
urtheilsfrei witte, zu vergessen, daß
ich Gerhard Breitenbachs Tochter bin
— ich selbst, Beend, ich könnte es
doch nicht vergessen. Und nicht einen
Augenblick würde ich einer Angehöri
gen Deiner Familie gegenüber die
niederdrückende Empfindun losma
den, dasz ich in diesem Kreiige doch im
besten - all nur eine Geduldete bin.
Möchtet Du mich dieser Pein aus
sehen, Liebster?«
»Es thut mir weh, Dich so spre
chen zu hören, Malve. Hast Du mir
nicht gelobt, die Vergangenheit gleich
mir a s etwas Abgethanes zu betrach
ten und mich nie wieder durch derar
tige Aeußerungen zu kränken?"
»Ja, Betnd! Doch das galt nur
ür Dich. Dir gegenüber habe ich
"ese bedriickende Empfindung nicht
mehr, seitdem ich weiß, wie stark und
opferrnuthig Deine Liebe ist. Ohne
Widerstreben werde ich alles hinneh
men, was Deine Liebe mir giebt.
Zwischen uns soll niemals darüber
gesprochen werden, wer der Gebende
und wer der Empfangende ist. Deine
Großmuth demüthigt mich nicht und
ich fühle mich vor Dir nicht mehr be
schämt durch die Erinnerung an das,
was hinter uns lief-t. Wohin Du
mich auch führst, allein mit Dir wer
de ich überall glücklich sein. Darum
laß uns, wenn es möglich ist, in ir
d einen weltverborgenen Winkel
lüchten, wo wir ganz uns und unsc
rer Liebe leben können. Keine Dürf
tigteit, leine Noth wird mich erschre
cken. Die Vorstellung aber, der Gast
Deiner Verwandten zu sein, erschreckt
mich. Wenn Du mich lieb haft,
Bernd, mußt Du es mir ersparen!«
Jn seuchtem Glanze waren ihre
Augen voll innigen Flehen-Z auf ihn
Fenster Und sein Unwille wa:
« ng ·verflogen. So theuer waren
then die Frankenhagener Erinnerun
gen doch nicht mehr, so unwidersteh
i lockte ihn der Gedanke an eine
skederke der alten, fröhlichen Tage
nicht, da die zartlichen Worte seines
singen · rbes das Mißvergniigen
ber die «vereitelte Hoffnung nicht
hätte zerfließen lassen sollen, wie ei
nen hauch.
Er schloß Malve in die Arme und
sagte:
»Das ift also abgethan, laß uns
nicht mehr davon sprechen.«
Aber er hielt es für feine Pflicht,
Lydia noch an demselben Tage zu
seh-reiben. Tenn es war jedenfalls
besser, ihrer Einladung zuvorzuionn
men, als sie durch eine Ablehnung
derselben zu verle en. Anfangs hatte
er beabsichtigt, ich eines höflichen
Borwandes zu bedienen, aber er war
bald zu dem Entschluß gekommen,
daß sie um ihrer felbstlosen Freund
lichkeit willen Anspruch auf volle O -
senheit hatte. Und er hegte nach i,
ter lesten Unterredung eine so hohe
Meinung von ihr, daß er-sicher war,
sie Mir ihm und Malve nicht fir
nen, auch wenn die Zurückwei ung
ei guttlgemeinten Anerbietens -
vi eicht etwas Verwendes ·r
B hatte.
in den eiicksichtsvvllsten Worten
er ihr tne Beweggründe bar, die
« Frau bestimmten vorläufig
Jeder Berührung mit seiner Fa
Iil qui dem Wege zu gehen, und
bat her lich, feinem armen, schwer
kpsr ften ibe demnach-es Wohi
Isssen nicht ä- eniziehen, das see ihr
» M die E lavungs nach Franken
hstte beweisen wollen.
TM spukt traf ein Brief
uon Lydia von Tdyrnau an Bernd
ein. Auch nicht die leiseste Empfind
lichieit war zwischen den Zeilen des
langen Schreibens zu lesen.
»Ich verstehe die Empfindungen
Deiner Gattin recht gut«, schrieb
sie unter anderem«, »und ich dante
Dir für die Aufrichtigkeit, mit der
Du ihnen Ausdruck gegeben haft·
Daß meine Gesinnung dadurch
keine Veränderung erfahren hat,
brauche ichDir hoffentlich nicht erft
zu versicheru. Rücksichtslose Offen
heit ist nach meiner Ansicht die erste
Voraussetzung der Freundschaft
und mehr als je bin ich seit dem
Empfang Deines Briefs überzeugt,
daß wir fiir den ganzen Rest unse
res Lebens gute Freunde sein wer
den, nicht nur wir beide —- Du
und ich — sondern auch Deine
grati, die ich, ohne sie u kennen,
reits wie eine Schwester liebe.
Daß diese Gefühle vorläufig noch
teine gegenseitigen sein können. be
greise ich sehr wohl. Denn was
auch immer Du ihr Gutes von mir
erzählt hadrn mögst, es kann mich
ihr doch unmöglich in einem so
«·nstigen Lichte gezei t haben, wie
Fe- mir nach Deinen Ochilderungen
erscheint. Fürchte ich doch beinahe,
daß Du selbst mich noch nicht recht
kennstst und daß die Erinnerun n
unserer Kindertage noch eine a zu
große Rolle spielen in Deinem Ur
theil iiber mich. Wenigstens habe
ich bei unserer letzten Begegnung
diesen Eindruck nicht ganz los wer
den iiinnen. Ueberlassen wir es
also getrost der Zukunft· die An
näherung zustande zu bringen, nach
der ich mich von ganzem herzen
sehne, weil ich in meiner Franken
hagener Einsamkeit ein weni Zer
streuung und liebe Gesellschasg recht
gut brauchen könnte. Man soll
nichts im Leben zu erzwingen su
chen, am wenigsten die Liebe eines
anderen Menschen. Darum daß
es mir eines Tages gelingen wird,
das Vertrauen Deiner Frau zu ge
winnen, he e ich trat alldem nicht
den gering en Zweifel.
Und nun zu etwas anderem. Du
erinnerst Dich des Versprechens,
das Du mir bei unserem letzten
Abschied gegeben hast-? Da ich in
zwischen noch nichts von Deinen
Zukunstspliinen ehiirt habe, nehme
ich also an, daß u nach teine bin
denden Entschlusse gesatzt hast. und
der Vorschlag, den ich Dir heute
machen mdchte, tommt darum wohl
noch nicht zu spät. Jch hörte ge
stern zufällig, daß Gras Rinckleben
Alt-Giitzlow aus süns Jahre ver-:
pachten will, weil ihm nach dem
Tode seines ältesten Sohnes der
Aufenthalt aus dem Lande verlei
det ist und weil er eine Zeitlang
im Auslande leben möchte. Das
wäre, wie ich meine, für Dich ge
rade das Rechte. Du würdest Ar
beit genug- varsinden, denn das
schöne Gut ist in den letzten Jah
ren etwas heruntergewirthschastei
worden und der neue herr wird
tüchtig zugreisen müssen, um es
wieder in die Hö e zu drin n.
Aber der Erfolg i außer azm
theifeh vorausgesetzt, daß es dem
Pächter nicht an dem nöthigen Be
triebskapital fehlt. Als Gut-mach
barin des Grasen kenne ich die
Verhältnisse sehr genau und es ist
durchaus nicht leichtfertig, wenn ist-,
Dir dringend rathe, Dich um die
Pachtun zu bewerben. Es ist
selbstverständlich daß Gras Rind
leben Tit vor jedem anderen Be
werber den Vorzug geben wurde
und ebensowenig ist daran zu zwei
feln, daß er nach Ablauf der ersten
süns Jahre ohne weiteres zu einer
Verlängerung des Pachtvertrages
bereit ein würde. Denn sein jün
gerer ohnist erst dreizehn Jahre
alt und kann vor Ablauf eines
Jahrzehnts nicht an die Ueber
nabme der Bewirtbschastung den
ken. Allerdian ist das erforder
liche Kapital ziemlich beträchtlich,
aber ei wäre wirklich sebr weni
steundschastlich, wenn Du Dis
weigern wolltest, es von mir an
zunehmen. Jch würde es jedem
anderen tüchtigen Manne ebenso
unbedenklich anvertrauen denn
Alt-Gültzow ist in den richtigen
Händen noch immer ein ertrag
reiches Gut gewesen« und ich lause
nicht die geringste Gesabr, etwas zu
verlieren. Wenn Du mir mit ei
nem Wort Dein Einverständnis
zu erkennen giebst, bin ich gern be
reit, mich mit Gras Rinckleben in
Verbindung u sesen und die Ber
handlungen "r Dich zum Abschluß
zu brirgrn Derllmstand, daß wir
mit inetn Einzug aus Alt
Giil nahe Nachbarn werden
wiir n, hat liassentlicthn weder sür
Dich noch siir Frau alve etwas
Abschreekendei. Dein liebes, ängst
liche« Frauchen braucht nicht zu
iirchten, daß ich mich Euch aus
ränzren werde. Und es ist doch
schließlich etwas anderes, ob sie aus
rantenhagen meine Gastsreund
chast genießt oder» obx ans Ali
Stil ow alt Herrin s ltet. Wir
n uns an dem Boden wil
lsrnnimr M rechtigung be
ge inen und von irgend welchen
nlichen Empfindungen tsnnte
nicht die Rede lein. Ueberlege
DiA also vernünftig und fchret
mir möglichst bald, wie Du da
rüber denkst, damit uns nicht ein
anderer bei dein Grafen zuvor
tonimt. Ich habe mich schon fo
verliebt in diese Idee, daß ich eine
Enttiiuschung sehr schmerzlich em
pfinden würde.
Den Onkel habe ich Qeit meiner
Rückkehr nach Franken agen noch
nicht wieder zu Gesicht bekommen
Ich höre. daß er ein sehr einfied
lerifches Leben führt und sich be
ständig in recht iibler Laune be
findet. Es gäbe meiner Ueber
zeugiing nach gar kein besseresMit
tel, ihn mit den veränderten Ber
hiiltnisseii auszuföhnen und eine
Wiederanniihrung herbeizuführen
als wenn Du ihm durch Deine Er
folge auf Alt-Gültzow den Beweis
zu liefern vermöchteft, daß der
Wechsel in Deinem Lebensruf
durchaus lein Unglück für Dich bei
deutet. Gönne mir doch die Freu
de des Bewußtseins ein wenig zur
Befeitigun der von uns allen in
gleichen aße beklagten Entstan
iiung beigetragen zii haben-"
Bernd war anfänglich unenti luf
fen, wie viel er von demJnhalt dieses
Briefes Malve mittheilen falle. Dann
aber hielt er es doch fiir das befie, ihn
ihr einfach zu lefen zu geben
Die liebenswürdige Einleitung
setzte sie ein wenig in Verlegenheit,
denn sie hatte natürlich nicht erwartet,
daß Bernd seiner Coufine die wahren
Beweggründe ihrer Ablehnung mit
theilen würde. Aber als sie dann zii
Lydias Vorschlag betreffs der Guts
pagitung lam, wurde sie sichtlich un
ru ra.
»Du willst das Anerbieten des
eFräulein von Thnrnau annshmen,
rnd?« fragte sie beklommen
»Wenn ich nur an meinen Vor
tbeil dächte, sollte ich es eigentlich
thun«, erwiderte er nachdenklich,
»denn ein günstigeres Anerbieten
dürfte mir schwerlich jemals gemacht
werden. Alt-Gültzow ift in der
That, wie Lydia schreibt, ein ertrag
reichesGut und sie würde mir r
lich keine unbarmherzige Gläub gerin
sein« Aber ich habe mir schon bei un
serer lehten Begegnung das Gelöbniß
abgelegt, keinerlei Geldhiilfe von ihr
anzunehmen und ich denke, es wird
am besten sein. diesem Gelöbniszß treu
zu bleiben. Du bist doch damit ein
verstanden, mein Liebling —- auch
wenn Du aus solche Art vorläufig
noch an das Vergnügen kommst, die
Herrin auf einer großen und sehr
vornehmen Besitzung zu spielen?«
Er brauchte Malve nur anzusehen,
um zu erkennen, eine wie große Last
seine Worte ihr vorn Herzen genom
men hatten.
»Ich weiß wohl. daßDu es nur un
meinetwillen ablehnst«, flüsterte fie,
ihm die Hand reichend, »und ich bin
seibftsiichtig genug, auch dieses Opfer
noch von Dir anzunehmen. Ach,
wenn ich doch etwas recht, recht
Schweres für Dich thun tönnte. um
Dir all Deine opferwillige Liebe zu
ver elien."
mit war Lydias Vorschlag siir
Bund endgültig erledigt. Er schrieb
ihr, daß er sich noch nicht Erfahrung
und Fähigkeit genug utraue, einen
so großen Besitz selbstständig zu be
wirthschoften, zumal, wenn er dabei
auch noch die Verantwortlichkeit fiir
ein ihm anvertrautes Kapital aus
keine Schultern nehmen müsse, und
aß er deshalb seine Kräfte zunächst
lieber in einem kleineren Wirkungs
treise erproben wolle. Die Gründe.
mit denen er ihr seinen Entschlu«
motibirte, waren so verständig, daß
ein so kluges und praktisches Mäd
chen, wie es Lydia von Thnrnau war.
ihnen ihre Anerkennung unmöglich
versagen konnte. Und diesmal hegte
er denn auch nicht die geringste e
surchtung, daß er sie durch seine Ab
lehnung getränkt haben tönnte. —
Schon wurde, da Maloe in einigen
Tagen das Krankenhaus verlassen
wollte, die scrage der Abreise nach
Deu. chland ehr ernsthat erwogen.
als iklrid ihren An eh' eigen eine
grosse eberraschung reitete, durch
ie mit einem Schlage alle ihre bie
herigenheimlichteilen die natürlichste,
wenn aug nach der Meinun der an
deren ni t eben erfreulich Erklä
rung fanden. ,
7 Jhr Schwa er Bernh war es, den
sie eines Alten s zuerst ins Vertrauen
zog. Sie hatte ihn gebeten, einen lled
nen Spaziergang mit ihr zu machen.
und ohne alle Umschweise ging sie ih
tee Gewohnheit gemäß aus ihr Ziel
los.
»Ich werde mich nun doch wohl
schon vor eurer Abreise von euch tren
nen miissen«, sagte sie ruhig, als ob
es sich um eine vollkommen gleichgül
ti Sache fehandelt hätte. »Den-(
ist habe heu e die Bestätigung erhal
ten. daß mein Enga ement als per
selt angesehen wir . Und man
wiin cht, daß ich sobald als möglich
tn ndape eintreffe."
»Dein nwgenient?« fragte er in
einem Ton, als sei er überzeugt, daß
sie sich nur einen Scherz mit ihm
machen wolle. »Und Du sollst in Bu
dapest eintreffen? a. willst Du nicht
die Freundlichkeit den, mir zunächst
einen kleinen Kommentar zu diesen
ntir gänzlich täthselhaiten Andeutun
gen zu sit-beni« ,
««j;ch achte. ihr müßtet es längst
erta hen haben, daß ich mich um eine
Stellung heworhen habe. Jch tann
doch nicht der Manto oder gar Die
dauernd als ein lästigee und nnnii er
Kostgoingee ans dee asche liegen.
.Eine hiihsche Auffassung. das
muß ich ign. Du verdientesi wirt
lich. liebe igrid, daß ich Dir wegen
glcher Worte ernsili böse wäre.
«ber ich nehme bis an weiteres an,
daß das, was Du da von einem En
gagement sagtest-, nur einer von Dei
ken alten, übermüthigen Scherzen ge
wesen ist.«
Statt aller Antwort zog sie einen
geschäfiemiiszig aussehendenBries aus
der Tasche. den er im Licht einer
Straßenlaterne iiberslo und der ihm
in der That jeden Zwei el an ver vol
len Ernsthaftigteit ihrer Worte neh
men mußte.
Herr Bela Hat-kann, der Inhaber
eines photoaraphischen Ateliers in
Budapest, bestätigte darin dem Fräu
lein Sigrid Breitenbach, daß sie ge
gen ein Monatsqehalt von achtzig
Gulden als Empfangsdame und siir
die Erledigung kleinerer schriftlicher
Arbeiten engagirt sei und das-. er ih
Fem baldigen Eintrefsen entgegen
ehe.
Starr vor Erstaunen sah Bernh
seine resolute, kleine Schwiigerin an.
»Was um des Himmels willen hast
Tu da angestellt?« ries er in unver
hohlenem Augen »Du tonnteit doch
wohl unmöglich annehmen, daß wir
einer solchen Laune unsere Zustim
muna geben würden«
Siarid machte ein sehr geiränttes
Gesicht und es tiang trotzig und ent
schieden, als sie erwiderte:
»Die einzige Persönlichkeit. deren
Zustimmung siir mich überhaupt in
srage kommt, ist doch wohl die Ma
ma. Denn ich wüßte nicht, wer mir
sonst noch etwas zu sagen hätte. Und
Du darfst es.getrost mir überlassen,
mich ihrer Einwilligung zu ver
sichern.«
Bernd kannte das Eisenropichen
seiner Echwä rin zur Genüge, um
sogleich einzu ehen, daß er da in der
That nicht den richtigen Ton ange
schlagen habe. Hatte er doch ihre
Charakterfestigteit und Energie bis
her so lebhaft bewundert und ihr nicht
einmal ein Hehl aus dieser vielleicht
etwas übertriebenen Bewunderung
gemacht.
Darum beeilte er sich, freundlich
einzuleuten.
«Nicht weil ich Dir etwas zu be
fehlen hätte, liebe Sigrid, sondern
weil ich Dich lieb habe und der Welt
gegenüber doch auch einen Theil der
Verantwortlichkeit fiir Dein Schicksal
trage. nehme ich mir das Recht, Dir
von Deinem Vorhaben dringend ab
zurathen. Aber wir werden uns na
türlich ohne alle Aufregung und
Verstimmung darüber verständigen.
Er ähle mir doch vor allem, wie Du
au diese Jdee und auf diesen Herrn
Harlanh in Budapeft verfallen bist.'·
Sie schien in ihrem Trotz erst nicht
übel Lust zu haben, ihm jede Ernä
rung zu verweigern. Aber der treu
hexzige Klang feiner Worte und seine
ehrlich besorgte Miene stimmten sie
nachgiebiger.
»Schon an dem Tage, da wir den
armen Papa ur letzten Ruhe beglei
teten, war ich feft entschlossen, mir
sobald als möglich durch meiner
Hände Arbeit mein Brot zu verdie
nen. Es ist mehr als genug, daß Du
außer fiir Malve auch noch für die
Mama zu sorgen hast, und es wäre
eine Sünde, wenn ein erwochsenes
und gebildetes Mädchen wie ich die
Last noch vermehren wollte. die auf
Deinen Schultern liegt. Bitte, unter
brich mich nicht, denn ich weiß ganz
kennt-. was Du mir sagen willst. Ein
o tadelloser Kavalier wie Du wird
Leibstverstiindlich niemals zugestehen,
aß ein junges Mädchen dem gegen
über er Pflichten zu haben glaubt,
ihm zur Last ist. Aber es tommr
schlie lich nicht fo fehr darauf au,
wie u es ansiehst, als wiie es sich
in meinen Augen darstellt. Und mir
wiire es auf die Dauer einfach uner
träglich gewesen. Wir leben in einer
neuen Zeit, in der es nicht mehr als
Schande gilt, wenn ein Mädchen der
gebildeien Kreise sich ihr Brod selbst
— verdient. Darum wandte ich mich am »
Tage nach Papas Beerdigung an ein
Bureau, das Anstellungen sür weib
lickes Personal vermittelt: ich erklärte
sogleich, daß ich am liebsten ein En
gagement nach dem Auslande anneh
men würde. Da ich weder irgend
welche Zeugnisse ausioeisen, noch mich
aus eine gründlichen Vorbildung sur
einen bestimmtenBerus stii en tonnte,
machte man mir roenig Ho snung, und
die Anerbietungen, die mir zuerst zu
lainen, waren denn auch von einer
Art, dasi ich sie gar nicht erst in Er
wägung zog. Dann aber erhielt ich
eines Tages hierher einen Brief diese-Z
Herrn Harlany aus Budapest, der
eine junge Empsangsdaine siTr sein«
Atelier suchte und der an meine Bor
hildun wie an meine Leistunsgfähig
leit eine höheren Anforderungen
stellte, als ich zu erfüllen vermag. El
tvar ihn-« wie er schrieb, iiin ein jun
ges Mädchen auc- gute-n hause zu
hun, das der sranzdsischen und eng
lischen Sprache vollloninien mächtig
und«in den gesellschastlichen Formen
hinlänglich bewundert sei, um mit den
aristolratischen Damen umzugehen,
die seine hanvtlundschast ausmach
ten. Er verlange nur noch die Ein
sendung meiner Photographie, undes
scheint ja, daß mein Aussehen ihni
genic »t. Das Gehalt ist jedenfalls
viel her, als es die meisten Erziehe
rinnen bekommen und der Stellenver
mittler, bei dein ich mich vorsorgli
cherroeise nach herrn Harlany erlan
di te,.hat mir« die allerbeste Auskunft
ii r ihn und iiber den Ruf seines fük
sehe vorneshin geltenden Ateliers ge e
VM Ich ch« Jsp keinen Grund, er
W
Kindes-stunk
,r— L-.--..--,--,.:— . . « - .
»Du, Tante, ist denn der Pegafus ein Besenstiel?«
»Wie kommst du darauf, mein Kind?«
»Papa meinte neulich: jeyt fängt die olle Hexe noch an, auf dem Pt
gasus zu reiten.«
mich bestimmen könnte, ein so vor
theilhaftes Anerbieten abzulehnen.«
»Und doch wirst Du Dich, wie ich
zrsverfichtlich hoffe, zu solcher Ableh
nun entlschließem liebe Sigrid! Von
der riin ung, die Du mir antbust,
wenn Du meine brüderliche Pflicht,
fiir Dich zu sor en. wie eine mir aus
erlegte und vie eicht gar peinlich em
pfundene Last betrachtest, will ich gar
nicht erst reden. Das ist ein Thema,
über das sich eigentlich jeder Gedan-»
tenaustausch von selbst verbietet. Aber
Du bist viel zu jung und viel zu un
erfahren, als daß wir Dich mutter
seelenallein in ein fremdes Land und
unter fremde Menschen gehen lassen
durften. Alle Welt würde uns mit»
Recht die schwersten Vorwürfe ma
chen, wenn wir es thaten.«
Seine Worte hatten offenbar nicht
den aller-geringsten Eindruck auf iie
gemacht. ;
»Ich bin beinahe achtzehn Jahres
alt,« sagte sie ruhig, »und es giebt;
heute viele Tausende von alleinstebenss
den Mädchen, die sich in diesem Alter
unter fremden Menschen ihr Brodl
verdienen müssen, ohne daß man
etwas besonders Ausfallendes darin
findet. Außerdem ist es ziemlich über
flüssig, jetzt noch die Gründe zu su
chen, die möglicherweise dagegen spre
chen tönnten. Denn Du hast ja selbst
gelesen, daß das Engagement abge
nsacht ist und daß ich nicht zurücktre
ten könnte, ohne in einer ganz unver
antwortlichen Weise mein gegebenes
Wort zu brechn.«
»Die Abmachungen Minderjiihrii
ger ben teine Rechtsverbindlichteit,
liebe »sigrid, und ich will es außerdem
gern auf mich nehmen, michs mit
Herrn Hartany gütlich zu verständi
gen.
Da blieb ste stehen und fah ihn mit
einem sprühenden Blick ins Gesicht.
»Wenn Du oder sonst jemand obne
meine Zustimmung etwas derartiges
versuchen wolltest, fvfchwijte ich Dir,
daß ich nach arn selben Tage auf und
davon gebe und mich, wenn sich mir
nichts anderes bietet, felbst alsDienst
tnädcben oder als Fabritnrbeiterin
verhingen würde. Jch lasse mich nicbt
mehr bevormunden, denn ich halte
mich fiir alt genug, um felbft über
mich und mein Schicksal zu bestim
1nen.«
Und mit unbeugsamer Hartnärlig
leit blieb sie bei dieser Erklärung.
Weder Bernds freundliche Vorstel
langen, nach die Bitten und Tbcänen
ihrer Mutter, die bei der unerwarte
ten Eröffnung außer fich war, bet
mochten sie in ihrem Entschluß wan
kend zu machen.
Bernd hatte einige Hoffnung auf
den Einfluß gesetzt, den Maive auf
ihreSchwester hatte, aber er fand zu
seinem Erstaunen bei ihr nicht die er
waxtete Untezstjihung
Wcllll llk Ilcy S clllllUl lll Dcll Alls-is
gefeyi hat,« sagte sie, »so würdet ihr
sie höchstens rnii Gewalt hindern tön»
nen. Und dann beginge sie sicherlich
irgend eine noch viel größere Thor
beit. Wie ich sie kenne, glaube ich
übrigens nicht, daß die Gefahr so
groß wäre, wenn ihr sie gewähren
ließet. Man darf volles Vertrauen
in sie setzen, und sie wird sich irn
Nothsall ihrer Han schon zu wehren
wissen.«
So gelang es denn Sigrid in der
Thai, ihren Willen durchzuseym
Nachdem auch Bernd aus seine in Bu
dapest eingesogenen Erlursdigungen
eine durchaus befriedigende Auälunfi
iiber Herrn Bela harlany erhalten
hatte, wurde vereinbart, daß er seine
Schwiigerin auf ihren neuen Aufent
ljalisort bringen solle, nachdem er zu
vor Malve und die Geheimriiihin in
einem siiddeuischen Bade unterge
br i habe, wo Malve ihre völlige
Krii ii ung abwarten sollte. —
a he war noch sehr schwach, als
sie das Kranlenhaus verließ. Schwer
mußte sie sieh aus den Arrn desGaiien
siiiyem um die wenigen Schritte bis
zum Wagen zurllasulegen Aber wäh
rend dee langen Nr se, die Bernd vor
sor lieh in möglichst viele kleine Ta
essirecken eingetheiltäaitq erholte sie
ich zufrhendt Das liich nicht rnehr
rrsie bisher nur siir einige Stunden,
sondern be ndig in der Nähe des
elrebien annes weilen zu dürfen«
chien eine wunderbar belebende Wir
kung »aus sie auszuüben Voll der
glucksseligsien Erwartung sah sie den
nachien Wochen entgegen, die re mit
Vernd in aller Stille in dein kleinen
fiel-deutschen Bade verleben olltc.
Segrxrn heilte sie außer der umr
au igrid wahrend dieser Zeit noch
bei sich behalten. Aber ihre Schwe
ster wollte von solchen willkürlichen
Aenderiingen der getroffenen Abma
chung nichts hören. Sie blieb nur so
lange, bis Bernd die Gewißheit er
langt hatte, daß die beiden Damen
gut unter-gebracht seien und daß er sie
ohne Sorge aus eini e Ta e verlassen
dürsr. Dann suhr ie in er Beglei
tung des Schwagers nach Budapest.
Sie kam ohne alles übersliissiae Ge
pLict und in einem sehe ein achen
chwarzen Trauertleide an ihrem Be
timmun öorte an. Trotzdem machte
ie auf errn Bela Harlanh unver
kennbar einen sehr günstigenEindruck,
denn der alte Herr, dessen würdiges
Aussehen nnd verbindliche-L Wesen
Bernd recht gut geiielen, nahm ich
ihrer sogleich in sasi väterlicher Weise
an. Er besorgie ihr ein Unterkommen
in einem unweit feines Ateliers gele
genenDanienpensionat und gab Bernd
das seierliche Versprechen, in jeder
Hinsicht aus ihr Wohl bedacht zu sein.
Die ruhiae Sicherheit, mit der Si
grid selbst sich von der ersten Stunde
an in die neuen Verhältnisse schickte,
nöthigte ihrem Schwager abermals
aufrichtige Bewunderung ab. Und als
er nach einein Abschied, den Sigrid
so einfach und so wenig sentimental
als möglich zu gestalten wußte, wie-·
ter den Bahnzng bestieg, iiin zu seiner
sehnsüchtig harrenden jungen Frau
suriietzutelirem that er es mit dem
orsa , sich von diesem tapseren, jun
fen ädchen nicht beschämen zu las
en.
Wenn die wenigen Wochen votiibee
waren-, die nur seinem bäuslichen
Glück gehören sollten, wollte auch et
den Kampf urn das neue Leben mit
jenem Muthe und jenem festen
Selbstdeettauen aufnehmen. «von de
nen dies verwöhntejung Mädchens-)
erstaunliche Proben gege n. Masche
nicht zu schwer gewesen war, mußte
ihm, dem reifen und seiner Kraft voll
bewußten Manne, umso viel leichter
gelingen. Und so wenig er die Be
deutung dessen vertannte, waser zu
gleich mit Malves Mitgift für innnet
aufgegeben hatte, so si er nnd hoch
beglückt fühlte er sich i der Gewiß
heit des ungleich löstlichen Besitzes,
den er in der hingebenden Liebe sei
nes Weibes dagegen eingetauscht.
Wie fchtree auch der Sturm gewe
sen sein mochte, der sein Lebens-schiff
tein ans dee vorbeftininiten Bahn e
worsen, noch brauchte er sich nicht Piir
einen Schiffbrüchigen zu halten, denn
noch fühlte ee in seinen jungen. e
fnnden Armen die Kraft, das Fa !
zeug, das eine so köstliche Ladung
leug, zwischen Klippen und über Un
tieer dein bekgenden hafen zuzu
steuern.
iFortsetzung folgt.)
-—--—.-s.s-—-—
Alle Mächte betonen immer wieder
ihre friedlichen Absichten, ihre große
Friedens-liebe Aber keine davon hat
einen Frieden-L- und jede davon einen
Kriegsminister.
J I f
Der im Haag zu erbauende Frie
denspalast soll ein sehr geräumiges
Gebäude werden. Jm Falle eines
Krieges könnte man es als Baracke fü
die Truppen benagen.
if I O
»Vater,« fragte der wißbegierige
Knabe, wenn eine Lenne drei Wochen
auf Eiern gesessen at, ohne sie aussu
briiten — sind sie dann noch guts«
»Zum Essen taum, mein Sohn —
aber das einzig wahre Ding für die
Schaubiihne oder politische Versamm
lungen.«
« s- i
Paris baut einen Tunnel für gut
Sänger. Die einzige Rettung fiir u
gänger vor den Autornodilen, sich us
ter die Erde-zu vertriechem
i
Warum sich eigentlich die Auslös
der noch über uns beklagen ist unbe
reiflich, denn erstens l«nnen sie hier
fabrizierte Artikel bis zu sechzi pro
zent dilli er taufen als wir un dann
nehmen uns das gute Fleisch auch
vor der Nase weg.
i « i . »
Wie aus dem Westen berichtet wird,
ist der ursprüngliche Deadwood Dick,
der held o mancher Dime-Novellen,
als Kau ummi - hausirer in hohem
Alter ge orden· Die Ideale unserer
tatenlustigen Jugend werden täglich
seltener.
t- b
»Es ist mir Wurst« sollte niemand
mehr so leichtsertigdahinsagen. Man
weiß ia gar nicht; was in der Wurst
drin ietn mea.