Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, June 01, 1906, Sweiter Theil., Image 14

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    Der Deferteur.
Roman von O. Elfter.
1. Kapitel.
Eine Gren z-Garnison.
Die kleine Festung Lützelburg war
ein wahres Felsennest. Aus dem
Kamme der Bogesen gelegen, waren
eine Wälle und Kasematten direkt in
ie Felsen hineingesprengt und ge
hauen, so daß die deutschen Geschütze
1870 der kleinen Festung selbst nichts
anhaben konnten, wenn sie auch einen
Theil der Stadt und die alte, schöne
Kirche aus dem Marttplatze, der Place
d’armes zu französischen eiten, in
Schutt und Asche legten. « her dieser
Stadttheil war dank der Entschädi
gungen, welche die deutsche Regierung
zahlte, rasch wieder aus den Trüm
mern auferstanden, und die Kirche
erhob sich schöner denn je über die sie
umgebenden Häuser, obgleich erst
einiae Jage seit dein Friedensschlusse
swichen eutschland und Frankreich
ver lassen waren.
age en waren die Festungswerke,
welche Jahrhunderte lang den feind
lichen Geschützen getrotzt hatten, zer
fallen und zertrümmert. Lützelburg
war von der deutschen Militärverwal
tung als Festung aufgegeben, auf die
Erhaltun der Festungswerte war
kein Flei mehr verwandt, die Grä
ben wurden theilweise zugeschiittet,
die Wälle zutn Theil niedergelegt und
in den Felsengräben wurden Steine
gebrochen, die zu anderen Bauten ver
wandt werden sollten.
So machte denn die sonst so
—chmucke kleine Festung einen recht
·ßlichen Eindruck, da sie sich noch
mitten in der Periode der Umwand
lung eines befestigten Platzes in ein
offenes Landstädtchen befand, und
man konnte es dem jungen Jägerof
izier, der mit dem Postwa en durch
S dunkle noch stehende hor der
vormaligen Festung fuhr, nicht ver
deuten, wenn sich aus seinem hübschen,
jugendlichen Gesichte Zeichen des Miß
wuths bemerkbar machten. .
Der Unterschied zwischen seiner
güheren Garnison mitten rm Herzen
eutschlands, in— dem herrlichen Thu
ringen und seinem jetzigen Bestim
mungsottwar aber auch zu groß und
ltsroorstecbendl Dort eine freundliche,
tleineResidenzstadt, umgeben von herr
lichen, sorgfältig gepflegten Protnenc
den und Gärten wohlhabender Villers
besitzen hier ein halbverfallenes
Städtchen auf lahler Anhöbe und mit
einem schroff absallenden Glacis.aus
dem kaum einige erbärmliche Busche
wuchsen, da währen-d der Belagerung
alle hoben Bäume niedeJrJgelegt waren
und man sich nicht die ühe gegeben
hatte, neue Anpflanzungen zu machen
Dort eine säubere Stadt mit freund
lichen, breiten, gutgepslasterten Stra
ßen, Bier finstere Gassen und Gäßchen
mit olprigem Pslaster und kleinen
Häusern, deren retödetes Aussehen
oft anzeigte, daß sie überhaupt keine
Bewohner hatten. Dort eine heitere,
entqegenkomrnende Bevölkerung, die
selbst einen übermüthigen Streich der
jun en Ofsiziere gern verzieh, hier
girrtere Blicke, die in jedem Soldat-en
es neuen deutschen Reiches den ge
siirchteten »Prussien«, den verhaßten
Eroberer, sahen
Nur einigermaßn versöhnt wurde
der junge Ofsikier mit seinem neuen
Aufenthaltsort durch den Anblick der
grünen Berge und Wälder der Voge
sen, welche sich in klein-er Entfernung
um das Städtchen lagerten und herr
liche Spaziergänge und Aussliige ver
sprachen.
Jetzt rumpelte der alte Postomni-—
bus über die noch in rostigen Ketten
hängende Ziehbrücle und hielt nach
einigen Minuten vor dem ,,Hotel de
Straßbourg«, in dem der junge Offi
zier vorläufig Quartier bestellt hatte.
Als er aus dem dunklen, dumpfen
Postomnibus herauslletterte. ries eine
rähende Stimme:
llohl haeald... wo zum Hen
Ier leibst Du so lange. Schon seit
einer halben Stunde warten wir aus
Dicht« » . -
Harald wandte sich um und sah in
das lachende Gesicht seines Freundes,
des Oberleutnants Ludwia Krum
holiz, oder Lulus, wie er von feinen
Kameraden genannt wurde, der ihm
beide Hände entgegenstreckte Noch
mehrere andere jüngere Ossiziere stan
den neben ihm; scheinbar hatte man
an den kleinen runden Tischen vor
demCase gesessen, welche die eine Seite
des Hotels einnahm, Während sich-auf
der anderen Seite die gewöhnliche
gaststuke Und Bierausschant befan
n.
Herzlich schüttelten sich die seit Zwei
Jahren getrennten Freunde die Hände
und auch die anderen Kameraden
wurden freundschaftlich begrüßt.
Das Bataillon lag erst seit weij
a ten in dem kleinen lothringi chen
. Der Abschied aus der thü
ttniischen Heimath war damals allen»
geworden und allgemeindi
tte man harald von Deineck benei-«
Iet- der als Adjntant des Bezirks-»
«andoi m der schönen Heimath
" due . Aber wie alles ein
M hat, o auch das angenehmes
Marcabo roth-, der jetzt zu sei-»
sm- ycäivnpsk löst-F kinskiiickigÆuml
M . ten zter e ne ju
sMr bei dein beimathlichen Bezirks
Wasds zu überlnsiert ,
M wohl ein bischen erstaunt ge
wefen ob Teiner neuen —Residenz, ha
rald!« meinte »Lulu« lächelnd. »Es
sieht hier freilich nicht gar zu lieblich
aus, aber tröste Dich, mein Junge,
einen guten Schoppen Wein gibt’Z
hier und gute Jagd —ich habe selbst
letzten Winter einen Wolf zur Strecke
gebracht —- und dann -— schau Dir
mal dieMEoels da an!«
Er zwinlerte oerfchmitzt nach zwei
jungen, einfach aber elegant gekleide
ten Dornen hinüber, welche über den
Platz zur Kirche schritten.
Die eine von ihnen, eine etwas
rundliche kleine Brünette, warf ver
stohlen aus ihren braunen Augen
einen lächelnden Blick auf bie jungen
Offi;iere, um die Augen sogleich wie
der ziichtig zuseniem da sie bemerkte,
daß die Blicke der Osfiziere' ihnen
folgten. Die andere, eine zierliche
kfchlanle Figur mit prächtigetn asch
l blondem Dann einenr reisenden erlan
ten Gesichtchen, dem die dunklen Au
Igenbrauen und Wimpern einen eige
nen Reiz verliehn, sa ruhig vor sich
nieder ohne von den ffizieren irgend
l
welche Notiz zu nehmen
»Jn der That nicht übel,« entgeg
nete Harald lächelnd.
»Na, na, nur nicht so obenhin,«
sagte Lulu lachend. »Du scheinst ja
org verwöhnt zu fein, mein Sohn.
Sieh Dir die jungen Damen von
Lüxlburg nur erst einmal in der
Nä an, sie halten den Ver leich mit
unseren heiniathlichen Ven com-kräu
lein schon aus. Rein französischesI
Blut und Pariser Chic.« T
»Du bist ja ganz begeistert! Kennt
thr die Damens«
»Wer sollte die schöne blondeMa
Hdemoiselle Henriette und ihre kleine
erfche Kousine Mademoiselle Julie
nicht kennen s«
»Aber nihr grüßet ja nicht einmal. «
JAuf Geiß- Fuß stehen wir mit
jenen nicht Wer s einmal versucht hat,
sie zu größer-, der erhielt als Ant
wort nur einen vernichtenden Blick
aus den blauen Augen Maderno iselle
Henrietteä, während die braunen Au
gen Madernoiselle Julies ihn sehel
miseh anhlitzten. Du mußt nämlich
wissen baß Henriette die Tochter des
Monsieur Jean Hauviller ist, deg
größten Preußenfrefsers, zugleich abers
reichsten Mannes der Stadt, Mode
moiselle Julie ist eine arme Nichte
aus dem Elsaß und führt den urdeut
sei-en Namen Meyer der hier aber
stanzösisch Mejere ausgesprochen
wird . .. doch Du wirst das alles noch
erfahren! Jetzt komm, wir haben Ern
« Cafe ein frugaleg Abendessen für Di eh »
HHoffentlich bist Du nicht zu ermüdet,
i
)
bestellt und eine tleine Mai- Borvle
aus gutem Elsiisser Wein angesetzt.
um eine Stunde mit uns zusammen
zu ein.« »
Durchaus nicht Jeh habe letzteE
Na«cht in Straßburg loairt und die
zweistündige Eisenbahnfahrt hierher
hat mich nicht angestrengt. Schlim-«
mer war schon die Omnibusfahrt —
deit wurde man tüchtig durchgeschüt
te «
»Glaud’s schon Unsere Beförde
runasmittel find hier noch etwas vor
sintfluthlich. "
Damit nahm Lulu den Freund
unter den Arm und führte ihn in das
Case, wo der Tisch schon gedeckt war.
Das Case bot den gewöhnlichen An
blick solcher französischen Lotale. Am
oberen Ende das »Kontor«, wo »Ma
dame« vor ihrem dicken Anschreibe
ibuche und der Kasse thronte, in der
i
» versehener Tisch, an den Seiten einige
)
i
Mitte ein langer, mit Marmorplatte
xtleinere Marniortischt, an den Wän
den einiae alte Bilder, Antiindigungs
und Reklameplatate, und hinter deml
,,'«Kontor ein Glasschrant in dem
die oerschiedenartigsten Litöre in bun
ten Flasche-: pra ten.
Den unteren heil des Saales»
nahm ein altes Billard ein, dessen
jgraugriines Tuch die Freude der
"Liinelburger an diesem interessanten
Spiel bewies.
Zwei sauber gekleidete, einfache·
lMädchen und ein mit weißer Schürzei
aeschmiickter »Vineta« besorgten dies
Bedienung nach dem Kommando voni
«Madaine«, während »Monseeur«
seinen Geschäften außerhalb des Hau
ses nachgina oder drüer in der Gast
und Schantstube mit seinen Französi
schen Gästen Domino spielte und Ab
stsnth dazu trank.
Aus dem Cafe hatten sich dieseI
französischen Gäste fast aanz weggesz
wöhnt, da die deutschen Ofsiziere das
selbe zu ihrem Stammiotal qewähli
hatten, in dem es ost sehr lustig und
etwas getäuscht-all zuging. Nur einige
ältere Herren der französischen Bür
gerschaft, ein alter pensionirter Kapi
tän und mehrere Beamte, besuchten
aus alter Gewc beit noch das Case
und eraötzten si auch an der harm
losen Lustigkeit der jungen deutschens
Ostizierr. « ’«
Von einer deutschen Zivilbevölle
rang konnte man in dem kleinen
Grenzsiädtchen kanns reden. Da war
nur der Oberiörster, der Apotheler,;
der Steuereinnehmet und mehrere«
Unteebearnte deutsch, die aniöfsige Be- s
völteruna aber war durchgängig ran- s
z.ösiich. wenn auch start mit elsä sisch- s
deutschen Elementen vermengt. s
n heiterem Gespräch und Aus
tau cb der Gedanken verflvß den jun- :
l . e
gen Ossizieren die Zeit. Vatald mußte
von der Heimath erzählen, die ande
’ren gaben ihre Erle nisse in der klei
-nen, abgeschlossenen Welt zum besten,
Hin der man hier lebte.
i .Wenn man nicht manchmal nach
IStraßburg oder Nanch hinüberrut
sscben könnte, wars hier wahrlich nicht
«auszuh.rlten," meinte mürrisch ein
;älterer Oberlentnant. der schon seit
Ieinigen ahren aus den zweiten Stern
in den «paulettes wartete.
»Ja, aber Rauch ist ein gefährliche-Z
Terrain,'« entge inete Lulu. »Man
muß sich verteufelt in acht nehmen,
nicht abgefaßt zu werden« Es ist streng
verboten, ohne Urlaub die Grenze zu
aberschreiten.«
»Pah, man lommt schon durch,und
wenn man aut sranzösisch spricht,hat
man in Nach nichts u befürchten
Die Franzosen sind höliche Leute.«
»Und vor allem die Französinnen!«
Alle lachten. Man wußte. daß der
Hoiszmuthige Oberleutnant eine heim
jliche Liebe in Nancn hatte.
; »Die slotten Französinnen sollen
j leben!« ries Lulu und erhob das Glas.
J Man stieß lachend zustimmend an.
i Jn diesem Augenblick wurde die
HThrir des Gase-J geöffnet und die
lange Gestalt des Bataillonsadjutan
ten, Leutnantg von Fuchs-, trat rasch
herein· »
. »Guten Abend, Fuchs·« tres man
ibm zu. »Na, hast Du endlich mal
Zeit?«
- Der Adjutant war dasur bekannt,
»daß er »niemals Zeit hatte«. Das
war so seine Redensart; selbst mitten
in der Nacht, wenn man ihn zu einer
Partie Stat aussorderte, entschuldigte
er sich damit. dasz er »teine Zeit habe«.
Die Wichtigkeit seines Amtes
prägte sich denn auch aus seinem in
ernsten Falten liegenden Gesichte aus.
»Ja, spottet nur, Jbr jungen
Dachse,« entgegnete er. »Ihr macht
Euren Dienst und dann seid Jbr ser
tig, während unsereins niemals über
seine Zeit verxügen tann.«
»Na, begrii en wir nur erst einmal
Harald.'«
»Ah, Heineci —sind Sie glücklich
angekommen? —- Der Kominandeur
sprach schon von Jhnen heute. Müssen
morgen gleich in Dienst . . . aber,
Kinder, gebt mir erst einmal etwas
zu trinken. Jch bin fast verdurstet.
Seit Mittag sitze ich und schreibe mir
die FFinger alhm.« .
» a nu, was gibt's denn?«
Aber ehe der Adjutant antwortete,
trank er ein großes Glas Bowle mit
großem Wohlbehagen aus. Dann
legte er sich an den Tisch, streckte die
langen Beine weit von sich aus und
sagte mit lauter Stimme: »Ja, was
gibt’å?——Der Teufel ist einmal wie
der los. Wißt Ihr nicht, daß schon
wieder ein Kerl ausgetnissen ist?«
»Nein Wortl«
»Heute Mittag meldete es Haupt
mann Faltenbagen. Das ist nun
schon der dritte«Deserteur in dem letz
ten Yierteljahr. Da muß der Teufel
hinterstecken Der Major ist wütbend
tännt Jbr Euch denken. Na, und
bei der Division und beim Korpa gibt
das wieder einen Mordgspettatel.«
»Drei Deserteure in einem Viertel
jahr? Das ist allerdings seltsam! Un
sere Leute dienten doch sonst gern,«
sagte Harald.
»Ja, sie haben’s ja auch gut im
Bataillon. Dei-Alte sorgt sür sie wie
sür seine Kinder. Aber bei dem letzten
Ersatz hatten wir einige Elemente, die
nicht zu den übrigen Retruten paßten
internatioi.ales Volk aus den
Fabritdistritten In denen steckt der
- eusel. Wenn man nur wüßte, wer
ibnen über die Grenze hilft.«
»Sie meinen, daß diese Desertionen
planmäßig betrieben werden?«
»Ohne ziweisei. Man müßte die
Kerle son an der Grenze, die sehr
scharf bewacht wird, wieder einsamer-«
Aber sie müssen Helfershelser hagein
die ie hinüber schaffen.«
« n Nancy vielleicht?«
»,, ein, das glauben wir nicht.
Näher, viel näher... Doch still, da
kommt der alte Kapitäm Der darf
nichts hören und Madame spikt auch
schon die Ohren. Der Kuckuck traue
diesen Franzosen. Schentt mir noch
einmal ein.«
Das geschah, und das Gespräch
wandte sich wieder allgemeineren Ge
gen "nden zu.
» s war Mitternacht, als sich der
fröhliche Kreis trennte, und harald
mti etwas schwerem Raps sich zur
Ruhe begab.
Gortsesung solgt.)
-——
Wer dir ganz genau sagi, was er
an deiner Stelle tun würde, ist sel
ten darüber im Klarem wag et an
feiner eigenen Stelle zu tun hat.
If « If sit
Jm Tabah - Streit spielt der Rhe
d2l7- von Aegypien die Rolle ver
Stummen von Potiici. Nix tau
l
seggen . « «
Der Mensch ist das hungrige We
sen schlechtweg. Nur das Tier ist satt,
wenn es gegessen hat.
U O O
Olymp-logischen Wenn Amor
Geldsotgen hat, läßt sein Betusseiset
nach.
O O «
Die Siandard Oil Co. sagt, daß
sie leine Untersuchung fürchte. Wahr
scheinlich hal ihr der Verlauf des
Prozessei gegen den Zleischttust Mut
gemacht
f s
Höchste Gmanzipaiivm Dame ler
ziihlend): »Als ich aber so mutterste
lenallein im Walde umhetirele, da
überweibie mich das vie Angst.«
v—
Roman von G. Graddom
.
(20. Fortsetzung und Schluß.)
Jn weniger denn einer Stunde war
Alles geschehen, hatte der Verbrecher
seine Seele ausgehaucht Außer dem
Gerichtsbeamten, um welchen man ge
schickt, hatten noch mehrere andere
Personen sein Belenntnisz entgegenge
nommen nnd als Zeugen unterschrie
ben, dann hatte er leise zu Redmann
gesagt:
»Verzeihen Sie mir, Ihnen habe ich
das größte Unrecht zuge ügt, aber nun
iit Alle-«- vorbei. Sie haben einen
schönen Schuß abgeieuert, leben Sie
wohl und verzeihen Sie mir alles
Böse, das ich Jhnen zugefügi."
Redmann nahm das Schriftftück
an sich, welches für ihn von so großer
Bedeutung war, und nachdem der
Verhrelter die Augen geschlossen,oers
ließ er das Gemach und sperrte dessen
Thür sorgfältig hinter sich ab.
Als der Priester und der Arzt daz.
Hang verließen, fuhr gerade ein Wa
gen vor. Aha war es, die demselben
entstieg. «
»Meine Tochter, mein Kind," rief
ermanm als er ihrer ansichtig ward,
und hastig eilte er aus dem Zimmer.
um Loaiz Mädchen in die Arme zu
n.
»Meine Ada, diese Stunde unschä
d:gt mich für ein ganzes Leben der
Bitterkeit und Qual.«
Das junge Mädchen tlammerte sich
zitternd an den Arm des Vaters-, es
war unbefchreiblich bewegt und Tod
tenblijsse bedeckte ihre Züge.
»Setz’ Dich hier nieder, Ada, dann
wollen wir qur Mutter gehen.«
Seine Stimme zitterte vor Freude
und Liebe.
Ada, die einen Brief in Händen
hielt, wies au einen Polizeimann und
bot ihm das schreiben dar.
»Wir haben nichts mehr zu fürch
ten, mein Kind,« sprach er, nachdem er
es überflogen, »der wirkliche Mörder
hat Alles gestanden; er befindet sich
im anstoßenden Zimmer. Wir wer
den von nun an so glücklich fein tön
nrnl Nun aber," fügte er hasiie hinzu,
»trinle vor Allem hier dieses Glas
Wein! Du siehst volltommen erschöpft
aus und bedarfst der Eritis-hung
Dann erzähle mir, wo Du mit jenem
Schurken Tredegar gewesen. Den
Brief, welchen Du mir gebracht, werde
ias der Polizei übergeben«
Redmann entfernte sich für wenige
Augenblicke, dann nahm er an der
Seite des jungen Mädchens Platz und
streichelte liebtosend dessen Hand.
»Beruhige Dich, Kleine, und er
zähle mir Alle-. Ich tann Dich ja io
gut begreifen, der Spitzbube hatDich
auf irgend eine Weise hintergangen.
Er drohte Dir vermuthlich damit.
daß er mich ins Zuchthaus schicken
lönne und hat Dich auf solche Art
ganz unbeschreiblich erschreckt. Viel
leicht lockte er Dich auf das Schiff
durch die Vorspieaelung, daß ich mich
auf demxelben befinde-« ·
»Aller ingr, Vater, so ist es eewe
sen. Er sagte, Du seist mein Vater,
und dag wenigstens war die Wahr
heit —- nicht fo«
»Ja, meintLiebling Gott feiDanll
Nun erzähle mir aber, auf welche Art
Du ihm entkommen und wie Du hier
her gelangt bift.«
Rasch sa te Ada ihrem Vater Alles
und er lau ehre verblüfft und befrie
digt ihren Worten.
»Der Spitzbube befindet sich jetzt
im Haufe feines Vaters, wie Du
sagst? Wie dankbar will ich dem
Steuermann fein, welcher es Dir er
möglicht hat, zu entlommen und hier
her zu fahren. Die arme Poldi Spi
cer, ich tenne das Mädchen; sie ift
eitel» aber harmlos und utmüthia.
Wir müssen unser Möglichtes für sie
nnd ihre Mutter thun. Da sie Jvan
Tredegar angefchossen hat, wird sich
ia wohl verheimlichen lassen. Schade,
daß die Welt nicht um einen Schurken
ärmer geworden. Nun aber müssen
wir in erfter Linie an Deine Mutter
und an Deinen Verlobten denken; sie
sind Beide halb wahnsinnig vor Ver
zweiflung.«
Thriinen standen in feinen Augen,
während er die Tochter küßte und
zärtlich fora :
»Komm, da, hier isi von jth an
nicht mehr mein heim, i lege den
Namen Redmann ab un bin nun
wiedergfranz North. Frei und offen
kann i der ganzen Welt in die Au
gen sehen. Jch in wieder jung ge
worden, das Leben beginnt von
Neuem für mich. Jch muß meiner
Hauihälterin nur einige Befehle erk
theilrn, dann will ich an- Evlin tele-«
cranhjren und ung einen Waan des
stellen, der uns nach Schlos- Deverill
bringen soll. Watte hier einen Au
genbiict auf mich, Liebling, ichtehre
gleich wieder zurück.«
Der Mann, welcher Jahre hindurch
stets diistee und in sich gekehrt gewe
sen, schien mit einem Male aufzu
leben. Er besorgte hastig Alles, was
er sich vorgenommen, und das Tele
aramin, weiches er an Guido Coiin
expedirte, lautete wie folgt:
»Ada ist bei mir wohl und gesichert,
theilen Sie es ihrer Mutter mit. Die
Rache hat Tredegar erreicht. Von
heute an·isi mein Name geklärt und
ich bin ein freier Mann. Habe viel
zu er ählen und werde Abends um
acht br mii Ada auf dem Schlosse
eintreffen.
Franz North.«
—------«o—.-·-—-——
Drei Monate waren vergangen.
Die Gräsin Feston saß in ihrem Dou
doir und schrieb einen Brie an ihren
Jugendsreund Oberst Rayson, der vor
längerer Zeit nach ndien berseht
worden und welchen te gerne über
Alles in Kenntniß hielt, was in der
Heimath vorging.
»Ich habe versprochen Ihnen ge
nauen Bericht iiber die Cretgni evon
Deverill zukommen zu lassen,« chrteb
sie unter Anderem, »und iann nur
Gutes melden. Alles ist in schönster
Ordnung, und ich bin nun überzeu5«t,
daer der phantastischste Nomancier
noch weit hinter der Wirklichkeit zu
rückbleiben kann. wenn man Alles,
was er ersindet, rnit dem vergleicht,
was der arme Franz North erlebt hat,
Jahre hindurch weilte er in unmittel
barer Nähe seiner rau und seines
Kindes, ohne daß irgend eine Men
schenseele es gewußt hätte. Die schöne
Ada und ihr Verwandter verliebten
sich dann miteinander, und von jener
Zeit an solgte ein Ereianiß nach dein
andern. Natürlich hat die ganze Ge
gend seit Wochen von nichts als von
dieser interessanten Geschichte geredet.
Guido Colin und Ada North sollen
gleich nach Weihnachten heirathen —
ich selbst bin zur Hochzeit geladen.
Jvan Tredegar ist von irgend einem
armen Mädchen, das er hintergangen,
angeschossen worden, und wie man
mir erzählt, hat sich Laura Thornley,
mit der er einst verlobt gewesen, dazu
Trgegebem ihn zu pflegen, ihn dem
· ode abzuringen Man behauptet
er sei ein Anderer geworden. Edith
Tredegar hat ihre Netze nach dein nei
chen Grasen Frelands ausgeworfen;
ob es ihr gelingen wird, ihn zu an
geln, das weiß der Himmel!«
eDie Weibnachtszeit war getommen,
und Franz North, welcher in all’ seine
Rechet eingesetzt worden war, beging
dieselbe in feierlichster Weise, indem
er ein großes Fest aus Schloß Deverill
gab. Allerorts herrschte regste Freude
Am Shlvesterabend endlich fand die
Trauung des jungen Paares statt,
und unter den lauten Jubelrusen der
Landbevölterung, welche in dichten»
Schaaren herbeigeeilt war, um das
junge Paar zu sehen. sliisterte Guido
von Colin seinem Weibe zu:
»Endlich mein, inein geliebtes Al
venveilchen!« »
Eine Welt voll Liebe lag in dein
Blick. welchen sie taus ihn richtete, wäh
rend sie leise und zärtlich entgegnete:
»MeinGatte, mein geliebterGatte!«
sEnde)
—-.--—
Uebung der trefflichen Schise tu
Port III-thue med Ischenmuuk
Die Ausbrsserung der russischen Li
nienschisse Zäsarewitsch und Retwisan
und des großen Kreuzers Pallada, die
bei dem Torvedobootsangriss in der
Nacht vom R. zum 9. Februar 1904
mehr oder weniger beschädigt wurden,
hat seinerzeit berechtigtes Aufsehen er
regt, weil sür sie teine ausreichenden
Doclanlagen zur Verfügung standen,
und die Rassen in der Verwendung
hölzerner Kasten ein Ersaymittel schas
sen mußten, dessen Benutzung in die
sem Umsange bisher nicht erprobt war.
Die Ergebnisse-haben wie ein deutscher
Blatt schreibt, hierbei gezeigt, daß man
bei sachgemäßer Ausnutzung aller zur
Verfügung stehenden Hülsgmittel auch !
ohne den Besitz von größeren Dockan- ’
lagen umsongreiche Ausbesserungen an
Schissen vornehmen kann, die sie be
sähigen, an den weitern Krieqsoperw
tionen theilzunehmen Die Ertenntniß
dieser Thatsache ist sür jedenKrtegsüh
tenden, der nur im beschränkten Maße
über ständige Neparatureinrichtungen
versügt oder der durch die überseeischen ;
Operationen gezwungen ist, sich einenj
vorübergehenden Stützvuntt zu schaf- ?
sen, von außerordentlicher Wichtigkeit. ;
Verdienen diese Leistungen der Russen s
schon allgemeine Ausrnerlsamteit, so ist
dies für die Arbeiten der Japaner bei
der Hebung der russischen Schiffe in
Port Arthur und Tschemulpo in noch l
höherem Maße der Fall. Wie um
fangreich die Ausgabe war, geht dar
aus hervor, daß es sich in Port Arthur
um die Hebung von 4 Linienschissen,
1 Panzertreuzer, 1 großen Kreuzer,
3 größern Torvedosahrzeugen und 7
Damvsern der Handelsmarine handel
te. Sie besaßen Zusammen eine Was
serverdrängung von 80«801 Tonnen,
von denen nicht weniger als 65,819
Tonnen aus die Krieg-schiffe kamen.
Außerdem waren noch zu heben in»
Tschemulpo der große Kreuzer Warjag
von 6568 und ein Transportschiss von
2415 Tonnen sowie in der Tairenbucht
ein Dampser von 802 Tonnen. Au
ßer diesen Schiffen, die bereits alle
geborgen sind, hossen die Japaner in
Port Arthur noch 4 Kanonenboote und l
5 Torpedobootzerstiirer heben zu tön- ’
nen. »
Die Schwierigkeiten bei der Hebung
der Schiffe in Port Arthur waren ge
ringer als die in Tfchemulpo. Die
Schiffe lagen hier bei mäßiger Krän
un in verhältnismäßig flachem
Hoffen Die Gezeitenftröntung war «
nicht fehr erheblich. Bei Niedrigtvaffer :
ragte das Oberdeck der meiften Schiffe «
über die Wasseroberfläche hinaus. Da- I
bei waren die durch die Befchießungi
angerichteten Schaden geringer als ?
man anfangs glaubte annehmen zu
rnii en. Ebenso halten die von denl
Nu en kurz vor der Uebergabe an den .
Schiffen zur Entzündung gebrach
ten Schießtoolladungen nicht-den Er- ;
folg gehabt, den man damit beabsich-’
tigte, d. h. die Schiffe vollftändig un- ;
brauchbar zu machen. Das größte!
Lec, das erzielt wurde, traf man auf
dem großen Kreuzer Pallada an; es
hatte eine Ausdehnung von acht zu
fünf Metern. Die Hebung der Schiffe,
vie bei allen Fahrzeugen fast in der
gleichen Weise erfolgte, wurde dadurch
vorbereitet, daß zunächst sämmtlicheGes
schliße und beweglichen Theile entfernt
wurden. Darauf dichteten Taucher alle
unter Wasser befindlichen Oeffnungeu
ab. Als Dichtungsmaterial wurden
außer Holz, Segeltuch und Werg vor
nehmlich Bleiplatten und Kiti ver
wandt. Nach Bendigung dieser Vor
»bereitungen erfolgte das Leerpuinven
der Schiffe durch zwei Pumvendamo
vfer, von denen einer 3000, der andere
4000 Tonnen stündlich zu fördern im
stande war. Außerdem wurden an
Deck der Schiffe eine große Zahl von
Saugpumpen und ein Dampftesfel zu
ihrem Betriebe ausgestellt. Weitere
Dampflessel sowie eine elektrischt Licht
maschine befanden sich auf Prabmen,
die längsseit der Schiffe gelegt werden
konnten. Außerdem waren die von den
Rassen in Dalny zurückgelassenen
Doctpumpen nach Port Arthur ge
schafft worden, wo sie vorzügliche
Dienste leisteten. Mit diesen Hilfs
mitteln war es so beispielsweise bei
dem Linienschisf Retwisan, dessen He
bung die größten Schwierigkeiten ver
ursachte, möglich, in der Stunde eine
Wassermenge von 16,000 Tonnen zu
bewältigen, während die bei Hochwas
ser im Schiff befindliche Wassermasfe
etwa 25,000 Tonnen betrug. Mit die
sen miicbtigen Pumpanlagen gelang es,
»die Schiffe nach und nach wieder flott
Hin machen. Nachdem hierauf die
Schiffe vom Schlamm gereinigt und
’die Jnftandsetzung der Mafchinen und
die dorläusige Dichtung der Lecks er
ledigt waren, sind sie zur vollständigen
Wiederherstellung aus die verschiedenen
japanischen Werften vertheilt worden.
Die Fahrt dorthin konnten einige
Schiffe, darunter die Linienschisfe Pe
reswjät und Poltawa, ohne Begleitung
unter eigenem Dampf zurücklegen.
Sehr viel schwieriger und zeitrau
bender gestaltete sich die Hebung des
großen Kreuzers Warjag in Fische
mulpo. Das Schiff lag vollständig
geneigt aus seiner Bactbordseite. Die
Wassertiefe betrug bei Niedrigwasser
etwa 11,5 Meter, während der Unter
schied zwischen Hochwasser und Nie-:
drigwasfer zwischen 7 und 9 Meter
schwankt· Dieser große Unterschied hat
eine Gezeitenströmung von mehr wie
4 Seemeilen die Stunde im Gefolge.
Auch hier begann man zunächst mit der
Entfernung aller beweglichen Theile
wobei außer 25 modern ausgerüsteien
Tauchern bis zu 300 Werstarbeiter
aus der Staatswerst in Sassebo und
bis zu 400 toreanitche Kulis verwandt
wurden. Bevor indessen hiernach an
das Abdichten der Oeffnungen gegan
gen werden konnte, mußte das Schiss
aufgerichtet werden. Dazu wurden die
Schlammassen theils durch starteWass
ierstrahlen, theils durchFortsaugen mit
Hiilse von Baggerrohren allmählich
entfernt. Es gelang aus diese Weise,
das Schiff nach und nach in die höhe
zu bringen. Nachdem dann die Oeff
nungen geschlossen worden waren, ver
suchte man das Schiff durch Auspurw
pen «aufschwirnmen zu lassen. Der
Versuch mißlung, so daß man gezwun
gen war, Ende Oktober 1904 die Ber
gungsarbeiten abzubrechen und bis
zum April 1905 zu verschieben. Um
das Auffchwiinmen des Schiffes unter
allen Umständen sicher zu stellen, be
nutzte man diese Pause in den Arbei
ten dazu, einen Kasten vorzubereiten,
dessen Grundsläche durch das Oberdeck
des Schifer gebildet werden sollte,
während siir die 6 Meter hoben Sei
tenwände und die Decke eine Holziow
struttion vorgesehen war. Man hatte
berechnet, daß nach dem Leervumpen
des Kastens sich bei steigender Fluth der
Austrieb um etwa 6000 Tonnen ver
mehren und damit genügen wiirde, das
Schiff ausschwimmen zu lasten. Bei
der Herrichtuna dieses Kastens wurde
in folgender Weise vorgegangen. Man
baute zunächst die Steuerbordseite, bei
der ein Arbeiten über Wasser möglich
war. Diese Arbeit ersorderte etwa ei
nen Monat. Dann ging man dazu
über, das Schiff, das immer noch um
24 Grad nach der Seite geneigt war.
durch Wegspiilen des Schlammeb bis
zu 3 Grad auszurichten. Nachdem dies
Mitte Juni erreicht war. machte man
sich mit großer Beschleunigung daran,
den Kasten sertigzuftellen, was
in etwa 4Q« Zagen gelang. « Jm
Jnnern des Aufbaues wurden dann
auf dem Oberdeck noch drei -eiferne
Taan aufgestellt, die zur Aufnahme
von neuen, leistungsfähigen Zirlula
tionspurnven bestimmt waren. Den
nöthigen-Dampf erhielten diefePumpen
von läugsseits gelegten Dann-fern.
Außerdem waren noch mehrere Hilfs
pumpen, die ebenfalls auf Dampfern
untergebracht waren, vorhanden. Für
die Hebung des Schiffes war der 8.
August 1905 ausersehen, da man an
diesem Tage mit einer Wasseetiefe von
21 Metern und einer Fluiböbe von
102 Metern rechnen lonnte. Der Ver
such gelang. Nach dem Eingreifen der
Pumpen fchwamm das Schiff auf. Es
wurde nun gereinigt und die Maschi
nen und Kessel in Stand gefest. Dann
konnte der Kreuzer unter eignem
Dampf die Reife nach Japan antreten,
ein Er ebniß. welches bei der langen
Zeit, d e das Schiff unter Wasser ge
legen hat, niemand erwartet hatte.
W
Mancher bringt ei fertig, zehn Gute
zu beleidigen, um einen Schlechten zu
verteidigen.