Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, May 25, 1906, Sweiter Theil., Image 12

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    Au- den Tagen der betrat-isten
Nach dem Russxchen von Wilhelm .
h a l. .
Der alte Schiposs war Gott weiß
wie lange bei der Poli ei angestellt ge
wesen und hatte als alizist so Man
ches erlebt. Und ein ·ntes Gedächtniß
hatte er; obwohl er tart bei Jahren
war, konnte et sich doch an Alles-z bis
in die kleinsten Einzelheiten erinnern.
Man konnte in ihm nachschlagen wie
in einem Buche, under hatte, wenn er
gefragt wurde, gegen das Erzählen
nicht das Geringste einzuwenden
EinesAbends waren wieder meh»
rere Freunde zusammen und plauder
ten, als der alte Schiposs zu Besuch
kam. Er war immer willkommen und
wir ließen ihn gern in unserer Mitte
Platz nehmen. Es dauerte nicht lange,
da wars einer von uns ein-e Bemer
kung hin, die Schipofs Veranlassung
eben konnte, von schon längst ent
chwundenen Zeiten zu crzahlen
und das gelang uns auch.
»Ja, es war im Jahre 1825,« sagte
er. »Das war eine sehr merkwürdige
Zeit Keiner wußte, wer eigentlich
aiser war, denn einen Au endlickE
hieß es, Nilolaus hätte dem hrone
u Konstantins Besten entsagt, und
en nächsten Augenblick versicherte
man wieder, Konstantin habe sich zu
rückgezogen, damit Nikolaus Kaiser
bleiben könnte. Die Sache war die:
Konstantin hatte seine Thronentsa
Trug wirklich untrrschrieben und dar«
okument lag in Moskau Aber man
wußte nicht recht Bescheid damit. Der
Kaiser Alexander der Erste war ja
etwas plötzlich gestorben, ehe er Zeit
gehabt hätte, die Thronsolge zu ord
nen Daher kam es, daß Alles in der
schrecklichsten Unordnung war. Einige
riesen: Es lebe Kaiser Nikolaus! wäh
rend Andere wieder riefen: Es lebe
Kaiser Konstantin!
«Wir von der Polizei nahmen das
natürlich mit Ruhe auf, denn es konnte
unsja ganz gleichgiltig sein, wer von
ihr-en Kaiser blieb. Wir hatten nur
ugehorchen und im übrigen nach
ieben Mördern und anderen Misse
thiitern Aus-schau zu halten Polizisten
und Genoarmen müssen dabei fein
wer auch aus dem Throne sitzen mag.
»Aber es war, wie gesagt, eine
arerkwiirdige Zeit Den einen Tag kam
ein Manisest, das vorn Kaiser Niko
laus unterschrieben war, und den
niich en Tag eins unter das- Kaiser
Kon tantin feinen Namen geseft hatte
Da war es denn auch nicht ornerk
würdig, daß die Leute zuletzt weder
aus noch ein wußten, und daß die
wunderlichsten Gerüchte im Umlauf
waren. Da benutzten denn übelges
sinnte Personen die Gelegenheit, um
Unglück einzurichten.
Kurz vorher war es gerade Niko
laus, dem als Kaiser gehuldigt wor
den war. Jch verrichtete damals ge-»
rade Dienst im 1.Polizeibezi:k. Er "
wurde von einem Kanal begrenzt, der
sich bis Da der Straße hinzog, wo
JeZ t der rde- Boulevard mit seinen
Lindenalleen und Kasernen liegt —
ka, Petersburg ist ja auch ni t wie
erzuerkennern
Am Morgen des 14 Dezember war
ich gerade aus dem Nachhauseweah da
sehe ich irgendwo, daß sich eine Menge
Menschen angesammelt haben. »We
kiillt dir denn ein?« sage ich zu niir
elbst, »sie benehmen sich ja ganz or
dentlich und machen keinen Standal
Laß du sie doch nur in Frieden. « Aber
kaum bin ich aus die Polizeistation
gekommen, da hore ich, wie draußen
aus der Straße gerufen und geschrien
wird. Es ist ja möglich, daß ich da
mals etwas auspulverte —ich war ja
noch sehr jung-—ich eins, zwei, drei
los und renne aus die Schreihiilse zu:
»Wald Jhr wohl den Mund halten
rief ich ihnen zu, «sonst werde ich
Euch...« Mehr konnte ich nicht
sagen, denn nun bekamen die Pfeiser
einen anderen Laut. Man hatte meine
Unisorrn bemerkt, und aus dem
Schwarm schrie einer aus vollem
lse: »Das ist ein Polizist, schlagt
in todt!«
Da lief ich denn davon, was ich nur
konnte. und der ganze Schwarm hin
ier mir drein. Jch stütze in einen
nnd von dort aus einen
II wo ich ein Kelletsenster ossen
Lenzes-. IT mit einem Saß zu
Jener un hinein in eine stin
lamnkpfiisr. —- Jhr konnt
mir glau n, meine Unisornr wurde
MAY nddåvon ——Ganz Tatenl inr
an ern aar gro e eere
Tonnen mit einem Zettel darüber-J
krieche in eine hinein und oerberge
rmen, to gut ich konnte. Ich war
überzeugt, sie würden mich bald fin
den, und es ist auch möglich, daß ich
Angst und Bange hatte. Mit den
Leuten war nämlich nicht zu spaßen
Einer von meinen Kameraden wurde
ron ihnen buchstäblich in Stücke zer
rissen. Jch fcye also in der Tonne und
lausche, gberes bleibt alles ruhig. Es
wurde nicht nach mir gesucht, und die
Gefahr war überstanden.
Da krieche ich denn aus der Tonne
und fchleiche mich nach Hause, um an
dere Sachen anzuziehen, und gehe
dann tunter zum Paradeplatz, wo
eine nge Leute stehen, meistens
rasten un Kinder Es war ein gro
Gedränge-, aber nicht die geringste
Mdnunse Die Leute sprachen da
von, esse Gestade abgehalten wer
det-. und man dürfte des Kaiser er
M Aber das Wie ich doch nicht
M »des- dann hstiees die Poli
pim missen passe-. Ich drängte
City weiter m um besser zu sehen.
» - stritt der Leiter
sieh m den Teuppen
trete geblieben tw
ren, die Gewehre wurden Präsentirt
und kräftig »Hurra« geschrieen.
»Aber wo waren denn die Aufritt
rett« fragte einer vbn uns den alten
Schwva
»Ich sah leinen, aber es waren doch
wohl welche da«, meinteSchipoff. »ich
konnte nichts weiter entdecken als viele
Tausende friedliche Menschen, die da
standen und sich die Pracht ansahen.
HSpäter wurde mir erzählt, es wäre
jdiesen vielen Menschen befohlen wor
! den, sich fortzuscheeren und nach Hause
zu gehen. aber ich weiß nicht, ob das
wahr ist.
Nun wollte ich heim, um die Uni
forrn anzuzieben, und dann wieder auf
den Paradeplah zu gehen. Mit einem
iMal bemerkte ich Barbara Grigor
jewna, ein verteufelt schönes junges
Mädchen, in das ich bis über beide
Ohren verliebt war, und wir tainen
ins Gespräch. Sie fragt mich, was
denn los wäre, und ich antwortete, der
,Kaiser sei da, und es sollte Parade
lArt-gehalten werden. Wir stehen noch
da und schwatzen, da knallen ein paar
Kanonenschiisse los; wie ich später e
höri habe, hatten die Artilleristen e
sebl bekommen, ein paar blinde
Schüsse abzufeuern. um die Leute aus
einander zu bringen: aber dieseSchiisse
hatten keine andere Wirkung, als daß
die Leute glaubten, die Parade solle
jetzt erst richtig losgebem und so dräng
ten bie Leute deshalb nur noch näher.
Jetzt sagte ich Barbara Grigvrjewna
Adieu und wollte weiter, hatte mich
aber noch nicht viele Schritte von ihr
entsernt, da wurde wieder mit Kano
nen geschossen. —Aber diesmal waren
es leine blinden Schüsse.... Kartät
schen mähen alles nieder! Du guter
Gott, das vergesse ich nie. Der anze
Play hallte von einem Entsetzensxschrei
wider,-und überall lagen getödtete
oder verwundete Menschen, das Blut
floß in Strömen. und von allenSei
ten hörte man Klageruse und Todes
röcheln. Diejenigen, die nicht getödtet
oder verwundet waren, stürzten in
wilder Flucht davon; die Straucheln
den wurden von den vorwärtsstiirzen
den Massen sofort niedergedriingt.
Jeder denkt nur an sich selbst; der
Starte bahnt sich seinen Weg, der
Schwache wird niedergeschlagen. Jch
sah eine Mutter, die von ihrem Kinde
getrennt wurde. das von dem Men
fchenmeer augenblicklich verschlungen
und in eine blutige Masse verwandelt
wurde. . . . Mich riß der Strom mit,
und ich weiß aar nicht, wie ich zur
Polizeistation gekommen bin. Bestän
dig dröbnten mir die Kanonenschiisse
in den Ohren· Ich war mehr todt
als lebendig und setzte mich deshalb
in die dunkelfte Ecke des Wachtzim
Pilers um mich ein bischen zu erho
en.
Als alles ruhig geworden war, wur
den wir nach dem Paradevlatz kom
mandirt. Es war ein schrecklicher An
blick! Da lagen Haufen von Leichen
und sterbenden Menschen. der Schnee
war mit Blut, Eingeweiden und ab
gerissenen Gliedmaßen bedeckt. Und
mitten in all diesem Elend entdecke ich
Barbara Grigorjewnas Leiche. Sie,
das lebensfreudige iunae Mädchen, das
mein Weib hatte werden sollen und
mit der ich kurz vorher gesprochen und
geschetzt, lag nun dort, elend von den
Füßen zertreten. Verzweifelt warf
ich mich an ihrer Leiche nieder, ich
glaubte, ich würde nicht im Stande
zsein, diese Trauer zu ertragen, und
wünschte nur. ich wäre auch todt.
Doch die Zeit heilt alle Wunden. Es
Hist nun so viele Jahre her; ich habe
l mich verheirathet, habe Kinder und
sEnteL .. aber dennoch wird mir so
wunderlich zu Muthe, wenn ich an
den Tag denke."
»Wirar viele verwundet und ge
tödtet, Schivoff?« fragte einer von
den aufmerksam Lauschenden. »Ja,
schrecklich viel, die Kartätschen machen
reinen Tisch. Wir wurden abkom
mandirt, um den Paradevlatz wieder
in Ordnung zu bringen« das war das
schwerste Stück Arbeit. bei dem ich
mit dabei gewesen. Wir mußten über
all waschen und sviilen, die Leichen
wurden haufenweise fortgefahren.
Aber dann sing man an, alle die zu
verfolgen, die im Verdacht standen, an
der Verlchwiiruna theilgenommen zu
haben. Die Gefängnisse wurden bald
überfiillt und die Polizei war Tag
und Nacht auf den Beinen. Ei wa
ren schreckliche Zustände. Der him
mel bewahre uns, daß wir noch ein
mal solche Zeiten erleben! Aber das
von will ich Euch ein andermal er
zählen-«
r i «
»Ich war selbst in zwei oder drei
dieser Gefängnisse Es war io gut
wie nie davon die Rede, daß die Ver
schworenen sich bei solchen Gelegenhei
ten zur Wehr setzten: das Blutbad
vorn 26. December schien sie vollstän
dig entmuthigt zu haben. Wir bat
ten darauf gerechnet, wir würden so
manchen harten Strauß mit ihnen
auszutämpsen baden, aber es wurde
wie gesagt nichts daraus. Das Ganze
wickelte sich so rubia und friedlich ab,
daß es ein wahres Vergnügen war.
Es dauerte nicht lange, da bekam ich
etwas anderes zu thun.
Damals stand der iungeFiirst Obo
jewsty bei der Garde in Vetersburg.
Es war ein PrachtterL Schön war er
und so gut und freundlich, daß seine
Soldaten und Seil-eigenen ihn gleich
sam vergötterten. Färit Odojewsky
hatte ein Palais in der Bollsjaja
Mpritaja und wohnte dort. Am 26.
December hatte er im Winterpataii
ache sei-abt. und als er abgelöft wor
war, sahe er sofort in einem ge
wöhnlichen Mietbiickslittes reach hause
I
s
und kleidete sich vollständi- urn. Zu
roßer Verwunderung de Partien
fuhr er gleich wieder in demselben
Schlitten fort, der Kutscher hatte aufs
ihn gewartet, während er sich umkleide
te; — nie war er vorher so einfach ge
fahren. Er hatte einen aroszengåfedev
busch auf dem Helm undinen antel
umgeworfen. Der Portier, der der
fürstlichen Familie viele. viele Jahre
edient, konnte sich nicht enthalten zu
Zagen: »Aber wollen Eure Durchlaucht
denn wirklich . .
Er Falte den Fürsten fragen wollen,
ob er ich renn wirllich wieder in den
gewöhnlichen Schlitten setzen wollte,
anstatt einen von seinen eigenen ans
spanen zu lassen, aber der Fürst unter
brach ihn mit den Worten: »Lcß es
nur gut sein, mein Freund, ich muß
mich beeilt-U -
»Und wißt Ihr, wo er hinfahr?
Spornstreichs nach dein Paradeplatz
fuhr er, und dort sah man ihn unter
den Aufruhrerni Später erhielt man
Beweise dafür. daß Fürst Odofewety
wirklich an einer Verschwörung gegen
den Selbstherrscher theilsenommen
hatte. Man fand einige Briefe und
andere Egapiern die er dinterlassen
hatte. " vcy er selbst war spurlos
verschwunden; man forschte und suchte.
doch fort war er. Er befand sich nicht
unter den vielen. die auf dem Var-ade
leag getödtet wurden, und es half
zau nichts, daß man seine Verwand
; ten und seine Leute in fcharfes Berhör
nahm; man holte nichts aus ihnen
lderaud Sie konnten teinen anderen
IBescheid geben« als daß der Fürst nach
ihause gekommen war, sich nmgetleidet
:hatte und wieder fortgefahren war.
» Nun dachte man aber, daß der Fürst
Ifriiher oder später, oder einer von
»denen, die mit ihm in Verbindung
zstanden, ins Palais zurückkehren
Hwiirde, um sich dies oder jenes zu
jholen, und darum erhielt ich den Be
Ifehl, zusammen mit neun Gendarmen
sein wachfames Auge auf das fürstliche
FPalais zu halten und sofort jeden
»anzuhalten, der mir verdächtig dor
tam.
Nun sollt Jhr hören. wie es zugin· ;
;Zwei oder drei Tage später —- i
1kann mich nicht so genau erinnern, ob
Yes zwei oder drei waren —war ein
)
iUnteroffizier vom Jekaterinenhof zur
rsauptwache unterwegs, unt seinen
i apport abzustatten. Wahrend er
sdcfingehh bemerkt er, daß draußen
Tau dem Eise, nicht weit vom Lande.
ietwas Schwarzes liegt, und dicht da
zneben das Wrack eines alten Fahrzeu
’ges· das gestrandet in dem Eise fest
gefroren sein mußte. Er geht be ,reif—
licherweise näher heran, um zu sehen
was es ist, und bemerkt nun, daß
nian ein Loch in das Eis gehauen, das
aber bereits wieder zugefroren war.
Dicht am Rande liegt ein Säbel, ein
paar Pistolen, ein Offiziersmantel
»und ein Helm mit Federbusch· Der
jMantel lag halb unter dem Eise und
das war natürlich feitgefroren.
»Was mag das wohl zu bedeuten
haben?« denlt der Unteeoffizier. »Or
tnan hier jemand ertränkt hat, oder ob
ein Raubmord verübt fein mag? Das
ist nicht anzunehmen, denn dann hätte
man wohl ten Mantel und alles an
dere mitgenommen. Es muß sich also
jemand freiwillig ins Wasser geworfen
haben."
Der Unteroffizier geht weiter. ent
schließt sich aber doch, von dem, was er
gesehen, Meldun zu machen, als er
an der Polizeiwa e auf dein Admira
litätsplatze dorüberlommt. Der. Un
teroffizier that, was er sich vorgenom
men, doch als er in die Wache kam,
sah er, daß der Polizeimeifter sich in
eigener hoher Person darin aufhielt.
Der Poli eimeister hieß . damals
Tschiktschof ; er war bekannt wegen
seiner renzenloien Strenge und Rück
sichtslotgtett gegen jeden, der nur ir
endwie verdächtig war, daiz er mit der
’erfchwörung gegen den Kaiser etwas
zu t7un hatte. Als der Unteroffizier
don einem Fund auf dem Eise erzählt
tte, sagte er nur: »Es ist gut. ehre
ofort um nnd zeige uns die Stelle.«
»Das kann ich nicht,« versetzte der
Unteroffizier, »ich habe Befehl, einen
fBericht in der Hauptwache abzulie
ern.« l
)
i
»Wagst Du eg, Einwentungen zu
machen- « Halte den Mund und thue,
was ich iagr. Jch werde die Verant
woriung aut mich nehmen«
So zogen sie denn mit dem Unter
cssizier ab
Als man die Stelle erreicht hatte,
wo alle Sachen auf dem Eise lagen,
schluhman das Loch wieder auf, zog
den antel heraus und untersuchte
ihn und auch die anderen Dinge ganz
genau. Dann lie man Leute hinter-»
die einen ganzen ag mit Bootghaten
und Spaten in dem Wasser herum
suchen mußten. Aber dag half«nicht5,
man konnte teinen finden, derentw
len oder ermordet worden war.
»Der Strom hat wohl die Leiche ins
Meer fortgetiihrt,« meinte DerPoli ei
rmifter, »aber sie hat sich vielleicht
auch unter dem Wrack festgehatt."
Dann befahl er, man sollte nicht län
ger suchen, und ließ die« Leute nach
Hat-ge gehen. Der Poli einieister hatte
gle· eine Ahnung, da es die Sa
chen des Fürsten Odojewsli waren,
die man da gefunden hatte, und begab
sich leich nach dem fiirstlichen Palais«
um Sich Gewißheit zu verschaffen —
die Leute tannten augenblicklich die
Sachen wieder und fingen an zu ita
en und zu jammern, weil nun tein
weisel mehr herrschen tonnie, daß der
iirtt todt war
Die Polizei war juletzt derselben
Meinung. --- Uber- und meine
Madame-, wir neu en- doch Wache
im Palati halten. tr verhafttmi
nicht« mehr als-. zwanzig Personen, und
tdas wein des ersten Tagen; denn
man hatte gemerkt, daß es nicht ge
heuer war, und hielt sich kkiiglich fern.
Die meiften von denen, die wir fin
en, kamen bald wieder auf freien
znßz fooiel ich weiß, war nur einer
darunter, der fofort nach Sibirien
mußte.
Aber nun will ichEuch erzählen, wie
es mir ging. sn dem Zimmer, indem
ich mich in tiie en Tagen aufhielt, stan
den des Fürften Paradestiefri. Itzt-u
großer Gotil Das waren ein paar
Stiefel! Jch bin überzeugt, sie hatten
100Rubel gekostet. Sie ähnelten ganz
und gar denen. die man fiir uns Poli
zisten vorgefchrieben, das heißt, was
die Form betrifft. Es war mir nicht
möglich, den Gedanken an die Stiefel
loszuwerden Wißt Ihr, was ich glau
be? Ja, ich glaube, es war der Böfe
selber-, der die Stiefel in das Zimmer
aefetzt hatte. um mich inVerfnchung zu
führen. Ich dachte an sie den ganzen,
ausgefchlaaenen Tag, und in derNacht
träumte ich davon. Zuletzt konnte ich
es nicht mehr aushalten: ich drehte den
Schlüssel im Schlosse herum und pro
birte die Stiefel an. Und könnt Jhr
Euch fo etwas Ausaefeimtes denken:
sie paßten, als wären ,sie für mich ge
arbeitet gewefen. »Hm!« fagte ich zu
mir selbst. »Fürst Odoiewgky kommt
nicht wieder. Wenn du dir Stiefel
nicht nimmst, thut es natürlich ein an
derer. Du mußt tein Narr fein,
Schivoss!« sagte ich und ——- behielt die I
Stiefel an.
So war es denn also überstanden
und seitdem zog ich dieStiesel bei allen
seierlichen Gelegenheitn an, und Jhr
hättet bloß sehen sollen, was meine
Kameraden fiir große Augen machten.
Sie wollten gar nicht glauben, daß ich
sie ehrlich und redlich bezahlt hatte . ..
Aber Jhr wolle doch hören, wie es
Odojewsty ging! . . . Er war nämlich
gar nicht ertrunlen, die Geschichte mit
dem Eisloch war nämlich nur eine
Falle gewesen, um die Polizei zu sap
pen.
Eines Abends, turz nach dem, wag
ich ietzt erzählt, tommt Odoiewsty zu
seinem Ontel Dimitri Lanstoj ge
stürzt, der einer der größten Leute des
Reiches war. Keiner der Diener hatte
ihn wiederzrtannt, mitAusnahme ei
nes einzigen, aber der war treu und
hätte ihn nie verrathen, und wenn man
ihn aus die Folterbant gelegt hätte.
Odojewsth wirft sich vor seinem Onkel
aus die Knie und sagt: »Ontel, rette
mich und verbirg mich in Deinem
Haus!« —- ,.Das will ich. aber Du
mußt bald wieder von hier fortt« —
»Schon morgen will ich Dein Haus
verlassen. Dani, Dant!« ——,,.tiomm’
jetztmitmir!« Dimitri Lanstsj fülxr
te seinen Reisen in ein abgelegenes
Rimmer und sagte zu ihm-» Wenn Dir
Dein Leben lieb ist, la bleib’ hier, bis
ich zuriia bin Jch muß ietzt in einer
wichtigen Angelegenheit fort, aber Du
siehst mich bald wieder!«
Dimitri Lanstoj verließ feinem-tief
sen, verschloß die Thiir hinter sich und
begab sich direkt zum — Kaiser.
Ein paar Stunden daraus wurde
Odojewsth verhaftet und nach der Pe
ter Wams-Festung überführt. Später
wurde er nach Sibirien verschiat.
Und Dimiiei Lanstoj..der Schurte,
der Verräther, ging herum und vrahlte
damit, baß er seine Pflicht gethan als
des Kaisers treuer Diener . . ."
Samuel Brannon.
Historische Erinnerung aus den Vor
zeiten Californiens. Von N u s u s.
Was die ältesten Führer der Mor
monen eigentlich beabsichtigt haben, als
sie im Frühjahr von 1846 eine Loto
nie nach Sau Feancisco schickten, ist
nie mit historischer Genauigkeit er
ariindet worden — aber alle Umstän
de scheinen darauf hinzudeutem daß
sie damals get-laut hatten, ihren
Hauptsitz, ihre heilige Stadt, in Cali
sornien zu ariinden. Vor der Macht
der öffentlichen Meinung hatten sie
erst aus Ohio, dann aus Missouri
und schließlich aus Illinois weichen
müssen — es wurde ihnen allmählich
llat, daß in den Vereinigten Staaten,
wenigstens in dem besiedelten Theile
derselben, keines Bleibens siir sie war,
man ließ sie nirgends zu Ruhe und
-f
Frieden kommen. Sie mußten sichsp
also anderweitig eine Zuflucht suchen.
Jn Missouri hörten sie von den son
nigen Löndereien am Vacific, wo der
Boden fruchtbar und das Klima lieb
lich war, wo das Land noch billig war
und wo das Vieh im Sommer und
Winter Weide fand —— das war das
elobte Land, wo Milch und Honig
loß. Und dort wohnten nur faule
Mexitaner, von denen hatten sie
fchwerlich viel zu befürchten —-- das
war also das gelobte Land siir sie, so
wie dereinst Paläftina das gelobte
Land fiir die Juden gewesen war.
Dort war nichts zu befürchten für fie
als höchstens eine Besetzung resp. Er
oberung des Landes durch die Ameri
taner. Aber an io etwas dachte man
vor der hand kaum —- wenigstens nicht
in weiteren Kreisen, denn gewisse Per
fonen in Washington dachten schon sehr ;
ernstlich daran und hatten schon ihre?
Vorbereitungen dazu in aller Stille
getroffen. Davon aber wußten die
Mornionen nichts. Brigham Youna,»
so klug er sonst war, hatte keine blafse
Idee davon, daß man in Washington
schon seit Jahren die Einverleibunq
Californiens bei-blossen hatte, und daß
die an der Westtiiste von Amerika bei;
findliche Flotte schon lange die Ordre s
hatte. bei Ausdrucks der ersten Feind
ekngmtm an de- chisik-nimeF« Bis-pl
von jenen Landstr strichen zu er r.etsen
So schickte-r denn dieM rrnonen
Uiiter etne Kolonie noch Ealifornien—
sie dachten sicher dabei, daß diese Rola
nie der Ausgangspuntt. der Anfang
eines mächtigen Mormonenreichö wer
den würde. und daß sie in wenigen
Jahren stark genua werden würde, um
dem etwai en Andrana der Amerika
ner Wider tand leisten zu lönnen.
Daß dieser Antrag so schnell erfolgen
und daß sofort nach Besitzergreisung
des Landes daselbst Gold gesunden
und dadurch Tausende und Aber-tau
sende von Leuten dahin gelockt wer
den würden. denen nichts weniger am
Herzen lag als das Wohl und Wehe
der Mormonen:Kirche — daran dach
ten sie nicht und konnten sie nicht den
en.
Die MotmonenKirche aina im
Februar 1845 aus dem Schisse
»Brooklnn« von New York ab. unter
der Führung von Samuel Brannon,
angeblich nach Oreaon· Es waren 240
Personen, fast lauter Mormonen, mei
stens Familien, im Allgemeinen or
dentliche Leute« tüchtige Handwerker
und Farmer. Brannan war damals
27 Jahre alt. Er stammte aus Maine
und war von Joseph Smith in Ohio
»belehrt« worden, später hatte er in
New York ein Mormonenblatt her-—
ausgegeben. Von Charakter war er
muthig und unternehmend, und nicht
übermäßig strupulös.
Die Reise ging ohne besondere
Fährnifse von Statten und sechs Mo
nate später traf das Schiff in der S»an
Franrjsro Bah ein und zu ihrem groß
ten Erstaunen und Aerger fanden die
Mormonen das Land schon im Besitz
der Ameritaner, anstatt der mexita
nischen Flagge wehten die Sterne und
Streifen ihnen entgegen. Jetzt blieb
ihnen nichts übrig, als sich in das Un
oermeidliche zu fügen. Sie ließen sich
in dem Dorfe Yerba Buena nieder.
dem späteren San Franciscn began
nen Land zu laufen, Häuser zu bauen,
u. s. w» und wurden bald ein werth
voller Theil der amerilanischen Bevöl
kerung. Brannan hatte seine Presse
mitgebracht und einen jungen Seher,
Namens Edward C. Kemble, der aber
nicht Mormone war. Sie druckten
erst Platate, Karten u. s. w» dann
vom Oktober d. J. an Krieges-Neuig
keiten, vorn Januar 1847 an ein Wo
chenblatt, den »California Star«. Jm
April 1848 drunten sie eine Spezial
ausaabe zur Vertheilung im Missis
sippi- Thale, in welcher alle die Vor
züge Californiens besprochen wurden,
der Verfasser war Dr. V. J. Jour
geand. Bald aber wurde dag Gold
entdeckt und nun waren teine Ertra
blätter mehr nöthig. um Calisornien
zu »pufsen". Außer feiner Druckerei
erwarb nun Brannan einen Antheil
an einem Laden in Sutters Fort und
er soll dabei, wie das Gerücht sagt.
im Sommer von 1848 etwa INCle
per Monat verdient haben. Ertlärlich
würde das nur durch die Fancypreife
sein. welche damals herrlchten. Er
verdiente auch viel durch Land-Spe
lulationen in der neuen Stadt Sa
craniento, schielte Handels-schiffe nach
entfernten Stationen an den Flüssen
baute Häuser in San Froncisco und
lochte sozusagen in allen Tövfm Ei
nes der ältesten Häuser in San Fran
eisco wurde von ihm errichtet, welches
später die Nummer 30 anWalhington
Allen trug, nahe Jacksonss und Duponts
itreets. Er war bald einer der be
tanntesten und besten Bürger von San
Francisca Reichlich låeuerte er zur
Errichtung des Feuerdeparteinents bei,
gab viel Geld fiii woblthätige Stif
tungen, war Mitglied des Vigilanz
Comites von 1851 bis 1856 und galt
siir den reichsten Mann im Staate.
Aber er wollte zu viel erreichen und
das war fein Unglück. GroßeFeuers
brünste und die Ueberschwemmungen
des Sarramento und das Fehlschlagen
eines großartigen Unternehmens, der
Errichtung eines VergnügungsMesort
in Calistoga, brachten ihn zum Ban
terott. Er ging nach Merilo, aber
auch dort glückte es ihm nicht« und er
verarmte schließlich ganz. Beliebt war
er nie gewesen, dazu war er zu roh
und ungebildet, aber er war in e
wissem Sinne liberal und großherz g,
und so lange er reich war, tam Nie
mand vergeblich zu ihm. der für ir
gend einen guten Zweck Geld brauchte
oder in Noth war. Und vor allen
Dingen galt er siir einen durchaus
ehrlichen Mann.
Was seine Stellung zu der Mormo- s
nen-Kirche anlangt, so wird darüber
Folgendes berichtet: Als er noch das
haupt der Mormonewtkolonie in Ca
trsornien war, soll er von den Mormo
nen die üblichen Zehnten sür dieKirche
eingezogen haben, dann aber, als ein
Aaent Briaharn Younas erschien, der
diese Zehnten von ibm einsorderte, soll
er, unter Behauptung des Umstandes,
dasz diese Zehnten in der Mormonen
Sprache »the Lords money« genannt
wurden, geantwortet haben, et sei be
reit, das Geld abzuliefern. wenn der
Lord ihm eine eigenhändiae Quittung
dasiir gebe, aber sonst nicht, denn kein
Anderes alö der Lord habe ein Anrecht
aus dieses Geld. Was er mit dem
Gelde gethan hat, solle er überhaupt
solches tolletttrt hatte, ist nicht be
tannt. Er selbst trat bald daraus aus
der Mornronentirche aus« schloß sich
aber keiner andern an.
Später kehrte et von Merito nach
Calisornien zurück und starb arn 6.
Mai 1889 in San Dier County,
ganz oerarrnt und vergessen. Jn den
letzten Jahren hatte man taurn noch
etwas von seiner Existenz gewußt.
Und doch war er einer von den Män
nern gewesen. die seinerzeit hervorra
enden Antheit an dem Ausbau des
toates genommen und sptztell eine
bedeutende Rolle tn San Franc-Mo
gespielt hatten
Der- ichs-erste same sur-fah
der hotelbesitzer Hans Fromm mer
ienberg in Oftpreußetx, ist na UMM
längeren schweren Leiden ver torben.
Fromm wog 525 fund und war in
den weitesten Krei en bekannt. Ver
einer Größe von 1,71 Meter hatte efr
eine Brustrveite von 1,80 Meter unv
eine Gürtelweite von 1;,97 Meter
Fromm war trotz seines riesigen Kor
pergewichts ein lebenslusitger Mann.
konnte sich jedoch bei seiner riesigen
Körperfiille nur lang am iewe en«
auch fein Haus verlirfxek nur au er
selten. Zuletzt soll es im August 1·900
geschehen se n, als er sich an einem
mit zwei Schreien bespannten Wagen
nach dem Bahnhof begab, den er noch
nicht gegeben hatte. Die Fahrt war ein
Ereigni fiir das Städtchen Große
Schaaren von Erwachsenen nnd Kin
dern gaben ihm das Geleit· Fromm
war erft nach seiner Verheirothung
biet geworden. Alle Entfettungskuren
hatten nichts gefruchtet Appetitlosig
keit kannte er nicht; es schmeckte ihm
stets recht gut. Nur die Sommerhitze
bereitete ihm Unbeha en. Fromm
sollte in Voris ansgetellt werden-,
eine große Summe war ihm dafür
geboten. Ee war auch geneigt dazu,
ober vie Eisenbahn ftreitte. Fromm
war nicht in einen Personenwagen
hineinzubringen, und in einem Pack
wagen wollte er nicht reisen. Es hätte
also ein besonderer Eisenbahn-vagen
beschafft werden müssen. Da ein ge
wöhnlicher Stuhl die Last nicht zu
irr-gen vermochte, bemerkte man in
feinem Hotel einige Stühle von be
sonders dauerhafter Art. —Bis 1904
war her 58 ahre alte Engländer
Thomas Longen der dickfte Mann.
Er hatte ein Gewicht von 584 Pfund
und starb an Krebs. Die Eisenbahn
pflegte ihm zu feinen Reisen einen be
sonderen Eisenbahnwagen bereitzustel
len. Jn London benutzte er zu seinen
Ausfahrten statt der Droschle einen
Mobelwagem Nach dem Tode Louis
leys fiel die Ehre des Dicksten auf
Fromm.
Die Rache.
Stizze von N. v. d. K leinau.
heute sah ich ibn wieder, der einst
inich geliebt mit seiner anzen stolzen
Kraft. Ich aber war feig nnd er
bärmlich, gab Flitter im Tausche fiir
edles Gold, werthlosen Tand siir kost
bare Perlen. Vielleicht auch hielt ich
selbst damals-sv den Tand sür echt. —
Bielleicht. —
Aber der Ernst berLielse schreckte
mich. «ch liesz ihn gehen· Daß er
ging, o ne zurückzublictem gab mir
einen Stich in’s eitle beri, das ewige
Liebe verlangte, ohne sie selbst zu em
psinben.
Aber heute habe ich gebiiszt. —
usiillig trafen wir uns, unter
gleichgültigen Menschen, Bekannten.
böslich reichte er mir die Hand.
Freundlich fah er mich an. Und ich
verstand: Sein Herz batte überwun
den, vergessen. Gänilich gelöst war
ter alte Bann. Mich aber traf es
ins Herz· Mich faßte jäh der vollen
Erinnerung herbes Leid. Jm Geiste
hörte ich sein Lachen. sein altes Lai
chen, so herzlich, wie er’s nur ac— ,
lacht; vernahm seine feurigen Worte,
den eigenen Klang, den mein Name
in seinem Munde annahm. — Und
liise, unhörbar, mit erblaßien Lippen,
formte ich ihn stotternd nach...
Da ries mich feine Stimme uriick
ans dem Traume. «Helena!« Mei
n en Namen rief er; aber hart, gebie
terisch, daß ich berumsubr und entset
itert stark-te Er aber verneigte ,ch.
lind niit ruhiger höflichleit sprach er
gelassen:
»Vergebung, meine cnädigste Frau!
Ich rief nur meinen Hund. Gewiß
sind auch gniidige Frau meiner Mei
nung, daß gerade dieser Name, vom
Zitchter ausgewählt. schlecht paßtsiii
ein treues Thier.««...
Stint-It
A.: »Man sollte nie einen Mann
nach den Kleidern beurtbeilen, die er
triiåw
.: »Seht richtig; eber nach denen,
bie seine Frau trägit«
——--. A
seit-sus.
Wittwet Our Haus "lterin): Das
sage ich Jthcn stemp. « pinat miUFi
darf mit nicht mehr auf den Ttsch
kommen, das habe ich 30 Jahre lang
zweimal in der Woche essen müssen