Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, May 18, 1906, Sweiter Theil., Image 9

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    Beimkehr.
Klinglingk —« Die Tbüt wird aufge
macht
Hei, wie das stürmt, sich drängt und
l.acht
Von Kinderiippen ein jubelnd »Hutka!
Die Mutter ist da, die Mutter ist da!«
Dann giebi’ö ein Küssen, ein innig
Umfchtingen,
Ein Fragen und Saaen von tausend
Dingen,
Ein Schineicheln, sich reden, tosen nnd
nicken.
An niir hängt g mit leuchtenden Fiin
bei-blicken,
Ich knie inmitten, vom Glück umspon
nen,
Frohlockt mein Heut »Bist heimge
tommen!«
Mam. Reichel-Karften.
Der Erste.
Novellette von Z o e v. R e u ß.
Als er beim Onkel Günther zu Be
such war und die große Kunftmappe
durchblätterte, in welcher sich Städte
bilder aller Herrn Länder befanden,
dämmerte es ihm zum erstenmal: wie
schön die Welt sei!
Heimgelehrt, legte er beide Arme
um den Hals der Mutter, um in lind
licher Begeisteruna zu gestehen: »Wie
herrlich muß die Welt fein! Wie
schön das Leben, wenn man reich ist
wie Onkel Günther. eine Villa am
See hat, französische Bronzem versi
sche Stickereien und noch viel mehr!
Wenn man reisen kann, Mütterli, al
les bewundern --—— alles taufen ——
Schätze sammeln!«
»Du kannst es«, hatte ihm die
Mutter entgegnet, ohne von der Ar
beit emporzubliclea ,,Jn deiner
Brust ruh’n deines Schicksals Sterne.
Du mußt nur wollen, dich mit eiser
ner Energie wavpnen, mit unerfchiit
terlichem Fleiß! Dein Vater besaß
nichts davon· Er nahm oftmals einen
ttiihnen Flug, aber aus halbem Wege
ward er flügellahm. So tam es, daß
er nichts erreichte und uns in Armuth
zurückließ. Vielleit arteft du nach
mir, Donat: Still und treu!«
Sie läßt die Arbeit fallen, um den
blassen Knaben voll Liebe an sich zu
preisen. ,,Vielleicht verwirklichst du
meine Träume · . . giebst mir die Stel
lung im Leben, nach der ich gerun
aen, die ich aber an der Seite deines
Vaters nicht fand·..in unsern Söh
Lren leben wir Mütter ein zweites Le
en.«
So ganz verständlich ist es ihm nicht,
was sie sagt; aber der erfte Ton fin
det den Weg zu seinem Herzen. Und
während er sich an die Mutter
schmiegt, die feinen Züae ftudirt,
tommt ihm allerlei in den Sinn, was
man ihm bruchstückweis erzählte: der
Vater ging an seiner Geschäftsun:
lenntniß zugrunde Die Zeit kam,
wo seine Gläubiaer ihn überrannten
er fürchtete ein offenes Bekennt
niß und --s-« drückte sich heimlich aus
dem Leben beraus.
Dem Knaben will scheinen, daf;
diese Ehe fiir seine Mutter eine Er
niedrigung aewesen!
Eine Frau von so hoher Bildung
von feinem Tatt ist wohl zu etwas
Besserem berufen, als taaein, tagaus
——Stich an Stich zu reiben!
Er fühlt im Innern ein Zudem
wie eine Flamme lodert der Gedante
auf: ,,Kämpfe brav und schaffe ihr
ein würdiges Leben!«
Donat Albrecht ist ein guter Schil
ler, aber er ist tein Unternehmender.
Peinlich seine Aufgaben erledigend,
tritt er niemals aus dem Rahmen der
Alltäglichleit.
Da Ist Lund, der Primus, ein an
derer. Teufelsterl nennen ihn die
Selundaner. Lernt nie und lann al
les. hat Zeit für Sport, für Lie
besgeschichten und französischeBiicher.
Ueberall wintt ihm das Leben. Die
Sommerferien verlebt er beim Groß
vater in Schweden. zu Ostern darf er
nach Genf. Seit nahezu zwei Jahren
sietzt er Erster, und niemand hat sich
in der langen Zeit bemüht, ihm den
Rang streitig zu machen.
lUnd plötzlich ersteht ihm da ein Ri
va .
Ja Gestalt eines schlankem schmack
tigen Jungen, der sich sonst nie über
das gute Mittelmaßhin austraute,
der foarm ist. daß ihm die Schule die
Bücher schenkt.
Zum Kuckuck, was ist in denJungen
gefahren? Jst es nur Trotz, weil er
liirzlich einen Streit mit Lund hatte?
Oder...mehr...?
Nicht Trotz, noch Laune·..son
dern etwas Heiliges ist in seinem Ei
ser . . . eine stille Leidenschaft!
Feder fühlte es instinktiv.
«—n einer Pause hat der Ordina
rius ihn zu sich gewintt und durch
Fragen mancherlei herausgebracht
Jetzt begreift er, denn er kennt das
Gefühl. das den Knaben begeistert:
die Liebe zur Mutter ist sein Kult.
Doch weder ein Cäsar steckt in ihm
noch ein Navoleon· Nur langsam
lämpst er sich vdn Etappe zur Etappe,
schlägt einen Vordermann nach dem
andern, bis er eines Tages dem Pri
mus so nahe rückt, dasx dieser mit ar
rogantem Lächeln anssährt: »Oho
mein Bürschchen, du qehst ’ran wie
Bliicher. Am Ende ein Zweitamps?
Nous verrons.« Im Grunde ist es
ihm unbequem, daß der lleine Al
brecht ihm io dicht »aus die Pelle«
rückt. Der hat eine Ausdauer —- —
eine Beharrlichteiti Der hat zähe
Nerven, die es sertia bringen, das
Gelernte tausendmal zu repetiren.«
l— —I
Yebrasäa
Staatsgnzejger Und THATng
. Jahrgangzl thka Iksdksla ndNbr., 18 Mai 19i (Zw t7hrl)
Mit einem Wort, er ist ,,blödsinnig
steißias«.
Zunächst hatte sie ihn tüchtig ver
ultt. Aber seine Ruhe brachte die Ge
sellschaft zum Schweigen. »Was wollt
Zer? Was wißt Ihr von meinen
tunftsplänew Mache es jeder so,
wie er’s verantworten kann. Da ich
weiß, daß das Leben mich hart an
fassen wird, stähle ich mich bei Zei
ten.«
Und nun begann ein lrästiges Rin
gen: Fleiß — gean Talent! Aus bei
den Seiten wurde schneidig getämpst,
die Klasse spaltete sich in zwei Par
teien, und ob auch die Majorität zu
Lund neigte, der stets überlegen that
und die Sorgen in den Wind schlug
. . auch der Kleine fand Beifall —-—
sein Ansehen wuchs. .
Wenn die sührenden Geister Par
lamentssitzung hielten, das heißt, in
der Pause auf der Bantlehne hockte-n
und mit den Schinlenbrödchen gesti
lulirten, durfte Albrecht mitreden. Er
sprach klar und präcis. denn dag Be
wußtsein, etwas zu leisten, gab ihm»
Rüsarat. Das Grog der Jungen
glich ja einer Heerde, die mit dem Glo
ctenzeichen hinaus und mit dem Glo
ckenzeichen hineintrabt. Zu denen
brauchte er sich nicht mehr zu rechnen.
’Mal giebt es eine erregte Debatte.
Dick, einer aus den unteren Regionen,
hat zwischen einem Lachsbrödchen und
einer Praaer Schintenstulle verkündet,
daß et ein Motto siir sein Leben ge
sunden habe: »Morgcn wieder lustig!'
Eigentlich hat Dick teine Stimme im
Parlament, da er aber schauderhast
viel Taschengeld besitzt . .
Blasirt zuckt ein Hochaufgeschosses
ner die Achseln und pfeift unmelodisch
durch die dünnen Finger. »Mein
Motto ist: time is monen!«
»Nicht für ’ne Mark Jdealigmus
habt Jhr,« schilt Lund und schwingt
sich auf’g FensterbretL »Ich bin eine
Herrschernatur: ’letat c’est moi!« Wie
ein Athlet steht er da oben und Als
brecht, ihm zu Füßen sitzend, kommt
sich in diesem Augenblick höchst er
börmlich vor. Er sieht Lundg schöne
Stiefel, helles Chevreauleder, fein ge
schweier Sohlen . . . und vergleicht sie
mit seinen plumpen Stiefeln, die er
ängstlich versteckt.
»Dein Motto . . ·?« farfchen die
andern.
Soll er ihnen bekennen, daf; er ganz
anders geartet ist? Nur zögernd ge:
steht er das goldene Wort, das ihm
die Mutter geprägt: Still und treu.
»Die Stillen werden überschrieen,«
spottet Lund, »und die Treuen wer
den hintergangen. Du kommst mit
deiner Philisterweisheit ein halbes
Jahrhundert zu spät, mein Lieber.«
,,Treue und Beharrlichkeit führen
an’H Ziel,« vertheidigt sich Albrecht·
»Auf Schneckenwegen,« lacht der an
dere. »Es lebe der Bummelzug!«
»D-Ziige entgleifen mitunter,« giebt
Albrecht scharf zurück.
»O, o,« mischt sich der Chor hin
ein, »Ihr seid witzia ---— das endet mit
einer entzückenden Priigelei.«
Doch der Kleine geht dem Großen,
dessen Borertalent er zu schätzen weiß,
aus dem Wege und läßt seine Erfolge
sprechen.
Diese mehren sich von Tag zu Tag.
Was er an langen, iti,en Abenden iibt
und übt und immer wieder übt —
das ist sein unverlierbares Eigenthum.
Jmmer fester fügen sich die Grund-—
pfeiler seines Wissens, immer höher
baut er Zahlen und Daten darauf.
Will das Feuer seiner Begeisterung
einmal erlöschen, so blickt er auf die
seinen Finger seiner Mutter, die nie
müde werden, Stich an Stich zu rei
hen . . . Jn ihre glücklofe Einsamkeit
einen Freudenstrahl hinein-zubringen,
ift sein brennender Wunsch. Sie für
ihre Liebe zu belohnen ——- ist sein Ehr
geiz.
Revolution in Unter- Setunda
,,·’5!unqen5 seid Jhr toll?« lacht der
Piroiessor. »Zeiat Euch ja von einer
aanz rebellifchen Seite! Was gefällt
Euch denn an dem Thema nicht, das
Zugleich der edelite Weisheitsspruch
er Griechen ist: ,,Ertenne dich selbst!«
»Aber iiir einen Alassenanfiatz zu
abstratt Herr Professor Was soll
zman darüber schreiben? Geben Sie
Ums ein Thema aus der Geschichte,
. aus der Literatur«
Der Professor sieht neben Albrecht,
der seine Feder in Tinte und in Be
geisteruna taucht und drauf los ar
! beitet, als wolle er sich etwas von der
lSeetlf schreiben. Wie ihm dag Thema
iea
» Während sie noch murren und
schimper nnd nutzlos berathen .....
hat er die Disposition bereits fertig.
iLiichelnd blickt der Lehrer auf die an
;dern, dann auf ihn: »Der König
IKarl am Steuer faß» .· er hat tein
; Wort gesprochen . . .. !«
? Aus feinem reichen Jnnenleben
»ichöpfend. fördert er Gedanken zu
-taae, die seiner geistigen Reise ein
igliinzerrdes Reuaniß neben. .
Die Arbeit geht unter den Lehrern
von Hand zu Hand, der Direktor
selbst giebt sie dem Knaben zurück
und sieht ihn lange forschend an.
Da flüstert’g und wispert’s unter
den Mitschiilern, und alles blickt auf
Luni-.
Der fühlt, daß sein Thron wackelt.
Er rafft sich auf und fängt an, zu
,,arbeiten«. Er pautt mächtig. Aber
sein Wissen, das durch Laune und
Zufall zusammengetragen, hält nicht
Stand vor dem festenFundament des
andern.
Der Zensurentag muß die Ent
scheidung bringen.
»Du hast tapfer um den ersten
Platz getämpft, Albrecht«, sagt der
Ordinarius, »du hast ibn dir errun
gen.«
Beisallgrufe Fendticheg Murren.
Und alle sehen zu ihm hinüber, ob
er nicht die ganze Selunda mit
triumphirenden Blicken verschlingt!
Aber nur ein träumerisches, ver
sonneneg Lächeln ist in seinen Ziigen
——— er denkt an: zu Hause!
Der erste im Paletot ist er. Viele
Hände strecken sich nach ihm, aber er
läßt sich nicht halten.
Mit sliegendem Athem stürzt er zur
Mutter hinein, die sich über eine kost
bare Brautschleppe beugt, in welche sie
silberne Myrthen stickt. Die Arme um
ihren Hals legend, läßt er das Zeug
nifz herabgleiten. »Als erster«, liest
sie und hält das Blatt mit bebenden
Fingern. Dann umllatnmert sie ih
ren Jungen sest —- ganz fest! Als
wolle siesich ihr Leben lang an ihm
halten.
Das sind die Gliictgthränen, auf
die er sich ein ganzes Semester lang
gefreut hat.
--———-.- --.--————
Die praktische Reise.
Humoresle von E. F a h r o w.
Es war eine unbestreitbare That
sache, daß Tante Linchen ebenso gut
müthig wie unpraktisch war. Das
hatte man ihr in der Verwandtschaft
schon häufig anaedeutetx aber Tante
Linchen gab nur die erste Eigensast
zu und bestritt die zweite.
Da die kleine Tante überzeugt Von
ihrem eigenen sprattischen Wesen und
von ihrer Sparsamkeit war, pflegte
sie bei jeder Gelegenheit zu versichern,
daß es neben einem moralischen Wan
del nichts Wichtigeres ausErde gäbe,
als zu sparen. Sie selber lam zwar
nie dazu, etwas zurückzulegen aber
das war kein Grund, denn sie hatte
vom Mai bis zum nächsten April all
zu häufig Loairbesuchx es war immer
iraend ein TItesse oder eine Nichte bei
ihr·
Uebrigens sollte das dies Jahr an
ders werden! Ganz anders! Die
Tante hatte beschlossen, es endlich ein
mal ihren tluaen Verwandten zu ,,be
weisen«, daß sie praktisch sein konnte.
Vor allem den Berlinern, die immer
räsonnirten, und den Stettinern auch
Und schließlich auch den Münchenern
und Stuttgartern. Sie sollten sich
mal wundern! Dies Jahr gab es
keine Freiheit in Weimar —— dies Jahr
wollte sie selber reisen. Dabei wiirde
sie einen ganzen Hausen Geld sparen.
Und so schrieb sie an ihre vielen
Nichten, das; sie ihrerseits die Gast
sreundschast dieser Lieben in An
spruch nehmen wolle. Die Zeiten seien
schlecht,« was besonders ein allein
stehendes altes Fräulein spiire lwa
rum dieses, das verschwieg sie) und
deshalb werde sie der Reihe nach »in
allen ihren lieben Nichten reisen. Sie
schickte während dieser Zeit ihr-Dienst »
rniidchen nach Hause, was ja nicht viel
koste. —-- Und der Brief schloß mit der ;
fröhlichen Versicherung »immek hübsch i
sparen, Kinderchem das ist von jehers
mein Prinzip gewesen« s
Nachdem sie sich solchergestalt und
mittelst lauter gleichlautender Briese
in Nord-— und Süddeutschland anae
sagt hatte, suhr sie ab. Zunächst nach
Berlin, zu Hetr.
Das war herrlich dort. Diese leb
hasten Kinder, dieses Schieben und
Treiben in den Straßen und die sa
tnosen Restaurant5, in die man
Abends ost ging!
Acht Tage nach ihrerAntunst hatte
Hete’s Aeltester Geburtstag — Ge
burtstaae beachtete Tante Linchen ach
der Ferne nie. Aber wenn man doch
nun gerade im Hause war.....5larl
chen betam einen photographischenAp
parat. Der Apparat war nicht
theuer, aber das ,,Zubehör!« Es war
tnertwiirdig, wie dieses Zubehör in’5
Geld tief. Dreißig Mart waren
schließlich drausgeaangen. Indessen
Karlchem der Tertianer, war ja selig
über das Geschenk und strahlte! Tante !
Linchen strahlte mit. ;
Nach vierzehn Tagen hörte die;
Tante ganz zusällig, daß ein neueri
Geburtstag sich nahe. Dies mal war »
sie aber schlau, sie wollte dein Feste
entgehen. Ganz harmlos erklärte sie,
sie müsse nun nach Stettin, dort erst
warte man sie am Sonntag.
Hete fah sie mit einem ulkigenSei
: tenblick an.
»Am Sonntag? Du meinst wohl
am Mittwoch, Tantchen?«
»Nein, nein, ich- meine amSonntag.
IsWarum denkst Du . . .«
s so.«
»Ach — garnicht! Jch meinte bloß
Jn Stettin herrschte großer Jubel.
JTante Linchen kam. Das war doch
» gewiß wieder nur eine ihrer Aufmerk
.samkeiten, daß sie gerade Muttchens
’Geburtstag in Stettin mitmachen
wollte! Zu nett von ihr! Wirklich
Jeine Ueberraschung. Mittwoch war
lder Geburtstag .
Ja, eine Ueberraschung war es auch
fsiir Tante Linchent Aber sie mußte
natürlich so thun, als sei sie thatsäch-·
lich deshalb um eine Woche früher ge
kommen, um diesen Geburtstag mitzu
feiern
Vertraulich fragte sie amTage vor
’ her ihre Nichte, ob sie nicht einen nei
nen Wunsch habe, den man ihr erfül
len könne
f Die Nichte fiel der Tante um den
,als.
»Ach ja, Tantchen, das ist wirklich
zu entzückend von Dir! Jsch wünschte
mir nämlich rasend einen seidenenUn
terrock. Mein Männchen kann mir
sowas nicht kaufen, und ich liebe doch
so ein bischen Luxus so sehr! Es giebt
auch schon ganz billige. Bei Förster
trieat man die besten.«
Tante Linchn aing zu Förstr. Da
waren aber die billigen gerade alle
ausgegangen, und außerdem sagte der
Vertiiuser mit einem mitleidigen Lä
chelnx
»Diese geringe Waare hätten Sie
ja doch nicht getauft, gnädige Frau!
Ich rathe Ihnen zu diesem gelben
hier —-« er kostet nur vierzig Mart!
ttlusnahmepreisN
Nun war Tante Linchen schwach ge
nug, sich jedesmal gefchmeichelt zu füh
len, wenn man sie gnädige Frau titu
lirte. Resolut nahm sie den schönen
ittock und tröstete sich selbst:
»Na, ich hole das iin nächsten Mo:
nat wieder ein! Da bin ich in Mün
aien, und ich weiß bestimmt, daß meine
Nichte Emina dann nicht Geburtstag
hat. Kinder haben sie auch nicht -—
da lieber Gott, die Leutchen sind ja
nun auch schon über zwanzig Jahre
verheirathet! Dort werde ich nun al
so irirtlich sparen tönnen.«
Die Freude über den Gelbseidenen
war so groß, daß Tante Linchen ganz
ausgesöhnt mit ihrem »Reinsall« war.
So hatte sie nämlich schnöder und rich
tiger Weise das merkwürdige Zusam
mentreffen all dieser Feste mit ihrem
Dortsein genannt.
Sicherer war-es jedenfalls in Mün
chen, wohin sie demnächst ihre Schritte
; lentte. Diese Nichte war eine Frau
-Professor Huberbauer, und da ihr
Mann an der großen Kunstschule
lehrte, war gewiß interessantes Leben
und Treiben dort zu erwarten.
Zu ihrem großen Erstaunen em
pfingen sie Herr und Frau Professor
Huberbauer mit gerührten Mienen:
" »Nein, Tantchen, daßDu aber auch
daran gedacht hast! Wir haben es
doch keinem Menschen erzählt! Aber
in Deinem Familientalender hast Du
ja doch alles aufgezeichnet, Dir konnte
der Tag nicht entgehen!«
Tante Linchen ward sehr verlegen.
Sie konnte doch nicht sagen, daß sie
absichtlich diesen Kalender nicht mit
genommen hatte, und daß sie nicht
ihnte, um was es sich handelte.
Das verlegene Gesicht des alten
Fräuleins ließ die Frau Professor ah
nen, daß etwas besonders Nettes in
Vorbereitung sei. Na ia -—-- zur sil
bernen Hochzeit strengt man sich ja
auch wohl ein bischen an.
Herrgott ja --- also silberne Hoch
zeit.
»Weifzt Du, Tantchen, uni diese
Zeit istMiinchen ganz leer, wenigstens
dieMiinchener sind nicht da. Die sind
im Gebirge und an den Seen - -- bloß
wir find hiergeblieben, weil wir in
alter Stille den Tag feiern wollten.
Daß Du nun dazu hertomnist, ist
wirklich reizend; Du bist fo gemiith
li chund ftörst nie.«
Tante Linchen machte ein vergnüg
tes Gesicht und besann sich Tag und
Nacht, was fiir ein Geschenk wohl hier
am Platze wäre. Natürlich mußte es
etwas silbernes sein! ---- Zum Glück
half ihr der Professor aus die
Sprünge, indem er gelegentlich fallen
ließ, zu einem Brotkorb hätte es seine
Frau immer noch nicht gebracht, wo
gegen sie fiinf Tortenmesser und sieben
Theesiebe besäße. »Die Menschen sind
ja immer so unprattisch mit ihrenGe
schenken, weißt Du«, setzte er hinzu.
Die Tante wollte doch nun aber ab
solut praktisch sein: deshalb kaufte sie
einen schweren silbernen Brodkorb
von sehr schlichter, moderner Form
—- um hundert Mark.
Nachdem aber auch dieses Freuden
fest noch überstanden war, griff Tante
Linchen zu einer Kriegslist; sie fragte
«ganz schlau, so daf; kein Mensch es
merken konnte, ob bei den Stuttgar
tern, zu denen sie jetzt reisen wollte,
irgend einG ieburtstag oder eine Hoch
zeit bevorstände.
»Gott bewahre, Iantchem die ha
ben beide zu Weihnachten Geburts
tag, und Kinder haben sie ja nicht,
obwohl sie schon acht Jahre verheira
thet sind.«
»Acht Jahre?« kaltulirte die Tante.
»Nein, dann droht mir dort auch keine
silberne Hochzeit.« Und leichten Her
zens reiste sie nach Stuttgart ab.
Dort tars sie gerade zur rechten
Zeit ein, um einen Wohlthätigkeit-Z
bazar mitzumachen, den ihre Nichte
in Form eines sommerlichen Jahr
marktes in ihrem Garten arrangirt
hatte.
»Es ist zum Besten armer Kinder«,
sagte man zu Tante Linchen. »Wenn
man selber keine hat, so muß man
eben fijr andere sorgen, nicht wahr?«
Und dies ward mit einem so weh
miithigen Seufzer gesagt, daß auch
hielt wieder Tantchen tief in ihren
Beutel greifen mußte — es ,,ging«
doch nicht anders!
Nun aber hatte sie genug von ihrer
Spar-Reise! Sie telegraphirte ihrem
Mädchen, daß sie nach Weimar kom
mlen und flugs die Wohnung in stand
setzen solle. Und am Ende der Woche
traf sie selber wieder daheim ein.
Sie mußte sofort auf die Bank ge
hen, um sich Wirthschastsgeld zu ho
len. Ueber zweihundert Mark hatte
sie fiir Geschenke ausgegeben —- dazu
die theuren Reisen und — nicht zu
vergessen ——— die Trinkaelder —- und
zu alledem das drückende Bewußtsein,
Paß sie doch am Ende ein Pechvogel
et.
Eine Folge dieser Reise ward aber
ihren sämmtlichen Neffen und Nichten
bemerkbar: Tante Linchen schrieb und
sagte nie mehr: »Jmmer hiibsch spa
ren.«
W
Wachstube-Z Eifer-.
Es ist eine bekannte Erscheinung, so
schreibt der Prometheus (Berlin), daß
da- Metatle, wenn sie mehrmals-· hoch
erhitzt und wieder abgekühlt werden,
schließlich ihre ursprünglichen Maße
nicht wieder annehmen, ein Umstand,
der z. B. bei Metallpyroinetern, bei
denen die Ausdehnung eines Metall:
stückesJ nlg Maßstab für die Tempera
iur dient, zu Störungen und Unge
nauigleiten Veranlassung gibt und
eine öftere Nachprüfung erforderlich
macht. Jteuerdings bat nun dasFrank:
lin:Jnftitut dem Erfinder eine-Z Ver
fahren5, das unter Ausnutzung dieser
Erscheinung ein wirtlicheO ,,Wachsen-«
des Eisen-S erzielt, eine goldene Me
daille verliehen. Das Verfahren be
steht lediglich in mehrfacher Erhitzung
und Ablühlung des betreffenden Eis
senstiickeg unter Enthaltung bestimnt
iir Teinperaturen, über deren Höhe
Nähereg noch nicht mitgetheilt wird.
Die Ergebnisse des Verfahrens sollen
außerordentlich sein; die Ausdehnung
eines Eisenbarreng soll bis zu 46
Prozent betragen, wobei sein Gewicht
gänzlich unverändert bleibt, während
seine Strultur infolge der gänzlich
veränderten Lagerung der Moleküle
selbstverständlich eine andere ist als
die gewöhnlichen Eisen-S gleicher Be
schaffenheit und HerkunfL Welche
Prattische Anwendung das Verfahren
irird finden können, bleibt abzuwar
ten.
Zeit-euer hölzerner Kleider-.
Es mag nicht gar lange mehr dau
ern, bis man in jedem Ellenwaarenlas
den öfter nach hölzernen Anziigen fra
gen hört, und die Nachfrage auch be
friedigt wird, nachdem vielleicht der
Vertäufer die Gegenfrage erhoben hat:
»Harte oder weiche gefällig?«
Obwohl das Holz beträchtlich theui
rer geworden ist, lassen sichKleider aus
Fichten oder Pechtannen-Holz nach
modernen Methoden sehr billig her-—
stellen.
Das betreffende Holz wird, unge:
fähr wie bei der Papierfabrilation, zu
nächst in einen weichen Brei verwan
delt; derselbe wird durch Löcher in
Eifenplatten gepreßt und kommt in
langen Tauen oder Strähnen heraus,
welche getrocknet und dann fest ge
flochten werden. Schließlich find sie
zu Fäden geworden, aus denen Klei
dungsstiicle gewoben werden können.
Ihre Verarbeituna ist nicht schwerer,
als die von Hanffasern
Hölzerne Westen werden bereits von
nicht wenigen Angestellten von Woll
fabriten getragen. Und es wird ver-:
sichert. daß diese Kleiderfabrikation
in naher Zukunft noch ganz bedeutende
Erweiterungen erfahren werde. Solche
Kleidungsstiicke kommen nicht nur
wohlfeil, sondern es wird ihnen auch
große Dauerhaftigleit nachgeriihmt!
Anzüglich·
Kommis: »Der Chef hat mich ei
nen »Heuchler« und der Buchhalter
ein »babhlonisches Rindvieh« ge
nannt!'« »
Kollege: »Sie — den Chef wurd’
ich vertlagen!«
Berliner Deckt-set vor wont-rein
Schon Ausgangs des 1.8. Jahrhun
derts war in Berlin das Bockbier be
kannt. Damals hieß es Kufenbier.
Vier Sorten Bier wurden in Berlin
gebraut: Braun-, Engelländisches
(Enalisches), Mannheimer und Weiß
bier Außer dem gewöhnlichenBraun
bier stellten die Braunbierbrauer im
Frühjahr noch das Kufenbier her.
Schankconcessionen aab es noch nicht.
Den Ausschank betrieb gewöhnlich die
Brauerei selbst Sehr beliebt wegen
ihres vorzüglichen Kusenbiers war die
Brauerei Lenke in der Gertraudten
strasze. Wenn im März das unge
gohrene, sehr beraufchende Getränl
zum Ausschank kam, zogen viele Bür
aer, Männlein und Weiblein, zu
Lenke. Frauen waren sonst nicht in
» Gasthäusern zu finden. Die Gaststube
im Parterre reichte dann nicht aus.
Es wurden Tische und Bänke auf den
Hausflur und den Hof gestellt, um
all’ die fröhlichenTkinker unterbringen
zu können.
Der alte Jicxtfrtedhof in Pras.
Jn das Prager Getto mit seinem
Gewirr wintliger Gäßchen, dunkler
Höfe und Trödelläden hat die Zeit
manche Lücke gerissen, nur ein Winkel
dieses Gebietes war unberührt geblie
ben, der alte Judenfriedhof, diese ehr
würdigste Begräbnißstätte der Stadt,
uin die Sage und Poesie geheimnißvoll
itzreSchleier weben. Nun aber muß
dem wachsenden Verkehr ein Stück des
Bodens geopfert werden, der einen
Wald von feierlich aufgerichteten Stei
nen trägt. Von besonderem Interesse
sind drei Gräber: das der Schöndl
(Schd"nen) Gattin des Gabriel aus
dem Jahre t)80, der weiße Marmor
sarkophag der Hendl (Hiiihnchen), de
ren Gatten Kaiser Ferdinand der
Zweite in den erblichen Reichisadels
tand als Jakob Bath Scheba von
Ireuenberg erhob, und der Stein der
Grumnat, der zweiten Gattin des
Mardochai Meisel, der-en Name an
eine der fchwärzesten Seiten der Ge
schichte erinnert. Auch ein berühmter
Gelehrter right hier, der «hohe Rabbi
Löw«, von dem die Sage erzählt, daß
er ein-en »Golem«, einen Mann aus
Lehm, erschaffen und ihm seinen
Athem eingehaucht habe.
Eine Krießsfahrt vor 200 Jahren.
Als Kaiser Joseph der Erste im
Jahre 1702 sich von Wien nach Lan
dnu begab, um in Person die Belage
rung dieser Festung zu leiten, bestand
sein Gefolge aus nicht weniger als
232 Personen, worunter sich 12 Käm
inerer und 21 Köche befanden. Die
Kaiserin folgte ihrem Gemahle mit
einem Troß von 170 Personen. Zur
»Fortschaffuna des Hofes waren 77
stutschen nnd 192 Gepäckwagen erfor
derlich; der ganze Aufwand dieser
Reise belief sich auf mehr als eine
Million Gulden.
,-«..-——
(ttcschäftliels.
Richter: »Sie haben dem Kläaer
eine Menge Ohrfeigen gegeben; wie
kommt dies?«
Vlngetlagterr »J’ bin Hausknecht
lri einem Grosfiften wir aeben unter
einem Dutzend nichts ab.«
Bei der Treibjngd.
«San denn dös fo guete Schützen,
Girgl, daß D’ glei’ mit ’m Leiter
wag-en nachfahren mußt, um ’s Wild
aufzupacken3«
»A woher, da kommen die ange
schossenen Jreiber ’nauf!«
chicrlei.
Er: ,,Vor unserer Heirath sagtest
Tit doch immer, daß Du mit mir der
ganzen Welt Trotz bieten würdes.«
Sie: »Ja, gewiß -— aber deshalb
kannst Du doch nicht von mir verlan
gen, daß ich mich mit einem vorjähri:
gen Frühjahrshut auf der Straße
ziiae!«
Tröstlich.
Gecl lans einer Soiree): »Denken
Sie sich nur, giiiidige Frau, Fil.
! Spitzer hat vorhin über mich gelach-t.'«
; Dame: »Ach, daraus müssen Sie
fsich nichts machen; die laclit oft iiber
das diirninsie Zeug«
Auch ein Wunsch.
Pantoffelheld (der eine Pendeluhr
taufen will): »Haben Sie nicht eine,
die immer in der Nacht stehen bleibt?«
Dcplaeirte Redensart.
i »Der junae Doktor in Jhrem
tHaufe soll ja sehr beliebt feint«
t »O, seine Patienten sterben siir
ihn!«
Stilhlütlse.
,,...Die Errichtung einer zahn
ärztlichen Klinit in unserer Stadt
war schon längst ein schreiendeg Bei
dürfniß.
Müh-wo Bild.
,,.·..Sagen Sie, Frau Professor-,
wo ist denn Jhr Herr Gemahl?«
»Jmmer daheim! . .. Wenn der sich
’mal siir etwas interessirt, ist er un:
augstehlichs!... Jetzt reitet er den
ganzen Tag aus einein Laubfrosch
’rutn!«
Das kommt davon.
Versicherunasinspettor: »Ich begrei
fe nicht, wie die Feuerwehr das
ganze Forstamt total abbrennen las
sen tonnte!... Hat denn gar nie
mand Feuerlärm gemacht?«
Kommandant: ,,Doch! Der Ober
sörster hat alleweil ,,«’5eurio« g’schri’n
— aber es hat’s- ihm niemand
’glaubt!«