Beimkehr. Klinglingk —« Die Tbüt wird aufge macht Hei, wie das stürmt, sich drängt und l.acht Von Kinderiippen ein jubelnd »Hutka! Die Mutter ist da, die Mutter ist da!« Dann giebi’ö ein Küssen, ein innig Umfchtingen, Ein Fragen und Saaen von tausend Dingen, Ein Schineicheln, sich reden, tosen nnd nicken. An niir hängt g mit leuchtenden Fiin bei-blicken, Ich knie inmitten, vom Glück umspon nen, Frohlockt mein Heut »Bist heimge tommen!« Mam. Reichel-Karften. Der Erste. Novellette von Z o e v. R e u ß. Als er beim Onkel Günther zu Be such war und die große Kunftmappe durchblätterte, in welcher sich Städte bilder aller Herrn Länder befanden, dämmerte es ihm zum erstenmal: wie schön die Welt sei! Heimgelehrt, legte er beide Arme um den Hals der Mutter, um in lind licher Begeisteruna zu gestehen: »Wie herrlich muß die Welt fein! Wie schön das Leben, wenn man reich ist wie Onkel Günther. eine Villa am See hat, französische Bronzem versi sche Stickereien und noch viel mehr! Wenn man reisen kann, Mütterli, al les bewundern --—— alles taufen —— Schätze sammeln!« »Du kannst es«, hatte ihm die Mutter entgegnet, ohne von der Ar beit emporzubliclea ,,Jn deiner Brust ruh’n deines Schicksals Sterne. Du mußt nur wollen, dich mit eiser ner Energie wavpnen, mit unerfchiit terlichem Fleiß! Dein Vater besaß nichts davon· Er nahm oftmals einen ttiihnen Flug, aber aus halbem Wege ward er flügellahm. So tam es, daß er nichts erreichte und uns in Armuth zurückließ. Vielleit arteft du nach mir, Donat: Still und treu!« Sie läßt die Arbeit fallen, um den blassen Knaben voll Liebe an sich zu preisen. ,,Vielleicht verwirklichst du meine Träume · . . giebst mir die Stel lung im Leben, nach der ich gerun aen, die ich aber an der Seite deines Vaters nicht fand·..in unsern Söh Lren leben wir Mütter ein zweites Le en.« So ganz verständlich ist es ihm nicht, was sie sagt; aber der erfte Ton fin det den Weg zu seinem Herzen. Und während er sich an die Mutter schmiegt, die feinen Züae ftudirt, tommt ihm allerlei in den Sinn, was man ihm bruchstückweis erzählte: der Vater ging an seiner Geschäftsun: lenntniß zugrunde Die Zeit kam, wo seine Gläubiaer ihn überrannten er fürchtete ein offenes Bekennt niß und --s-« drückte sich heimlich aus dem Leben beraus. Dem Knaben will scheinen, daf; diese Ehe fiir seine Mutter eine Er niedrigung aewesen! Eine Frau von so hoher Bildung von feinem Tatt ist wohl zu etwas Besserem berufen, als taaein, tagaus ——Stich an Stich zu reiben! Er fühlt im Innern ein Zudem wie eine Flamme lodert der Gedante auf: ,,Kämpfe brav und schaffe ihr ein würdiges Leben!« Donat Albrecht ist ein guter Schil ler, aber er ist tein Unternehmender. Peinlich seine Aufgaben erledigend, tritt er niemals aus dem Rahmen der Alltäglichleit. Da Ist Lund, der Primus, ein an derer. Teufelsterl nennen ihn die Selundaner. Lernt nie und lann al les. hat Zeit für Sport, für Lie besgeschichten und französischeBiicher. Ueberall wintt ihm das Leben. Die Sommerferien verlebt er beim Groß vater in Schweden. zu Ostern darf er nach Genf. Seit nahezu zwei Jahren sietzt er Erster, und niemand hat sich in der langen Zeit bemüht, ihm den Rang streitig zu machen. lUnd plötzlich ersteht ihm da ein Ri va . Ja Gestalt eines schlankem schmack tigen Jungen, der sich sonst nie über das gute Mittelmaßhin austraute, der foarm ist. daß ihm die Schule die Bücher schenkt. Zum Kuckuck, was ist in denJungen gefahren? Jst es nur Trotz, weil er liirzlich einen Streit mit Lund hatte? Oder...mehr...? Nicht Trotz, noch Laune·..son dern etwas Heiliges ist in seinem Ei ser . . . eine stille Leidenschaft! Feder fühlte es instinktiv. «—n einer Pause hat der Ordina rius ihn zu sich gewintt und durch Fragen mancherlei herausgebracht Jetzt begreift er, denn er kennt das Gefühl. das den Knaben begeistert: die Liebe zur Mutter ist sein Kult. Doch weder ein Cäsar steckt in ihm noch ein Navoleon· Nur langsam lämpst er sich vdn Etappe zur Etappe, schlägt einen Vordermann nach dem andern, bis er eines Tages dem Pri mus so nahe rückt, dasx dieser mit ar rogantem Lächeln anssährt: »Oho mein Bürschchen, du qehst ’ran wie Bliicher. Am Ende ein Zweitamps? Nous verrons.« Im Grunde ist es ihm unbequem, daß der lleine Al brecht ihm io dicht »aus die Pelle« rückt. Der hat eine Ausdauer —- — eine Beharrlichteiti Der hat zähe Nerven, die es sertia bringen, das Gelernte tausendmal zu repetiren.« l— —I Yebrasäa Staatsgnzejger Und THATng . Jahrgangzl thka Iksdksla ndNbr., 18 Mai 19i (Zw t7hrl) Mit einem Wort, er ist ,,blödsinnig steißias«. Zunächst hatte sie ihn tüchtig ver ultt. Aber seine Ruhe brachte die Ge sellschaft zum Schweigen. »Was wollt Zer? Was wißt Ihr von meinen tunftsplänew Mache es jeder so, wie er’s verantworten kann. Da ich weiß, daß das Leben mich hart an fassen wird, stähle ich mich bei Zei ten.« Und nun begann ein lrästiges Rin gen: Fleiß — gean Talent! Aus bei den Seiten wurde schneidig getämpst, die Klasse spaltete sich in zwei Par teien, und ob auch die Majorität zu Lund neigte, der stets überlegen that und die Sorgen in den Wind schlug . . auch der Kleine fand Beifall —-— sein Ansehen wuchs. . Wenn die sührenden Geister Par lamentssitzung hielten, das heißt, in der Pause auf der Bantlehne hockte-n und mit den Schinlenbrödchen gesti lulirten, durfte Albrecht mitreden. Er sprach klar und präcis. denn dag Be wußtsein, etwas zu leisten, gab ihm» Rüsarat. Das Grog der Jungen glich ja einer Heerde, die mit dem Glo ctenzeichen hinaus und mit dem Glo ckenzeichen hineintrabt. Zu denen brauchte er sich nicht mehr zu rechnen. ’Mal giebt es eine erregte Debatte. Dick, einer aus den unteren Regionen, hat zwischen einem Lachsbrödchen und einer Praaer Schintenstulle verkündet, daß et ein Motto siir sein Leben ge sunden habe: »Morgcn wieder lustig!' Eigentlich hat Dick teine Stimme im Parlament, da er aber schauderhast viel Taschengeld besitzt . . Blasirt zuckt ein Hochaufgeschosses ner die Achseln und pfeift unmelodisch durch die dünnen Finger. »Mein Motto ist: time is monen!« »Nicht für ’ne Mark Jdealigmus habt Jhr,« schilt Lund und schwingt sich auf’g FensterbretL »Ich bin eine Herrschernatur: ’letat c’est moi!« Wie ein Athlet steht er da oben und Als brecht, ihm zu Füßen sitzend, kommt sich in diesem Augenblick höchst er börmlich vor. Er sieht Lundg schöne Stiefel, helles Chevreauleder, fein ge schweier Sohlen . . . und vergleicht sie mit seinen plumpen Stiefeln, die er ängstlich versteckt. »Dein Motto . . ·?« farfchen die andern. Soll er ihnen bekennen, daf; er ganz anders geartet ist? Nur zögernd ge: steht er das goldene Wort, das ihm die Mutter geprägt: Still und treu. »Die Stillen werden überschrieen,« spottet Lund, »und die Treuen wer den hintergangen. Du kommst mit deiner Philisterweisheit ein halbes Jahrhundert zu spät, mein Lieber.« ,,Treue und Beharrlichkeit führen an’H Ziel,« vertheidigt sich Albrecht· »Auf Schneckenwegen,« lacht der an dere. »Es lebe der Bummelzug!« »D-Ziige entgleifen mitunter,« giebt Albrecht scharf zurück. »O, o,« mischt sich der Chor hin ein, »Ihr seid witzia ---— das endet mit einer entzückenden Priigelei.« Doch der Kleine geht dem Großen, dessen Borertalent er zu schätzen weiß, aus dem Wege und läßt seine Erfolge sprechen. Diese mehren sich von Tag zu Tag. Was er an langen, iti,en Abenden iibt und übt und immer wieder übt — das ist sein unverlierbares Eigenthum. Jmmer fester fügen sich die Grund-— pfeiler seines Wissens, immer höher baut er Zahlen und Daten darauf. Will das Feuer seiner Begeisterung einmal erlöschen, so blickt er auf die seinen Finger seiner Mutter, die nie müde werden, Stich an Stich zu rei hen . . . Jn ihre glücklofe Einsamkeit einen Freudenstrahl hinein-zubringen, ift sein brennender Wunsch. Sie für ihre Liebe zu belohnen ——- ist sein Ehr geiz. Revolution in Unter- Setunda ,,·’5!unqen5 seid Jhr toll?« lacht der Piroiessor. »Zeiat Euch ja von einer aanz rebellifchen Seite! Was gefällt Euch denn an dem Thema nicht, das Zugleich der edelite Weisheitsspruch er Griechen ist: ,,Ertenne dich selbst!« »Aber iiir einen Alassenanfiatz zu abstratt Herr Professor Was soll zman darüber schreiben? Geben Sie Ums ein Thema aus der Geschichte, . aus der Literatur« Der Professor sieht neben Albrecht, der seine Feder in Tinte und in Be geisteruna taucht und drauf los ar ! beitet, als wolle er sich etwas von der lSeetlf schreiben. Wie ihm dag Thema iea » Während sie noch murren und schimper nnd nutzlos berathen ..... hat er die Disposition bereits fertig. iLiichelnd blickt der Lehrer auf die an ;dern, dann auf ihn: »Der König IKarl am Steuer faß» .· er hat tein ; Wort gesprochen . . .. !« ? Aus feinem reichen Jnnenleben »ichöpfend. fördert er Gedanken zu -taae, die seiner geistigen Reise ein igliinzerrdes Reuaniß neben. . Die Arbeit geht unter den Lehrern von Hand zu Hand, der Direktor selbst giebt sie dem Knaben zurück und sieht ihn lange forschend an. Da flüstert’g und wispert’s unter den Mitschiilern, und alles blickt auf Luni-. Der fühlt, daß sein Thron wackelt. Er rafft sich auf und fängt an, zu ,,arbeiten«. Er pautt mächtig. Aber sein Wissen, das durch Laune und Zufall zusammengetragen, hält nicht Stand vor dem festenFundament des andern. Der Zensurentag muß die Ent scheidung bringen. »Du hast tapfer um den ersten Platz getämpft, Albrecht«, sagt der Ordinarius, »du hast ibn dir errun gen.« Beisallgrufe Fendticheg Murren. Und alle sehen zu ihm hinüber, ob er nicht die ganze Selunda mit triumphirenden Blicken verschlingt! Aber nur ein träumerisches, ver sonneneg Lächeln ist in seinen Ziigen ——— er denkt an: zu Hause! Der erste im Paletot ist er. Viele Hände strecken sich nach ihm, aber er läßt sich nicht halten. Mit sliegendem Athem stürzt er zur Mutter hinein, die sich über eine kost bare Brautschleppe beugt, in welche sie silberne Myrthen stickt. Die Arme um ihren Hals legend, läßt er das Zeug nifz herabgleiten. »Als erster«, liest sie und hält das Blatt mit bebenden Fingern. Dann umllatnmert sie ih ren Jungen sest —- ganz fest! Als wolle siesich ihr Leben lang an ihm halten. Das sind die Gliictgthränen, auf die er sich ein ganzes Semester lang gefreut hat. --———-.- --.--———— Die praktische Reise. Humoresle von E. F a h r o w. Es war eine unbestreitbare That sache, daß Tante Linchen ebenso gut müthig wie unpraktisch war. Das hatte man ihr in der Verwandtschaft schon häufig anaedeutetx aber Tante Linchen gab nur die erste Eigensast zu und bestritt die zweite. Da die kleine Tante überzeugt Von ihrem eigenen sprattischen Wesen und von ihrer Sparsamkeit war, pflegte sie bei jeder Gelegenheit zu versichern, daß es neben einem moralischen Wan del nichts Wichtigeres ausErde gäbe, als zu sparen. Sie selber lam zwar nie dazu, etwas zurückzulegen aber das war kein Grund, denn sie hatte vom Mai bis zum nächsten April all zu häufig Loairbesuchx es war immer iraend ein TItesse oder eine Nichte bei ihr· Uebrigens sollte das dies Jahr an ders werden! Ganz anders! Die Tante hatte beschlossen, es endlich ein mal ihren tluaen Verwandten zu ,,be weisen«, daß sie praktisch sein konnte. Vor allem den Berlinern, die immer räsonnirten, und den Stettinern auch Und schließlich auch den Münchenern und Stuttgartern. Sie sollten sich mal wundern! Dies Jahr gab es keine Freiheit in Weimar —— dies Jahr wollte sie selber reisen. Dabei wiirde sie einen ganzen Hausen Geld sparen. Und so schrieb sie an ihre vielen Nichten, das; sie ihrerseits die Gast sreundschast dieser Lieben in An spruch nehmen wolle. Die Zeiten seien schlecht,« was besonders ein allein stehendes altes Fräulein spiire lwa rum dieses, das verschwieg sie) und deshalb werde sie der Reihe nach »in allen ihren lieben Nichten reisen. Sie schickte während dieser Zeit ihr-Dienst » rniidchen nach Hause, was ja nicht viel koste. —-- Und der Brief schloß mit der ; fröhlichen Versicherung »immek hübsch i sparen, Kinderchem das ist von jehers mein Prinzip gewesen« s Nachdem sie sich solchergestalt und mittelst lauter gleichlautender Briese in Nord-— und Süddeutschland anae sagt hatte, suhr sie ab. Zunächst nach Berlin, zu Hetr. Das war herrlich dort. Diese leb hasten Kinder, dieses Schieben und Treiben in den Straßen und die sa tnosen Restaurant5, in die man Abends ost ging! Acht Tage nach ihrerAntunst hatte Hete’s Aeltester Geburtstag — Ge burtstaae beachtete Tante Linchen ach der Ferne nie. Aber wenn man doch nun gerade im Hause war.....5larl chen betam einen photographischenAp parat. Der Apparat war nicht theuer, aber das ,,Zubehör!« Es war tnertwiirdig, wie dieses Zubehör in’5 Geld tief. Dreißig Mart waren schließlich drausgeaangen. Indessen Karlchem der Tertianer, war ja selig über das Geschenk und strahlte! Tante ! Linchen strahlte mit. ; Nach vierzehn Tagen hörte die; Tante ganz zusällig, daß ein neueri Geburtstag sich nahe. Dies mal war » sie aber schlau, sie wollte dein Feste entgehen. Ganz harmlos erklärte sie, sie müsse nun nach Stettin, dort erst warte man sie am Sonntag. Hete fah sie mit einem ulkigenSei : tenblick an. »Am Sonntag? Du meinst wohl am Mittwoch, Tantchen?« »Nein, nein, ich- meine amSonntag. IsWarum denkst Du . . .« s so.« »Ach — garnicht! Jch meinte bloß Jn Stettin herrschte großer Jubel. JTante Linchen kam. Das war doch » gewiß wieder nur eine ihrer Aufmerk .samkeiten, daß sie gerade Muttchens ’Geburtstag in Stettin mitmachen wollte! Zu nett von ihr! Wirklich Jeine Ueberraschung. Mittwoch war lder Geburtstag . Ja, eine Ueberraschung war es auch fsiir Tante Linchent Aber sie mußte natürlich so thun, als sei sie thatsäch-· lich deshalb um eine Woche früher ge kommen, um diesen Geburtstag mitzu feiern Vertraulich fragte sie amTage vor ’ her ihre Nichte, ob sie nicht einen nei nen Wunsch habe, den man ihr erfül len könne f Die Nichte fiel der Tante um den ,als. »Ach ja, Tantchen, das ist wirklich zu entzückend von Dir! Jsch wünschte mir nämlich rasend einen seidenenUn terrock. Mein Männchen kann mir sowas nicht kaufen, und ich liebe doch so ein bischen Luxus so sehr! Es giebt auch schon ganz billige. Bei Förster trieat man die besten.« Tante Linchn aing zu Förstr. Da waren aber die billigen gerade alle ausgegangen, und außerdem sagte der Vertiiuser mit einem mitleidigen Lä chelnx »Diese geringe Waare hätten Sie ja doch nicht getauft, gnädige Frau! Ich rathe Ihnen zu diesem gelben hier —-« er kostet nur vierzig Mart! ttlusnahmepreisN Nun war Tante Linchen schwach ge nug, sich jedesmal gefchmeichelt zu füh len, wenn man sie gnädige Frau titu lirte. Resolut nahm sie den schönen ittock und tröstete sich selbst: »Na, ich hole das iin nächsten Mo: nat wieder ein! Da bin ich in Mün aien, und ich weiß bestimmt, daß meine Nichte Emina dann nicht Geburtstag hat. Kinder haben sie auch nicht -— da lieber Gott, die Leutchen sind ja nun auch schon über zwanzig Jahre verheirathet! Dort werde ich nun al so irirtlich sparen tönnen.« Die Freude über den Gelbseidenen war so groß, daß Tante Linchen ganz ausgesöhnt mit ihrem »Reinsall« war. So hatte sie nämlich schnöder und rich tiger Weise das merkwürdige Zusam mentreffen all dieser Feste mit ihrem Dortsein genannt. Sicherer war-es jedenfalls in Mün chen, wohin sie demnächst ihre Schritte ; lentte. Diese Nichte war eine Frau -Professor Huberbauer, und da ihr Mann an der großen Kunstschule lehrte, war gewiß interessantes Leben und Treiben dort zu erwarten. Zu ihrem großen Erstaunen em pfingen sie Herr und Frau Professor Huberbauer mit gerührten Mienen: " »Nein, Tantchen, daßDu aber auch daran gedacht hast! Wir haben es doch keinem Menschen erzählt! Aber in Deinem Familientalender hast Du ja doch alles aufgezeichnet, Dir konnte der Tag nicht entgehen!« Tante Linchen ward sehr verlegen. Sie konnte doch nicht sagen, daß sie absichtlich diesen Kalender nicht mit genommen hatte, und daß sie nicht ihnte, um was es sich handelte. Das verlegene Gesicht des alten Fräuleins ließ die Frau Professor ah nen, daß etwas besonders Nettes in Vorbereitung sei. Na ia -—-- zur sil bernen Hochzeit strengt man sich ja auch wohl ein bischen an. Herrgott ja --- also silberne Hoch zeit. »Weifzt Du, Tantchen, uni diese Zeit istMiinchen ganz leer, wenigstens dieMiinchener sind nicht da. Die sind im Gebirge und an den Seen - -- bloß wir find hiergeblieben, weil wir in alter Stille den Tag feiern wollten. Daß Du nun dazu hertomnist, ist wirklich reizend; Du bist fo gemiith li chund ftörst nie.« Tante Linchen machte ein vergnüg tes Gesicht und besann sich Tag und Nacht, was fiir ein Geschenk wohl hier am Platze wäre. Natürlich mußte es etwas silbernes sein! ---- Zum Glück half ihr der Professor aus die Sprünge, indem er gelegentlich fallen ließ, zu einem Brotkorb hätte es seine Frau immer noch nicht gebracht, wo gegen sie fiinf Tortenmesser und sieben Theesiebe besäße. »Die Menschen sind ja immer so unprattisch mit ihrenGe schenken, weißt Du«, setzte er hinzu. Die Tante wollte doch nun aber ab solut praktisch sein: deshalb kaufte sie einen schweren silbernen Brodkorb von sehr schlichter, moderner Form —- um hundert Mark. Nachdem aber auch dieses Freuden fest noch überstanden war, griff Tante Linchen zu einer Kriegslist; sie fragte «ganz schlau, so daf; kein Mensch es merken konnte, ob bei den Stuttgar tern, zu denen sie jetzt reisen wollte, irgend einG ieburtstag oder eine Hoch zeit bevorstände. »Gott bewahre, Iantchem die ha ben beide zu Weihnachten Geburts tag, und Kinder haben sie ja nicht, obwohl sie schon acht Jahre verheira thet sind.« »Acht Jahre?« kaltulirte die Tante. »Nein, dann droht mir dort auch keine silberne Hochzeit.« Und leichten Her zens reiste sie nach Stuttgart ab. Dort tars sie gerade zur rechten Zeit ein, um einen Wohlthätigkeit-Z bazar mitzumachen, den ihre Nichte in Form eines sommerlichen Jahr marktes in ihrem Garten arrangirt hatte. »Es ist zum Besten armer Kinder«, sagte man zu Tante Linchen. »Wenn man selber keine hat, so muß man eben fijr andere sorgen, nicht wahr?« Und dies ward mit einem so weh miithigen Seufzer gesagt, daß auch hielt wieder Tantchen tief in ihren Beutel greifen mußte — es ,,ging« doch nicht anders! Nun aber hatte sie genug von ihrer Spar-Reise! Sie telegraphirte ihrem Mädchen, daß sie nach Weimar kom mlen und flugs die Wohnung in stand setzen solle. Und am Ende der Woche traf sie selber wieder daheim ein. Sie mußte sofort auf die Bank ge hen, um sich Wirthschastsgeld zu ho len. Ueber zweihundert Mark hatte sie fiir Geschenke ausgegeben —- dazu die theuren Reisen und — nicht zu vergessen ——— die Trinkaelder —- und zu alledem das drückende Bewußtsein, Paß sie doch am Ende ein Pechvogel et. Eine Folge dieser Reise ward aber ihren sämmtlichen Neffen und Nichten bemerkbar: Tante Linchen schrieb und sagte nie mehr: »Jmmer hiibsch spa ren.« W Wachstube-Z Eifer-. Es ist eine bekannte Erscheinung, so schreibt der Prometheus (Berlin), daß da- Metatle, wenn sie mehrmals-· hoch erhitzt und wieder abgekühlt werden, schließlich ihre ursprünglichen Maße nicht wieder annehmen, ein Umstand, der z. B. bei Metallpyroinetern, bei denen die Ausdehnung eines Metall: stückesJ nlg Maßstab für die Tempera iur dient, zu Störungen und Unge nauigleiten Veranlassung gibt und eine öftere Nachprüfung erforderlich macht. Jteuerdings bat nun dasFrank: lin:Jnftitut dem Erfinder eine-Z Ver fahren5, das unter Ausnutzung dieser Erscheinung ein wirtlicheO ,,Wachsen-« des Eisen-S erzielt, eine goldene Me daille verliehen. Das Verfahren be steht lediglich in mehrfacher Erhitzung und Ablühlung des betreffenden Eis senstiickeg unter Enthaltung bestimnt iir Teinperaturen, über deren Höhe Nähereg noch nicht mitgetheilt wird. Die Ergebnisse des Verfahrens sollen außerordentlich sein; die Ausdehnung eines Eisenbarreng soll bis zu 46 Prozent betragen, wobei sein Gewicht gänzlich unverändert bleibt, während seine Strultur infolge der gänzlich veränderten Lagerung der Moleküle selbstverständlich eine andere ist als die gewöhnlichen Eisen-S gleicher Be schaffenheit und HerkunfL Welche Prattische Anwendung das Verfahren irird finden können, bleibt abzuwar ten. Zeit-euer hölzerner Kleider-. Es mag nicht gar lange mehr dau ern, bis man in jedem Ellenwaarenlas den öfter nach hölzernen Anziigen fra gen hört, und die Nachfrage auch be friedigt wird, nachdem vielleicht der Vertäufer die Gegenfrage erhoben hat: »Harte oder weiche gefällig?« Obwohl das Holz beträchtlich theui rer geworden ist, lassen sichKleider aus Fichten oder Pechtannen-Holz nach modernen Methoden sehr billig her-— stellen. Das betreffende Holz wird, unge: fähr wie bei der Papierfabrilation, zu nächst in einen weichen Brei verwan delt; derselbe wird durch Löcher in Eifenplatten gepreßt und kommt in langen Tauen oder Strähnen heraus, welche getrocknet und dann fest ge flochten werden. Schließlich find sie zu Fäden geworden, aus denen Klei dungsstiicle gewoben werden können. Ihre Verarbeituna ist nicht schwerer, als die von Hanffasern Hölzerne Westen werden bereits von nicht wenigen Angestellten von Woll fabriten getragen. Und es wird ver-: sichert. daß diese Kleiderfabrikation in naher Zukunft noch ganz bedeutende Erweiterungen erfahren werde. Solche Kleidungsstiicke kommen nicht nur wohlfeil, sondern es wird ihnen auch große Dauerhaftigleit nachgeriihmt! Anzüglich· Kommis: »Der Chef hat mich ei nen »Heuchler« und der Buchhalter ein »babhlonisches Rindvieh« ge nannt!'« » Kollege: »Sie — den Chef wurd’ ich vertlagen!« Berliner Deckt-set vor wont-rein Schon Ausgangs des 1.8. Jahrhun derts war in Berlin das Bockbier be kannt. Damals hieß es Kufenbier. Vier Sorten Bier wurden in Berlin gebraut: Braun-, Engelländisches (Enalisches), Mannheimer und Weiß bier Außer dem gewöhnlichenBraun bier stellten die Braunbierbrauer im Frühjahr noch das Kufenbier her. Schankconcessionen aab es noch nicht. Den Ausschank betrieb gewöhnlich die Brauerei selbst Sehr beliebt wegen ihres vorzüglichen Kusenbiers war die Brauerei Lenke in der Gertraudten strasze. Wenn im März das unge gohrene, sehr beraufchende Getränl zum Ausschank kam, zogen viele Bür aer, Männlein und Weiblein, zu Lenke. Frauen waren sonst nicht in » Gasthäusern zu finden. Die Gaststube im Parterre reichte dann nicht aus. Es wurden Tische und Bänke auf den Hausflur und den Hof gestellt, um all’ die fröhlichenTkinker unterbringen zu können. Der alte Jicxtfrtedhof in Pras. Jn das Prager Getto mit seinem Gewirr wintliger Gäßchen, dunkler Höfe und Trödelläden hat die Zeit manche Lücke gerissen, nur ein Winkel dieses Gebietes war unberührt geblie ben, der alte Judenfriedhof, diese ehr würdigste Begräbnißstätte der Stadt, uin die Sage und Poesie geheimnißvoll itzreSchleier weben. Nun aber muß dem wachsenden Verkehr ein Stück des Bodens geopfert werden, der einen Wald von feierlich aufgerichteten Stei nen trägt. Von besonderem Interesse sind drei Gräber: das der Schöndl (Schd"nen) Gattin des Gabriel aus dem Jahre t)80, der weiße Marmor sarkophag der Hendl (Hiiihnchen), de ren Gatten Kaiser Ferdinand der Zweite in den erblichen Reichisadels tand als Jakob Bath Scheba von Ireuenberg erhob, und der Stein der Grumnat, der zweiten Gattin des Mardochai Meisel, der-en Name an eine der fchwärzesten Seiten der Ge schichte erinnert. Auch ein berühmter Gelehrter right hier, der «hohe Rabbi Löw«, von dem die Sage erzählt, daß er ein-en »Golem«, einen Mann aus Lehm, erschaffen und ihm seinen Athem eingehaucht habe. Eine Krießsfahrt vor 200 Jahren. Als Kaiser Joseph der Erste im Jahre 1702 sich von Wien nach Lan dnu begab, um in Person die Belage rung dieser Festung zu leiten, bestand sein Gefolge aus nicht weniger als 232 Personen, worunter sich 12 Käm inerer und 21 Köche befanden. Die Kaiserin folgte ihrem Gemahle mit einem Troß von 170 Personen. Zur »Fortschaffuna des Hofes waren 77 stutschen nnd 192 Gepäckwagen erfor derlich; der ganze Aufwand dieser Reise belief sich auf mehr als eine Million Gulden. ,-«..-—— (ttcschäftliels. Richter: »Sie haben dem Kläaer eine Menge Ohrfeigen gegeben; wie kommt dies?« Vlngetlagterr »J’ bin Hausknecht lri einem Grosfiften wir aeben unter einem Dutzend nichts ab.« Bei der Treibjngd. «San denn dös fo guete Schützen, Girgl, daß D’ glei’ mit ’m Leiter wag-en nachfahren mußt, um ’s Wild aufzupacken3« »A woher, da kommen die ange schossenen Jreiber ’nauf!« chicrlei. Er: ,,Vor unserer Heirath sagtest Tit doch immer, daß Du mit mir der ganzen Welt Trotz bieten würdes.« Sie: »Ja, gewiß -— aber deshalb kannst Du doch nicht von mir verlan gen, daß ich mich mit einem vorjähri: gen Frühjahrshut auf der Straße ziiae!« Tröstlich. Gecl lans einer Soiree): »Denken Sie sich nur, giiiidige Frau, Fil. ! Spitzer hat vorhin über mich gelach-t.'« ; Dame: »Ach, daraus müssen Sie fsich nichts machen; die laclit oft iiber das diirninsie Zeug« Auch ein Wunsch. Pantoffelheld (der eine Pendeluhr taufen will): »Haben Sie nicht eine, die immer in der Nacht stehen bleibt?« Dcplaeirte Redensart. i »Der junae Doktor in Jhrem tHaufe soll ja sehr beliebt feint« t »O, seine Patienten sterben siir ihn!« Stilhlütlse. ,,...Die Errichtung einer zahn ärztlichen Klinit in unserer Stadt war schon längst ein schreiendeg Bei dürfniß. Müh-wo Bild. ,,.·..Sagen Sie, Frau Professor-, wo ist denn Jhr Herr Gemahl?« »Jmmer daheim! . .. Wenn der sich ’mal siir etwas interessirt, ist er un: augstehlichs!... Jetzt reitet er den ganzen Tag aus einein Laubfrosch ’rutn!« Das kommt davon. Versicherunasinspettor: »Ich begrei fe nicht, wie die Feuerwehr das ganze Forstamt total abbrennen las sen tonnte!... Hat denn gar nie mand Feuerlärm gemacht?« Kommandant: ,,Doch! Der Ober sörster hat alleweil ,,«’5eurio« g’schri’n — aber es hat’s- ihm niemand ’glaubt!«