Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, May 04, 1906, Sweiter Theil., Image 13

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    — Die Kugel von Wagrmn.
Von Gdouard Gachot. Autorisirte
Ueberseßung von Wilhelm Thal.
Eine herrliche Sonne ging über die
Ebene von Magra-n aus. Es war am
S. Juli 1809. Die unter dem Befehle
des Erzherzogs Karl stehende österrei
chische Armee hatte die Spitze der von
Ebensdorf nach Marlgrasneusiedel sich
hinziehenden Hügel inne. Die von Na
poleon besehligte sranziisische Armee
war vor dem Nuß-dach, einem sumpsi
gen Bache, ausgestellt Es war die
Große Armee zusammen mit der Allen
Garde. Davoust besehligte den rechten,
Massena den linken Flügel. Es stan
den sich hier dreihunderltausend Mann
gegenüber, die sich schlagen wollten;
die einen, um ihr Heim zu vertheidi
gen, die anderen, um die Pläne eines
Mannes durchzuführen der den Kö
nigen und Fürsten oqu Ebro bis zur
Weichsel seinen Willer auszwingeu
wollte. Um süns Uhr ließ Napoleon
Massena rufen.
»Den Marschall, es wird ein beißer
Tag werden. Aber ich verlasse mich auf
Sie, daß Sie unsere linke Flante de
cken und die Donaubriicle schützen. Jn
welcher Stimmung befanden sich heute
Morgen Jbre Truppen?
,,Jn einer äußerst guten, Sire.«
»Wie hoch belaufen sich Ihre Ver
luste vom gestrigen Tage?«
t,,Viertausend Todte und Verwun
de e.«
»So bleiben ihnen also neunzehn
tausend Kombattanten — Rennen
Sie die Zahl der Feinde, die in der
leyten Nacht gerade aus der Front, wo
Sie kämpfen sollen, Aufstellung ge
nommen haben?«
Massena runzelte die Stirn. Sein
Blick treuzte den scharfen Blick Napo
leonö, der seine Schrosfheit respektirte
und seine zuweilen brutale Offenheit
duldete.
»Ern. Majestiit gestatten mir die Be
merkung, daß ich bei Rivoli, bei Zü
rich, bei Genf, bei Caldiero und neuer
dings bei Ebelsbetg nicht daran ac
dacht habe, meine Feinde zu zählen«
Dann fügte er nach einer Pause von
zehn Selunden hinzu: »Ich have sie
aber trotzdem geschlagen.«
»Darum sind Sie auch meines
Vertrauens und meiner Hochachtung
sicher,« erwiderte der Kaiser. »Doch ich
muß Sie informiren. Heute wird sich
die hauptattion, da es sich um eine
Offensive handelt, im Zentrum abspie
len. Der rechte Flügel wird längere
Zeit Schritt marliren können. Jhr
Lords wird den Hauptansturm des
Feindes zu erdulden haben und darf
keinen Schritt breit zurückweichen«
Jn ber höflichsten Form war oag
doch ein gebieieriseher Befehl, nnd so
lautete die Antwort: »Sirr, Sie
haben uns die Adler anvertraut, nnd
wir werden sie, wenn es sein miß·
bis zum Tode vertheidigen Eli-.
Majestät werden sub erinnern, Ida-Tini
nn Getümmel des Kampfes die von
Adlertlau nach Waaram, Wein accen
iiber, gezogene Schlachtlinie aufrecht
erhalten werde.«
»Gott behiite Sie. Herr Tlliariiboil.«
sei-t
Massena hatte sich vor einiacn II
,en auf der Jnsel Loban bei ein«-n
Stur vom Pferde den Fuß verstarntki.
und so lieä er sich denn in einer
schwarzen alescxe mit vier niedrigen
Rädern, die nach hinten durch ein jegt
ausgeschlagenes Den geschlossen wer
den konnte, in die Schlacht fahrt-n.
Die Postillone, die ans Handnierben
ritten, waren rothgetleidet ivie die
ENilitiirpitörs des laiserlichen Dierz:
ice-.
Jm Galopp der vier schwarzen
Pferde durchsubr die Kalesckde diese-.
reits reifen Getreidefelder, die sum
vsigen Niedernngen, die Brachiiae:,
die Haiden und die Fluten. Dahinter
sol te ein glänzender Generalftciv, an
dessen Spitze der Sohn des Mar
schalls, der Dra onerofsizier Proiver
Massena, das -euer seines Apfel
schirninels u dampsen suchte. Ter
Pulverdarnpp hüllte vie Landschast in
einen blöulichen Schleier und verdeckte
so eine breite Truvpenscont, die von
Süfsenbrunn bis nach Breitensee auf
gestellt war. Das ganze vierte Ar
meetorps stand westlich der österreichi
schen Artillerie gegenüber, die ihren
Gegner mit Kanonentnaeln übers-blit
tete und so den Marsch ihrer Ins-in
terie, einer vriichtigen, kühnen Inton
terie vorbereitete.
Massenag Wagen fuhr ietzt im
Schritt zwischen den Reihen der Divi
sion Mailtor. Aus ·ce.n Wagen tret
ncigend, betrachtete der Marschall ans
mertsanr, aber nicht unruhig feine
Brigade. die, bieWasfe im Arn-, nn
betvealtch im Kunelregen stand. Der
Marscball hörte die Haupttente ::-scn:
»Die Avae hochl«
Aus Teser Seite hörte die österrei
chische telrtillerie unt zehn U r Mer
enö in schießen aus. Ein « irdstos
eate die Staat-wollen fort, nnd tsie
Sonne war in vollen Strahlen ihr
scharses L t ans die zerstampftrn
Fried-en
» »Ich tvill die Flucht der Franzosen
n: der Nahe sehen,« sagte ver Fell-mat
schall Wuckalsotvitsch.
Der Untlsu e rltette bis dreißig
Schritt von ein Kellerbtigel vor.
Seine Bestiirsuna war groß, als er
aus Pistolenschußentfeenung Tausende
von Soldaten in Schlachtorbnnna in
Paradebaltung sah, als er einen Wald
von Vasonetten bemerkte und etne
schreckliche Stimme tomtnandiren
«rt«e: »Seht-nett die Wassent
wentt die Fahnent«
arm britllte dieselbe, fast über
menschliche Stimme: »Feuer!«
Er sah im Augenblick, wie auf einer
anzen Eront violette Flammen aus
ftiegem r hörte sofort den Knall einer
r- gut geleiteten Fiifilade, daß hinter
ihm ein halbes Regiment der Franzeri
Grenadiere in das reife Getreide
stürzte, und fühlte plötzlich, mir eine
hefti e Kälte ihn beschlich. Dei Tnd
über-Fiel Wuckafsowitfch auf feinem
Schimmel, wo er zehn Minuten lang
-mit starren Augen und blutbeflecktein
Munde sitzen blieb. ---D0ch mitten in
der Schlacht unterrichtete ein Ossizie.
Massena davon, daß die Division
«Boudet in Eßling in der Auslösung
begriffen war, und ihre Kanonen in
Stich gelassen hatte. Wenn man alter
den Oefterreichern Zeit ließ, den linlen
französischen Flügel zu umgehen nnd
sich der Brücken der Insel Lolmn zu
bemächtigen, so war die Schlacht nec
loren, die große Armee war verngstitc1,
und der Stern Naholeong dem Erblei
chen geweiht. Ein Zoriiegsd)".ei ent
rang sich seinen Lippen.
i »Boud et der Mann von !llcar«-rtgo.
gt «es möglich. Postillone reitet nach
ßling, im Galopp!« komntandirteer.
Dann machte er eine übermenschliche
Anstrengung, ntn sich aufrecht zu er
halten und wandte sich zu feinen-;
Sohn: »Sage dem Kaiser, dnn wir
von Sätzen her start bedrängt werden«
Ich eile dorthin unt die Schlacht wie
der herzustellen. ——Kleine Reaitnentcr
genügen, wenn sie wieder oereinia:
sind, unt di Brücken und die Armee in
decken.«
Damit befahl er Molitor: »Ka: ne
rad, hatten Sie sich hier wie bo: .-,1
waross bei Näsels. «
Dann rief er den Adintanten und
den Hanptleuten zu: »Meine Herren,
Sie werden meinem Wagen einen Weg
bahnen, ich glaube, die österreichischen
Huiaren haben den Weg nach Waaratn
bereits abgeschnitten wir werden
säbein müssen, nnt bis ztrBondet »in
gelangen«
Der Galopp der fünfzehn Pferde, «
auf denen die Offiziere mit qezoaenent
Schwm das brennende Breitenlee
durchsprengten, dröhnte dnrch doc
Dörfchem dann wandte sich das slisle
ton nach Aspern nnd stieß zwischen
wei Gehölzen ans eine österreichische
« t:fanterietolonne, die in ibrer lieber
raschunq nicht einmal Zeit zum Seine
ßen hatte nnd ihre Reihen öffnete-.
Hinter einer Windmiible drana »der
richtiger schlich die Schaar ttoifdspzt
zwei Schwadronen einer Hnsaren-;
regirnents durch; doch ein öfterrctchi i
scher Major stürzte sich auf das Tritt
;btett der Kaleiche, nm sich des Mars
sfchalls zu bemächtigen
»krrget:en die nai, Verr:"
Ein Säbelhieb zerriß ihm Stiman
und Gesicht. Er stöhnte onf und fsci
nieder.
Die Kalesrhe rollte til-er Leiklsiienm
durchfuhr einen Sumvß zerriß eine
lebende Hecke nnd hielt erst onf
Schußweite vor der taiserlichen
sScheune von (fßting, die vier franzö- s
ssisctyen Kompagnien als Schein dienteH
die hier eine feindlich-, von Westen
sanrückende Division in Schach dienen.
s «Massena riß die Vandaqen av, die
sseinen verstanchten Fuß redeckten nnd
sihn lähinten, sprang uni- deni Wagen
snnd schleppte sich, auf einen Eiocl zie
; stützt, ans die in voller Auslösung l-.
sgrissenen Soldaten.
; »Am Fahne, Kinder, der Kaiser
sverläßt sich darauf, daß Jtir den Sie-e
.davontro·nt· Vortvärtij! Folat ts!tr!«
; llnd sich weiterschlevpend, fiisirteer
Eseine furchtbaren physischen Schmerzen
"bct;errsck,end, die Trnpve in denKr.sssisf
Jzuriick Er hielt die Oefterreirtyercns
»und ließ die Division ’lr’ordnmssn de
ziinirern Drei Bntaillone des ist-ther
zoqo Ferdinand jagte er in vie Do
nnu, ließ das mit Feinden vollgeiiomte
Magra-n bombardiren nnd konnte ir.
einer Stunde wieder nsple Voskimnen
Zurückgenzinnern die Vondet verloren
hatte.
Siegreich verlangte er wieder nah
seinem Waqen, während Brisset, sein
Arzt, das Blut stillte, das: reichlich Ist-H
sseinen wiedergeöfnfeten Wunden ge
Jslossen war.
; Da meldete innn ihm: »Herr Mar
sschall, eine Kanonenlunel hat Ihre
sbeiden Postillone getödtci.«
i
i sei-e
Der österreichische Genernlnmj r
Nordnmnn, den der Erzherzon start
beordert hatte« die französischeLlrniee
iauszuhaltem ließ sich von einer Set
tion Artillerie begleiten, denen die
besten Schützen beigordnet waren. Da
er der Meinung mar, nur der Tod
Napoleons lönne das von einer Ans
.lösung bedrohte Oesterreich retten, so
isuchte der Ossizier den Itaiser zn ei
reichen. Vor Eßlinzj tauchteMaFenux
»in! Schritt fahrende Knlesche anf. nnd
Irr zweifelte nicht, daß der Kaiser da
tin saß. Er riesGerder. seinen besten
Ranonieh deutete aus die Kantine die
endlich hielt und sagte« »Du siehst die
Equipagei«
»Za, Exzellen .«
« annst Du te aus gehörige Tit
itemsl erreichen i«
» us vierhundert Schritt.«
»Triigt das Geschoß so weittm
»Es wird den Waqen von hinten
durchbohren und die darin sinerde
Person si klich tödten.«
»Du hu eine besondere KugeW
»Ja, xzellenz, eine zylindrische
Kugel mit spitze-n Kegel, die eine
anze Reihe von Menschen dahinrass
sen kann. da der Pulvergehalt dop
gelt groß ist«
Nordmann zeigte ihm die Spitze des
Lebender-sei
»Weil Dich aus diesen site-eh das
Theresienlreuz und hundert Leute-vors
werden Dich belohnen, wenn Du die
sen . . . Bonaparte von der Insel
Korsita etödtet hast,« fiigte er ver
ächtlich rnzu.
Von ro onern estortirt, wurde
Gerders Geschüy aus den Hiiget ge
bracht und zum Schxrsse qerrchtci.
Schnell le te der Kanomer on, war
tete darau , daß der Wind die von der
Jnfanterie erzeugten großen Pulver
tvolten vertrieb, zielte drei Setunden
und hielt eine brennende Lunte an den
Zünder.
BummS heulte der schwarze Nachen
Durch sein Fernrohr sat) Nord
mann, daß die alessbe in der Mitte
zertrümmert war. Er sah die Leiden
Bostillone umstijrzen, ohne daß die
Pferde der Equipage sichriihrtem Er
jubelte bei dem Gedanken, dnßer Na
Poteon getödtet hatte. Jn diesem An
genblick stürzte sich Las-alle mit fünf-—
zehn Schtvadronen auf sein storps
und zwang ihn, nach Norden tu ent
fliehen, wo der Erzkzerzog ihn Von
neuem Oudinot gegeniiberstelltc, der
Wagram bedrohte.
Ein Dragonerhaupiumnn yob die
ron Gerder abgeseuerte Kugel aus und
lag die in die Stahlvertleidung ein
gegrabene In christ: Fabrik Raub —
zregossen für . aiser Novuleon
»Schicken tvir diseKuqel durch einen
Wachtmeister an den Kaiser,« sagte
der Offizier, »du sie ja für ihn ve
stitntnt war. Aber vorher müssen mir
lnoch Massena in Kenntniß setzen.«
s st
i
i Um drei Uhr Nachmittags beleuch
.tete die Sonne ein Blutbad Die ita
’lienische Armee, die unter sranzdsi
sschen Fahnen tämpjte, war iniide,
sBernadotte wich zurück, Davonsr rückte
snicht vor· Das Zentrurn blieb macht
Ilos gegen die seindliclxen Massen, die
jam Ufer des Rußtmchg postirt waren.
EMan konnte in Wagram nnr ein
rücken, wenn man überstienschlichitslns
strengunten machte, nachdem man die
dsterreichische Kavallerie zurückgewor
s(n, wanzigtausend Mann unter den«
Desgl Liechtensteins
löslich kam Napolseon ein site
dante. Er rief Dronot und befahl
ibm, eine große Batterie zusammenzu
bringen. Um vier Uhr traten neunzig
Gesdiitze im Halbkreis, rechts von
Adlertlau ausgestellt Jm Mittel
puntte leitete der Kaiser das Feuer,
das gegen die Kavkillerie cerichtet
wurde, bis er eine sehr breite nnd
sehr dichte Jnfanterietolonne auf oje
Kanonen zumarschiren sah.
Jn diesem Augenblick reichte ibm
ein Unteroffizier die Kugel, die ibm
vor Eßling gegolten hatte. »Sieh der
Herr Marschall Massenu, Herzog oon
Nivoli, meidet Ew.Majkstät, das-Die
Division Boudet Großaspern wieder
genommen hat, und Se. Erscllenz
schickt EmMaiestät dieSGeschofi.d(15
seinen Wagen durchbohrt hat.«
Obwohl die Stunde erntt war, ve
gann Napoleon doch zu lachen.
»Ha. die braven Leute denken bott
immer an mich, aber ich darf ihrCi
genthum nicht behalten. Wir müssen
es sofort zurückschicken. Schon ais-H
Höflichkeit. Man mesfe also tät-sin
gel aus.«
Man gab ihm Bescheid:
,,Sir, die Kugel paßt in ein Zwist
fergefchiit3."
»Gut. Mein lieber Dronot, erinnern
Sie sich jetzt fiir einen Augenblick daß
Sie einstmals Artillerist gewesen.
Laden Sie diese Ranone«. Jaioobl,
ein Gardegeschiitz.«
Der Kaiser stieg oom Pferde nnd
sah zu, wie die stanone geloben nnrde
Das Fernrohr vor den Augen, um
besser zu sehen, wer vorriirtte, List "
niertte er an der Spitze der österreichi
fiten Bataillone einen Generalstabg
offi·zer, eine große Reihe von Kreuzen
nnd Bändern auf der Brust. Rades
leon schob Drouot zur Seite, prisite
die Schiißrichtutig, zielte langsam nnd
nahm die Lunte auc- den Händen eine-.
Leutnant5.
Die Kugel wurde abgescnert. eine
große Fiamme stieg aus«- der .iianone
empor. »
Das in tiiaab gegossene Gescon traf
Rotdmann mitten in die Brust, rin.
ibn vom Pferde nnd wars ihn am Fuß
einer Ulme nieder, unter der man ihn
eine Stunde später todt vorfand, wäh
rend Lasalle gegen Leopoldsau an
stürmte nnd von einer Kugel zwischen »
die Augen getroffen, getödtet wurdeJ
indessen Oudinot mit der Alten Gardc
über den Nußbach zog und der Erzher
zog Karl in Eilmärschen den Rückzuks ?
nach Möhren antrat — --— -(
Die Geschichte tourde mir in beut
scher Sprache vor einigen Jahren an
einem Maiabend im GasthausgarteH
von Deutsch-Wagram erzählt· Der;
Erzähler war der Gastwirth Hart-»
Bleibet, dessen Großvater die Schlacht s
bei Wagrani selbst mitgemacht hattel
W—
Vor-hatt
Jüngling: »Mein Fräulein, wenn
Sie mich nicht erhören erschiesze ich
michs« i
»Um Gotteswillen, wenn Sie nunl
——— einen Andern trösent«
In Gehn-rieth
»Herr Professor, e s wünscht Sie1
ein herr am Telephon zu sprechen, ich
tann aber seinen Namen nicht verste
«
Professor: »Wie sieht er denn aus?" :
Nicht zu beste-m
»Wenn Dein Gläubiger Dich so sehr
drängt, warum bringt er Dir dann die
reiche Wittwe nicht zu, von ber er Dir
gegenüber schon einmal sprachs«
«Ja, weißt Du — die gönnt er mir
wieder nicht!«
Ein Wintermärchen.
Eine altmodische Geschichte von R.
v o n R a w i y.
Es war um die Zeit, da der Winter
ficks noch einmal in all seiner trotzigen
Herrlichkeit zeigt und den ersten Friily
lingswinden den Sieg streitig macht.
Ein steifer Ost brauste iiber Wald und
Feld, und vor seinem . auch tanzten
Millionen von Schnee löclchem die
bald das Land in« ein weißes Gewand
büllten und Weg und Steg fast nn
tenntlich machten. Auch an den
Mauern des Gutshoses thiirmten sich
die weißen Massen, so daß eine Za l
von Knechten, mit Schaufeln bewah
net, die Einfahrt isnd die Stallthiiren
freilegen mußten. «
Lydia Brederode saß ihrer Groß
mutter gegenüber im Erker, von dem
n:an sowohl nach dem Hof, wie nach
dem Geiniisegartsen aus-blicken kann,
und schaute den Aufräuniungsarbeiten
Zu; ihre Hände lagen müßig im Schoß
»und um die Lippen zuckte es wie
Langeweile undAeraeL Die alteDame
’daaeaen, ein Bild peinlichster Eigen
heit und Atluratesse in Kleidung und
Haltung, ftrickte und warf nur hin
nnd wiedereinen Blick durch das Fen
ster auf den Hof hinaus.
«Sieben auf chlagen sieben ab
nehmen-« ach, die Augen, die Augen!
Da habe ich wieder zwei Maschen fal
ter. lassen!«
»Ich Idee-greife Dich aber auch wirk
lich nicht, Großinamal Sind wir
denn so arm, daß wir nicht Strümpfe
taufen tönnen?!«
»Glan es schon, mein Kind, aber
darum ist mir auch gar nicht zu thun.
Die Hauptsache siir mich ist, nicht
müßig dazusiyein Wir —«-- vor fünf
Zia Jahren — wurden freilich nicht
nach Lausanne in die Pension geschickt,
nnd unser Französisch reichte auch
taum iiber »Von jour, niadame« nnd
,,Allez-vous bien, Monsieur« hinaus.
Aber uns wurde dreierlei eingetrich
tert, was ich noch heute nach Kräften
beherzige: Erstens geradezu sitzen,
ohne sich km den Stuhl zu lehnen,
zweitens niemals müßig zu gehen,
drittens immer liebenswürdig zusein,
auch wenn es mir gerade nicht so ums
Herz ist.«
»Ja, das klingt ganz nach anno
Fiinszig —— nicht anlehnen, lieber
Gott, was das schaden solls! Jm
Gegentheil—graciöse Atiituden sind
es, die man heute den jungen Damen
einstudirt!«
»Wir nannten so etwas ,,Hinliim
mela« und fanden, daß die gerade
Faltung nicht nur das körperliche,
andern auch in gewisser Weise das
moralische Rückgrat stärkt. Wer hierin
auf sich hält, achtet auch in anderen
Dinaen aus sich selber.«
lindia zuctte die Achseln nnd dachtet
»Vieux seu! Sie versteht die neue Zeit
nicht mehr!« Großmama sah iiber die
«t8jeberde mit feinem Lächeln hinweg
nnd wiederholte ihre letzten Worte:
. «Ack,tet aus sich selber -— LydiaI
’Dazu· gehört dann auch der dritte
Punkt, die gleichbleibende Freundlich
teit.«
»Bin ich denn nicht-— liebenswür
dic?«
Die alte Dame ließ den Strumpf
sinten, fteelte eine abgestrictteNadel in
das Knäuel und sat) der Enkelin voll
in das argerliche Gesicht-Dem
»Du, liebenswürdiij Du gleich-«
niiifiig freundlich? Ich denke, ich tann
mir die Antwort daraus erspareu!«
Die junge Dame erröthete bivv unter
das dunkle Haar und tromnielte ner
obs auf dem Fensterbrett.
»Aber Großniamachen er ärgert
mich doch immerfort.«
»Wer ärgert Dich inimerfort3«
»Paull«
»Mir mal Kind schäme Dich,
saß Du so etwas iiber Deine Lippen
lringst. Dein Vetter ist der aedul ;
kigste Mensch der Welt, der alles thut,’
crsag er Dir an den Augen absieht.«
»Weöliatb ertliirt er sich denn nichts
Weshalb sagt er nicht frisch weg: »Lu-»
mass-es ist ja eine alte, abgeniachte
lsjeschichte, daf; wir uns trieaen!« Soll
·..ti ihm etwa nin den Hals fallen und?
litten: »Nimm mich!«
,,"«« a, seind, er wird wohl seine»
Gründe haben, weshalb er dag nicht;
thut. Ich habe freilich auch gedacht.’
cslg Du im Herbst aus der Pensionj
tanist, -einS - zwei - · drei ist dag!
Pärchen fertig. Denn Jbr paßt dochJ
sehr gut zusammen mit achtzehn und
riernndzirsanziri Aber er ljat sich die»
Sache vielleicht iiberlegt!«
»Wie meinst Du dag, Grosziiiaiiia?«
Lydyia wurde ganz bleich und rückte
cin wenig näher an die alte Dame,
Die jetzt an der Hacke mit besonderer
Aufmerksamkeit zählte.
,,Vier, fünfs —- nun ja, teind, das
wäre doch möglich sechs, sieben,
.-cht, neun, — siehst Du: Wenn einer
merkt, daß die Frau partout recht ba
ten will, niemals nachgibt, gern Zank
anfängt, dann sagt er sich-— zehu,els,
zwölf —- oder habe ich mich verzähltk
-- Zehn —els — ----—-«
»Was sagt er sich, Großmamachen
——- Du bist ja ganz richtig ———zwölf,
rann aufschlagen -—-— was fagt er sich?«
»Dann sagt er sich: Lassen wir die
Sache! Es gibt ja noch mehr Mädchen
aus Erden, und es braucht ja nicht
durchaus diese zu sein! -——-— Uebrigens
genug von diesem Thema. Willst Du
mir wohl behilflich sein, einen Karton
Wolle vom Boden holen?«
Die alte Dame erhob sich elastifch
und trat aus dem Erler in die Stube
Frneiry als die Thür zum Hausflur
ich ö fnete und ein junger Mann auf
der »chwelle erschien. Er trug- eine
Lodenjoppe «und hohe Stiefel, und
»hatte·eine Frlztappe mit Feder keck
san ein Ohr gerückt
—
»Morgen, Großmusckychen —Tag,
Kleine!«
»Wir gdeht hr denn hin?«
»Auf oden, Wolle holen.«
»Kann ich da nicht mit?«
lerste-in s Dir Spaß macht, natür
l «
»Als o los denn!«
Die beiden Damen und der junge
Mann erstiegen langsam die breite,
mit vicier Raumverfchwenduna weit
läufig angelegte Treppe.
Endlich war der Hausboden er
reicht, ein langer und weiter Raum,
der von großen Manfardenfenftern
beleuchtet wurde und sich über das
ganze Gutsgebiiude hinwegzog. Es
war nicht kalt hier oben, da sämmt
liche Schornsteine des Hauses als
mächtige viereckige Säulen wärmeaus
strahlenr- den Boden durchsetzten, und
for ar »in kleiner Schimmer von Ge
In ..tl)li"hteit fehlte nicht, weilUrviiter
ibausraihj -- alte Schriinte, Sofas,
! Treibe-« nnd Kisten — an den Wänden
Wertheilt war.
Während Grofztnama in einer alten
Korn node (i1n Empireftil) die erfor
derli chc Wolle fucl),te traten die jungen
Leute an eines der manfardenartig
a: cvgebanten Fenster und sahen hinaus
in die Landschaft. Huil Wie hier oben
der Wind heulte, wie hier die Flocken
vorbeitanzen! Paul wollte etwas Lie
bes sagen, aber er sah den trotzigen
Zug umLydias Mund nnd ——-- schwieg.
Sie empfand das Schweigen alg eine
Art von Kränkung wandte ihm
schroff den Rücken und machte sich on
einer Truhe zu schaffen
Sie nahm, halb gedankenlos, ein
Stück nach dem anderen heraus nnd
legte es auf einen wackeligen, dreibei
nigen Tisch, dem eine Kiste den nö
thigen Halt verlieh: Es waren die
Kulissen und Soffiten eines Puppen
theaterg, und bald folgte auch ein
tnallrother Vorhang und ein halbes
Dutzend Pappfignren in mehr oder
weniger lädirtem Zustand.
Lydia tlatschte in die Hände vor
Verwunderung- »Unser altes Pup
pen-Theater! Jele dachte es sei längst
verbrannt. Die Puppen fehen noch
ganz manierlich aus. Sieh mal Groß
inama —- die im grünen Seidentleid
— das ist gewiß eine Prinzcssin oder
wenigstens eine Hosdame.«
Die alte Freisrau hatte ihr Suchen
beendet; sie setzte sich jetzt auf das
großblumig bezogene Sofa und zog
die Entellinder an ihre Seite, Lydia
rechts und Paul zur Linien.
»Die grüne Puppe — ja! Ich will
Euch von der ein Geschichtchen erzäh
len — wollt Jhr wieder die guten
Kinder sein, die einst meinen Märchen
lauschten? Ja? Also hört zu. —- uas
Tlseaterstück, zu dem die Dame inj
Grün gehörte, war folgendes: ;
Es war einmal ein junges-, schönes ;
Mädchen, die hatte einen klugen Ver
,stanb, ein gutes Herz und viel An
muth und Liebreiz; leider hatte sie
,aber auch einen trotzigen Sinn und
quälte die Menschen am meisten, die
H sie am liebsten hatte. Und es war ein
smal ein junger, schöner Mann, der
galt allgemein siir einen tüchtigen und
tadellosen Charakter. Aber er war
leicht verletzt und zu empfindlich. Er
verstand vielleicht nicht« was in
Frauenherzen vorgeht und er wußte
nicht, daß bie sprödeste Frau oft im
Herzen die liebreichste, die trotzigste oft
die weichste ist, weil sie ihre Gefühle
verstecken mirs-» Und eines Tages-, da
überlan vie junge Dame —— eben un
sere grüne Puppe die Scham über
ihre Fehler und Schwächen, und den
jungen Herrn (—--ich glaube, es ist der
im rothen Mantel vort unten —--) er
grifs das Gefühl der eigenen Unzu
länglichteit nnd Unbeholsenheit. Da.
sahen ne sich liebevoll an, reichten ein
ander die Hände und sagten —--—- ja
wag-?- Mein Gedächtniß läßt mich
liier aerade im Stich. Wisjt Ihr nicht
vielleicht weiter Lydia -—— Paier
thia fiel der Großmutter uiii den
Hals und lachte und weinte Zugleicle
Dann wars sie sich in Paulg Arme,
oer sie ohne viel Worte küßte und da
raus zu der alten Dame führte:
»Segne uns, Großmaina segne i
uns-, ehe wir in die Welt hinabsteigen
Hier oben, in dieser Abgeschiedenheit
wo nur hundertjährige Möbel länqst
verblicheuer Generatioss en Zeuge sind (
und wo ver Sturm sein ewiges Lied(
!
siuatt«
Die alte Frau legte ihre wette Hand
aus die Häupter der Enkel
»Aber wie hieß das Stück nun ei
gentlich,« fragte Lhdia mit schelmi
scheni Lächeln, »das Stich Großmüt
terchen, von dein Du uns er«jiil)ltest?««
Die Greisin sah der Enkelin ins
Gesicht nnd antwortete ljalv scherz
hast, halb ernst:
»Ich weiß nicht mehr genau « es
tann »die Ziihmuna der Widerspru
stigen« gewesen sein!«
»Und was meinst Du, Paul?«
»Bei Shakespeare können wir ja
bleiben, Lieblinatt Aber ich schlage
einen anderen Titel vor:
»Ein Wintermärchen!«
« Schlechte Auøredr.
Frone »Einen so alten Hasen
bringst Du von der Jagd?«
Gatte: »Ja, weißt Du, die kleinen.
jungen treffe ich noch nicht so leicht.«
Ein gebildetck Dienstbote.
»Was haben die rothen Striche in
Ihrem Zeugnißbuch zu bedeuten?
»Ach. da hab' ich nur die Fehler von
meinen Gnädigen lorrigirtt«
Uuqngeneimk .
. . Gnädiges Fräulein, schlang
weile Sie doch nicht mit meinen Jagd
geschichten?«
»Nicht im geringsten! . . . .
denke so gerade an etwas andere-Sk«
Anztiglich.
Professor: »Sie sollten doch ein
Flußpserd beschreiben, Müller! Jn
dessen beschreibt der Mensch ein Rhi
nozeros! Das sieht Jhnen aber ganz
IätynlichP
Verfchtiappt.
Richter: »Der Angeklagte leugnet,
in der Nacht gelärmt zu hab-ein«
Nachtwächter: ,,Nanu, wie hätte ich
beim sonst aufmachen können!«
i So herum.
; »Was haft Du heut in der Schule
igelernk?«
» ,,Zählen, Mama.«
»Und was haft Du gezählt?«
»Die Schläge, die mir der Lehrer
gegeben hat.«
seiest-ist
Arzt: »Ihr Leiden, gnädige Frau,
bringt das gewöhnliche Leben eben so
mit sich.«
Baronim »Herr Doktor, von einem
gewöhnlichen Leben kann doch bei mir
keine Rede sein!«
Subjektive Anschauung.
Sachse: »Heren se, se sein wohl
nicht aus hiesiger Gegend?«
Berliner: »Nee! Wieso wissen Sie
da5?«
Sachse: »Ja, mein Herrche, Sie
Das leistungsfähige Haus.
Stubent: »Der Herr drüben ist der
Inhaber der Firma Meyer Fc Co.«
Onkel: »Ist das ein leistungsfähige-Z
Haus?«
Student: »O, der trinkt seine zehn
Mußt«
Unerwartete Antwort.
Mann: »Denk mal an, der Maier,
Du weißt, der wurde doch vor einiger
Zeit von einem Automobil überfahren,
und jetzt hat er 85000 Schadenersatz
bekommen-«
Frau: »Ja, siehst Du, an dem
Meter tannft Du Dir ein Beispiel neh
men. er ist immer auf seine Familie
sehr lsedacht gewesen!«
Der kleine Verräther-.
Der linderlose Onkel Fcrdinand be
sucht seine Verwandten in der Stadt,
wo er von allen aufs Herzlichste auf
genommen tvurde. Der kleine Fritz
kommt diensteifrig mit einer Wärm
flasche und wollenen Decken ungetragen
und beginnt den Onkel einzuhiillen.
»leer. Weiner, mich friert ja gar
nicht!« sprach ccbmschrend Ontel Fer
»dian
»Ja, der Vater sagt, Du wärst ein
Erbontel und Dich müßten wir warm
l;altcti!« entgegnete treuherzig der
kleine Verräther.
Etandcdnemäsicr.
Gattin: »Nicht wahr, jetzt werden
wir ung- e standesgemiißeg Restchen
ban’n!«
Stett-san
Richter: »Jetzt haben Sie aber
lange Zeit nicht eingebrochen!«
Anaetlagter: »Ja, ich bin eben erst
von einer Studienreise aus dem Aus
londe zilriielgetel)rt!«
Auf ver Straßcuba1m.
Ich habe mir da einen neuen Hut
gekauft, aber er ist mir noch ein wenig
zu eng.
O, das macht gar nichts-. Der wird
schnell weiter werden!