Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, April 20, 1906, Sweiter Theil., Image 14

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    Ydæ
Roman von S. Yraddoru
(14. Fortsehun .)
»Das es durch eine gußersl rüh
rende nnd romantische Geschichte ins
Leben sen wird, die mich an eine
Liebesi hlle erinnert, welche sich kürz
lich in Russland zugetragen. Ein jun
gesde fiel mit sechzehn Jahren
ins sser nnd wurde durch einen
schsnem iapseren, jungen Mann gerei
iei. Natürlich war es die alte, ewig
neue Geschichte, daß der Lebensretter
ihr rz eroberte; er aber konnte nicht
um e werden« weil er ein Verbrecher
war, der vor der Polizei die Flucht
ergreifen mußte. Das schwächte die
heiße Liede des Mädchens nicht ab
und sie verließ endlich Heimath und
Eltern, um dem remden zu folgen«
»Und das En von Allem, Ma
ma?«
»Auch langem Suchen fand sie ihn
in ir nd einer Höhle, gerade, als er
im riff war, einen Selbstmord zu
begehen.«
»Und es elang ihr, iChzn davon ab
zuhalteni iihrte ihr sinsluß ihn
einem neuen Leben zu?«'
«Unsinn, ich habe keine Geduld mit
Dir, Lanral Nein, die Sache nahm
ein anderes Ende. Die Eltern starben
vor Kummer iiber die ungerathene
To ter« nnd diese wurde mit ihrem
Geledten nach Sibirien exportirt.
Doch. laß’ uns wieder auf das Fest
von loß Deverill zurückkommen.
zch wei nicht, welche Antwort ich der
tiisin Feston geben soll. Sie scheint
es sich nun einmal in den Kopf gesetzt
zu haben, daß ein glänzender Erfolg
dir Sache krönen müsse und schreibt
mir, daß auch die Tredegars in Derse
rill erscheinen würden. Jch wundere
mi immer über die Freundschaft
roi chen Herrn von Colins und Inan:
sie erklärt sich nur damit, daß selbst
die tliiasten Menschen ihre Hofnarren
zu halten pflegen. Folgen wir der
Einladun und kommen wir spät, so
werden wr vielleicht verfehlen, der
küntigen Schloßherrin vor-gestellt zu
wer n, und Du findest möglicher
weise Gelegenheit, Dich über diesen
Tredegar einigermaßen zu entniich
tefjnhe was sehr wünschenswerth sein
w r ·«
»Mama. ich bitte Dich, den Namen
dan Tredegar, wenigstens siir den
oment, in unserem Gespräch nicht
weiter zu berühren; ich liebte ihn als
Kind und werde ihn als reises Weib
erst recht ewig lieben. So, nun hast
Du mich dazu gebracht, die Wahrheit
unumwunden auszusprechen Um des
Himels willen, treibe mich nichizum
Acußersienk Jch bin ein Weib, ich bin
meine eigene Herrin und werde die
führ-uns meines Lebens auch selbst
·«ndig in die nd nehmen«
Laura Thorn ey sprach mit sanfter
Würde; ihre Mutter sah sie scharf an.
Das bis nun so na iebige Kind war
piöklich ein entschlo enes Weib ge
worden.
»Dein Vater giebt jeder Deiner
Latinen nach,« begann die Gräsin
T ornley in dorwurssbollem Tone.
« besaß nicht« daß ich Dich gewarnt
e.
Thriinen standen bei diesen Worten
in den Augen der Mutter und Laura
ji reumitthig aus sie zu.
« arm-, iirne mir nicht,« sprach
riiulein T orney, »wenn Jvan Tre
gar wirklich so schlecht ist, als man
von ihm sagt, dann kann ich ihn ja
nicht heirathen, selbst wenn er es
wollte; aber ich kann mich auch nie
einem Anderen vermählen. Nun sage
mir, was Du bezüglich des Festes zu
that gedentst?«
ie- den Brief. der Gräfin Feston
s ; ich vermuthe, Du wirft dann
nach eigenemErmefsen und· Gutdiinten
Handeln, unbekümmert um Alles, was
its sagen mag. Jch wollte, wir wären
bis zu den großen Freien in derStadt
Rudern dann böttden wågr3 all’ diesen
- Jungen aus ern ege ge en
Innern aber Dein Bater ist sehr ge
dankenlos und Du bist so aus Deine
W Weisen —-« «
Laura Thvrnley horte die Worte
der Mutter taum; sie las inzwischen
des Schreiben der Gräfin Festen.
Unter Anderem schrieb diese:
«gtiiulein Langton ist ein liebes
Gef öpf, so frisch und anmuthig wie
eine Blume« Jch hörte, wie Herr von
cclin sie einmal sein »Alpenveilchen«
nannte. Man lann nicht umhin, sie
zu liebe, wenn auch das Dunkel, wel
ches ihre Hertunft umgiebt, Veran
lassung um Nachdenken bietet. Der
Psftor ist befriedigt, und Sie wissen,
micherKleingilauber dieser aute Mann
ist· herr von Colin ist sehr verliebt,
nnd man flüstert sich zu, daß die Hoch
Iit noch vor Weihnachten stattfinden
Meftr. Ein Grund dafür ist, wenn
ich nicht irre, die frhwächliche Gesund
der Mutter Fräulein Langtong.
von Colin ist ihr sehr zugetham
w gleich nach der Hochzeit wird sie
bleibenden Aufenthalt auf dem
Echte-sie nehmen. «
« II ist ein seltener Glücksfall für die
seite! Je näher man Colin kennen
lernt, desto angenehmer findet man
, Si eine seit gegeben, in der
» neu knl rzigen Pedanten
rwty nun aber inde ich ihn einen
es Ehrenmann, Koßmüthig
W blend in seine lde Blume
« Seit im Himmel, da habe
ich Dir schon acht Seiten geschrieben.
Sende mir bald Rad-richt. Jch rechne
in jeder Hinsicht so ehr aus Deinen
Beistand.«
»Nun, was sagst Du zu diesem
Schreiben?« fragte die Gräsin Thom
ley, nachdem die Tochter es aus-der
Hand gelegt.
»Ich wurde gerne gehen, Mama.
Wie Du ganz richtig sagst, ist es eine
Zesellschastliche Pflicht Fräulein
angton scheint ein nettes Mädchen zu
scin und Guido Colin ist geradezu rei
zend. Jch bewundere seinen Muth,
seine Männlichkeit, seine vollständige
Jedisserenz gegen das Urtheil der
t.«
»Nun, meinetwegen denn, so neh
men wir Ceciliens Einladung für uns
Beide an und ich vermuthe, daß wir
uns bemiißigt sehen werden, neue Toi
letten zu haben, da es eine so groß
artige Geschichte werden soll. Am
zwanzigsten Juli, sagst Du, wird das
gest veranstaltet? Nun, da haben wir
ja noch längst Zeit und können auch
einige Tage zur Stadt fahren, um
alles Nöthige zu besorgen. Wie selt
Lim wiire es doch, wenn dieses schlichte
räulein Langton die Königin des
Festes werden sollte! Cecilie sagt, sie
ei ein hübsches, weiß und rothes
Milchgestcht; ich kenne disk Gattung
Frauen«
»Nein, Mama, die Gräsin sagt das
nicht. Fräulein Langton hat Haare
wie lauteres Gold und braune Augen;
ihre Schönheit ist von einer ganz
eigenthiirnlichen Art.«
»Das Haar mag von Gold sein,
aber sie besint lein Gold,'· entgegnete
die Gräfin lachend, »und deshalb ist
diese Heirath ebenso thöricht als jene
Geschichte, von der ich Dir erzählte.«
»Es war eine schöne Geschichte,
Mama, nur weiß ich, daß Du einen
,ur.richti en Schluß daran gemacht.
Ich ha die Geschichte auch gelesen.
ich bin darüber im Klar-en, daß das
Mädchen den Geliebten sand, dass er
lein Berbrecher, sondern ein poliii cher
Flüchtling war, und daß, nachdem der
Czar von Allem Kenntniß erhielt, er
ihrn verziehen hat. Er ist ein Edel
mann gewesen, Mama, und sie heira
Ttbeten einander in der großen Rathe
drale in Warschau.«
27.
Der Monat Juli war der brennen
iden Sonnengluth deH Juni gewichen.
iColin und seine Braut hatten so viel
Ivon der Liebe und von der Zutuan
)gefvrochen, daß sie schließlich immer
nur das, was sie wußten, sich wieder
holen konnten. Der Pochzeitstag war
noch nicht endgiltig de timmt, aber fiir
Colin stand es fest, daß die Vermah
)lung stattfinden müsse, bevor das
IJahr zur Neige gehe, und Frau Lang
H tcn war mit seinem Vorschlage einver
Jsianden. Was konnte Ada dazu sa
!gen? Jbr Verlobter war so edel, so
Egroßmiitdig Zuweilen verblüfste sie
der ernste Blick, welchen er aus sie
lrichteth und mehr denn einmal hörte
sie einen stillen Seufzer von seinen
Lippen. Gedachte er jenes unglückli
-ct.en Zufammentreffens am Tage des
Picknicks, jener Bege nung mit «van
Tredegear noch? —’ icht wahrs ein
lich; un er schien mit dem jungen
Manne wieder ganz gut Freund zu
sein. Dieser hatte um Entschuldigung
gebeten und Alles war ausgeglichen;
es war wohl so am besten. Seit dem
Tage des Picknicks hatte Ada Jvan
nuri einiger Entfernung gesehen.
Er h te sich vor ihr verneigt, aber
es war kein weiteres Wort zwischen
den Beiden esprochen worden.
Zwei W n fehlten noch auf das
prosettirte große Fest. Der Gedanke
an dasselbe bereitete Ada nur geringe
Freude. Die Auslagen, welche es mit
sich brachte, würden ungeheuer sein
und izre Mutter war so arm. Colin
hatte araus bestanden, daß eine fa
shionable Modistin aus London koni
me, er war bereit, den größten reis
zu bezahlen, damit sein Alpenoeilchen
tie Kdnigin des Festes werde, wie er
lächelnd ein um das anderemal der
sichertr.
»Es werden aber viele schöne Da
men da sein,« meinte Ada; »ich habe
in den Tagesbliittern schon oft von der
-Schiinheit des Fräulein Tredegar ge
s lesen und auch sie selbst gesehen.«
»Sie verträgt den Vergleich mit
meinem Liebling nicht, wenn sie auch
eine schöne, edle Erscheinung i —
T·u aber, Ada, Du bist meine Ini
in.«
« »Die Geschwister Tredegar Fben
sehr vornebm aus,« meinte rau
Saugt-m »Ich bin dein Bruder i nåsi
zu wiederholten Malen iiri Dorfe -
gegnet.·
Eoliii runzelte die Stirn.
»Ja, Jvan ist schön, ist sesselnd und
er weiss es auch,« erwiderte er kurz,
sich im Stillen die Frage stellend. wes
wegen denn nur alle Frauen so blind
seien, wie es komme, dati inan Jdan
Tredegar nicht als das erkenne, was
er thatsöchlich war. als einen steten
loseii Schmetterling.
Die Auslagein welche Du stir mich
basi, sind sodroßf war Ada zum
zwanzigsten ale ein. » u thust so
viel r mickäi Jchhabe all« das noch
nie so recht bei-legt bis send«
» »Und was hast Du dagegen einzu
W
trenden, wenn es mir Ver niigen
macht? Du bt übrigens nicht darin,
als Du glaub , weder Du n Deine
Mutter. Jhr habt ein kleines Rest,
wo J r geboren seid. Eines Tages
wird ir Mama Alles erzählen.«
Ada war einen xragenden Blickin
das bleiche ntliß i rer Mutter.
»Dein Vater ist ein reicher Mann
gewesen, Liebling,« fuhr Colin fort;
»ich habe Nachforschungen angestellt
und es wird der Tag kommen, an dem
Tu über große Reichthümer versügst,
verlaß Dich darauf. Das ist Alles.
was wir bis jeßt wissen; aber es
ntö e Dir genügen, Liebling-« "
as Brautpaar schritt in den son
ni en Garten hinaus. Frau Langton
sag in einem Sor enstuhl am offenen
Fenster, Colins rte hatten sie eini
germaßen erregt; er sprach noch mit
Ada, sie hörte seine ernste Stimme
und sah, daß ihre Tochter mit gesent
tcm Blick neben ihm herging.
»Das Geheimnißvolle von Deinen
Andutungen quält mich,« sprach das
junge Mädchen. »Mama hat niemals
die leiseste Anspielung gemacht, daß
wir Geldbesitzen.« ;
»Sie hat ez kürzlich erst selbst er ’
fahren. Jch glaube, Du solltest Dich
dessen freuen und ein für allemal die
e orgniß ausgeben, von meiner Güte
bhängig zu ein. Wie oft Haben wir
uns gegenseitig unseres blinden Ber
trauens versichert! Uns tümmret es
nicht, was die Welt sagt, wir stehen4
hoch über derselben.«
Das Brautpaar seßte ganz mit sich I
selbst und seinem Glücke beschäftigt
seinen Spaziergang fort: es verließ
ten Garten und ing ganz tief in den i
Wald hinein. clFliitzlich treuzte ein.
Mann ihren Pfad, der vor Guido den »
Hut lüstete, dabei das- Miidchen uni!
verwandt anstarrte und dann hinteri
den Beiden stehen blieb, ihnen, solange i
e.« sie nur irgend sehen lonnte, mitj
den Blicken folgend. s
»Wer ist dieser Mann, Guido? Eri
bat mich so scharf angesehen, daß eH
mir durch Mart und Bein gegangen
ist«
»Ein Herr Redmann aus Perrin,
so viel ich weiß. ein Geldes-erleiden er
ist ein seltsamer Mann; ich gab mir
alle Mühe. ihn nicht leiden zu können-,
aber ich bin mit meinem Vorhaben
gescheitert·«
Sie bogen um die Wegecke und ent
schwanden so den Blicken Nedmanns.
»Er sucht mit auszuweichen, wo er
tann,« sliisterte dieser. »Woran liegt
es nur, daß mich so wenig Leute mo
geni Daß i allgemein sür einen
harten, grau amen Menschen gelte?
Wenn ich es bin, so haben mich die
Verhältnisse dazu gemacht."
Er athniete schwer, denn sein Herz
pochte mächtig. Vor der Gitterpsorte,
welche in Frau Langtons Garten
führte, blieb er stehen. Einem Diebe
gleich drückte er sich in eine Ecke.
Welch’ tiefe Stille ihn umgab! Das
Rauschen der Wellen drang vom
Strande herüber. Die weißen Segel
einer Yacht zeigten sich am Horizont.
»Tredegar s acht,« murinelte Red
mann vor sich in. »Der Bursche ist
irohl verrückt! Um seines Vaters und
seiner Schwester willen werde ich aus
meine Ansprüche verzi ten."
Jni nächsten Augen licke hatte er
alles vergessen, bis aus die Thatsache,
daß er por Frau Langton’s haug
stehe, denn eine leise Stimme schlug
an sein Ohr, welche ein Lied sang, das
er vor langen Jahren vernommen. Er
blickte jetzt im Geiste in die·Bergangen
ibeit zurück, er unterdrückte mit Mühe
Deinen schluchzenden Laut, that rasch
lein paar Schritte nach vorwärts, blieb
saber dann doch wieder unentschlossen
! stehen.
»Sie gedenkt jetzt meiner, der lieben,
längst vergangenen Tage am Strande
von Zeddar. Jch habe mir erzählen
lassen, daß sie grenzenloses herzleid
hat, meine theure, engelgleiche Elsa
Möge derhimniel mir verzeihen, wenn
ich ein Unrecht begingi indem ich nicht
ossen hervorgetreten in.«
Redmann schien einer plötzlichen
Ein ebung Folge zu leisten, denn mit
ras en Schritten eilte er durch den
Garten in die Vorhalle und trat von
dieser aus in das Wohnzimmer, an
dessen Fenster er Frau Langton hatte
kyen sehen. Wie bleich, wie zart sie
ach aussah! Es schnitt ihm ties ins
Herz; er seufzte schwer aus, und erjt
jetzt bemerkte sie seine Anwesenheit
und wandte sich ihm lebhast zu.
»Elsa, Geliebte! Mein Weibs«
Frau Lan ton starrte i n unver
wandt an; sige war bis in ie Lippen
bleich geworden, sie streckte die Arme
aus, und elf-e sie wußte, wie ihr e
sse-sah, sank ie halb bewußtlos zu -
n.
28.
All das hatte sich in wenigen Augen
blicken zugetragern Georg Redmann
hob sie rn seinen Armen empor, bettete
sie auf dem Divan und legte eine
Hand auf ihr Herz; es pochte ganz
leise. Als er unzählige Male das
talte Antlitz getiißt, schlug sie endlich
wie aus langem Schaf erwachend die
Augen auf. » (
»Funk« flüsterte sie, »hrsi Du denn »
wir lich as« —
Er nahm an ihrer Seite Platz; es
war, als ob er feine Blicke nicht hin-(
wegwenden tönen Von dein theuren !
Antlitz. j
»Elsa, liebe Elsa,« flüstette er, in-»
dem er wie in längst vergangenen Zei- »
ten zärtlich über ihr Haar strich. Jhm
war zu Muthe, als seien die zwanzig
Jahre nicht gewesen, als lei er der
glühende Liebhaber, welcher er damals
war, und sie das Mädchen, das sich
ihm ganz und vollständi? hingeqeben.
»Elfa,« sprach er nach nrzer Pause,
»ich konnte mich nicht fern hellen, eh
wußte, da Du trank seist und habe
Alles aqu fiel es t, um zii Dir u
kisniinen. We tzt u, sz ich seit Jas
» ren iiber Dich wache, aber um Deinets
’ willen und wegen des Kindes es nicht
kwagte, mich u ertennen zu gebeni
E Jch durchlebte seiten, in denen ich von
einem neuen Leben in der Ferne.
träumte, aber all’ das ist jetzt vor-I
über, und —« j
Sie lauschte halb betäubt seinens
Worten. s
»Du weiliest in meiner Nähe,«
Tanz? Jch verstehe Dich nicht, und»
aft iirchte ich jetzt noch von einer’
inute zur anderen, aus einem bese
ligenden Traume zu erwachen, der mir
dorthut, daß es nichts als Gaukelspiel
meiner Phantasie, wenn ich glaube,
Dich vor mir zu sehen-"
»Nein. Geliebte, das ist lein Traum.
Jch bin so sehr verändert, daß ich mich
nicht wundern kann, wenn Du mich
nicht erkennst. Mein Haar ist gebleicht
und der Bart verhüllt vollständig die
Züge jenes Franz North, den Du vor
zwanzi Jahren gekannt. Jch bin jetzt
Gerg Kedmanm die Finanzgriiße von
Perrin.«
Er lachte bitter auf und fügte dann
in ga- endem Tone hinzu:
» ft Du je an meine Schuld ge
glaubt, Elsa?«
Kannst Du das annehmen, mein
theurer, edler Gatte?« forschte sie, in
dem sie sich innig in seine Arme
schmiegte.
»Die Grausamkeit des Schicksals
hat mich auch grausam emacht. Jch
bin vielleicht feig geween, weil ich
meinen Richtern nicht entgegentrat.
aber der Schein sprach gegen mich. Wie
glücklich und hoffnungsvoll ich an je
nem Tage gewesen, an dem ich doch
glaubte, mit Jarvig Alles auf friedli
chem Wege ins Reine zu bringen. Er
leistete denEid, dafz er mich zu Grunde
richten wolle, Elsa, aber trotz alledem
hatte ich es nicht darauf abgesehen,
auch nur ein Haar auf seinem Haupte
zu krummen. Mir schivindelt noch jetzt
der Kopf, wenn ich an die Vergangen
heit denke. Die Welt ertlärte, daf; ich
schuldig sei, es ist aber unrichiig ge
wesen! Laß mich Dir erzählen, wie
Alles so getommen: Jch fuhr nach
Amerika. Bevor wir New Vori er
reichten, kamen schon Deteitivs mit
dein Piloten an Bord; aber tein Ver
dacht hatte sich aus mig? gerichtet.
Man suchte nach Franz orth, und
keiner Menschenseele fiel es ein, daß
ich es sei. Jch fürchtete mich davor.
Dir zu schreiben, denn ich wußte, daß
Du unter steter Bewachung stehen wer
dest. Jch betete immer fiir Dich und
war von der Ueberzeugung getragen,
daß der Himmel sicherlich mein Gebet
erhöre. Jch hatte einen Traum. und
derselbe wurde zum glühenden Wun
sche, zum Entschluß, den nicht«-i mehr
zu beseiti en oder zu unterdrücken ver
mochte. ch wollte für Dich Geld er
werben und träumte liebende Gedan
ten von einein Heim, das ich in einem
knilegenen Erdenwintel später finden
onne.«
Er hielt inne und bliate ihr aber
mals tief in die Augen.
»Ich begab mich nach Kalifornien,«
fuhr Franz North in seiner Erzählung
fert. » ch wurde Miner, Goldgräber.
Jahre indurch rangen mein Partner
und ich mühseli nach einer halbwegs
eriräglichen Existenz Meine Träume
begannen zu schwinden, und ich fing
an u laiiben, daß ich mein Weib iiie
me r im Leben sehen würde. Beiläu
fig um diese Zeit hörte ich von einem
großen Schatz, der in einem der un
wirthlichsten Landstriche von Süd
amerika im Schooß der Erde ruhen
sollte. Solche Gerüchte schweben oft
in der Luft und haben schon Man
cheri in den sicheren Tod getrieben. Jch
wußte es und gab trohdem der Ge
schichte Gehör; es war die einzige
Möglichkeit, welche sich mir bot. das
Ziel vielleicht hoch noch zu erreichen,
welches ich arisirebie. Hörst Du mei
nen Worten zu, Geliebte?«
Sie hob ihr thräiieniiberflutheies
Linle zu ihm empor und flüsterte
eine eiahuiig.
« ch höreJedeö Wort, es klingt wie
Mu il iii meinen Ohren.«
,,Nun denn, ich ließ mir von jenem
Landstrich erzählen, ich sammelte Aus
tünfte, so viel ich nur erhalten konnte,
und eines Tages machten wir, sechs
starke Männer, uns auf den We der
Forschung. Jch war der Anführer,
aber ach-nur zwei von·unstehtten
zurück! Nach einer langen, ermüden
den Reise erreichten wir endlich den
Wald, in dem der Schatz zu finden
ein sollte, indem wir uns mit der
xt erst einen Weg durch das Dickicht
hauen mußten. Die Lust war schwer
und heig, und wir hatten Tage an
strengen er Arbeit, Tage der Noth
und Entbehrung durchzumachen. Zwe:
unserer Genossen erkrankten tödtlich
und starben an Erschöpfung. Zwei
Andere erla en den Strapazen eben
falls, als as « iel nahezu erreicht
war. Endlich tanden wir vor der
Stelle, an der wir unsere Grabarbeit
besinnen sollten, und richtig, das Re
fu tat, welches wir erzielten, übertraf
bei Weitem unsere krihnsten Erwar
tungen, Schmuckgegnstiinde von uner
meßlizetn Werth waren es, die viel
leicht ahrhunderte früher dem bunt
len Schoß der Erde anvertraut wor
den weise-e Sieh« Die diesen Beil-l
lantring an, phantastisch- bizarr. in
wendig mit Hieroglyphen bezeichnet»
die man nur mit dem stärksten Ver-»
größerungsglas Zasehen im Stande(
ist, auch ihn san ich bei jeneerqu
arbeit.« !
Er steckte den Nin an den Fin er’
seiner Frau und dieer betrachtete hn’
lächelnd. T
. «Laß uns hofsen.,« fuhr er sort,’
E«daß dieser Ring Dir. Geliebte, volle
M
Gesundheit wieder eben wird; denn
mir war- er ein alisman von «der
»Stunde an, da ich ihn zuerst entdeckt.
! Verlang’ es nicht von mir, daß ich Dir
noch weitere Schilderungen mache von
jenen entse lichen Gegenden oder von
der Heimsa ri. Wir trafen endlich in
New Orleans ein, ich mit erstörter
Gesundheit, mit gebleichtem ar, so
wie Du es jth siehst; aber ich war ein
reicher Mann, ich träumte von Eng
land und von einem Weibe. Jch schrieb
Dir einen vorsichtigen Brief, welcher
an Fräulein Langwn gerichtet war;
ich dachte, dasz Du ihn verstehen wiirs
dest, denn Leben und Freiheit galten
mir zu jener Zeit viel.«
»Ich habe den Brief nie.erhalten,
Furan
»Das habe ich mir später gedacht;
aber lange wartete ich aus Antwort,
dann fürchtete ich plötzli , daß Du
todt sein könntest. Ach, «lsa, ich ver
lor fast alle Lebenshosfnun . Jch
kehrte nach England zurück, set über
zeugt, daß Niemand mich erkennen
lrerde, weil zu viele Jahre vergangen
seien und ich ein alter Mann gewor
den. Jch begab mich nach Zeddar und
hörte dort die Geschichte Deiner Qua
len und meines vermeintlichen Ver
bre ens.
» ian erzählte mir, daß Du satt
gegangen seist, um die Geschichte Dei
nes Unglücks in der Ferne zu verber
gen, und daß Du ein tleines Kind
mitgenommen Der Wirth des klei
ixen Ortsgasthauses machte mir diese
tittheilung, ich glaube, er mnsz mir
den Schrecken vom Gesicht abgelesen
haben; ich dachte, daß er mich erken
nen werde, aber es war nicht der Fall.
Wochenlang blieb ich in London ver
borgen. suchte nach Weib und Kind ——
vergeblich ——.«
Wieder strich er lieblviend über ihr
Haar, wie in den alter-, längst ent
schwundenen Tagen.
(Fortfetzung folgt.)
Weltmeersconfnrreah
Schon das Wort des ersten Nava
leon: »Der Große Ozean dag Mittel
ujeer der Zukunft« hat viel Verwir
rung hervorgerufen· Gewiß könnte der
Große,Ozean das Mittelmeer der Zu
kunft, also das Meer wer
den« um das sich das Leben und
Weben der bewohnten Erde in der
Hauptsache dreht und bewegt, wenn
er nur einigermaßen die natürlichen
und vültischen Bedingungen für eine
solche glückliche Zukunft besäfzr. Eben
diese Bedingungen sind es, die nur zu
leicht übersehen oder auch nicht er
tannt werden. So ist auch das von
Marquig Jto geäußerte Wort: »Der
Mittelpunkt der Weltgeschichte bewegt
sich unabänderlich dem Stillen Ozean
zu«, mit dem sich besonders die Japa
ner so gern als Illustration ihrer
wachsenden Macht schmücken, weder
historisch noch tellurisch gut gedacht.
Mögen in Zukunft auch einige
Schlachten der Weltgeschichte in den
oftafcatischen Gewässern zum Austrag
kommen, mag sich in Ostasien ein
wichtiges Rohproduktions-, vielleicht
dereinst auch ein Jndustriezentrum
entwickeln, immer wird der Schwer
puntt des Lebens, des Handels und
Wandels unseres Erdballs im Anan
tischen Ozean liegen
Von den beiden ungeheuren Was
serschalen hat der Atlantische Ozean
die glücklichere Gestalt voraus. Seine
Ufer sind wie bei einem »Tale« oder
einem Flußlauf fast gleich weit von
einander entfernt, durchschnittlich
3000 Meilen; die Küsten des Pazifi
schen Ozeans hingegen fliehen einan
der und sind da am weitesten vonein
ander entfernt, wo gerade ihre Munzi
herung am erwünschtesten wäre. Die
Entfernung von Panama bis zur
hinterindischen Küste beträgt 180
Grad, das heißt den halben Erdum
sang oder rund 12,500 Meilen. Die
Jnselwolken des Großen Ozeans tön
nen bei ihrer Bedürfnisarmut und-ge
ringen Produttionstraft die auf Ber
kehr. handel und Ansiedlung bezeu
tralisierende Wirkung der großen,
plumpen Wasserfläche nicht be'heben.
Das Gebiet des Atlantischen Oze
ans ist von der Natur zu einer größe
ren und vollkommeneren Einheit als
das des Pazifischen Ozeans geschaffen
worden. Süd- und Nordamerika, Eu
ropa und Afrtla dachen sich nach dem
Atlantifchen Ozean ab; die großen
fruchtbaren Tieflandbuchten öffnen
sich ihm. Nur einen schmalen Strei
fen hat der gesamte amerilanische
Kontinent für den Großen Ozean
übrig; trotz aller künstlichen Verbin
dungen dreht er doch diesem Meere
den Rücken zu. Die großen Frucht
ebenen Oftafieng nahen wohl ihre Ba
sis an den pozififchen Gestaden, aber
sie sind tein jungfräulicher Boden,
wie er von den Europäern in Ame
rita angetroffen wurde; er ift ein ur
alter Kulturboden Und der Nährdoden
einer ungemein dichten Bevölkerung
die infolge ihrer jahrhundertelang
entwickelten Bedürfnislosigkeit und
Lebensfiihigteit und infolge ihrer Ar
mut schwer an europäifche Bedürf
nisse zu gewöhnen ist«
Die atlantischen Wirtschaftsgebiete
wachsen wie beim alten Mittelmeer
immer inniger zu einer Lebensgemein
fchaft zufammen. Eine gegenseitige
und allgemeine Ergänzung tft ange
bahnt; die wirtschaftliche Gesamtbe
friedigung dieser Lebensgemeinschaft
ist als gesichert anzusehen. Die Welt
wirtfchast des großen atlantischen
Meeresgebietes durchbricht im Sinne
einer einzigen Lebensgemeinschaft un
aufhaltsam, nnbezwinglich selbft die
kpolitische Schranke. Schon äußerlich
T
giebt sich dies durch den welterobern
den nnd weltberbindenden Siegeszug
des Eisenbahn-, Telegraphen-, Rahel-,
des Land- und Wasserstraßennesek
kund.
Jm Gebiet des Atlantischen Ozeans
findet die größte Konzentration der
wirtschaftlichen Kräfte der Erde statt.
Für das Meeresgebtet selbst zeigt sich
das am deutlichsten in dem Verkehr,
der sich über den breiten Rücken des
Ozeans da’hinbewegt. Von der ge
sammten Welthandelsflotte, die gegen
wärtig iiber 47,000 Fahrzeuge mit 26
Millionen Registertonnen netto ver
fiigt, find im Atlantischen Ozean al
lein 45,()00 Schiffe mit 25 Millionen
Regiftrrtonnen bebeimatetz unter die
sen Fahrzeugen waren rund 18.000
Dampfer und 27,000 Segler.
Der Atlantifche Ozean ist das erste
Verlebrsgebiet der Erde. Jndischer
und Großer Ozean zusammen sind
das zweite Vertebrsgebiet. Der ge
samte Weltvertebr der beiden Seevers
tebrsgebiete verhält sich wie 500 Mil
lionen Registertonnen netto zu 150
Millionen Registertonnen netto oder
wie 10:3. Wenn man die Häfen nach
der Schiffsbewegung der ein- und·
auslaufenden Dampfer nnd Segler in
Riesenvertehrshäfen (über 10 Millio
nen Registertonnen netto Schiffsbe
wegung), Großvertehrs- (3 bis 10
Millionen Registertonnen), Mittelpu
tebrs- Cl bis 3 Millionen Registertons
nen) und Kleinvertebrshiifen (unter 1
Million Registertonneny gruppiert, so
giebt es aus der Erde gegenwärtig 12
Riesenvertebrgbäfem Von diesen 12
Häer entfallen 9 auf die atlantischen
Küsten: London, Hamburg, Anmer
pen, Liverpool, Cardiff, Rotterdam,
Marseille, Konstantinopel und New
York und 3 auf die pazifischen Kli
sten: Singapore, Shanghai und
Honglong. Die europäischen Riesen
verlehrsbäsen bewältigen einen Ver
tehr von 150 Millionen Registerton
nen, die pazifischen einen Ver-lehr von
42 Millionen Reaistrrtonnen. Die 33
atlantischen Großverlehrshäsen und
die Mittelverlehrshiisen bewältigen
über 250 Millionen Registertonnen,
die entsprechenden Vertehrshäsen des
indischspazifischen Gebiets nur 100
Millionen Registertonnen. Die Klein
rsertebrghäsen spielen fiir den Weltvers
lehr leine auszschlaagebcnde Rolle.
Der gesamte Seevertehr umfaßt
auf den Hauptrouten 44 Millionen
eingehende und 45 Millionen ausge
dende Registertonnen wirklich trans
portierter Güter. Die nordatlantische
Route, die den europiiischen Westen
mit dem nordameritanischen Osten
verbindet, umfaßt allein über die
Hälfte deg ein-i nnd ausgehenden Ver
lehrg sämtlicher Weltronten, eine Tat
sache, die selten richtig erkannt wird.
lnd aus den transpazifischen Routen,
die Nordamerika mit Ostasien verbin
den, werden insgesammt nur eine
halbe Million Registertonnen der
trachtet.
DieWeltmeere haben außer der pas
siven Seite, den Verkehr zu erleiden,
noch eine ansehnliche aktive Seite. Sie
greifen dirett in das Leben der Völker
ein, indem sie Nahrungsmittel·
Schmuckgegenftönde und industriell
verwertbare Rohstoffe liefern; sie er
halten dadurch geradezu eine hervor
ragend wirtfchaftliche Bedeutung. Ein
Ueberblick iiber die Seefischereien der
Erde lehrt, daß auch in dieser wirt
schaftlichen Bedeutung der Atlantische
Ozean weit über den anderen Welt
meeren steht. Jhrn reibt sich in größe
rem Abstande der Große Ozean an.
Die wirtschaftliche produktive Seite
des Jndischen Ozeans ist gering. Der
Wirtschaftswert der einzelnen Ozeane
nach ihrer Produktion feskzustellem ist
wohl nur in ganz allgemeinen Umris
sen möglich, aber immerhin lann man
eine halbwegs richtige Weltbeurteilung
gewinnen. Der Weltbetrag an Fisch
produltian ist auf reichlich eine Vier
telmillion Dollars abzuschähenz davon
entfallen auf den Atlantischen Ozean
sieben Zehntel, auf den Großen Ozean
etwa drei Zehntel und auf den Indi
schen Ozean taurn ein HundertsteL
Die Fischmenge des gesamten Fisch
fanges der Erde beträgt rund vier
Millionen Tonnen; sie verteilt sich auf
die einzelnen Ozeane ähnlich wie die
eben angegebenen Werte. Alliiberall
zeigt sich, daß Weltwivtschast und
Weltvertehr vorwiegend im Atlanti
schen Ozean liegen. Wenn sich auch
verschiedene Wirtschaftsfaltionen zu
gunsten des Jndischen und Großen
Ozeans verschieden werden« so wird
doch der Atlantische Ozean sein ent
schiedenes Uebergewicht als Wirt
schafts-: nnd Verlehrsgebiet der Erde
bewahren; und die Dauer dieses
Uebergewichtö ist in der Größe und
Gestalt, in der tellurischen und histori
schen Entwicklung des Atlantiskhen
Ozeans und seiner Randgebiete und
damit der großen Anzahl der an ihrn
liegenden und ihn deherrschendenGroßs
machte und Großhandelsstaaten der
Erde begründet. Für unseren Erdball
wird eben der Große Ozean das Welt
meer pat- exccilrsnua bleiben, der Jn
dische Ozean das verlehrsreiche Zwi
schenmeer und der Atlantische Ozean
das Weltmittelmeer, an dessen wirt
schaftlicher und handelspolitiseherAuss
gestaltung zu arbeiten der Erde, so
weit sie zivilisiett ist, die meisten und
dankbarstenAnsgaben vorbehalten sind.
»Warum geht dein Vater stets zu
den schrecklichen Trauerspielen in dd
Theaters« —- » a. er iit lahltöpsig,
und man sagt, be jenen Stiieten stehen
einem die haare zu Berge.«