Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, April 20, 1906, Sweiter Theil., Image 13

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    —
IIOII II CCIIIIUfsp
Von Richard SchaukaL
Spät, wenn die alle Uhr geschlagen
Und wieder Stille dich nsnvirbt,
Das Fiean geht, die Lampe zirpt,
Steig es empor ans alten Tagen;
Und füllt mit Geistergtnß die Luft
Und macht dein Herz so schwer von Sch
ncn
No einem längst verbanchtcn Duft,
Nu einer fernen, stillen Grqu
Na Wind im Wald, nach leise-n Thai
ncn . . .
-
Die mißt-Erim
A
Von Ludwig Dana
Jch mußte immer an den Holtyschen
Frühling denken, wenn ich in ihre Au
en blickte. So derträumt, blau und
uftig schauten sie drein und vertliir
ten den,Winter und zauberten den
blauen. milden Glanz ihrer Seele auf
die Schneelandschaft, die dann ihre
Ialte Starre verlor und förmlich son
nenwarm aufleuchtete. Jch las im
mer ein Lebensgedicht aus diesen Au
gen, ich meine, daß ihre Seele sich
unbewußt in eine eigene Art Poesie
umseßte, die ihr junges Dasein sanft
durchzitterie und den Grundng ihres
Wesens bildete. Sie dichtete schwei
gend, glaube ich; und weil sie schwieg,
verstand, fühlte man ihr Dichten inni
ger, als wenn tausend Worte über ihre
Lippen gefliichtet wären, die wohl tri
vial und nichtssagend getlungen hät
ten. So tonnte ich den Ausfluß ihres
Jnnern täglich auf mich wirten lassen
wie —- eben wie ein Gedicht, das im
Frühling entsteht und den zarten Reiz
seiner ersten Blüthen in unser winter
liches Gefühl sentt. Jch tann ihrer
milden Lieblichkeit tein anderes Lob
fingen. Dabei tlebte aber diese wi
derliche Geschäftigleit ihres Berufes
an ihr. Jch tann mir nicht helfen,
aber der bürgerliche Beruf bei einem
Mädchen gibt ihrem ganzen Wesen in
meinen Augen immer einen gehörigen
ästhetischen Klaps. Und nun gar hier
Sie war Kassirerin bei der Personen
ugstassa in einer schlesischen Provinz
itadh wo ich garnisonirte. Jch hatte
bei den Assentirnngsreisen im Früh
jahr oft Gelegenheit, mit ihr an der
Kassa zu sprechen. Fast jeden zweiten
Tag reiste ich von meinem Garnison
orte in eine lleine Assentstation ab,
und bei dieser Gelegenheit fand ich mich
schon immer frühzeitig bei der Kassa
ein« um mit meiner kleinen Freundin
ein wenig zu parliren. Es wollte aber
nie ein richtiges Geplauder daraus
werden. Sie sprach nämlich immer zu
sehr mit den Augen, und da tam ihr
Mädchen nicht nach. Und ich vertiefte
mich in ihre Augensprache und vergaß,
daß sie ein Paar sprechender Lippen
hatte. Wie gerne vergaß ich dag. Jch
hätte nur immer diese Augen reden
hören mögen. Sie war sich dieser sti:
szen Zaubermacht wohl bewußt und
nußte sie. Sie schwieg, wo sie konnte,
und ich mußte, wohl oder übel, diese
Pausen, in denen ihre Blicke wie ruhige
Sterne leuchteten, mit meinem mitw
ter recht langweiligen ,,Gewiisch" aug
fiillen, um nur bei ihr weilen zu tön
nen, bis die Kassa fiir alle geöffnet
wurde. Dann gab sie mir mein Billet,
reichte mir die Hand und sagte: »Nun
ist’s genug. Die Arbeit beginnt. Aus
Wiedersehen!« Dann stellte ich mich
noch gewöhnlich im Vesiibiil auf, von
wo aus ich ihrem flinken Hantiren mit
den Karten zusah, das mit ihrem son
stigen deririiumten Gebaren so seit
sam im Widerspruch stand. Die Kar
ten rutschten nur so durch ihre Hände,
ich hörte das Kloppern der Martirma
schine, hörte die tiefe, fast rauhe Stim
me laut den Betrag ausrufen, und
dann flog hie und da taum lächelnd,
ein Blick auf mich.
Jch will's nur gleich betonen: wir
haben uns nie geliebt, haben auch nie
miteinander — zum größten Leid
sämmtlicher Klatschbasen -—— geliebelt.
Sie interessirte mich bloß ihrer reden
den Augen wegen und hätte auch nie
mais ein tieferes, weitgehendereg Jn
teresse bei mir wachrusen tönnen, denn
fiir die Dauer verlieren auch solche Au
gen die Kraft ihrer Sprache, den
Schimmer der Poesie, und man sehnt
sich nach dem süßen Wort, das uns das
Leben näher bringt« das wir bisher
immer nur hinter dem Seelenspiegel
geahnt, das wir nicht einmal vermißt,
weil es von diesen dustigen, blauen
Schlekern verhüllt war. Und dann —
wir sind schon so grausacne Egoisten —
dann wollen wir eines Tages den
Schleier zerreißen sehen. Das thut uns
so unendlich wohl. Aber FräuleinBeate
zerriß diesen Schleier nie.
Es war tnapp vor Ostern gewesen.
Jch hatte wieder mit ihr gesprochen
und bemertt, daß sie heute trauriger
war denn je· Sie wollte mir den
Grund nicht eingestehen. Ihre Augen
sprachen heute ein unsiiglicheg Weh
das sie aber hartnäckig zu unterdrücken
schien. Der Frühlingsschein in den
blauen Sternen war erloschen. Ueber
Nacht war das gekommen. Jch wollte
nicht weiter in sie dringen, da sie mir
mit unverhohlener Absichtlichieit aus
wich. Am selben Tage promiuirte ich
mit meinem langjährigen Freunde, ei
nem Oberleutnant der Jnsanterie, in
der sahnhosstraße aus und ab. Da
hr eine Equipage vorbei, in der ein
unged Brautpaar saß. Jch kannte nur
as Mädchen, die Tochter eines reichen
Fabriiantem
»Sieh da, die blasse Semmel!«
ullte mein Freund, der sich immer in
Kraftauidriicken ergoß. Wir hatten
uns mit der Zeit eine Koteriesprache
-
zurechtgelegt, mit deren Epitheta mir
ilber die Spießbiirger herfielen
»Mir scheint gar, die ist verlobt«,
replicirte ich. »Wer ist denn der ver
slorene Mensch neben ihr?"
»Hast du ein turzes Gedächtniß,
Brutus! Das ist doch der Oelonomie
adjunlt, der Hartner — kennst ihn
nicht? War doch Reserveofsizier bei
uns. Er ist draußen in Röppnitz ange
stellt beim Grafen Lenneburg.
»Kann mich nicht erinnern«, entgeg
nete ich. Die Equipage war um die
Ecke gebogen.
»Er kommt selten in die Stadt. Jst
ein famoser Gesellschafter-. Hast du
nie was von seinen spiritistischen Si
tzungen gehört, mit denen er die Leute
narrt? Und bon seinem deklamatori
schen Talent? Und vonseinen träf
tigen Tanz«beinen? Und von der sei
nerzeitigen Verlobung mit der tleinen
Beate Fall?« »-—— Ich horchte auf. ——
»Ja. ja, zwei Jahre sind da schon
drüber hin. Man hat alles Mögliche
und Unmögliche gemunlelt, kennst
das ja. Mit der gewissen Spicßek-«
gründlichteit hat man die beiden geseg
net. Und eines Tages hat er Adieu ge
sagt.«
· Ja, jetzt erinnerte ich mich. Damals
hatte ich die schöne Beate noch nicht
persönlich gekannt; sie war draußen
auf der Strecke in einer llcinen Bes
tidenstation Kassirerin und war wohl
selten in die Stadt gekommen. Man
hatte oft ihren Namen in Verbindung
mit dem seinigen genannt.
,,«Sind die schon lange verlobt?«
fragte ich nachdenklich.
»Ich glaube, gestern ist’s zustande
getommen.«
Nun reimte ich mir alles zusammen.
Der schönen Beate Augen tauchten um
flort vor mir auf. Sie hatten
wohl also auch den jungen Oelonomie
adjunkt nicht zu fesseln vermocht. Eine
zerrissene Verlobung. Nichts weiter.
Gut fiir beide, dachte ich. —- —— —- —
Jm Juni trat ich einen längern Ur
laub an. Jch ging zum Nachmittags
zug auf den Bahnhof, wo ich wieder
das ernste, liebe Gesichterl der kleinen
Beate hinter der Glasverfchalung er
blickte. Jn den letzten zwei Monaten
hatte ich wenig mit ihr gesprochen, da
mich Jneine Gänge selten in die Nähe
des Bahnhofs führten. Heute glänz
ten und lodertcn ihre Augen ganz ab
sonderlich. Es gab also auch Sturm
in dem kleinen, blauen Frühling. Als
sie mich kommen sah, lachte sie mir
sogar entgegen. Das war ich nun schon
ganz und gar ungewohnt. Aber es
iwar auch ein Lachen, das mit dem
therzen nicht viel zu thun hatte. Sie
schien wieder ein unendliches Leid ersti
cken zu wollen mit ihrem gekünstelten
Gehaben.
»Was Sie heute siir liebe Guckerln
« haben, Fräulein Beate«, sprach ich sie
! an und reichte ihr die Hand.
»Wirklich? Man muß eben mit der
Lustigkeit heraus, wo man nur tann«,
entgegnete sie —- und um die Lippen
zuckte der verhaltene Schmerz.
»Man ift’s bei Ihnen kaum ge
wohnt, drum komths einem ganz selt
sam vor. Denken Sie nur, jetzt ver
lasfe ich Sie auf ein paar Wochen·«
»Was? Sie fahren auch fort? Und
jetzt?« fragte sie schnell.
»Gewiß. Jch möchte Sie um eine
Schnellzngslarte nach Wien bitten
» Aber warum fragen Sie: auch?
Fahrt noch jemand Jhrer Bekannten
:oeg?«
»Nein, ich meinte nur — —- es kam
eben nur so heraus.« Sie stockte und
griff schnell nach der Karte. »So —
bitte.«
Jch sah zum Perronsenster hinaus
und hörte lautes Lachen draußen.
»Gehen Sie, gehen Siee Die Kassa
wird gleich ausgemacht.« Sie drängte
mich vom Fenster weg. OJm selben
Augenblick hatte ich auch schon das
lustige Bild draußen bemerttt meh
rere Damen und Herren Isianden aus
dem Perron um ein junges Ehepaar
herum; Träger mit Schachteln und
lleinen Kossern sagten mir das Ue
brige.
»Ist das nicht --—?« Jch konnte
nicht aus-fragen Fräulein Beate
hatte mich schon zur Thiir gedrängt
und sagte nun flüsternd, hastig, zit
ternd: »Ja, ja -— er ist es. Sie machen
ihre Hochzeitsreise. Heute war die
Trauung. Adieu. Unterhalten Sie sich
gut in Wien.« Damit schloß sie die
Thiir hinter mir·
Ein banges Gefühl des Mitleids
umschlich mich. Jch malte mir den
Schmerz des armen Mädchens aus,
der ihr in die liehle gestiegen sein
mußte, als das lumpige Schicksal ihr
diesen tollenStreich gespielt. Gerade sie
mußte bei der Kassa sein, um ihrem
einstmaligen Geliebten die Karte zu
reichen, mit der er davonfuhr, sein jun
ges Glück an der Seite. Eine förm
liche Tragit erschloß sich mir in diesem
Schicksal. Wie mußte dieses zertrete
ne, gequälte Herz zusammensinken un
ter der Wucht dieses Augenblicks-, wie
mußte es sich ausbäumen gegen diesen
Zufall, gegen diese Gerechtigkeit, die
sie demüthigte, schnldlos und willen
los demüthigte vor diesem Manne.
Aber auch er! Mit welchem Gefühl
mußte er an den Schulter treten, vor
diese antlagenden Augen hintreten, die
durchbohrend Blicke in seine Brust
werfen tonnten, die fordern, verdam
men nnd tödten konnten. Er mußte
glewappnet herankommen, um diesem
ugenstrahlen zu begegnen. Er mußte
mit grausamer Kaltherzigleit diesen
Blick brechen tönnen. Dann konnte er
,,stcrl«' aus diesem Augenblickötamps
hervorgehen, konnte die Fahrt nach dem
Süden antreten, in das heilige Land
die Glückstrunkenheit in der Brust
nachdem er den letzten moralischen
Streich geführt gegen das zuckende,
swimmernde Herz, das immer nur mit
den Augen gesprochen. Da packte mich
eine teuflische Neugierde, deren ich mich
noch heute schäme. Jch bekam plötzlich
Lust, aus diese beiden Menschen eine
psychologifche Gewalt auszuüben, mit
bestimmend hineinzutappen in das
große Begegnen. Ein selbstsüchtiges
Gefühl trieb mich in die Nähe des
Schalters. Es dauerte nur ein paar
Augenblicke —- da trat der junge Ehe
mann an die Kassa. »Ich konnte sein
Gesicht nicht sehen. Aber ich bemerkte,
daß er den Kopf förmlich in die Schul
tern vergrub, wie ein Thier, das den
verdienten Schlag fürchtet. Er suchte
in seinem Portemonnaie herum und
zählte das Geld auf das Brett. Da
traf mich -—— ganz unbewußt —- ein
Blick des leidenden Mädchens. Jch
erwiderte ihn bittend, flehend, daß sie
ihre Stärke bewahren möge angesichts
dieser Schicksalstomödie. Unti groß,
überwältigend erhaben sentte sich ihr
Auge nun plötzlich aus die vor ihr sie
hende Jammergestali. Keine Resigna
tion, nur herrliche, triumphirende
Gluth strahlte aus dem Auge. Ihre
plötzlich erstandene Seelenkraft spiegel
te sich in dem Blick, dem die männliche
Schwäche dieses glücklichenGatten nicht
standzuhalten vermochte. Flüchtig, mit
einem graziösen Lächeln wars sie ihm
die Karte leicht hin und sagte vernehm
lich: »Viel Glück auf den Weg!« -—
Als er sich umwandte und wegging, sah
ich in ein unmännliches, von Aengst
lichieit und Feigheit förmlich zerschla
genes Gesicht
Draußen schellte der Portier mit sei
nem Glöckchen. Jch trat, selbst aufath
mend, an den Schulter heran und reich
te der kleinen Seelenbändigerin stumm
die Hand. Es leuchtete wieder sonnig
und warm in dem tiefen Blau — der
Höltysche Frühling. Es ist doch etwas
Großes um solche Selbstsiege eines
Frauenherzens. Sie kommen so selten
dor. Mit diesem erhebenden Gefühl
bestieg ich den Waggon.
—
Hofdamcu an Ketten
Jn einer russifchen Zeitschrift er
zählt Xenia Polowzow, wie einst ruf
sische Hofdamen fiir ungebührlich-es
Benehmen bestraft wurden. Die Kai
serin Elisabeth Petrowna richtete ihre
besondere Aufmerksamkeit auf die
Manieren und das Betragen ihrer
Hofdamen Bis-weilen griff sie zu
sehr originellen Strafmittein, wie z.
B. aus einem Ukas vom 4. April
1746, der sich gegen ein schlechtes und
unanständiges Betragen bei Tisch
richtet, ersichtlich ist. Der ,,nament-·
liche Utas« lautet: ,,Jhre Kaiserliche
Majeftät hat geruht zu befehlen, dasz
in den Zimmern, in welchen die Hof
tavaliere und die Hofdamen gewöhn
lich speisen, ein Kasten mit Ketten auf
gestellt wird, wie solche in den Kirchen
zu fein pflegen. Und wenn während
des Mittagessens oder der Abendstrahl
zeit irgend eine von den Damen un
anständig sitzt, ift sie an die Kette zu
legen, an welcher fie zur Strafe bis
zur Beendigung des Mahlcs zu blei
ben hat, damit die anderen dies
schauen und sich fürchten und sich zur
Vermeidung einer solchen Schande be
scheiden betragen. Der Eintäuser
Wassili Jwanow ist beauftragt, einen
solchen Kasten zu taufen oder, wenn er
ihn nicht fertig auftreiben kann, zu
einem geziemenden Preise zu bestellen «
Nicht minder interessant ist folgen
der Utas der Kaiserin, welcher streng
das Tabatfchnupfen in den Hostirchen
verbietet: »Jhre Kaiserliche M."ijeitiit
hat geruht, durch einen namentlich-en
Utas den Hoftavalieren und Hofba
men Ihren kaiserlichen Befehl zu er
öffnen, daß niemand in den Hoftirrhen
während des Gottesdienstes Schnupf
tabat zu gebrauchen hat. Wenn aber
jemand entgegen dem Befehle Ihrer
Kaiserlichen Majestät Schnupftabat
gebrauchen wird, so ist ihm von den
Kammerlakaien die Tabatiere abzu
nehmen und nicht mehr zurückzugeben
Diejenigen aber, welchen die Tabatie
ren abgefordert werden« haben sie ohne
jeden Streit herauszugeben, damit die
Liebhaber des Schnupfens aus Furcht
vor dieser Maßregel sich während des
Gottesdienstes des Schnupfens ent
halten.« Etwa zwei Jahre später
wurde die Bestrafung der hofchargen
durch Antettung auch in den Kirchen
angewandt und zwar fiir diejenigen,
welche sich dort des Schwaszens schul
dig machten. Wie lange dieser Uta-;
zur Anwendung kam und wann er
völlig seine Bedeutung verlor, ist nicht
bekannt.
—- B o s h a f t. Wirth (neben dem
auf der Veranda speisenden Tours
sten): »Gelt, das ist eine Natur hieri«
Tourist: »O ja, mit Ausnahme der
Butter und des Weins!«
—- Unseee Dienstboten
Gnädige (zum neu-eintretenden Dienst
mädchen): »Können Sie auch wa
schen?« »Das nicht, ich kann Ihnen
aber die Adresse meiner Wäschcrin ge
ben.«
—, Merkwürdig. Fräulein:
»Ist es wahr, Herr Leutnant, baß Ih
nen das Automobil durchging?« Leut
nant: »Unlösbares Räthsel, zum ersten
Mal vergebens »Stilljestanden« com
maUdIXU
Ueber die härtigen Frauen hat der
bekannte Pariser Anthropologe Dr.
Bärillon eine interessante Studie ver
öffentlicht. Abgesehen von dem ge
schichtlichen Material, das Dr· Bewil
lon über diese bekanntlich keineswegs
so seltene, wenn auch natürlich als ab
norin zu betrachtende Erscheinung, aus
der Geschichte, der Heiligenlegeude undi
der Kunst beigebracht hat, ist diese
Veröffentlichung besonders wegen der»
Bemerkungen interessant, die der bess
rühmte Anthropologe den oft erörter- !
ten pfychifchen Begleiterscheinungen
dieser Erscheinung widmet. Dr B- --
rillon hält es nämlich fiir durchaus
unrichtig, daß die mit der bärtigen
skierde des männlichen Geschlechts aus
gestatteten Frauen, wie so häufig an
genommen wird, auch in ihrem übrigen
körperlichen und vor allem seelischen
Wesen mehr oder minder sich von den
Eigenschaften ihres Geschlechts entfer
nen und sogenannte »Mannweiber«
sein müßten. Wenn auch die Erschei
nung eines Bartes bei einer Frau auf
ein abnormesUeberwiegen eines männ
lichen Elementes in den ersten Stadien
der Entstehung zurückgehe, so sei doch
nicht nur das Auftreten dieses einen
männlichen Sexualcharatters nicht
nothwendig mit dem anderer verbun
den, sondern die Erfahrung lehre auch,
daß solche Frauen oft in den anderen
Beziehungen mindestens ebenso sehr,
ja oft mehr als andere »Franen« im
eigentlichen Sinne des Wortes seien
und sein wollten.
Die sättigen Feuer-. ·
Ein großer Theil der bärtigen
Frauen, deren Geschichte Barillon
untersucht hat, waren in glücklicher
Ehe verheirathet, Mütter oft zahlrei
cher Kinder Und entbehrten auch lei
neswegs entgegen einer vielverbreite
ten Volksmeinung der körperlichen
Anlage zum reichlichen Stillen Was
aber die seelischen Anlagen und Nei
gungen anbetrisst, so sind nach Destil
lon solche Frauen oft noch mehr als
andere -—— aus begreiflichen Gründen
—— geneigt und bemüht, ihre weiblichen
Eigenschaften besonders zu betonen.
Tritt doch zunächst bei ihnen, wie bei
den Männern, der Bart fast aus-—
nahmölos erst in einein Alter auf, wo
ihre Erziehung als Frauen bereit-H ab
geschlossen ist und die Macht erlernter
Gewohnheiten wirksamer ist als eine
etwa auftretende Verkehrung des Jn
stintts. Gegen die unausbleiblichen
Hänseleien ihrer Gespielinnen aber,
die ihr nicht müde werden zu ver
sichern: »Du hast ja einen Bart, Du
bist gar tein Mädchen, Du bist ein
Manni« hat ein solches Mädchen nur
eine Waise: erst recht zeigen, daß sie
tkotz dieser Abweichung ein echte-s Weib
it.
Ein solches Mädchen wird daher, so
. meint Börillom erst re t gern sich den
lerbeiten ihres Geschle is unterziehen
z und die kleinen Künste der Koletterie
jspielen lassen, die, wie die Erfahrung
. zeigt, häufig zur Gegenliebe eines
TMannes führen. Hat dann ein sol
lches Mädchen einen Mann gefunden,
»so kennt ihr Glück keine Grenzen und
jsie wendet alles daran, sich als gute
I Gattin und Mutter ihren übrigen Ge
schlechtsgenossinnen gleichwerthig zu
erweisen. Gemeinsam wao übrigens
sfast allen bärtigen Frauen, bei denen
Bisrillon dies feststellen konnte, eine
« gewisse Abneigung gegen andere
» Frauen, die sich wohl durch das Ge
.fühl, diesen lächerlich zu erscheinen,l
» und vielleicht auch aus ein wenig Neid H
erklärt. !
» Diese Aeußerungen des berüh iten
Anthropologen werden gewiß nicht
verfehlen, in Frankreich und überhaupt
den siidlichen Ländern, wo ja ein mehr
oder minder leichter Flaum auf der
Oberlippe beim weiblichen Geschlechti
keineswng zu den seltenen Erscheinun-!
gen gehört, die lebhafte Befriedigung
vieler »Jnteressentinnen' hervorzu
Ulsclh
Merkur m dieser :Hochzeitsbranch.
Eine sehr sonderbare Hochzeitsgsibe i
erwartet aus der unwirthbaren Insel
St. Rilda der Bräutigam von seiner
Braut. Die arme schottische Bevöl-«
lerung lebt dort auf kleinen Wirth- s
schaslen, namentlich vom Fischfang!
nnd der Bebauung ihrer ileinetH
Grundsliichen, die lanm genug liefern.
was an Kartoffeln, Gemüse und Ges
treide siir’s Haus gebraucht wird.
Die Jnsel ist einer der Lieblinggbrut- .
plätze der Pinguine und anderer See
viigel, und das Sammeln der Eier,
das aus den steilen Klippen mit gro
ßen Gefahren verbunden ist, bildet (
auch einen der Erkoerbgztoeige der Be
wohner ver la dek Geschichte dkk Ein- I
sührung des cihrinenthnmö in diesen
nordischen Breiten berühmten Insel.
Reichthümer sind diesen armen Leuten
nicht zugemessen.
Welchen Ursprung der Gebrauchl
hat« ist unbelannt; aber jedes Wild-,
chen von St. Kilda betrachtet als ih- l
ren größten Schatz einen aus ihrem
eigenen Haar geflochtenen Streitig; je
länger er ist« als desto reicher gilt sie.
Zu « diesem Behuse sammelt jedes
Mädchen schon von ihren Kinderjah
ren an ihre ausgelämmten Haare, die
sie dann zusammenslichi. Diese Zöpfe
erreichen oft eine Länger von 40 und
selbst auch 50 Fuß. Findet sie nun(
einen Liebhaber und Verlobt sie sich, so i
über ibt sie ihm am Hochzeitstage die
sen opf, der bedeutet, daß sie sich dem i
Auserwählten unterwirft und ihm ?
»ganz angehört. » j
—
Rin- ein Thier!
Eine deutsche Thierfreundin redet
den Mitttern -in’s Gewissen, daß sie
ihre Kinder mon friih auf ldaran ge
wöhnen, die Thiere freundlich und
liebevoll diu behandeln. Sie sagt:
Nur ein Jhierl Wie oft müssen wir
die-sen Ausruf hören. Er dient als
Entschuldigung Und Ausflucht, als
Vorn-and und Beschönigung wenn es
sich darum handelt, irgend eine Lieb
losigkeit und Nachlässigkeit gegen jene
Geschöpfe zu bemänteln, die uns gern-de
gut genug sind, uns durch ihre Arbeits
kraft zu dienen und durch ihre An
hänglichkeit zu erfreuen. Wohl pflan
zen wir unseren Kindern Mitleid und
Barmherzigkeit in’s Herz — die
stumme Kreatur geht dabei oft genug
leer aus. Es ist ja nur ein Thier! Als
ob unser MitgefiilJlmsicht jedem leiden
den und hilflosen Wesen gelten sollte!
Viele entschuldigen sich vor ihrem
Gewissen vielleicht damit, daß es genug
unglückliche Menschen gibt, die ein An
recht auf unsere wertthätige Liebe ha
ben. Immerhin schließt das Eine das
Andere nicht aus« nnd wer den Leiden
der Thiere ein mit-leidiges Ernpfinden
entgegenbringt, wird auch menschlichem
Elend und Hilflossigkeit nicht theil
nahmlos gegenüberstehen
Gerade auf das Kindergemiith ver
mag man bildend und veredelnd zu
wirken, wenn man es den stummen
Klagen »der Thiere geneigt macht, denn
in jungen Jahren bietet sich doch ver
hältnißmäßig wenig Gelegenheit, den
Mitmenschen Wohlthaten zu erweisen
und Barmherzigkeit an ihnen zu üben.
Wahrhafte Herzensbildunsg sollte je
doch in jedem ernstgemeinten Erzie
hungsprogramm ein-e erste Stelle ein-—
nehmen und die Ermahnung zum
Thierschutz aus diesem Grunde alg er
wünschte Handhabe willkommen sein.
»Der Initleidige Mensch ist der beste
Mensch. Wer uns mitleidig macht,
macht uns besser unld tugendhafter.«
Dann werden die Thierquälereien, in
denen sich unsere heranwachsende Gen
ration Vielfach zu über-bieten sucht,
mehr und mehr verschwinden und an
ihre Stelle wird ein liebevolles Erbar
men mit der uon unserer Willkür ab
Hauptsache wird es sich darum han
deln, gegen Verstöße anzulämpsen, die
aus lsedanlenlosigleit begangen wer
den, denn fragt man solch einen jungen
Sünder nach den Beweggründen seiner
Handlunggweise, so wird man oft ge
nug ein aaiiz harmlosses: »Ich dachte
mir nichts dabei« als Antwort ver
nehmen. Jn solchen Fällen wird ein
aufllärendeg Wort meist zur Selbst
erkenntniß und Besserung führen.
Schlimmer liegt die Sache, wenn
heimliche Luft an der Grausamkeit den
Anlaß zu Msißhandlungen der Thiere
gibt. Aeußerungen eines derart ver
rohten Charakter-i sollten auf die El
tern und Erzieher gerader beängsti
gsend wirken und sie zu schleunigem
Eingreifen Veranlassen.
Kinder, die irgend ein Thier ihr
eigen nennen, werden weniger zu
Grausamkeiten und Quälereien neigen.
Durch den ständigen Verkehr mit solch
einem stummen Hausgenossen lernen
sie seine Psyche verstehen und werden
sich bemühen, durch allerhand kleine
Gutthaten die Anhänglichkeit ihrer
Freunde zu belohnen.
Wer Thiere lieb gewonnen hat, wird
sich dann nicht damit begnügen, sie zu
schonen, es wird ihn auch-nach einer
praktischen Bethätigung dieser Zunei
gung verlangen. Und gerade Kinder,
die so hoshasi und grausam sein kön
nen, vermögen anderseits, sofern das
Gefühl geweckt ist, riihrend zärtlich
und impulsiv herziich zu sein. Wer
Hausthiere hat, musz seine Zuneigung
natürlich zuerst daheim bethätigen, in
dem er die seiner Obhut unterstellten
Lebewesen sorglich pflegt und wartet.
Unwilllürlich wird der lindliche Cha
rakter aus diese Weise zur Pünktlich
leit und Pflichterfüllung hingeleitet.
Von dieser Liede gegen den eigenen
Hausgenossen werden auch fremde
Thiere profitieren Vor Allem die
schutzlosen siefiedcrten Sänger, die
uns während der warmen Jahreszeit
mit ihrem Gesang erfreuen und unsere
Geniiife- und Obftgörten von Schäd
linaen saubern- Einige gut gemeinte
Versuche zu ihrem Schutze werden ja
jetzt bei uns gemacht —- man hat mit
der Herrichtuna von Vogelfutterftätten
in Gärten und öffentlichen Parkanla
gen begonnen. Damit ist natürlich
noch lange nicht genug geschehen. Je
des Kind sollte sich solch eine eigene
Futterstelle einrichten und sie mit den
nöthigen Vorrath-m versehen. Die
Unkosten kommen ja laum in Betracht.
Hänflinae, Siieglitze und Finten be
gnügen sich mit Lein-. Hanf- und Rüb
sanien, Amseln mit schwarzen Hochm
derbeeren und für Meisen bilden Kür
bis-, Garten-« und Sonnenblumen
lerne ein willkommenes Futter. Spa
tzen siwd schon beglückt, wenn man
ihnen etliche Brosamen l)instreut. Nur
ist zu beachten, daß die Krümchen tro
cken sind, da feuchtes-s Brod leicht sauer
wird. Auch gemärmtes Trinttvasser
gehört zu einer rechten Futterstelle
Sehr niedlich sind übrigens die neuer
dings in den Handei gelommenen Vo
gselhäuschen, die außen am Fenster
aufgehänsgt werden. Mit ihrer Hilfe
kann man dem munteren Schmause der
gefiederten Schaar zusehen, ohne sie
ei ihrem Mahl zu stören.
Für die sich-.
.,.......-. ..
Gebackenegskalbzhirm —
Ein Kalbshirn wird einen halben Tag
gewiissert, die Häute abgezogen, dann
in start lochendem Essigwasser mit
Salz, Zwiebeln und gemischtem Ge
wiirz einigemal aufwallen lassen. Man
legt es nun in kaltes Wasser und zer
schneidet es, ganz abgekü«hlt, in vier
eckige Stückchen. Sind diese ganz
trocken geworden, so rollt man sie m
Ei und Brodlrumen und bäckt sie in
fteigender Butter goldbraun. Sie sind
eine passende Beilage zu Blumenlohl
und anderen Gemüsen.
Feigencompott. Noch nicht«
ganz reife Feigen briiht man nnd über
gießt sie darauf mit frischem Wasser.
Dann kocht man sie in Wasser und
reichlichem Zucker weich und läßt sie
einige Zeit so durchziehen. Nun gießt
man den Saft ab, kocht denselben noch
mals auf und übergießt die angerichte
ten Feigen noch warm damit. Erlaltet
wird dieses Compott servirt.
Rothkrautift eine ange
nehme Beigabe zu jedem Fleifchgericht.
Man wählt tiefrothes, festes, soge
nanntes «,,Steinlraut«, schneidet oder
hobelt es ganz fein, gibt etwas Salz,
reichlich klaren Zucker und Effig zu,
bermengt es gut nnd schmeckt dann ab.
Der Salat ist e1·frischend und wohl
feil. Man bereitet aber jedesmal nur
to viel, wie eben zu einem Gericht ge
braucht wird, da der Essig bei länge
rem Sieben von schlechtem Einfluß
auf das Kraut ist, es weich und unan
sehnlich macht nnd auch der Zuckerzu
satz zum Essig oft chemische Verände
rungen unerwiinschter Art mit sich
bringt.
Schweinskoteletten in
W e i n s a u c e. Die Koteletten wer
den gellopft, gepfeffert, gesalzen und
in wenig Butter auf beiden Seiten an
gebraten, dann gießt man das Fett
ab, legt die Koteletten in einer Kasse
role dicht nebeneinander, giebt eine
kleine, mit 2 —- 8 Nellen gespickte
Zwiebel, eine Mohrrijbe, 2 GlaSWeiß
wein und 2 Glas Wasser dazu Und
dämpft die Kote-leiten eine halbe Stun
de darin. Dann rührt man die Sauce
durch ein Sieb, bindet sie mit ein we
nig heller Tillehleinbrenne und zieht sie
mit 1 « 2 Eidottern ab. Man kann
aber, bei demselben Verfahren für Die
Saure, die Koteletten auch in Ei und
geriebener Seminel unnrenden und in
siedendem Fett noch einmal ausbackein
Warmer Kartoffelsnlai.
Man schneidet etwa V« Pfund Speck
in kleine Würfel, schmort dieselben
hellbraun, brät auch eine feingehackte
Zwiebel darin, thut die gekochten und
in Scheiben geschnittenen Kartoffeln
hinein, fiigt Essig, Salz und Pfeffer
hinzu, schüttelt alles einigemal gut
«
ourcy und gibt den Salat auf.
K r a u t k l d« ß e. Man schneidet
die zarten, inneren Blätter eines gro
ßen Krautkopfes von denRippen, wirft
sie einige Minuten in kochendes Waf
ser, kiihlt sie dann ab nnd hackt sie fein,
woran man sie mit reichlicher Butter
und Salz weichdämpft und erkalten
läßt. Dann mischt man 1-4 Pint
süßen Rahm, zwei ganze Eier und
zwei Eigelb, noch etwas Salz, Mus
katblüthe und Weizenniehl oder gerie
bene Sennnel dazu, so daß sich feste
Klöße daraus sonnen lassen, kocht sie
in Salzwasser, übergießt sie mit brau
ner, in Butter gerösteter Semmel und
gibt sie zu Entenbraten, Rauchfleisch,
Schinken U. s. w.
Tiroler Leber. Zwei Pfund
Kalbsleber wird gnt gehäutet, die
Röhrthen herausgezogen Mit schar
fem Elpstesser wird die Leber in gefällige
Stiieje von 5 Zoll Länge nnd 1 Zoll
Dicke getheilt, auf beiden Seiten mit
Mehl befiäubt, in eine ofsgte Pfanne
in steigende Butter gelegt, dort gefal
zen und auf beiden Seiten etwa 10
Minuten gar und riisch gebacken, bis
tein Blut mehr kommt. Unterdessere
hat man eine helle Mehlfehwitze berei
tet von 11,-«(·- Eßlijffel voll Mehl, einem
großen Stückchen Rindsnierentalg und
etwa-J Butter. Wenn klar gerieben,
verdünnt man dies mit 1 Pint guter,
kalter Milch, falzt es nach Geschmack,
schnin einige Stiftchen Citronenfchale
hinein, quirlt es tüchtig, läßt es auf
kochen, rührt dabei öfter durch nnd
läßt es dann heiß stehen. Jst die Le
ber auf der zweiten Seite fast fertig
gebacken, fchnitzt man auf jedes Stück
noch einige Citronenfchalenfpiine, rich
tet die Sance in einer tiefen und wei
ten Schüssel an und legt die Leberftücke
nebeneinander hinein.
Schweinefilet. Man häute
das Filet al) und spicke es mit in feine
Streifen geschnittenem Speck, lasse
Butter in einer Pfanne zergehen, lege
das gefalzene Filet hinein und lasse es
zugedeckt auf schwach-Im Feuer weich
diinften. (15——·.30 Minnten.) So
oft die Sauce einkoeht, gieße mal-I
etwas Fleischbriihe hinzu, womit das
Filet auch fleißig begossen werden
muß. Wenn es weich ist, nimmt man
es aus der Saure, bindet diese mit
etwas Mehl nnd trägt das Filet mit
Kartoffeln oder zu Gemiife auf.
Blumenkohl mit Speck.
Ein Kopf Blumenlehl muß in Salz
wasser einigemal auftochen. Jn einer
passenden Kasserolle läßt man W
Pfund würfelig geschnittenen Speck
zergehen, legt »den abgetropften Blu
menlohl hinein, fügt einen Eßlöffel
Mehl und etwas Salz dazu und läßt
den Kohl langsam weich dampfen.
Jm Nothfall muß, sobald der Speck
zu sehr einbriit, Butter dazu gefügt
werden.