Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, February 09, 1906, Sweiter Theil., Image 10

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    szSenta Wolksburg.
Roman von Elsbetb Borcbarr.
, (9. Fortsetzung)
. ich habe Dir etwas mitzu
·«..’.::- ist THI« .
satte Ruhe in seinen Zügen wich
» · ; einer eigenthiimvichen Span
"«u-lein von Rupert wird Dir
T « haben, daß ich in letzter Zeit
’ für Stunden verschwand,
«das Ziel meiner Gänge zu nen
« «P"llerdings . . . nun . . . und. .. ?«
HEFT-. . . besuchte . .. Tante Sa
FTante Sahine2« fragte er so er
sinnt und verblüfft ais habe sie ihm
EINIGE sie sei auf dem Mond ge
, »Ja-« erwiderte sie »und ich hielt
" Besuche geheim, einmal weil
·Sabine es wünschte, und dann
« Dei-l » .. weil Du mir noch nie
, gesagt hast, daß es überhaupt
Juni-e Sabine auf der Wolfs
Oiilir.u
»sh.so . ich verstehe, « sagte der
Ins aufathmend »Mein Kind das
igen dieser Hausgenossin
nndeabsichtigt von mir, das
— ,ich bin nicht aus den Gedanken
z M, sie mit Dir bekannt zu
· . Es mag Dich wohl verwun
M doch will ich es Dir gern ertlii
Uti- Tcnte Sabine selbst war es, die
« verbot. Sie wollte nicht wis
« wer aus der Wolfsburg ein- und
wollte von keinem Besucher
Is- t, noch von einem solchen be
"-fz werden. Sie liebt neue Be
3 tschaften nicht. Zu der Zeit, als
Um Frau noch lebte,« es war
erste Mal, daß er zu Senta von
Frau sprach »und wo wir
viel Besuch empfingen, war die
Wunsch auch durchaus gerechtfer
"gt. Tante Sabine wollte davon ver
chont bleiben, und das war ihr nicht
zu verdenten. Jetzt freilich läge die
Sache ja anders, doch die Macht der
" jahrelangen Gewohnheit ist eine star
ke, auch hat sich Tante Sabine mir
gegenüber nie geäußert, daß sie es jetzt
anders zu halten wünschte. Alle vier
Wen besuchte ich sie und sehe, ob es
ihr an nichts gebricht .. . das ist alles-.
Seit wann und wo hast Du ihre Be
kanntschaft gemacht?«
Senta wurde roth, denn sie dachte
»Mein daß die Tante Sabines Be
iksuntschast mit Robert zusammen ge
sucht hat. Und Roberts Anwesen
heit in Wolfsburg damals hatte sie
verschwiegen und wollte sie auch jetzt
spvttichweigem So gab es doch noch
ein Geheimniß, das sie drückte.
;Jch tras sie im Walde, außerhalb
M Bartes, wo sie wie ein Geist aus
einein dunkeln Spalt der Erde ent
-Ieg,« antwortete sie
.Und Dich erschreckte.« Er lachte.
. »Mrding5, zuerst wohl. Geschich
M von herumsputenden Ahnfrauen
Lassen mir im ersten Augenblick in
;»Qtiknerung. Es klärte sich aber alles
»Sie war natürlich wie immer
unterirdischen Gana gekommen.
Wch hat sie schon manchen er
»Hu-W Sie ist sonst ein harmlose-B
s- . , und nur ihre Menschenscheu
sie zu solchen ungewöhnlichen
huren. Die letztere wurzelt
is einer traurigen Vergangenheit»
Issie Dir von ihrer Jugend er
« .
Maximiiian zog die Augenbrauen
zusammen
« hr Geist soll zuzeiten ganz ge
ttiibi gewesen sein. Sie weiß augen
scheinlich heute nicht mehr ganz ge
nu, was sich vor nahezu fünfund
siebzig Jahren zugetragen hat, aber
He Lebt in dieser Vergangenheit, in
ihrem Haß und Groll. Jch bin bis
, her immer gut mit ihr ausgetoinmen,
obgieich sie auch in mir den Rach
ksmmling ihrer einstigen Widersacher
·- sieht —- Ein kindischer Haß, ein kin
Nichts Stall ist es —- doch wer wird
mit einer Dame von sünfundneunzig
Ohren rechten wollen! — Für ein
s Mädchen mögen ihre roman
tischeu, altmodischen Jdeen allerdings
nicht Grade von gutem Einfluß sein-«
«Ich habe Tante Sabine lieb ge
wonnen und sie mich,« rief Senta er
schrocken dazwischen.
Mrchie nichts — es liegt mi:
fee-, Dir diese Besuche zu untersa
. «beschwichtigte er, »nur möchte
davor waran ihre roman
kss Ideen aus die Wirklichleit zu
s — sie passen für die heu
sicht mehr-I
s schwieg; sie wußte wohl
ZU Wut damit sagen wollte,
U erweckte wieder die alten auf
MI- in ihr
it mit kurzem Ruck
M
» nur« darf seit-ex Nichte
« und imddkging mit ihr
Da leuchtete es in ihren Augen I
auf. »Ja —- gern!«
»So halte Dich in einer Stunde be
reit —- auf Wiederfehen.«
Eine Stunde später stieg Senta mit
ihrem Oheim zu dem Thurm der alten
Wolssburgerin hinauf »
An diesen halbstiindigen Besuch «
hatte sie später nur eine untlare Erin
nerung. Sie wußte nicht mehr zu be
schreiben, was sie so anheimelnd und
traut berührt hatte, als sie auf dem :
altmodischen Sofa neben Tante Sa
bine saß und deren runzlige Hand in
der ihrigen hielt-als der Onkel an
der anderen Seite des Tisches, ihnen
egeniiber Platz genommen ,und mit
seiner ruhigen- festen Stimme zuih
nen beiden gesprochen hatte Sie wußte »
nur, daß sie sich in jenen Augenblicken »
kindisch wohl gefühlt hatte. ,
Am Nachmittage war Johannes De- l
genhart auf der Wolsöburg beim Gra
fen gewesen. Senta hatte ihn iiber den
Schloßhos gehen sehen. Jedenfalls
war er vom Grafen befohlen worden;
dann mußte die Angelegenheit also
günstig fiir ihn verlaufen sein.
Es drängte sie, ihm ein gutes Wort
u geben, und so eilte sie hinunter in
nParl und wartete aus dem Wege,
der vom Schloß nach dem Dorfe
führte, und den er kommen mußt-.
i Undertam, leichten frohen Schrit
es.
; Senta erkannte daran das Ergeb
niß der Unierredung.
Sie trat ihm entgegen und hielt ihm
die band hin
»Ich erwartete Sie hier, herr Pa
or —- ich wollte Sie beglückwün
cheEnf sagte sie offen und einfach
Er fuhr freudig erschreckt zusam
men. »Komtefse — der erste Glück
wunsch kommt mir von JhnenX
»Und ihm folgen hoffentlich noch
viele nach,« antwortete sie. »Wie wer
den Jhre Eltern und Ruth sich
freuen.«
»Ja, sie ersehnten es längst und
i«ch Pe; er hielt noch immer ihre Hand
»Sie find auch ganz zufrieden mit
Ihrer neuen Würde als Hilfsprediger
von Wolfsburg gelt?«
»greilich —- freilich.«
. o wären Sie am Ziel Jhrer
Wünsche —- Sie sind eigentlich zu be
neiden, here Pastor.«
J .O — meinen Sie wirklich?« Er
isah sie eigenthiimlich forschend an
»Ist das eine Ziel erreicht, so sieht uns
ein neues vor Augen Das ist nun ein
mal der Laus der Welt. Und es ist
ut so; denn aufhören zu streben,
geißi aufhören zu leben.«
»Ja, ja,« machte Senta sinnend und
ließ ihre Hand aus der seinen gleiten
Sie dachte an ihre eigenen Ziele und
noch unerfiillten Wünsche »Die Ihren
werden Sie mit Sehnsucht erwarten,
Herr Pastor, drum will ich Sie nicht
länger aushalten,« —sagte sie dann
schnell. »Bitte, bestellen Sie meinen
Gruß und —- adieu."
»Adieu.«
Sie eilte fort und Pasior Johannes
ing langsam und in Gedanken ver
funlen seinem Heim zu.
Its
Wieder verging eine Spanne Zeit·l
Man war mitten im Rosenmonat.
Senta hatte das düstere schwarze
Kleid abgelegt und trug ein weißes.
das ihre tuospende Schönheit vortheilss
haft hervorhob.
Sie hatte sich zu dieser Aenderung
vielleicht durch eine Aeußerung ihres
Oheims bestimmen lassen. Dieser hatte
sie an einem besonders schwülen Tage
so nebenher gefragt, ob ihr das
schwarze Kleid nicht zu heiß und
schwer jetzt während der Sommerzeit
sei. Der Vater wäre ja bereits drei
viertel Jahre todt, und das äußere
Gewand mache nicht die Trauer die
lebe im herze-i fort.
Daraufhin hatte Senta ihre weißen
Kleider, darin der Vater sie so gern
esehen hatte, hervorgesucht. Doch ach,
te waren alle zu kurz und eng ge
worden! War sie denn in dem einen
Jahre so gewachsen? Sie besah sich
müsend im Spiegel. n der That!
Sie tam sich mit einem le wie aus
gewechselt vor. Was sich da vor ihr
im Spie eigte das war kein un
sertiger clsiich mehr, das war eine
erwachsene junge Dame. Der schöne,
goldblonde Zops war ja schon seit
raumer Zeit aufgesteckt worden a r
auch sonst verriethen die weichen, vol
len und doch jugendlich sehlanten For
men den Fortschritt der Natur. Ge
wachsen war sie auch noch- Dazu blickte
sre ein blühendes, schönes Gesicht mit
Foßem dunklen Augen und von einem
ranz blonden gelockter haare um
geben an.
Keine Evatochter ist wohl an
blind gegen i e eigenen Reize. å us
Smta empfan das Wohlthuende ih
res Zuspregelbildeh ohne sieh jedoch ihrer
t voll bewußt zu sein und
hnesich übermäßig lange damit aus
zuhalten Rut, daß die weißen Kleider
nicht in passen wollten, machte ihr
eint-en inner.
Sie tief zu Brigitte und theilte die
ser akten inFreier-di n Sorgen mit.
W« ich will« eben, was steh
daranw ändernl erwidertedie
te nnd die OWN
M Dann aber Mit-ne He traurig
den Kopf. »Es ift ; z«
chem Herz- Du bist . «
wachsenk s·
Senta bedauerte s -».»:»
verschloß ihre Ba i
in dein Schrank.
diesen Kummer wie
nächsten Tage wars Hist
Ueberraschung. ·
Fräulein von RUM list sendet
fehens in ihr Zimmer-, olgi von
Gotilieb, der zwei Karte trug.
Es wären die weißen W, die der
Herr Graf zur Anprobe ans dethaupt
ltadt habe kommen lassen.
Sentci war zuerst an sprachlos
vor Staunen, dann ließ-H M Obst
freudeitrahlend von der inzwian htt
beigerufenen Brigitte die Kleider an
probiren. Zwei Kleider könne sie
wählen, hatte ihr Fräulein non Ru
pert gesagt, ehe sie hin-ausging und
Senta mit der Alten allein ließ.
Und Senia probirie mii Lust Und
Freude an. Sie war noch zu fehl
Kind und auch Weib genug. iiin sich
an den schönen Kleidern zu erfreuen.
Sie wählte die beiden einfachsieng
die ihr tadellos saßen. nnd behielt das
eine sogleich zur Mittaastaid an. Sie
wußte, daß der Lheim einentDanl
für solche Dinge nicht liebte; die wa
ren selbstverständlich- und sie mogk sich j
den Dank sparen, hatte er ihr bei ahn- l
licher Gelegenheit geantwortet. Aber
sie meinte, ihm ihren Danl in herver
fen. wenn sie das neue Kleid fofort
trug.
Fräulein von Rupert machte ein et
staunt mißbilligendes Gesicht, als
Senta in ihrem neuen weit-en Staat
zur Thür des E immers bereintrat,
doch über Gras arimilianå Gesi t
flog ein warmer Schein. Viellei t
war es auch nur ein Sonnenstrahl,
der sich vorwihig itber sein Gesicht ge
stohlen hatte.
Senta sah strahlend lieblich aus«
wozu nicht allein das weihe Kleid,
sondern auch die gerätheten Wangen
und glänzenden Augen beitrugen.
Arn Nachmittag ging sie zu Ruth.
um sich in ihrem neuen Staate zu
zeigen.
»Senta, wie schön bist Dul«
Kleider machen also wirllich
Leute« scherzte Senta und umschlang
die Freundin örtlich.
» ein- Lieb es, Du warit auch in
Deinem schwarzen Kleide schön, -——
heute aber hast Du etwas so Stolzes
—Königliches« —
«Närrchen, das Du bist!« lachte
Senta aus. «Schade, daß Du nicht
schon den Thron für mich inBereits
schast hast«
Nach einer Weile gesellte sich Pastor
Johannes wie von ungefähr zu den
jungen Mädchen in den Garten. Er
sagte nichts über die äußere Verände
rung Sentas. Dem Gottesmanne
waren solche Außendinge wohl auch zu
wichtig« Nur seine Augen ruhten mit
Sag-eigenem Glanz aus Senta. l
betheiligte sich an der Unterhal
tung der beiden Freundinnen undl
lachte und scherzte mit ihnen. Niemand
lonnte sehen, was in seinem Inneren
vorging, niemand, laum er selbst,
wagte in die tiefsten Spalten einer
unruhigen Seele zu schauen.
. Was hatte ihn der Ruhe und des
Gleichmuths beraubt, was hatte ihm
Zweifel und Bangen in sein bisher
von Gottoertrauen ersillltes Gemüth
und Herz gepflanzt?
»Was hast Du. Johannes, mein
unge — was verbirgst Du vor mir?«
«o sragte der alte Pastor nachher fei
nen Sohn.
»Nichts, Bater!« hatte Johannes
lächelnd gerufen- aber er war dabei
erröthet, alz hätte man ihn bei einer
Sünde ertappi.
»Komm zu Deinem Vater, ehe es zu
spät ist«
Wieder hatte er gelächelt und ab
weisend mit dem Kopf gZe:ll;cl)iittelt.
Darauf war er zur tter gegan
gen, die draußen im Gemüsegarten die
ersten ungen Bohnen psliicktr.
»So mich Dir helfen, Mutter."
»Du, hanneö?« sra te die«-«hiib
sche, run liche Frau Pa r verwun
deri.
»Ja —- ich ——- sehne mich nach tör
perlicbrr Arbeit.«
»Hast recht, mein Junge, das ewige
Studiren macht Dich blaß. Komm,
Du kannst mir das kleine Stück Land
binter den Erbsen umgraben Der
Kutscher und die Magd find aus dem
Felde, und ich brauche das Land sür
die jungen Kohlpslanzen·«
Und Johannes grub irn Schweiße
seines Angesichtes und begrub Gedan
ien und Wünsche tief unter die rollen
den Erdschollen
10. Kapitel.
Der 25. Juni, Sentas chesiebzehnter
Geburt-tu war angeb roche n.
Ein tiefblauer Himmel wölbte sich
über der Erde, die sich in ihrer Far
benprarht extra sür diesenTa aå ge
schmückt zu haben schien. Die ögel
angen und schmetterten in den Zwei
gen der Parlbiimne ihr Morgenlied J
und die leuchtende Sonne stahl sich als (
erste Gratulantin durch die Vorhängel
des Jensters aus Sentas Bett. l
Mit offenen, thränennassen Au ragen
lag sie in ihren Kissen, und ihre
danken weilten bei den verstorbenen
Lieben. Der erste Geburtstag ohne
den heißgeliebten Vaters Wie hatte er
sie an diesem Tage stets mit doppelter
Liebe iiberschiitteti
Und heute-i Wer wiirdeihn er be
achten, wer danach fragen, a, wer«
wußte überhaupt darnrn außer ihrer
alten, treue-n Brigittei
ÆÆr wurde vorsieht
net, und die haube Brigittens-tagte
dirte Thürspaitr. i
hie ein Schüssen klang ei
, 1
Sentaehen — mein Liebling —
chon .
Mit eilixzen ritten trippelte sie
auf das Be t qu lang ohne Stru el
ihre Arme um deren Nacken und tii te
sie. Worte von eåliick nnd Segen ta
nren dabei iiber ihre Lippen.
Senta dankte der treuen, alten
Seele- wiihvend die Thriinen ihr die
Wangen kreist-liefen
» »Nun nell auf, mein Herzens
tind,« rief die Alte, »ich werde Dir
Zifm daß Du schnell ferti wirst.
- rr Graf ritten heute såon sehr
friih in die Felder und werden bald
wieder hier sein Dann müssen wir,
das heißt Du schon im Eßzimmer
ein
Senta trocknete ihre Thriinen und
heeilte sich mit dem Anziehen. Auf-«
das Geschwiitz der Alten achtete sie
taum. Jhr war es todesiraurig zu
Muth
» Endlich war sie fix und fertig und
;qing. wie sie es gewohnt war. hinunter I
ins Eßzimmer, um mit Fräulein von
Rupert zusammen das Frühstück ein- !
« zunehmen j
Als te das Zimmer betrat, war sie
sehr er taunt den Oheim neben der
Hausdame vorzufinden- denn er be
therlgte sich sonst niemals an dem
ersten Frühstück.
Bei ihrem Eintritt stand er aus
und aing ihr entgegen.
»Ich wünsche Dir viel Gliick zu
Deinem heutigen Geburtstage, mein
Kind.' ’·
»Du —- weißt?« fragte fie stau
nend.
»Aber nctiirlich,« er lächelte und
hielt ihre Hand noch eine Weile fest,
»ich bin doch im Be th Deines Tauf
und Konfirmations cheines!«
so— ja richtig —- ich danle
Dir fiir Deinen Gliickwunsch, Oniei
Ma imilian.«
nd auch ich möchte Ihnen meine
herzlichsten Glückwiinsche aussprechen,
liebe Komtesz.«
Mit süßlich lächelnder Miene trat
gräulein von Nupert hinter dem
rafen, der ihr sofort Platz ma te,
hervor und legte einen Strauß Ro en
in Sentas Hande.
Senta dankte auch hier. halb me
chanisch. Es tam ihr so überraschend
daß man Notiz von diesem Tage
na m.
rauf setzte man sich an den Früh
stückstisch, der mit töitlichen Rosen
sträußen geschmückt war. Graf Maxi
milian nahm am Frühstück theil; er
sprach nicht viel, sondern trant schnell
seinen Kaffee und stand dann aus.
»Gottlieb- führe die Komtesse in ihr
Zimmer«
»Zu dienen. Herr Graf.«
Ganz verdutzt sah Senta von dem
Onkel zu dem fchmunzelnden alten
Diener, der die Herrschaften bei der
Frühftückstafrl bedient hatte. Aber ehe
sie nach eine Frage thun konnte« hatte
Graf Maximilian sich mit kurzem
Gruß von ihr verabschiedet und Frau
lein von Rupert gebeten, ihm zu einer
Besprechung in den kleinen Nebensalon
zu folgen·
Nun ftand Senta dem alten Gott
lieb allein gegenüber.
«Nun faaen Sie mir um alles in
dek Welt, Sonnen wur- spn dekm das
heißen? Jch habe doch mein Lebtag
nicht in mein Zimmer geführt u wer
den brauchen. Nein, nein, la en Sie
nur—ich finde es schon allein."
«Halten zu Gnaden, Komteßchen«
—der alte Gottlieb ge tattete sich,
wenn er vor unberufenen bren sicher
äu fein glaubte- diefe Anrede. Er hatte
je junge, frische und leutfelige Kom
teffe fo lieb gewonnen wie derein de
ren Vater, den er noch auf den rmen
Ziragen hatte —- «der here Graf ha
n es nun einmal be oblen, und
Komteßchen wissen, da es daqegen
leine Auflehnung ibt.«
Ueber Senlas angen hufchte ein
flüchtiges Roth, aber sie lachte auf und
machte eine lomifche Verbeugung nach
dem Alten hin.
»Nun, fo den Sie die Gewogem
heil mich zu Uhren, Gottlieb.«
Der Diener zögerte eine Selunde:
.Komteß(?en betten versprochen, du
zu mir zu agen.«
d»-Ach. du narrifcher Mensch du, —
u —
Sie hatte ibre band auf feinen Arm
seiest und ehe sie es verhindern kann
, hatte der Diener dieselbe ergriffen
und an feine Lippen gepreßt.
-So. Kvmteßchen —- nun bitte.«
Er riß die Flügelthiiren auf, wie
vor einer Fürstin, und folgte der Vor
anschreiten en.
»Nicht hier. Komteßchen —- bitte
linti —- linis.·' «
»Na, aber höre einmal, Gottlieb —
ich weiß doch, daß mein Zimmer rechts
liegt. Du hist mit ein netter Füh
rer,« scherzte sie.
Gottlieb schnitt ein erzdmnmes
verblüfftes Gesicht.
«Wirtlich, Komteßchen haben recht,
und ich bin ein alter M pardon,bu
und ichbin ein alter— vordem wollte
sagen-—- nun folgen mir Kornteßchen
dieses eine Mal lints —ja, bitte —
heute an Ihrem Geburtstage schlagen
Sie dem Alten nichts ah, gelt?«
»Aber, Gottlieh, natürlich nicht, ich
weisa nur nicht, du bist heute so fon
der r.« ·
. »Meinen wohl- dem Alten rappelt's
sitn Oberstübehen?«
s Ueber sein glatttafrrtei Gesicht flog
;es beständig wie Wetterleuchten, und
wii end er an Sentas Seite ging,
lrie e«r vergnügt nnd verscheniht
Hvte Dein , wie ein toller Bube, der
»eines! Streich susgeheckt hat.
I P· lich blieb er ite n und « nete
» eine gxthu he M
Ich-Eh Komießchem nun treten Sie
L Gent-c machte einen Schritt und
feste-v qui des Schwen- siehen wie au
jgeipurzelt Ihre Augen öfsnelen sich
»mit, ihr herz seßte seinen Schlag
aus «
» Was war denn ges heu? War der
alte Gotllieb ein anderer-, oder
;teäumte sie? Das Zimmer, aus dessen
Schwelle sie stand, war ja das alte
;veetraule von daheim, des Vaters
Zimmer-, das zugleich das ihrige gewe
QZI war. Das waren die alten, lieben
öbel, des Vaters Schreibtisch, ihr
kleines Nähtischchen daneben. und an
der anderen Wand das beaueme Sosa
mit dem eckigen Tisch davor, in dein
Erler der Tritt mit dem Sessel, da
raus einst der Vater zu sipen pflegte,
wenn sie selbst ihm geraderiber saß.
» Aus diesem Stqu saß auch jetzt je
mond
»Mein Gott- Brigitte, Brigitte!'«
Mit diesem Auslchrei löste sich der
anfängliche Bann, und Senta stürzte
in das Zimmer aus die im Erler
sitzende Brigitte zu. Sie lnieie vor ihr
nieder und barg ausschluchzend den
sinds in dem Schooß der alten Wär
erm.
Leise und diskret zog Goitlieb die
Thur zu und ging seinen Geschäften
nach. Mit dem Rockärmel wischte er
sich etwas Nasses an den alten Augen.
»Der Schmerzensausbruch des lie
ben Kindes ist ia eine Freude,« trit
stete er sich selbst.
Einige Minuten lag Senio, von
theueren Erinnerungen überwältigt,
in Brigittens Schooß, deren and
liebiosend über ihr haar strich, ann
sprang sie aus.
«Btigitte, erkläre mir: bin ich denn
wirklich daheim, oder ist alles nur ein
Traum?«
»Mein Liebling, der Herr Gras ha
ben die Möbel heimlich herschassen
lassen.«
«Und er sagte mir, sie seien ver-«
;aus:- als ich ihn neulich darnach
r e.«
rigitte lächelte seltsam.«,.Er wird
es dir nicht haben verrathen wollen«
»Aber du« Brigitte, mußtest da
ruini«
»Ja, i habe alles anordnen, habe
sagen mli en, wie alles gestanden hat,
damit es auch wie zu Hause aussehe."
. h, ——— und ——— du hast so
lange schweigen können?«
»Und nun freue dich, mein Herz
blatt. sreue dich.«
Und Senta freute sich wie ein Kind
das man überreich beschenkt hat. Von
Gegenstand zu Gegenstand ging sie und
strich liebiosend mit ihrer seinen
schmalen Kinderhand darüber hin.
Kein Stück blieb unbeachtet.
Und dann quoll ein heißer Dank für
den Gebet in ihr aus.
»Ich will hinuntergehen und Onkel
Maximilian danlen,« sagte sie zu Bri
gitte. «
»Recht sa, mein Engelchen, gehe.«
»Wo ist denn der Gottlieb geblie
beni«
Sie sah sich suchend im Zimmer
uni, sie hatte ihn über ihrer Freude
fantz vergessen. Doch Gottlieb war
or .
»Der alte Heuchler!«
Sie lachte glückselig und schielte sich
an, hinunter zugehen.
Zunächst suchte sie nach Gottlieb in
allen Räumen, bis sie ihn endlich im
Anrichtezimmer, mit Putzen von Sil
berzeug beschästigt, sand.
«thtlieb.«
Er hielt inne und blickte sich ver
legen um« ·«
»Komteßchen befeblen?«
Sie drohte ihm mit dem Finger,
aber in ihren Augen leucht-te eg.
»Warte Gottlieb, du — Heuchler!«
RomteßetxenP
Sie aber haschte nach seiner Hand
und drückte sie.
f «Melde mich bei dem Herrn Gra
en.«
»Der Herr Graf sind ausgeritten
und iommen erst zu Mittag heims«
»O!« machte Senta enttäuscht. Der
Gedanke- dem Oheim in Gegenwart
der Hausdame ihren Dank aussprechen
zu müssen, bereitete ihr ein unbeha li
ches Gefühl Aber es half ihr ni ts,
sie mußte warten.
Die Gegenwart Fräulein von Nu
perts beim Mittagessen wirkte denn
auch so ertältend auf ihr warm pul
sirendes Blut, daP ihr Dank viel tiih
ler ausfiel, als Ie beabsichtigt hatte.
Graf Maximilian ging denn auch
darüber hinweg zur Tagesordnung
über. Nur so beiläufig fragte er, ob
sie wirklich geglaubt habe, er hätte ihre
Möbel ohne ihr Wissen und Willen
verkauft. «Dazu hatte ich weder ein
Recht noch die Absicht. Die Möbel
sind dein Eigenthum, und wenn ich
sie herschasfen liefz so war das nur in
der Or dnu u."ng
Somit wies er jedes Verdienst sei
nerseits ab. Er sagte nichts davon,
daß er ihr habe eine Freude bereiten
wollen Die Angelegenheit schien für
ihn vollständig erledigt zu sein; er er
wähnte ihrer nicht mehr, und die Un-:
terhaltung trug einen allgemeinen
Charakter
Nur in Sentak Wesen machte sich
die fro Stimmung bemerkbar. Sie
sprach bhafter als sonst und lachte
so ogar ab und zu; ein glattenhelles
melodischei Libacht
Am Nachmittag kam Ruth, um der
Freundin htzu gratulirem späterSfeuhken
YZJ sein Staunen ntas
Gfin Aren rg und die Cousinen
vor.
Ihren Geburtstag von dieser Seite
bea t zu sehen hätte sie niemals er
Evy QlTaräteet u;irla hatte tfiend bei
e r egen i ren mu
hre Gerin chit ung Mit a en,
s -
FZIW un si» kais-Fiaskka
mittätka eld der obl ate
us neht sehn-er fiel nnd da sie
Ws
eine tränkende Bemerkung über TM s
bereits abgelegte Trauer und das
wege Kleid vollständi iiherhorte.
le fii rte Rath un die Conint
freudeftra lend in ihr nenestsmet
und zei te ihnen die alten Möbel aus
dem lternhaufe. Während Busc
der Freundin bewegt die Hand druckte
und ein reged nterefse an jedem Ge
genstand, der nta lieb war, Hund
nah, ritmpften die Cousinen veracht
lieh ihre feinen Röschem «Solch, Clkss
Geriimpel hätte auch befier in die
Rumpelkammer gehört-" te AMI
die Senta am wenigsten zu et «n war.
Senta ließ fich give-eh von r ihr Pe
reits bekannten rt der Coufinen nicht
anfechten und hörte kaum auf Ith
weswerfenden Redensarten ·
e-ie fühlte sich zum erstenmal. seit
sie auf der Wolfsvurg war, heute sv
ungetrübt glücklich, froh und dankbar.
Und wer achtet auf Kleinlichieiten und
ehiifsige Gesinnungen feiner Mitmen
chen, wenn das große Ganze altwa
Gemüth einwirlt Und etwas Jubelns
des die jun Brust zu sprengen droht!
Als die Yrenberaer —- Ontel Aren
berg war u Pferde nachgetommen
und hatte åenta in herzlicher Weise
beglückwünfcht —- nach dem Abend
essen fortgefahren waren und auch
Rath heimge angen war, trat Senta
noch einmal sinaus auf die Veranda
vor dem Schlosse. Fräulein von Rit
peri war hineingegangen, um den Die
nern einige nothwendi e·An:oeisungen
zu geben. Senta le nte sich an die
Brüstung und fah zum Himmel auf.
Er war noch hell, und die Sterne wa
ren noch nicht zum Vorschein gelomi
men. Nur der Abendftern stand in
feiner ganzen Pracht tvlar und leuch
tend am Horizont.
Mit Thränen hatte sie den heutigen
Tag begonnen —- sollten wehmüthige
Erinnerungen ihn beschliean
Da hörte sie Schritte. Sie fah sich
um, und das Herz schan ihr bis zum
halse hinauf. Neben ihr ftand der
Onkel und hegte ihr die hand auf die
Schulter
»Bist Du befriedigt, mein Kind?"
«Ontel Marimilian »s- ich — ich«——
Sie lam nicht weiter. Fräulein von
Rupert war unversehens aus der Thür
getreten und stand nun neben ihnen.
Ihr Gesicht trug einen rötbfelhaften
Ausdruck. Sie fragte mit iiickxelnder
Miene, ob der Herr Graf noch Wün
sche für sie habe.
Graf Wolfgburas dessen lfsand längst
vr-n Sentas Schultern cealitten war,
derneiqte sich höflich dankend. dann
wünschte er beiden Damen-aut-Nacht
und ging ins Schloß zurück.
(F«»ortsetzunq folgt.)
Jiiso-china.
Von der Lage im französischen
Judochinagebiet entwirst der »Ein-o
peen« in einer seiner letzten Nummern
ein recht trübes Bild. Es macht sich
auch dort der Grundsehler der franzö
sischen Colonialpolitit geltend, die nur
aus die Einnahmen Bei-acht nimmt,
für die wirthichaitliche Entwicklung
wenig thut, dabei aber ausländische
Bethaiigung in dieser Richtung aus
sckkieszt Zur Erzielung möglich hoher
Einkünfte ist die dortige Regierung
aus ein höchst sonderbares Mittel ver
fallen: sie verlangt nämlich, daß die
Bevölkerung ein bestimmtes Quantum
Allohol verbraucht, von dem dann
Steuer erhoben wird. So wurde.
nach dem »Europeen«, der Provinz
Tai-Binh mit einer geschätzten Bevöl
kerung von 900,000 Seelen das Mi
nimum von 1.,800,000 Liter Alkohol
auferlegt. Trotz aller Anltrengungen
konnte der Bezirk aber nicht mehr als
600000 Liter lonsumiren, wahr
scheinlich weil die ossizielle Schäyung
der Einwohnerzahl nicht stimmt. Und
dies, obwohl erst kürzlich der Zoll
direktor sür Jndochina, Herr MoreL
in einem Rundschreiben alle Beamten
äußerst energisch» zur Unterstützung
des Akkoholvertriebes erma thatte.
Die Folgen diese-. ingeniö en, von
Doumer besonders vervollkommneten
Fistalsystems, über dessen Mordth
man ja nichts weiter zu sagen braucht.
haben natürlich nicht aus sich warten
lussen Die anamitische Bevölkerun
leidet an chronischer Hungersnot
und der Re ungsbericht vom Okto
ber v. If. Mist eine Mindereinnalune
von dre ionen iaster, die am
Ende des Jahres no bedeutende-r e
worden sein dürste. Dabei hat ie
Reigierung in den Zwanzig Jahren der
O kupation Ton ins es nicht fertig
gebracht oder es nicht stir nöthig ge
halten, das Land Regen die verheeren
den periodisckzn eberschivemniungen
zu schützen» och im letten Juki war
die Stadt hanoi so in ernster Ge
fahr, durch Uebersluthungen vollstän
dig vernichtet zu werden« Auch über
die Zweckmäßigkeit der gebauten und
im Bau begriffean Eisenbahntinien
-—--daå einzige. was die Reqierung
sür die Colonie doch thun zu müssen
Fgubt —ist man sehe grtheitter An
t t.
Es ist teine Narrheit so groß, daß
sie nicht wenigstens einen Zustimmu
den und teine Weisheit so tief, daß sie
nicht einen Widersprechenden fände.
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Seit tausend Jahren soll in China
teine Bank salltert haben. Ra, mit der
fortschreitenden Ziviliszrtion wird das
schon noch kommen.
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Urn gewissen Menschen näher zu rit
clen, maß man sich von ihnen seen hal
ten. . . .
Es war hohe Zeit, daß man in Un
napolis einen Prellstein gegen das
Fuchse-teilen settn