Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, January 05, 1906, Sweiter Theil., Image 11

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    Wun- Hklxrkkbkth non
Tit-Tit Zank-t- ngkL
IW
" No. 188. —
" Je mehr ich
I dtiwwer nach
denke, desto
mehr kann ich
sehn, was for
en große Fahl
ich aus mich
jgemacht heu,
» bikahs ich fm
von heim fort.
Die Kids wolle all wisse, was denn
ennihan die Mäiier mit mich gewese
wiir un die Wedesweiletsch die mache
auch alle mögliche Meinuka Jch hen
doch Niemand sage wolle, was die
Mätier war un do sgg ich dann als
e Ruhl blos: das is nit Jhne Jhr
Bißneß un belimmetn Se sich emol
drei Wochelang um sich selbst, dann
hen Se pleniie zu duhn un wann Se
dann horch sin mit Ihne, dann könne
Se ja widdet emol bei mich nachstel
ge. Das is osf Kohrs nit so arig po
ieit awwer was geb ich drum? Was
den Philipp-, wo mein Hosband is,
anbeitesfe dahi, so muß ich sage, daß
ich gar kein Kahs hen zu iickr. Er is
arig neis zu mich un duht mit keinem
Wort menschene, daß ebbes zwische
uns vorgesalle is. Ich weiß nit, ob ich
das gleiche odder nit. Ennihau wär;
mich-I liewek, wann er als emol eb-;
bes von falle losse behi. Wisse Se, ich ;
weiß gut genug, wann en Mensch soi
ebbes einfresse dicht, dann is das niiI
gut: awwek mebbie er bot die aamej
Geschicht vergesse. E paar Dag zutiick
hat er gefagt, er müßt emol an Biß
neß for den Bohrd off Ettjutehschen
e paar Dag aus die Zittie fort un do
hen ich gleich widder an das junge
Mehdche denke miissr. Bei Galle, hen
ich gedenkt, soll der Philipp am End
mit die —. Wei das wär ja fiersZ
Jch fm mitaus e Wort zu sage, zu
die Wödesweilern gelaufe un hen ge
fragt, was denn ennihau mit den
junge Mehdche geworde wär, wo selle
mohls bei uns zu Dinner gewese wär.
Do hot die Wedesweilern gesagt: Wei,
ich weiß gar nit eckfäettlie wo se is.
Se is den Dag nach deine Party von
hier fort, awwer ich denke, sie duht
edspeckth heut odder morge- widder
hier her» zu komme. Sie will dann e
paar Dag mit uns stehn un dann
duht fe intende, en Trkpp nach die
alte Kontrie zu mache, wo se sich ver
heirathe will un dann widder mit
ihren Mann nach die Juneitet Stehts
komme duht.« Jn mei Jnieit
hen ich den Phil en Riß gewwe, hi
tahå ich hen ihn schon widder unrecht
iiedahm Avaer ich hen jevt mein
Meind uffgemacht, ihn en Pruhf zu
gen-we, dafor, daß ich ihn in alle
Stücker troste duhn. Jch sin heim
gange un hen grad den Philipp ange
troffe, wie er sich rettig gemachi hot,
for zu den Wedeizweiler zu gehn. Phi
lipp, hen ich gesagt, ich will dich e gro
ßes Fehwer frage. Du hoft gesagt,
daß du for e paar Diig aus die Zittie
fort willst un ich dehtgern gleiche,
wann du dein Tripp bis die nächste
Woch pohstpohne dehtst. Selles liewe
Mehdche, wo Wedesweilersch zu uns
gebracht hen, die duht nämlich widder
for e paar Dög hierher komme. Jch
dein te gern windet inwecte un vo;
hätt ich dich gern dabei.« Nossek, hot ;
der Philipp gesagt, noch nit un wann I
du mich hunnekt Dausend Dahlee
gewwe duhit. Denkst du ich will noch
emol in Teilbel tomme? Jch hen noch
genug von den erschte mol.« Zwische
Jhne Un mich hen ich den Philipp nit
so akig blehme könne, daß er den Weg
gefühlt hol. Jch hen gesagt: »Nun
Phil, luckehier, ich weis; gut genug,
daß ich en Fahl aus mich gemacht hen,
atowee das meint nit, daß ich immer
en Fahl sein muß. Es is meine Jn
tenschen, den Mehdche e gute Zeit zu
gewtve un ich will daß du bei uns bist
un dann kannst du ja aussinne, oh ich
fest schmarter gewotde sin-« Well,
der Philipp is so stobbern gewese wie«
so en alter Mjuhl un ich hen sage
könne, was ich gewollt hen, er hot ge
sagt, erwollt nit; seit die letzte Kata
sttose do deht er schon die Schills trie
ge wann er nor e weibliches West sehn
deht un wann et an en Millinetstohr
vorbeipähse deht, un deht die viele
Lehdieshiit sehn, dann deht et solang
trempele bis er aus die Schußweite
wär. Wann et’o noch emol zu duhn
hätt, dann deht er sich auch in sei gan
ses Lewe nit verheirathe. Den Tahl
hen ich ofs Kohks nit gegliche, awwee
ich sin selbst for zu blehme gewese.
Schließlich hen ich gesagt, er sollt sich
den Kehs noch emol iwwetdente. Er
is dann zu den Wedesweiler un ich
hen mein Meind usgemacht, dasz ich
nit ehnder ins Bett gehn wollt, bis er
beim iomme deht. Jch hen mich in
mein Nackelstuhl gehockt un wie ich
tot e lange Zeit gewakt gehabt hen,
do sin ich eingetchlose un sin erseht
widdet ussgeweckt, wie mich die Sonn
in den Hals geschone hot. O diee, o
dies-, was hen ich awwet do so teiett
-gesiihlt! Alle Lohns hen mich weh ge
dahn un am allerliebste hätt ich e
gllche deiteelt in met Klapp zu gese
«ioe e diesente Rest zu nein-ne. Do is
mich uss eemol der Philipp eingefalle.
sin nach sei Ruhm gan e un do
ot et geleg un hot geschlo e tote en
sitt. Ich hen so lang gehallert bis et
wach gewotde is un do hot er mich ge
stogi fot warum ich ihn mitte in die
Nacht wecke deht5 dabei is es schon
sitvwe Uhr Morgens gewese. Wie ich
ihn endlich soweit zu sich gebracht ben,
daß et diesent hot spreche könne, do
hen ich gesagt: Du bist mich awtoek
en schöner-. Jch hen die ganze Nacht
mei Bett nit gesehn nn hen for dich
gewatt un du legst dich ganz gemind
lich in dei Bett un iiißtmich ganz ru
hig uss den hatte Stuhl bode. Do hot
er geschmeiit un hot gesagt: Lizzie,
hot er gesagt, ich hen dich resfjuhst
mein Tripp bis die nächste Woch zu
verschiewe,s-awwer jetzt sag ich, ich
duhn dich das Zehnter-. Das liewe
Mehdche is letzte Nacht hierher kom
me un duht widder bei Wedeswei
letsch stappe un do hen mer all mit
enannet die ganze Nacht beisamme ge
hockt un hen e große Zeit gehabt. Do
hen ich dann auch verzählt, das; du se
all inweite dehtst un do ben ich auch
z pratnmisse gemüßt, daß ich dabei wär.
Jch hen's awwer nur gedahn, weil du
so entschius bist, mich hier zu halte
«Sin ich nit en seiner Mann?« Well,
Mister Edithok, was sage Se da der
zit? Also mich hot eng nit Prammisse
könne, awtoer die Schanttnohs hot
eng geprammißt. Ei tell juh, ich hen
so e Fiebting als wann ich mit meine
Suspischen doch nit so ganz aus den
Weg gewese wär.
Mit beste Riegards
Yours
Lizzie Hansstengei.
--—--——
Bekühmte Küsse.
Gewöhnlich ist ein Kuß ein ver
schwiegenes Pfand, das wahre Liebe
im Verborgenen tauscht, aber es giebt
auch Küsse die als ein öffentlich ge
zolltes Zeichen der Huld gerade vor «
der ganzen Welt dargereicht werden«
um einen bestimmten Willen duetlich
zu dotumentiren. Ein solch berühm
ter Kuß war es, den Königin Cäsa
beth von England am 22. November
1581 in der Galerie des Greenwich
Palastes dem Herzog von Alencon
gab, einem der Bewerber um ihre
Hand. Jn Gegenwart des Lords von
Walsingham und Leicester neigte sie
sich vor ihm, tiißte ihn aus die stolz
geschweisten Lippen und steckte ihm
zum nicht geringen Aerger der beiden
anderen ihren Ring an den Finger,
indem sie ihn so den Höflinaen als ih
ren zukünftigen Herrn vorstellte.
Ganz anderer Art war der Kuß ei
ner andern englischen Königin, aber
von nicht geringerer Bedeutung und
Wichtigkeit. Es war nach dem Ende
des Krirntrieges, als die Königin
Viktoria einen Besuch in Paris mach
t.-. Bei der Begegnung mit ihrem
Verbündeten, Napoleon lll., drückte
sie ih mihre Achtung und Freundschaft
iadurch aus, daß sie, jede zeremonielle
Form vergessendd den Kaiser küßte.
Dieses deutliche Oeichen ihres warmen
Gefühls rief lauten Jubel hervor.
Ein Kuß kann bisweilen auch aus
anderen dolitischenGriinden verschenlt
werden. Die schöne Herzogin Geor
giana vonD evonshire war eine be
geisterte Anhängerin des kühnen
Staatsmannes For und versuchte im
Jahre 1784 mit allen Mitteln, seine
Wahl ins Parlament durchzusehen.
Gar viele Stimmgeber hatte sie bereits
durch ihre süße Ueberredungstunst
und ihre glänzende nAugen dazuge- s
bracht, aber ein Schlächter, der bei
der Wahl eine wichtige Stimme hatte,
zet te sich stumm gegen ihre Bitten
ließ sich zu nichts überreden. Da
griff die Herzogin resolut zu einem
letzten Mittel: sie bot dem Mann für
seine Stimme einen Kuß an, und
solch iöstlichem Geschenk tonnte er
nicht widerstehen
Von dem französischen Poeten
Allain Chartier wird eine romantische
Legende berichtet: Eines Tages setzte
er sich auf einem öfentlichen Platze nie
der, und da er müde war und erschöpft
von der Hitze, fiel er in einen tiefen
Schlummer-. Da er so schlief, ging zu
fällig Margerete von Schottland, des
damaligen Dauphins, des späteren
Ludwig des Elften Weib. mit ihren
Dienerinnen vorüber. Sie blieb ste
.hen, da sie den schlafenden jungen
Mann erblickte und erkannte in ihm
; den Dichter, dessen Verse ihr Herz ent
E zückten und in ihren Träumen zu Bitt
? dern wurden. Da ward sie übermüt
tigt von der reinen Schönheit des
Schlafenden, sie trat aus der Scha
ihrer rFauen heraus, ging mit kleinen
Schritten zu ihm hin und drückte ei
nen Kuß auf seine Lippen.
Ein Kuß kann auch der Vortlang
mancher tragischer Vermittlung sein,
wie jener, den im Jahre 1716 Prinz »
Ferdinand von Bayern einer schönen
Prinzessin gab, als er bei einem be
nachbarten bese- zu Besuch weilte. Die
ser allzu teniperamentvolle Gruß er
regte unter den Begleitern der Fürstin
großes Aergerniß, und man machte
dem stiirmischen Prinzen Vorwiirse.
Zwischen den Begleitern des Prinzen
und den Hofteuten larn es zu Streitig
keiten, schließlich zu Schlägen; die di
plomatischen Beziehungen zwischen
beiden Staaten wurden abgebrochen
und es entstand ein Krieg, der sechs
Wochen lang währte und viel iiber
tausend Menschenleben kostete.
Wo. kein Mögen da laß Dich stöh
lich nieder. .
O
Mitunter ist es erade das süßeste
Mädel. das einem Züngling das Le
ben lauer macht.
Das Wasser rauscht.
Dumoreske vion J. E ich e n b e r g.
Jn einer Laube des Hotelä »Gieß
dach« am lieblichen Brienzersee saßen
beim dustenden Morgenkaffee der
Oberlehrer Dr. phil. Steinebach mit
seiner jungen Frau Helene. Sie be-?
fanden sich auf ihrer Hochzeitsreisr.
Nach beendetem Frühstück wandel
ten die beiden, selig wie nur wirkliche
Hochzeitsreisende, an den Kaskaden
des stürzenden und stiiubenden herrli
chen Wildwassers hinauf. Sie ließen
sich schließlich, um noch einmal den
Gesammteindrnck auf sich wirken zu
lassen, auf einer Ruhebank nieder, die
eine vorzügliche Aussicht auf den Fall
gestattete.
Sie schmiegte sich eng an ihn. »O,
Arthur, wie herrlich! Das Wasser,
das mächtige —--- ach nein —- das ab
scheuliche Wasser!«
,,Waaas! Alssdxeulicl)?«
»Ja, Männchen, ich hatte einen
schrecklichen Traum heute Nacht. Ich
war zu Hause. Es war in tiefer
Nacht, als ich durch ein Brausen und
Plättchern ais-J dem Schlaf geweckt
ihm-du«
»Der nahe Gießbach wohl«, bestä
tigte der Gemahl überlegen.
»Nein, nein —- unsere Wohnung
schwamm in Wasser. Es stieg höher,
immer höher. Die Mauern wantten,
neigten sich — ein Leach-«
»Und du warst wach, nicht wahr?«
lächelte er.
Doch sie hatte schaudtrnd ihre Au
gen verhüllt. ,,Arthur«, sagte sie mit
hohler Stimme, ,,es ist ganz gewiß
etwas zu Hause vorgefallen!«
»Meine abergläubische Trude!«
drohte er.
Doch jäh richtete sie sich plötzlich
empor, ihre Augen sahen wie in un
endliche Fernen, ein Schrei —- und sie
sanl ohnniächtig zurück
Der Oberlehrer beschäftigte sich eif
rig um sie, aber erst einige Spritzer
des ominösen Wassers gaben sie dem
Leben und damit erneutem Entsetzen
zurück.
»Arthiir! Arthur W das Wasser!«
schluchzte sie liampfltaft »Es ist mir
eingefallen unser Wasserhahn steht
aus!«
»Unser Wasserhahn?« wiederholte
er verständnißlos.
»Ja, unser Wasserhahii zu Hause!«
»Ungliickliche —-— du hättest —« '
»Ja, ach ja —- ich habe!« Und von
neuem brach sie in lautes Weinen aus.
»Ich wollte noch ein Glas Wasser
trinken ---- es war so warm —- ich
ließ erst ablaufen und vergaß es nach
her ganz Du dräiigtest so zur Bahn
. , o ———-«
,,Na«, begütigte er, »einen Wasser
messer haben wir ja Gott sei Dank
auch, es geht also wenigstens nichts
verloren —— siir die Stadtlasse. Acht
Tage smd wir unterwegs, nehmen wir
einen täglichen Ablauf von etwa fünf
hundert Kubilmetetn an -— das Ku
bilmeter zu zwanzig Pfennig --—«
Der Herr fsDberlehrer zog plötzlich
Notizbuch und Bleifeder aus der
Tasche und begann sich in mathemati
sche Kalkulationen zu verwickeln.
»Wenn ich nur wüßte, Helene, wie
stark du den Hahn ausgedreht hasi.«
»Ich fürchte sehr --«— du hattest
solche Eile —-— o —— ach!« ächzte sie
herzbrechend »Aber das ist sa noch
nicht das Schliminste!«
»Noch nicht?«
»Das Sieb am Wasserstein ist
immer so verstopft, das Wasser tritt
über, die Decken verweichen — und
wir haben alles zu zahlen· —- Ach,
mein Gott, das Unglück!«
Der Gatte, obgleich selbst niederge
drückt ob solcher Aussichten, mußte
wieder trösten. »Sieh mal, die Haus
leute werden’s schließlich doch merken,
wenn das Wasser —«
»Aus den Fenstern heraustritt«, er
gänzte sie schauerndT
»So schlimm wird’s wohl nicht
gleich werden«, lächelte der geprüste
Gemahl mit einer Art Galgenhumor.
»Die unter uns werdens schon spit
ren.«
»Wenn ihnen die Decke aus den
Kopf kommt!«
»Dann merken sie’s ganz sicher.«
,,Abscheulicher, du scherzest noch!«
»Was ist denn zu machen -—?«
»Heirnreisen müssenwir unverzüg
lieb.«
»Jetzt, da wir kaum richtia ange
fangen haben? Und unser schönes
NundreiseheftZ Nein, Schatz, bis wir
heimkommen, ift’g doch zu spät, und
das Haus längst eingefallen· Fuhren
wir also ruhig in unserer Reise fort
und lassen wir uns durch nichts das
Vergniigen stören.« s
»Nein, das bringe ich nicht fertig.
Mit dem Vergnügen ist’s"5 ohnehin
vorbei. Du mußt wenigstens sofort
jemand beauftragen, in der Wohnung
nachzusehen.«
»Wen denn? Wir sind doch erst ei
nige Monate in Berlin und tennen’
keine Seele· —— Doch halt! vielleicht!
der Dafftet Das ließe sich machen.
Jch schicke dein Hausmeifter den
Schlüssel-"
»Ja, aber sofort und durch Gilbo
ten«, drängte sie.
»Na, ich habe ihn doch immer in der
Rncktasche —" Oastig klopfte er alle
Tnschen noch einmal at- — vergeben-·
W
»Er ist sicher im Hasel bei den Sachen.
Da will ich doch sofort —«
Und fort eilte er.
Nach einiger Zeit kam er aber kopf
schüttelnd wieder. ,,Verloren ——— oder
verlegt! Er ist nirgends zu finden.«
»Auch das noch! Dann mußt du
telegraphiren. Man soll sofort auf
brechen lassen. O, ich sterbe noch vor
Angst in dieser Ungewißheii!«
Der Oberlehrer telegraphirte also
an den Haus-meisten dringend mit be
zahlter Antwort.
fDie kleine Frau athmete jetzt etwas
au . '
Doch das Fieber kam wieder. Frau
Helene aß und trank und schlief nicht
mehr. Bei der harmlosesten Unter
haltung sah man sie plötzlich zusam
menfahren, die Farbe wechseln und
davonlaufen. Die Aufregung schien
sie zu verzehren.
genug:
Der arme Gatte war auch nicht auf
Rosen gebettet. Er mußte immerfort
trösten. Wenn er nur manchmal ge
wußt hätte, wie.
»Dassle würde doch längst geschrie
ben haben —«
»Wenn dn ihm nur richtig telegra
phirt hättest!« unterbrach sie vor
wurssvoll.
»Für Herrn Doktor Steinebach —
siinszig Centimes Strasporto!« rief
gerade der Postbote.
Der Oberlehrer zahlte und wog
prüfend den Brief in der Hand.
,,Schwer«, murmelte er.
»Poststempel Berlin«, ries Helene
erschüttert.
Des Doktors Hände zitterten etwas
beim Oefsnen. Etwas Schweres fiel
aus dein Umschlag: ein Schlüssel.
Aus den schwerfälligen Zügen
wurde herarigbuchstabirt:
»Hochoerehrteste Herrschaften!
Beehre Jhnen anbei mit einer brief
lichen Antwort auf ihr Telegramm,
indem ich mit den Telegraffieren nicht
mehr so recht fort kann, ist es mir
sozusagen geläufiger mit Feder und
Tinte als sone langstielige Quasselei.
Jndem wir den Wassertran nicht zu
drehen brauchten, als indem derselbe
überhaupt nicht offen war. Also be
unruhigense Jlnen man ja nicht, es
is allens in scheenste Ordnung —-—«
Der Dottor ließ das Blatt sinken
und platzte heraus-: »Hahal)a —- das
hast dn wieder einmal famos gemacht!
Zum Todtschießenl Hahaha —- —
Aber was soll’5 doch mit dem
Schliissel?« —
»So liess doch erst settig«, sagte sie
in schmollendern Tone.
Er lag weiter: »Was den Schlissel
betrifft, so habe ich denselben, indem
derselbe in die Korrithorthiir gestochen
hat zum Ausmachen benutzt, wo denn
kein Schlosser nöthig war, welchen ich
hiermit beilege.
Vomachiunggdoun
Gottlieb Daffle.«
Nun triumphirte die junge Frau.
»Arthur, das mit dem Schlüssel —
das warst du! Aber denke doch nur
wie leicht hätten da Diebe einbrechen
können!«
»Nun ja doch --— jetzt fällt mir’s
wieder ein. Jch wollte noch mal nach
den Fenstern sehen. Da muß ich ihn
haben stecken lassen«, gab er kleinlaut
bei. Seine ehemännliche Autorität
und Unsehlbarteit war etwas ins
Wanken gerathen.
Da tam ihm ein rettender Ge
danke.
Er schlug sich plötzlich vor die
Stirn. »Savperlot! Da hab’ ich
wohl auch im Vorbeigehen den Was
serhahn geschlossen, den du ausgedreht
hattest.«
,,Schwindler, du! Damit kommst
du mir nicht durch. Dein Leichtsinn
hätte die schlimmsten Folgen haben
lönnen.«
»Und deine dumme Wassergeschichte
hat uns einen kostbaren Reisetag ge
raubt.«
»Was willst du denn nur? Jch
habe ja eigentlich gar nichts gemacht!«
Jetzt mußten sie beide doch herzlich
lachen.
»Der einzige Schuldige ist schließ
lich der insame Bach da drüben mit
seinem ewigen Geplätscher!« rief sie
spitzbiibisch
»Und deine furchtbare Einbil
dungstraft, Helene!« ergänzte er.
»Nun, setzen wir getröstet unsere Reise
sort.«
Sie sahen noch manchen Wasserfall
auf ihrer weiteren Fahrt durch die
schöne Schweiz. Merkwürdigerweise
sahen sie sich dann jedesmal an und
—-— lachten.
Der Casseler Allgemeinen Zeitung
Mr. .«-312) wird aus Fritzlar gemeldet:
»Heute Nachmittag tras von Gudens
ber« kommend der Herr Regierungs
prii cdent Gras von Bernstorsf in un
serer Stadt ein . . . Die Bewohner der
Stadt Fritzlar hatten Flaggenschmuck
an ele t." Die Bewohner haben sich
in ie ern Schmuck gewiß sehr gut ge
macht.
sc If II
Geben ist seliger denn nehmen, aber
um die Weihnachtszeit finden sich
schon Leute genug, die sich mit der be
scheideneren Rolle begnügen.
O II O
» Die Leute erzii len von anderen im
H mer nur die half e oder das Doppelte
F—je nachdem es Gutes oder Schlech
tes betrifft.
W
Ghin-sitt Tschaustscham
Was ist Chinesen-Tschau-tschau?
Ein Chinesen-Tschau-tschau ist eine
chinesische Mahlzeit, bestehend aus
etwa einem Dutzend Gänaen, bei deren
Nennung dem chinesischen Gom
mand das Wasser im Munde zu
sammen-, dem Europäer meist
eine Gänsehaut über den Rücken läuft.
Denn fiir unseren Geschmack ind diese
Leckerbissen nicht berechnet. hre Zu
bereitung ist eine derartige, daß wir
all diese Herrlichkeiten der bezopftew
Kochkiinstler nur mit Wideriviuens
herunterwürgen können —- wenn es
uns überhaupt möglich ist.
Jch hatte während meiner kurzen
Anwesenheit in Peking das Glück,
durch einen meiner Bekannten eine
Einladung von einem hohen Manda
rinen zu einem Tschau-tschau·zu er
halten.
Die Manie der Söhne des himm
lischen Reiches, bei Unterhaltungen
Anreden und Briesen alles, was aus
ihre eigene Person Bezug hat, herab
zusetzen, dafiir aber den Angeredeten
mit den schmeichelhafteften Ausdrücken
zu bedenken, zeig-te sich schon bei der
Einladung: auf einem großen rothen
Papierftreifen —- die rothe Farbe des
Briefes bedeutet eine große Höflichkeit
gegen den Empfänger —, den mir ein
Gern pan de, das heißt Diener,über
brachte, stand in großen chinesischen
Lettern zu lesen:
»Am Z. Tage des 7. Monats des
31. Jahres Kuangsii wird in meiner
niederen Hütte ein bescheiden-es Fest
das Licht Deiner erhabenen Gunst er
warten.«
Die Zeit, zu welcher man »die nie
dere Hütte« des Gastgebers betreten
darf, wird dem Eingeladenen am Tage
des Festes selbst einige Zeit vor Be
ginn durch einen Boten mitgetheilt.
Da der Mandarin wußte, daß ich
keine eigene standesgeniäße Fahrgele
genheit zur Verfügung hatte, stand
gleichzeitig mit dem Boten auch ein
chinesischer Karten vor meiner Thür,
dazu ein Rosselenler und vier berittene
Begleiter in malerischer Tracht mit
blutrotl)en, herabhängenden Haar
bijfchen auf ihren Hüten Je wohl
habender und angesehener -— diese bei
den Begriffe decten sich in China —
der Chinese ist, mit desto größerer Be
glefitung tritt er in der Oeffentlichleit
au .
Pech dankte meinem Himmel, als ich
die ein viereckigen, auf eine Achse mit
zwei Rädern gesetzien Marterkasten
entstiegen war, ohne niir das Haupt
erforderniß für das Verständniß der
meiner harrenden lnkullischen Genüsse,
meine Zunge abgebissen zu haben.
Mit unglaublich zahlreichen Büc
lingen wurde ich am Eingange des
Yamens empfangen. Bücklingema
chenderiveise ging es bis in das Jn
nere des großen Häusertomplexes, wo
auf einer sehr schönen Veranda, mit
dein Blick ais« die herrlichen Lotos
teiche, der Tisch ,,gedeclt« war, wenn
auch nicht in unserem Sinne. Tisch
decte und Serviette gibt eg nicht· Auf
einem sehr schönen polirten Maha
gonitische stand vor jedem Gaste ein
kleines, rundes Porzellanschiilchen,
daneben lagen die beriichtigten Stäb
chen aus Ebenholz, an beiden Enden
mit Silber beschlagen. Viereckig ge
schnittene Stückchen weißes Papier
ollten nicht etwa die Mundtücher
ersetzen, sondern dienten zum Reini
gen der Stäbc, welche während der
ganzen Mahlzeit nicht gewechselt
wurden. Eine kleine Tasse aus Por
zellan mit wundervoller chinesischer
Malerei und ein Löffel zum Aufle
gen der Speisen —-— man legt sich
selbst aus der mitten auf den Tisch
aesetzten Schüsseln auf —- für jeden
- heilnehmer vervollständigten das
Tafelgeräth Der ganze Tisch war
mit Blumen dicht bestreut.
Wunderbarerweife war für zwölf
Personen gedeckt, während nur sechs
männliche Wesen einschließlich des
Wirthes die Tafelrunde bilden foll
ten. Jn China darf man ich über
nichts wundern, also auch nicht über
die Sitte, daß die weibli en Mit
glieder des Fauses bei Fetlichteiten
nicht zugeen sind — es würde schon
gegen die gute Sitte verstoßen, wollte
man sich nur nach ihrem Befinden er- -
lundigen —, dafür aber kleine, schlin
äugige, mit einer wunderbaren Fri«
sur versehene Damen aus der Demj
monde zur Tafel e ogen werden, um
dem Gaste währeng Ter langen Dauer
des Mahles die eit zu vertreiben·
Als wir uns etzen sollten, begann
wiederum eine lange Serie von Buck
lingen. Es dauerte einige Minuten,
bis alles Platz genommen hatte. Jch
als Fremder erhielt den Ehrenplatz
an der linken Seite des Hausherrn
Zu meiner Linken saß die schon-sie der
kleinen Schönen, nach europulschem
Geschmack ’unglaublich gefchmacklos
eschmintt. Meine Unterhaltung mit
get Hulden bestand in der Hauptsa
che darin, daß sie mich verschiedentlich
s-— ankicherte. Ihre sonstigen in ehi
nesischein Fiauderwelsch gemachten
Annäherungsversehe mußte ichininier
mit den Worten: Bii iiiiiig·pai ich
verstehe nicht —— zuriickweisen
Endlich waren wir also zu Stuhle
gekommen, und der Schmaus konnte
seinen Anfang nehmen.
Als erste Delilatesse figurirten auf
der Riesenspeisekarte Haifischflossen,
von denen ich schon so vieles gehört,
daß ich ordentlich neugierig au sie
war. Ding chao dschi —--— schmeckt
wunderbar schön —- blinzelte mein
Gastgeber mir mit einem Schnalzen
seiner verwöhnten Zunge zu. Aber
o weht Groß war meine Entmu
schungt Ein längltches, tnorpliaes
Etwas s wamm in einer nach Risi-.
nusöl un Knoblauch duftenden und
fchmeckenden Junke, «so daß ich im
geheimen meinem Schöpfer dankt-; w
sStelle von Messer und Gabel die
. Stäbchen hantiren zu müssen, die mir
nicht gestatteten, schnell zu essen, da
ich mir über die zweckmäßi ste Art
ihrer Verwendung vorläu ig noch
vollständig im Untlaren war. Trotz
der liebenswürdigsten Unterweisung
durch meinen Wirth bin ich auch den
ganzen Abend mit den Dingerchen
nicht recht fertig geworden.
Je schlechter mir die LeckerbisLen
wundeten, desto mehr schienen ie
Chinesen Geschmack an ihm zu finden.
Mit hastiger Emsigkeit setzten sie die
kleinen Schätchen an den Mund und
schoben sich mit den Stäbchen das
Essen in ihn hinein, derartig, daß
man vor Schliner und Schlucken
sein eigen Wort kaum verstehen konn
te. Schon nach dem ersten Gange
that alles seine Befriedigung in lan
desüblicher Weise kund. Wenn ickf
wahrheitsgetreu berichten will, dar
ich dieses Hauptcharakteristikum einer
Chinesenmahlzeit nicht unerwähnt
lassen —- alles ,,rillpste« nach r
zensluft Wollt-e ich nicht unhö lich
erscheinen, mußte ich wohl oder ribel
mitmachen.
Auf den ersten Gans folgte eine
ganze Reihe von Ge lügel. Alles
kommt in kleine Stücke zerlegit aus
den Tisch- und alles schmeckt nach
Knoblauch und RizinusöL Das ein
zige, was entfernt, aber auch nur
ganz entfernt an europäische Küche
erinnert, waren Rühreier mit gebra
tenem Schinken. Eine Reihe von
Fis gerichten schloß sich an, um ab
gelöt zu werden von einer schwärzli
chen, gallertartigen Masse, in welcher
dunkelrothe Eidotter schwammen; es
waren dieses etwa 40 Tage alte Eier,
welche auf ganz besondere Weise prä
parirt waren. Trotz alles Zuredens
und selbst auf die Gefahr hin, bei den
Söhnen des himmlischen Reiches als
unhöflicher Barbar verschrien zu
werden, verzichtet-e ich auf dieses stark
nach Schwefelwasserstofsgas duftende
Gericht. Andernfalls wäre wohl ein
Unglück geschehen. Mein bereits so
wieso ob der heute an ihn gestellten
Zumuthungen revoltirender Magen
verrieth mir dieses klar und deutlich.
Wie bei den Chinesen so viel den
curopäischen Sitten entgegengesetzt
ist, so ist es auch mit der Reihenfolge
der Speisen der Fall. Den Beschluß
machte eine Bird’s Nest Soup, die,
wie alles andere, in einer für meinen
Geschmack fast ungenießbar-en Art
und Weise zubereitet war.
A. von Ah«renhorst.
Der Hase als Heilmittel.
Freund Lampe war einst die reine
wandelnde vierbeinige Apotheke. Gab
es doch fast nichts an ihm, das nicht
irgend wann und wie medizinische
Verwendung fand, dem man nicht ir
gend eine heilkräftige Wirkung zuge
schreieben hätte, besonders im 16. und
17. Jahrhundert, der Zeit des wissen
schaftlichen Aberglauben-Fu Liit Je
mand an Podagra, so wusch man ihm
die Füße mit ,,Hasenbouillon«, mit
Brühe also, die von seinem Fleisch ge
kocht war, oder man zerstieß oder zer
rieb die Hasenlunge und verwendete
sie als Heilmittel gegen erfrorene
Füße und sonstige Fuß- oder Augen
leiden. Auch frische Hasengalle mit
Honig wurde in derartigen Fällen
gern benutzt, oder in das Ohr gestri
chen, um Taubheit zu luriren, oder
—- befeuchtet mit Branntwein « als
Schlafmittel auf die Schlafen gestri
chen, während man mit Hasenhirn
den kleinen Kindern das- Zahnfleisch
bestrich, um ihnen das Zahnen zu er
leichtern.
Für ebenfalls von guter Wirkung
galt das Blut der- Hasen, nur daß der
; wissenschaftliche Aberglauben von
s ehedem das rothe Blut eines im Lau
fen erschosseneu Hasen als wirksame
» Arznei gegen tliothlauf, gegen die
iRose aber das Bedeckeu des tranken
isiörpertbeilg mit einein rothen Lein
wandtiichlein anrieth, das beißt: »Ei
nem leinenen Tuche, getränkt mit dem
Blute des Maih.asen«. Noch 1652
kam eiJ deshalb vor, daß in Apotheken
Tiicblein mit Hasenblut vergbreicht
wurden. Vor allem aber sind es die
Haare des vielseitigen Freundes
Lampe gewesen, die besonders oft und
gern Verwendung fanden. Bei Na
senbluten, zusammen-gedreht in die
Nase gesteckt, zu Asche verbrannt, ge
gen erfrorene Füße, wurden sie mit
Vorliebe angewendet. Doch auch alle
anderen Theile und Theilchen dieses
so hochsgeschätzten vierbeinigen Natur
arztes der Vergangenheit gelangten
zur Beachtung und zu mehr oder min
der großer Wiirdigung So wurde z.
B. die- innere Haut der »Löffel«, der
Hasenohreru —---s frisch, und mit Milch
befeuchtet —--— auf traute Augen gelegt,
das ganze Ohr aber, zu Asche ber
brannt, und zum Stillen von Blu
iungen verwendet. Als blutstillendes
Mittel diente ferner der zu Asche ver
brannte HasenschädeL oder —-- mit
Fenchelsamen vermischt »-—— als Zahn
pulver.
—-—-.-.-—-—
Weihnachten ist scbon darum das
schönste Fest — weil alles auf einen
grünen Zweig kommt.
si- Ils st
,,Um eine Sängerin zu werden«,
sagte Professor Schreihals zu einer
seiner Schülerinnen, ,,miissen Sie vor
allem viel Geduld haben.« »Die Nach
barn auch«, meinte bissig eine Freun
din, welche deernqterhqgltung lauschte
Mahnung an den Sultan: Spiel
nicht mit Ultimatum, denn es könnte
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