Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, December 15, 1905, Sweiter Theil., Image 12

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    Geschlagem
Ein instigeö Stückiein aus der guten
alten Zeit. Von Franz
Kurz - Elsheim
MS ich noch ein Kind wac, hatte
ich Reisender werden wollen. Denn
s das Reisen war sitt mich der Jube
stiss der Seligkeit. Bei den India
petgeschichtem der stillen und gefähr
lichen Freude der Jugend, gefielen
mit hawtsächlich die Schilderungen
von Land und Leuten. Reisewerke ver
schlang ich aus Kosten meiner Nacht
tuhr. Und wenn es damals s n An
sichistaeten gegeben hätte, i wäre
zweifelsohne einer der eifrigsten
Sammler geworden.
Achjcn die Welt ist schön. Das
fühlte ich mit all’ meinen begeiste
rnngssiihigen Sinnen. Und da gab es
nun Leute« die das Alles betrachten
und bewundern konnten, die jeden Tag
neue Orte, neue Menschen sehen durs
ten, die jeht vielleicht den wundervol
len Rhein hinaussuhten. an dem in
hellen Sommernächten alle die alten
Sagen wieder anfleben, und morgen
im Gewühle Betlins umheetaumeln.
Ader die Hauptsache, ihnen kostete das
Reisen noch nicht einmal etwas. Die
Spesen zahlte ja die Firma. Wie
hätte ich unter solchen Umständen
nicht Reisender werden wollen?
Doch man wird großer und ver
nünftiger. Und die Träume von Poe
sie und Romantit schwinden. Und sie
schwanden total, als ich selbst einmal
Reisender war, mitten im Winter, als
ich im dichtesten Schneegesiöber durch
dre Straßen troddelie, als ich mir
manches unfreundliche, abweisende
Wort gefallen lassen müßte und als
ich am Abend, glücklich, nur in einem
warmen Restaurant zu sißen, meine
Kommissionen til-erschlug und mit
Schrecken gewahr wurde, daß ich schon
wieder nicht die Spesen verdient hatte.
Da fand ich, daß jeder Stand feine
Schattenseiten hat und daß diese oft
genug die hellen, freundlichen über
wiegen. Und fand weiter, daß die
Herren Reiseontels wenig Zeit haben,
um die Schönheiten der Gegenden zu
enießen Und nachdem ich meine Er
ahrungen drei Monate lang fortge
seßt, sagte mein ·Chef zu meinem Va
ter: «Hören Sie mal, lieber Herr,
aus Ihrem Herrn Sohn wird nie ein
gescheidter Kaufmann, geschweige ein
tüchtiger Reisender. Der hat zu viel
Faxen im Kopf. Statt sein Kommis
sionsbuch voll zu schreiben, schreibt er
sein Tagebuch voll. Was aber thue ich
mit Taaebiichern? Statt Kaltulatio
nen macht er Gedichte. Jch bitte Sie,
Gedichte. So’n unpraktischer Mensch.«
Hm, mich freute das, daß der Mann
fo sprach. Denn et hatte Recht. Und
wie Recht. Und hätte er nicht so ge
sprochen, ritt ich heute vielleicht doch
noch den Kontorfessel für 100—125
Mark im Monat, anstatt daß ich den
Lesern erzählen darf, was mich freut
und He hoffentlich auch. th. pp.
Immerhin, das Reisen ist heute, im
Zeitalter des Verkehrs, ein Kinder
spiel geworden gegen früher. Jch
meine allerdings nicht das Vertausen.
Die liebe Konkurrenz hat die Ge
schichte bedeutend verschlechtert Frü
her, da war man meist aus die Post
kntfche angewiesen, wollte man von
einem Ort zum andern gelangen. Das
mag fiir romantische Gemüther ja
sehr angenehm gewesen sein. Nun
habe ich die damaligen Onkels in Ver
dacht, daß sie ebenso wenig romantisch
veranlagt waren, wie heutigen Tags.
Und fo diirften sie das Vehikel nicht
lgrade zu den.Bequemlichteiten des
Lebens geaiihlt haben.
Wenn Max Blumberger, der fiir ein
großes Hamburger Haus reiste, nun
ärgerlich war, so hatte das indessen
noch einen anderen Grund. Er tam
nämlich, wo er auch erscheinen mochte,
zu xpiit Ueberall war schon sein
can urrent dagewesen und hatte ihm
alle Aufträge wesgeschnapph Denn
überall galt schon amals das Sprich
wort: Wer zuerst kommt, mahlt zu
erst. O, er kannte diesen Konkurren
ten, diesen Moritz Streusand —- wenn
er den Namen hörte, übertam ihn eine
innere Muth Wie kann ein Mensch
nur Strensand heißen!—zur Genüge.
Das war ein Kerl, mit allen Hunden
gehegt, und ein Mundwerk hatte der,
einfach nicht dagegen aufzukommen.
Ra, sein Chef wird ihn schön abtan
zeln, wenn er ihm von dem Mißerfolg
seiner Tour Bericht erstatten muß. Da
darf ei sich auch gar nicht getrauen,
ihn um die Hand seiner Tochter —
mit der er längst einig —- und um
Gehaltszulage zu bitten.
Das Wetter zudem besserte seine
Stimmung auch nicht. Man war mit
ten im Winter. Draußen auf dem
Lande lag der Schnee fusthach. Und
dk Pferde feiner Kutsche waren auf
dein Wege nach Ritzendiittel fast stecken
geblieben. Nur mit Mühe und Noth
- satte er sein Ziel erreicht, um zu er
. ahr,en daß Streusand auch hier schon
aewitkdschssttt butt
·-» «,Dieser Mensch« wiithete er, »die
s salunkr. Jchckpiinsch’ then ja nichts
Hieb Jm Gegentheih 100 Jahre
M er alt werden, aber auf der
M « Wenn er ihm nur mal etnk
« « könnte. Doch dieserhalb
er ihn erst mal haben Aber das
I yet-de das Mitttr. Marth
Aar doch Wer Inans
M W er, ais er ihn
TM M Inter«, dein
einzigen vernünftigen Wirthshause
Riienbiittelj traf. Auch vergriirnt
und mißmutbig. Max setzte, als et ihn
erblickte, sosort sein freundlichstes Ge
sicht aus und ging aus ihn zu und
s reichte ilym die Hand. »Guten Abend,
stieber Kollege; sieht man Sie auch
mal wieder? Wie klein doch die Welt
ist« Gute Geschäfte gemacht?«
»Danke, kann nicht tlagen,«
brummte der Angekedetr.
»Frau mich. Mir geht’s gerade so.
Aber welch’ trübselige iMiene haben
Sie sich denn angeschafft?«
»Es ist zum Blitzeinschiagem mit
ten im Winter. Jch habe das öde Nest
hier abgekloppt und kann nicht weitres
; Die Postiutsche ist belegt und ein Wa
Fgen nirgends auszutreiben Der mor
gzige Tag- ist pfutsch!«
L Dieses »Psutsch'« sagte er in einem
sTonr. der seinen Kollegen unbedingt
! zum Lachen zwang. Das aber machte
s unsern Moritz erst recht ärgerlich, und
so fuhr er geharnischt fort: »Sie soll
ten das Lachen nur bleiben lassen,
denn Sie sitzen hier auch fest. Oder
,wollen Sie nicht auch nach bildet
s born?«
»Natürlich will ich." Max rieb sich
die hande. »Natürlich. Nur war ich
diesmal vernünftiger als Sie.«
»das-en Sie etwa die Postkutsche
beleat2« ·
»J wo. Jst mir gar nicht eingefal
len. Aber ich habe mir bereits aus
meiner lehten Station einen Wagen
genommen, der mich nicht nuf hierher
nach Rihenbiitteh sondern morgen
früh auch nach Elderborn bringen
soll. Elderborn ist ne gute Stadt,
ne große Stadt. Jch hoffe, dort schöne
Geschäfte zu machen. Sie nehmen’s
mir doch nicht übel, iieber Kollege. Je
der ist sich schließlich selbst der Nächste
Sonst würde ich Jhnen ganz gern ei
nen Plas auf meinem Wagen anbie
ten.«
Moritz knirschte mit den Zähnen.
Elderborn war thatsächlich ein guter
Platz. Und dort sollte ihm sein Kon
kurrent den Vorrang ablaufen? Das
wäre doch- zum Haarausrausem -—
,,Jsch muß hin, ganz gleich wie.
Und wenn ich einen Passagier um
bringe und ihm die Platztarte raube.
Hin muß ich« — —
,,Wann fahrt die Post ab?« erinn
digte sich Mar.
»Gegen 8 Uhr erst «
«Schön, daß ich das weiß.« Und es
freute ihn, diesmal seinem collegen so
recht seine Ueberlegenheit fühlen lassen
zu können· »Ich wollte mich, zumal
bei dem Wetter, hier eigentlich ausru
hen. Doch da ich Sie fiir fähig halte,
wirklich einem den Garaus zu ma
chen, so werde ich bereits um fiinf Uhr
lossahren und hoffe gegen Mittag
dann dort zu sein Bei den jeßigen
Wegen muß man schon ne Stunde
zugeben. Dann habe ich doch noch den
Nachmittag fiir mich. Sie aber kom
men selbst mit der Postiutsche erst ge
gen Abend an, wenn Sie überhaupt
ankommen. Na, gute Geschäfte denn,
mein Lieber. Jch gehe schlafen. Gute
Nachtt«
Eben trat der Kutscher in die
Stube, um zu erfahren, wann morgen
früh die Reise weitergehen soll. Dem
schien’s nun zwar gar nicht recht zu
sein, als er hörte, schon um fünf. Er
versuchte auch zu opponiren. aber es
nützte ihm nichts. Max Blumberger
blieb bei seinem Entschluß.
Der Kutscher lehnte noch an der
Schenke, als sein Reisender bereits die
Thüre von außen zugemacht hatte, und
trank seinen Schnaps. Aus einmal
stand Mvritz neben ihm und begann
mit ihm ein Gespräch. Das behage
ihm wohl wenig, das frühe Aufstehen.
Na, meinte der Kutscher-, das sei bei
dem Wetter auch wahrlich kein Ver
gnügen. Anständige Leute warteten
doch wenigstens. bis es Tag geworden
sei. Und Moritz gab ihm Recht und
bestellte ihm einen Krug Bier.
.
—
Aus seinen schönsten Träumen riß
Max am andern frühen Morgen das
Klopfen seines Kutscher-T der weckte.
Ach, wie gerne wäre er noch liegen ge
blieben und hätte sich noch den wol-li
gen Armen des- sreundlichenMorplseus,
des besten Wohlthäters derMenschheit,
üsrlassen Aber was nüyte sein Wol
slenZ Das Müssen lommandirte und
hieß ihn, die Gelegenheit, die sich ihm
endlich einmal bot, seinen Konlurrew
ten zu schlagen, ausnützem Also ’rin
in’s Vergnügen, nein, ’raus in die
talte Winterluft. Es hatte in der
Nacht so stark gefroren, daß der dam
pfende Athem sast zu gefrieren drohte.
half alles nichts, er mußte. Eigent
lich war sein Kollege Moritz doch noch
zu beneiden, trotz der Niederlage, die
ihm die Ungunst des Schicksals znzog.
Der konnte doch wenigstens noch im
warmen Bette liegen bleiben.
Der Kutscher hatte den Rädern die
Schlittentuven untergelegt, öffnete
dann die Wagenthiire und meinte
brummentn »Nu, steigen Se ein.«
Max aber vergewisserte sich dich erst
noch einmal, ob sein lieber Kollege
nicht etwa unter einem der Polster
verborgen liefe. Doch nein, nichts
außergewii lches war zu entdecken.
Dass-er gte ihn. So stellte er denn,
nachdem er sich niedergelassen, die
its-e ans eine Wärmeslasche, zog den
an Rocklragen hoch-über dies-drein
die "nde in einen Pelzmnsf
M leerem-te sich liberljaupt so gut
Yes-, sie er konnte und versprach dem
Mehr, als dieser den- Schlas schloß
W
(
ein gutes, Trinlgeld, wenn er so schnell
wie möglich nach Elderborn führe.
»Wollen schon fehen,« gab der zu
rück, von dem nur die Rasenipitze und
die beiden Augen sichtbar waren. Alles
andere verschwand unter dem dicken
Kutsckkermantel Und dem Tische, das
er sich zur Vorsicht noch drei- bis vier
mal um den Hals gewunden hatte.
Und nnn los. Und der Schnee
knirschte und leuchtete wie abertausend
Diamantstäubchen. Und der Wagen
huschte dahin, bald mit einer Neigung
nach links, bald nach rechts. Eine ver
teufelte Fahrt . . . .
Aber es wurde Morgen und lang
sam Tag. Die Wintersonne zog hell
und roth auf und übergoß den Mot
genhimmel mit einem rosigen Flaum.
Max merkte nichts davon. Der war
gleich, nachdem sich der Wagen in Be
wegung gesetzt, wieder eingeschlafen
und machte nicht mehr auf, als bis der
Kutscher ihn weckte nnd ihm bedeutete,
daß man am Ziel fei.
Zwar war es nicht Mittag, wie
Max gerechnet hatte, sondern bereits 2
Uhr.
Indessen verschlug das was? Er
» brauchte doch gar nicht so eilig zu sein.
« Denn wenn Moritz heute in Ritzenbiit
tel bleiben mußte, so lonnte er hier
ehestens erst morgen Abend eintreffen.
«Da hat Max Zeit in Masse, es ihm
griindlich zu besorgen. —
Den Kutscher lohnte er aus« Fürst
’lich. Zwei Thaler Trinkgeld gab er
iihm extra. Das konnte er sich erlau
jben Und im Grunde genommen, der
; arme Kerl muß ja auf dem Bocke-halb
erfroren sein. Seine Nasenspitze, noch
immer das Einzige nur, was man
von ihm außer . den Augen sieht, ist
total blau.
Selbstredend hat er Hunger. Den
stillt er vor allem im »blauen Fuchs-C
War da übrigens eine schmucke Allm
rin. die ihm ausnehmend gefiel, ob
wohl er doch so gut wie verlobt war.
F Es dunkelte bireits, als er sich er
sholz um nun doch ans Geschäft zu
s denlen. Aber als er draußen dieKälte
i aufs neue spürte, verging ihm wieder
sdie Luft, und er tröstete sich, daß er
den Kollegen trotz alledem schlagen
Jtverdr. Denn den ganzen morgigen
Tag war er Alleinherrscher in Oder
« born.
; Nur als · draußen gegen 9 Uhr
Abends erst, das Posthorn llang, fuhr
er erschrocken zusammen. Wenn Mo
ritz doch noch einen Platz erwischt
hätte! Es wäre ja möglich, daß ein
Passagier noch zurückgetreten wäre!
Wer weiß, was alles oassirt, wenn
man Pech haben soll! Nun, er konnte
sich beruhigen. Moritz war nicht unter
Jden Aus-steigenden Moritz saß also«
noch in Ritzenbiittel und ärgerte sich.
JUnd Max bestellte vor Freude eines
neue Flasche Wein.
se se si
Er hatte es auch am andern Mor
gen recht gemäthlich mit dem Auf
stehen. Leben lam erst in ihn, als er
gleich beim ersten Kunden, den er auf
suchte, erfahren mußte, er tiime leider
einen Tag zu spät.
»Das ist doch nicht denkbar,« stam
; melte er ganz entsehh
. »Wenn Sie’s nicht glauben wollen«
lassen Sie’s bleiben. Jch kann Ihnen
nur sagen, daß ich meinen Austrag ge
Tstern Nachmittag bereits einem Jhrer
Kollegen gegeben habe.««
»Wie heißt der Mensch?« fuhr er,
»sich zusammenraffend. auf.
«Strensand, Moritz Streusand.«
Max wäre beinahe lang hingeschm
gen. Das konnte doch nicht stimmen.
Streusand war doch in Ritzenbiittel
geblieben. Das wußte er doch genau.
Und trohdem soll der Mensch hier ge
wesen seini Schon gestern Nachmit
tag? Ach was, der Mann irrt sich,
muß sich irren.
Aber der Mann irrte sich garnicht.
Und wie bei diesem, erging’s dem
Aermsten noch an vielen anderen Stel- »
len. Jn der kommenden Nacht schlief
Max daher nicht. Vor Muth. Das
zunächst. Dann aber auch. weil er sich
i
den Kopf darüber zerbrach, wie es die- :
ser Schurke, dieser Teufelgbratem die
ser Satansbissen, dieses Jchneumon,»
dieser Moritz nur zuwege gebracht
hatte, ihn doch zu schlagen und ihm
abermals das Feld zu verlegen.
Er fand die Lösung nicht.
Und die Geschichte war doch so ein
fach. Morih hatte den Kutscher, mit
»dem er sich in der Schenle noch ange
. freundet, bestochen. Nicht, ihn im Wa
» gen irgendwo zu verbergen; da würde
; er schließlich doch entdeckt worden sein.
JDas wußte er. Sondern, ihm seinen
J schweren, dicken Fuhrmantel zu leihen
und ihn selbst als Rosselenler das Ge
» fährt nach Elderborn leiten zu lassen.
Pferd und Wagen würde er dort im
»braunen Bären« unterstellen. Er, der
Kutscher, könne ja mit der Postchaise
nachkommen und dann sein Eigen
thum wieder in Empfang nehmen.
Da die nächste Post keine Passagiere
me r aufnahm, das verschwieg er ihm
wohlweiilich Jedenfalls war der
Kutscher zufrieden. Jn der Post zu
sihen, war zweifelsohne angenehmer
als draußen aus dem Bock. Und au
ßerdem konnte er list-. wenn die Pferde
angeschirrt waren, nochmals zur Ruhe
legen und schlafen.
So wurde es gemacht. Und wenn
der Kutscher, der also kein anderer
war, als Moriz unterwegs nur die
Rasenspihe sehen ließ, so hatte-er da
deursgeniäsz auch noch einen andern
und als die Kälte. Gesroren hat
W
et ja mordsjäinmerlich Geld genug
»halte ihm die Geschichte ja auch ge
Hostei. Dafin aber war er here der
JSiinaiion geblieben. Das ist doch
; auch etwas werth. Und während Max
Hnoch im »blauen Fuchs« sich seines
J vermeintlichen Siege-s freut-, war sein
; Konsument bereits bei den Kunden.
; Erst nach langer, langer Zeit stie
H ßen die beiden Kollegen wieder einmal
Jzusammm Da war Moritz doöhaft
lgenng, sich nochmals für die zwei
»Thaler Trinkgeld zu bedanken, die
TMax ihm damals in Eldetbokn gege
!ben. Und da erst ging diesem ein
Licht auf. Und mit welchen Ehren
titeln et sich da insgeheim belegt, na,
! darüber will ich lieber gar nicht reden.
Ver alte fotöcknen
Erzählung von Maurice Leoel.
Bon seinem Kirchthum aus beo
bachtete der Wächter die Stadt. Er
sah sie. wie sie fern und flach zu sei
nen Füßen lag. Der Fluß, der zwi
schen ihren Ufern dahinrauschte, war
fiir ihn nur ein durchsichtiger Wasser
streifen. Die Bäume drängten sich auf
dem Boden zusammen, die blauen
Dächer schichteten »sich über den weißen
Mauern aus, und die Vorübergehen
den trochen wie kleine Flecke über den
einförmigen Boden der Stadt.
Als er zu alt geworden, um sich
sein tägliches Brot zu verdienen, hatte
man ihn hier oben hinauf gesetzt, auf
halbem Wege zum himmel, wie er
sagte, damit der liebe Gott nur die
Hand auszustrecken brauchte, wenn er
ihn zu sich nehmen wollte. Den mit
den Flug der Raben über den Bergen
betrachtend, lebte er hier bei den
Glocken, träumte hier im Schatten
ihrer breiten Flanten und folgte mit
»den Augen durch das runde Loch der
i Diele den braunen Strickem die in den
ltlangvolten Tiefen des Kirchenschiffez
bis zu den Fliesen der Kirche hinun
’tcrhingen. Die runde Oeffnung, durch
jdie der Körper eines Mannes leicht
hatte durchsallen können verursachte
Jihm nicht den geringsten Schwindel.
Die Einförmigkeit dieses Lebens
wurde tagtäglich durch den Besuch
seiner Tochter unterbrochen, die ihm
sein Essen brachte. Er erkundigte
sich nach dem, nach jenem, nach der
Ernte, die er im Winde hin- und her
nciogen sah, den Heerden, die er aus
der Ferne erschaute, so daß er, wenn
er auch seit fünf Jahren nicht hinun
tergestiegen war, -— denn seine armen
Beine hätten ihn nicht bis unten tra
gen tiinnen, und wieder hinauf hätte
er schon gar nicht getonnt —- doch ai
len Ereignissen des Städtchens folgte
und über alles unterrichtet war.
Manchmal stieg auch ein Reisender
zum Kirchthum hinauf, dann machte
.er sich das außerordentliche Vergnü
gen, ihm die Gegend« die Wälder, die
Landstraße zu zeigen.
»Das ist der Weg, der zum Haupt
thor führt. Hier ist die Mairie, dort
etwas weiter die Schule. Jn jener
Umfriedigung der hohen Pappeln be
finden fich die Rutnen einer alten
Abtei. Dort legten die Engländer in
dem hundertjährigen Kriege Bresche
in die Wälle. Auf diesem Zügel, den
man den Lerchenhiigel nennt, hatten
die Preußen 1870 ihre Kanonen auf
gepflanzt. Sie werden die Namen,
die ich Jhnen angebe, nicht auf der
Karte finden, aber ich tann Jhnen
Baum fiir Baum, hauö fiir Bau-,
alles nennen, worauf Jhr Blict fällt.«
Eines Abends, als er sich zu Bett
legen wollte, nachdem er, wie gewöhn
lich, nach dem horizont get-lich sah
er in der Ferne ein Licht glänzen.
Die Uhr hatte schon lange Mitternacht
geschlagen. Wer schlief denn unt diese
Zeit noch nicht?
Er wartete und glaubte, das Licht
wiirde verlöschm. doch das Licht he
gann zu laufen, ließ eine glänzende
Spur hinter sich zurück, und plöstich
erhoben sich die Flammen, lange
Flammen, die terzengerade an dem
friedlichen himmel ausstiegen.
«O«, sagte der Alte, »das ist ja
Feuers«
Er kannte die Gegend so genau,
daß er sofort orientirt war
«Das ist ja ganz nahe bei den Wäl
len, ich möchte wetten, zwischen den
Waschhausern und der Adtei.«
i Jn dem rothen Licht hoben sich die
ihiiuser tlar und deutlich von dem
jweißen Erdboden ab, und im Lichte
des Brandherdes unterschied der Alte
die Bäume der Abtei, das Wasser des
Waschhauses und den runden Schat
ten der Mühlen auf den Feldern. Er
zählte. »Die letzte Pappel, die lehte
Pappel... Milorets Mühle... Jak
nys Mühle eins zwei
drei der Weg nach Paris
der Grenziibergang . . » ein Prellstein
. . . . zwei Prellsleine . . . . aber das ist
Ia —- —«
Ein Schrei erstickte in seiner Kehle,
das brennende Deus war das Haus
seiner Tochter.
Schneller noch als sein Blick errie
tben seine Gedanken alles, was zwi
schen diesen Mauern vorging. Die
Kinder schlummern. ohne von der Ge
fahr etwas zu ahnea.... das Feuer
erfaßt die Scheune....die Komm-r
ritthe sangen an zu brennen.... der
Rauch des frischen Strohes dringt
durch die leichten Wände.·.. dann
kommt das entsepliche Erwachen....
W
der Rauch wird dichter... die Aut
giinge sind nicht mehr. zu benusen . . .
die Kinder tlammern sich an ihre
Mutter....entsetzlicheö Ges rei er
hebt sich im Grollen des Bran es « . .
liirmend stürzt das Dach zusammen . .
iefes Schweigen . . . Hohe Flammen
sprühen aus den rauchenden Trüm
mern.».dann nichts mehr.... das
thiche Lied des alles ver-richtenden
uersi
Das alles mußte sich 'in einem
Augenblick ereignen. Wer außerdem
kollte in dieser Stunde die Flammen
eben und Alatm schlagen?«
Er schreit »Zum-, Feutr!" doch
seine Stimme verliert sich im Winde.
»Meine Kleinen, meine Kleinen
verbrennen!« Die Flammen wurden
stärker. Die Hand vor den Augen,
wich er zurück, wollte nichts mehr
sehen, als Plötzlich seine Schultern an
etwas stoßen. Jnftinttiv streckte er die
Arme aus, und seine Finger berühren
die Glocken. Wie ein Blis durchfuhr
es ihn; er faßte sich und rief: »Die
Glocken! .... Das ist die Rettung,
damit lann man Alarm schlagen. Die
Stadt erwacht, und die Hilse ist sicher.
Die Sturmglocke!«
Stolpernd, während die Knie an
die Balken stoßen, eilte er tastend in
der Nacht zu den Stricken. Dem
Wahnsinn nahe, spricht er mit lauter
Stimme, wendet bei jedem Schritt
den Kopf- um die Fortschritte des
Brandes zu beobachten und stößt mit
seinen geöffneien Händen in’s Leere.
Dabei weint und stammelt er: »O,
meine Glocken, meine guten Glocken!
Jhr werdet diesmal für mich läuten,
Jbr werdet Euren Ruf in die Stille
fchleudern, und Eure lauten Stimmen
werden die Stadt erwecken » war
tet, wartet . »Ihr werdet unter mei
nen Armen t,anzen meine guten
Glockent«
Ein Seufzer hob seine Brust, seine
Finger waren auf den Strick gestoßen.
Mit seinen zitternden Händen ergriff
er ihn, zu feiner vollen Höhe ausge
richtet, mit erhabenen Armen und zog
»aus Leibesträftetk mit einem- Fuße
gegen die Wand gesiemmt, mit dem
andern ain Rande des gähnenden Lo
ches, über dem der Klöpvel hing. Doch
machtlos glitten seine Hände über den
zu weichen Strick.
Mit gespannten Muskeln zog er
stärter, fiel aus die Kniee, doch die
Glocke rührte sich nicht.
Er zog und zog vergebliche
Mjibei —— Mit geballten Fäusten
schlug er auf das Erz, doch seine
Hände singen umsonst an zu bluten.
Er hielt inne, er lonnte nicht mehr-.
»Was wird werden, -—— mein Gott«
—- was wird werden?«
Als er wieder zu Atbern gekommen
ist, überfluthet ihn wieder ein Rest
» von Energie.
»Da ich zu schwach bin an dem
IStrick von hier zu ziehen, so werde
ich es von unten, von der Sakristei
aus thun, wo die Jungen zur Hochzeit
und zur Taufe einläuten viel
j leicht.
’ Er überschritt die Plattform, seine
Beine tragen ihn taum noch. Zwei
mal stolpert er und erhebt sich ganz
zerschunden. Doch als er die Tbiir ge
osfnet, die auf die Thurrntreppe hin
ausfübrt, packt ihn der Schwindel,
und er fällt mit dem Gesicht vorntiber
auf die Stufen.
Das Blut floß über seine Arme
und seine Hände und über sein altes,
ganz von Thränen benegtes Gesicht.
Halb geblendet er hob er sich, denn er
wüßte« er würde sterben, bevor er nach
unten kam.
Aus dem Bauche kriechend, schleppte
er sich weiter, erreichte wieder den
Glockentburm und flebte: »Mein
Gott« mein Gott« laß doch ein Wun
der geschehen!«
Jn der Ferne slarnmte es noch im
mer. Nun begann er, als wäre er
plählich wahnsinnig geworden, vor
Schmerz röchelnd, der Länge nach aus
dem Bauche liegend, den Kon über
den Rand des gähnenden Loches
ftreckend, langsam an dem Stricke sich
bin und her zu schwingen.
Plötzlich ertönte in der tiefen Nacht
ein langer Glockenschlag dann noch
einer und düsteres Läuten erhob sich
bis zur Stadt .. . Leute erwachten . . .
Fenster wurden geöffnet, und nun lief
man nach der Brandstätte.
Man drückte die Thüren ein, man
risz die halberstickten Schläfer aus
ihren Betten, -—— das Haus mit dem
Strohdach war vollständig herunter
gebrannt, doch die Bewohner waren1
in letter Minute gerettet.
Als nun die Todesgesahr vorüber
war, dachte die Tochter des Glöckners,
als ste ihren Mann und ihre Kinder
bei sich hatte, an den Alten, der von
oben Alarin geschlagen und eine
schreckliche Angst durchleben mußte —
und lief -nach dem Glockenthurtm
Einige Leute folgten ihr.
Unterwegs sagte einer: »Gebt Ihr
bemerkt, wie merkwürdig die Glocken
itan ni«
j, . süns- bis sechs-nah nicht öf
ter und ruckweise, dann gar nicht·
mehr.«
«O,« sagte einer, »der Großvater
hat nicht mehr so kräftige Arme wies
wit.« s
Athernloö murmelte eine Frau:
»Es ist nicht richtig, ihn dort oben
zu lassen, bald wird er gar nicht mehr s
läuten können« « (
Man war am Fuße des Thurmesl
angelanat. Während sie die ausgetre
tenen Stusen der Wendeitreppe bin
aufstiegen« rief die Tochtett »Es-ade- . . .
wir sind’s . . . wo bist Du, Dami«
Der kleine Trupp, der keine Uni
wort erhielt, stieg immer weiter. Als «
man die Thtir oben aus der Platt
sorm erreichte, ries die Tochter: »Va
ter, wir sind’s, wo bist Duf« —
Dann lies sie nach dem Glocken
thurm. — s
»Vater, antwortet«
Noch immer nichts. Eine heftige
Furcht bemächtigte sich ihrer.
»O, mein Gott, sollte ihm etwas
zugestoßen seini-m
Einer der Anwesenden ziindete ein
Streichholz an, doch vergebens durch
suchte man den lleinsten Winkel. «·
Doch plöhlich als er sich itber das
runde Loch beugte, das von der Diele
das Licht in der Kirche verbreitete,
wich er mit einem lauten Schrei det
Entsehens zurück.
Am Ende des gespannten Strickes
schautelte sich sanst unten ein Körper
im leeren Raume.
Der Mann nahm seine Lopfdes
deckung ab nnd bekreuzte sich, und
während man die halb wahnsinnige
Tochter sortirng, begriff der Mann,
der eben unterwegs erklärt hatte, die
Glocken hätten so seltsam getlungen,
warum sie nur siins- bis sechsmal und
nicht öster angeschlagen hatten.
Da der alte Glöckner nicht hatte
läuten lönnen, so hatte er sich an den
Strick geklammeri und sich hin- und
herschwingen lassen. Sein Körper
hatte die Glocke zum Läuten gebracht,
und sein erhobener Todestamps hatte
dir Seele der Glocken geweckt.
dmnoevolle Amte-.
Mit der modernen Ausbil des
Juristen ist tieser Ernst in die llen
der Gerichtssiile eingezogen; man ist
steh heute der Würde und Bedeutsam
keit richterlichen Urt ils zu sehe be
wußt, um die trari chen Seiten des
Lebens mit einem frohen Humor zu
würzen. Da erinnert man sich gern
der lustigen Zeiten, da noch die alten
Landrichter und Amtsmiinner unum
schränlt als Gebieter in ihren Bezir
ten walteten und mit manchem Spaß
und manch drolliger Erfindung un
tereinander und mit den Clienten
verkehrten. An solche Originale un
ter den Richter-n erinnert ein-e engli
scht Wvchtnschtift
Ein rechter Humorist vom Schlage
der Fielding und Smolleti war der
Oberrichter O’Grady. Ein College
e ählte ihm einmal, in wie uminas
ri r Weise er seine Verhan lun en
erle i e: »Ich sage zu den Ker en,
daß see mir mit ihren närrischen Be
meriun n nicht diä Zeit und den
Athem tehlen sollte , und daß all«ihr
Gerede nur zum einen Ohr herein und
zum anderen wieder heransee «
»Nein Wunder,« antwortete ruhig -
Grady, ,,es ist ja nichts da, was sie
zwischen den Ohren aufhalten könn
Ein anderer Betannter zeigte ihm
ein abgeschlossenes ZZimnier, das er
ich extra hätte bauen la en, nnd in
m ee völlig ungestört einen Stu
dien obliegen tönnte. » rtresslich!«
rief Q’Grady bewundernd auc, »da
kannst Du wirtlich Tag und Nacht
studiren, alter Freund, und niemand
wird davon nur um einen Deut wei
er.« Ein anderer Richter ärgerte
ich ein über ei en Rechtsamoait, der
ihm i- set-soff1 widersprochen hatt-.
und sagte voller Wuth: kann.
en keine Manieren be ringen.
ret« »Das stimmt, mein Lieber,"
antwortete friedlich der Udvoiat
Einst vertheidigte ein Re Zanwalt
einen Clienten, dessen d so gut
wie erwiesen war. Na m er hn
lanw entschuldigt und dertheidi t
Patie, sah er endlich das Ver ebliåe
eines Berniihens ein und r« plöt
lich aus: »Gut, es ist so, ich mu
zugeben, mein Client ist ein Sehnt
und der Hirößte Lügner in der Weltt« «
»Aber Sie vergessen sich,« unterbrach
ihn da der Richter-.
satte-C Gewissen-en
Ein Händler nnd ein Bauer saßen
eines Abends in einer Dorsschenle zus
sammen. Man tam auch ans das
Weiten zu sprechen. »Wenn Sie alles
belalen, will icl’n Schock Sechserläse
verlnacken!« sprach der Bauer, der
wegen seiner Gesröszigleii well in der
Runde bekannt war, zum Dändlen
«Abgernacht!« entgegnete dieser und
hielt seine Rechte zum Handschlag be
reit. Mit wahrem Riesenappelit ver
schlang das Bäuerlein einen Käse nach
dem andern. Der Händler. der sich
anfangs seiner Sache sicher glaubte,
machte große Augen, und als der
Vielstasz den neunundsiinszigsten Käse
noch mit sichtlichem Behagen in seinen
schier unersättlichen Magen besdrdern
wollte, nahm er den letzten der sechzig
schnell vom Teller und sprach: »Gott
let et nu doch beloalen, denn will ick
ock weeten, wie hei smecktl«
NO
«setbees’saubas«.
In dein soeben in Wien erschienenen
Künstleelalender ist, wie wir dem Wie
ner Extrablatt entnehmen, Peter Ue
segger mit folgendem Gedicht verste
ten:
Weiberg’schinaei.
s ’s Dirndl schön,
ill’s in Ersten nnd Lesen hob
Js 's Dirndl jung.
Will's an Kerl. an sestn has-n.
stät Pisis- brav,
’I n n an Liabsln bn,
s 's Dirndl s lecht, do
ll’i in Liebstn san Vesln spie-.