Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, December 15, 1905, Sweiter Theil., Image 10

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    die Spielgefährten;
Roman von V. Wiesen.
(15. Fortsetunke
i
Nun denn, was haben ie zu mel
den, was wollen Stet«
(
JGniidige Frau, das ist so ne tu- »
riestSachr. Da half ich eben einen »
Brief bekommen daß ich mich in die
Stadt soll beim Gen t melden wegen
der Erbschaft von ner rau ihrer
stet- die Bäckermeiter Blau;"
gnädige rau wi en doch, selbigte, die
unseren rih hat diven lassen. Frei
s
l
Zåfrnd es grad’ drei Wochen her, I
m i tö i J
s st gosnzezpisti setz ;
tot hat gesc
ENng gewesen weil sie so dick i
das gute bequeme
Leben, uusnd wär en hat sie auch nie
weiss-welche geha t. Ein Testament
seaemachth aben, und wegen dem I
sind meine Frau und ich nu aus s
Erichs bestellt worden«
Dann werden Sie jedenfalls et
was erben", äußerte Frau Dittmer
mit scheelem Lächeln.
Brunk zuckte die Astseln. »Kann?
sein, kann auch nicht sein Wir ha
ben da nie drauf gerechnet. Es sind
noch andere Verwandte da vom
Mann seiner Seite. Wir können
nichts mehr verlangen, weil doch die
Verstorbene so viel Gutes an unserm
Fritz gethan hat. Das werden wir
ihr nie vergessen. Aber wegen die ge
richtliche Vorladung, gnädige Frau.
muß ich denn doch morgen um Urlaub
bitten.«
«Recht angenehm für die Herr
schast« diese persönlichen Angelegen
heiten ihrer Dienstleute«, mißbilligte
die Gnädige, »aber wenn es durchaus
nicht anders sein kann, fahren Sie in
Gottes Namen«
Mit einem-« kurzen »Danl’ schön«
entfernte sich Brunl, und Frau Ditt
mer blieb wieder mit ihren Gedanken
allein, die sich nach der stattgehabten
Unterredung nicht fröhlicher gestaltet
hatten.
Arn nächsten Morgen reisten Brunl
und seine Frau nach der Kreisstadt
zur Testamentseröfsnung, und als
sie Abends heimkehrten, wußte es
bald das ganze Dorf, daß der Fritz,«
den man von klein aus kannte, den
man als Kind barfuß und in Hunds
ärrneln hatte herumlaufen sehen, Uni
versalerbe eines Vermögens von acht
zigtausend Mart gewrxden war, mit
der Verpflichtung seinen Eltern die
Hälfte der Zinsen, solange sie lebten,
zu belassen. Das gab ein Reden und
Staunen! Niemand hatte geahnt,
daß die Böckermeisterin, die ganz
schlicht selbst hinter dem Ladentisch
standnnd bis zum letzten Tage ihre
Kunden bediente, so wohlhabend ge
wesen. Einsach in ihrer Kleidung,
einfach in ihren Gewohnheiten, so
hatte sie in ruhiger Zufriedenheit da
hingelebt, nie über ihren Stand hin
ansstrebend, thätig und fleißig« trotz
dem sie es längst nicht mehr nöthig
hatte, und in aller Stille, ohne damit
zu prahlen, Ersparnisse zu Erspar
nissen g "gt, fiir den« der ihr, der
Kinder en, so lieb geworden war
wie ein eigener Sohn.
Nie hatte sie bei Lebzeiten von ih
rem reichen Erben gesprochen, nie ei
nen Dank im voraus geheischt, der ihr
nun, über das Grab hinaus, von den
Hee- aus vollem, gerührtem Herzen
g pendei wurde.
Als die Nachricht von Brunks ver
änderten Bermögensverhältnissen in
dem Herrschaftshause bekannt wur
de, ließ Frau Ditttner den Kämme
rer zu sich rasen. Auf ihrem Gesicht
lag der Ausdruck neidischer tät-regt
heit. und die Stimme vermochte ein«
leichtes Zittern nicht zu unterdrücken.;
»Ich gratulire zu dem unglaubli
chen Glück, das Jhnen in den Schooß
gefallen ist«, sagte sie bitter. »Ja,
wem es- so im Leben ergeht! Nun
werden Sie ntiirlich nicht länger ins
vienender Stellung bleiben wollen,j
werden Tanninken nächstens verlas
sen, nicht wahr?« »
»Daran hab' ich noch gar nicht ge
dacht, gnädige Frau«, war die Ant-(
wart. »Warum follt’ ich denn fort
wollen, weit ich jetzt viel Geld habe-et
Das ändert nichts, es liegt mir sicher
in guten Papieren. Jch werde doch
nicht Knall und Fall ausspannen
und mich auf die faule Haut legen,
wo ich noch rüstig bin und arbeiten
kann. Das fehlte grade! Nein,
gnädige Frau, die Verstorbene, dont
der das afsße Stück Geld uns und
dem Fritz eigekonimen iit war auch
nicht faul und nicht hoffärtig gewor
den, sondern ist auf's-n Posten geblie
ben, bis der Herrgott sie abgeruer
hat«
Und so blieb denn in Tanninken
alles beim alten. Bruni wirthfchaf
tete mit der gleichen Pflichttreue dein
gieicheu Eifer wie bisher-, scheute
keine Arbeit, und Frau Mine hatte
sich nicht mal zum Sonntag ein neues
Mund aus-schafft Ei gab
s Mseute winden die ganze
sein «
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Weinberqu
smistqW«MT
W «
Je mehr der Winter herannahte,
je dunkler und regnerischer die Tage
waren, je unerträglicher wurde Frau
Dittrner der Aufenthalt aus dem
Gut. Sie schrieb verschiedene Briefe
nach der Stadt an Agenten und be
austragte auch den alten Löwenstein,
der neben Geld- und Kommissions
geschiiste übernahm, sich nach einem
Käuser siir Tanninken umzusehen.
Aber ehe sich ein solcher gefunden
hatte machte eines Abends Brunk,
nachdem die Wirthschastsangelegew
heiten durchgesprochen waren seiner
Prinzipalin den Vorschlag, ihm das
Gut zu bewachten An der nöthigen
Kaution fehlte es nicht; denn Fritz
hatte sich bereit erklärt, sein ererbtes
Kapital auf Tanninten eintragen zu
lassen, und die Pachtsumme mitth
schaftete ein Mann von Brunks
Tiichtigteit und Fachtenntniß mit
Leichtigkeit aus.
Frau Dittmer erkannte sofort das
Günstige dieses Vorschlags und er
klärte sich bereit. darauf einzugehen.
Die notariellen Verhandlungen, so
wie die Uebergabe des Inventars nah
men nicht viel Zeit in Anspruch. So
bald der erste Frost die aufgeweichte
Fahrstraße bequemer sahrbar machte,
verließ Marie Dittmer unbewegtens
Herzens die Stätte, in der sie seit sol
vielen Jahren geweilt Und Freud’ und »
Leid durchlebt hatte, um eine Woh-;
nung in der nächsten größeren Stadtj
zu beziehen. ;
Brunts siedelten aus dem Käm
merer- in das Herrschastshaus üben;
Da es ihnen aber, ihren bisherigen
Gewohnheiten nach, zu groß düntte. !
bewohnten sie nur einige Räume
Die frühere Arbeitsstube des alten
Dittmer, die einsachste im ganzen
Hause, wurde Wohnstube und blieb
fast ganz unverändert, denn der neue
Pächter hatte die unsörmigen, abge
nutzten Möbel, welche die gnädige
Frau nicht mitnehmen wollte, ange
taust und aus dem bisherigen Platze
stehen·lassen.
Nun saßen an den langen Herbst
abenden, während es draußen stürmte
und der Regen gegen die Fensterladen
prasselte, Brunl und seine Frau an
dem großen, wachstuchbeschlagenen
Tisch, wo einst der alten Dittmer über
den ausgeschlagenen Wirthschastg
büchern so st gegriibelt, gerechnet und
sich gesorgt hatte, um das Gut herauf
znarbeiten.
Die Früchte dieser Arbeit zu pflü
cken awr ihm nicht vergönnt gewesen«
aber die jeht seine Stelle einnahmen,
vergaßen des früheren Herrn nicht
Ost sprachen die Eheleute miteinan
der von vergangenen Tagen.
»Wer rnir damals gesagt hätte, als
ich jeden Abend zum sel’gen gnäd’gen
hean mit dem Wirthschastsrapport
kam, daß ich selbst mal hier aus die
sem Platz sitzen und in Tanninten be
sehlen würde«, äußerte Brunl.
Dann nickte seine Frau, und ihr
immer noch hübsches Gesicht leuchtete
vor Stolz.
»hast recht, Vater, das hätten wir
uns dazumal wohl nicht träumen
lassen. Mich sreut’ö zuweist wegen
unserem Frig, daß seine Eltern sieh
nun auch können sehen lassen. Man
stellt doch jetzt was vor in der Welt,
und ein Pächter steht bald ebenso da
als wie ein Gutsbesitzer.«
«Manchmal steht er sich noch bes
ser«, meinte Brunt vergnügt.
»Na ja, dank meiner Schwester se
lig, brauchen wir uns von teinen
Sorgen drücken zu lassen.«
l
»Stimmt«, bestätigte der Mann.
»Mit ’nem Stück Geld in der Hand
ist ein guter Anfang. Die Wirth
schast ist auch im Zug, da soll es ung,
so Gott will, schon glücken.«
»Weißt Du, Mann,« sagte Frau
Brunt nach einer Pause, und die la
chenden Augen erhielten einen ganz
traurigen Ausdruck. »ich denke, drü
ben in Dobrawiß, da steht nicht alles
zum besten. Wenn man unsere Win
tersaat ansieht und dagegen drüben
die Felder. Es ist ein Jammer. Man
möcht’ es nicht glauben, daß das aus
ein und demselben Boden gewachsen
ist."
»Wundert mich gar nicht«, war die
Antwort, »die Ackerung ist auch da
nach. Der Baron, der kümmert
sich’n Dreck um seine Wirthschast.
Da wird gearbeitet oder nicht —- ist
alles eins. Der here fährt nach der
Stadt oder aus die Jagd. Kannst
mit glauben, das nimmt drüben noch
mal ein schlechtes Endef
,,Ach« Du mein bimmiischer Herr
gott!« seufzte Frau Brunt und sal
tete die hände im Schoß. »Was soll
dann ans der Alicchen und dem Kinde
werde Mir thuki Herz weh, wenn
tch an sie denke. Neulich hab’ ich sie
mal Sonntags in der Kirche gesehen,
ganz blas war sie und das liebe, hüb
tce MITWM ganz-» schickt asseien-wes
ki- c
ÆQW wie ji« ME:«FMmi- «
Brit zu femme-I spiei Mc etwas
Frau Mama hat sichtfa unmenschlich
gefreut ttbee den seinen, baronischen
Schwiegersth alter ich las« mir's
nicht einredeu. Wltch ist die Alieche
nicht mit ihm geworden« «
s-» «- e
EZ wurde friih Winter in diesem
Jahr. Der Tag, an dem man in
Dobrawis das Erntefest gefeiert
hatte, war der letzte sommerlich war-(
me gewesen. Seitdem wechselten kal-»
tes Regenwetter und dorzeitiger Frost
und machten den Aufenthalt im
Freien höchst unerfreulich.
Alice hatte wieder viel Sorge mit
der Kleinen, die Zähnchen bekam und
infolge dessen andauernd tränteltr.
Wasil war selten daheim; bald
fuhr er zur Stadt, bald in die Nach
barschaft. Förmlich ruhelos schien
es ihn umherzutreiben. Alice fragte
nie nach seinem Kommen und Gehen.
denn Fragen verstimmten ihn, und
sie kannte ohnehin die immer gleich
lautende Antwort: »Ich habe Ge-»
schäfte.'· Welcher Art dieselben seien,
sagte er nicht.
Eines Morgens trat Wasil mit
den Worten ins Wohnzimmert
»Für nächsten Freitag habe ich
mehrere Herren zur Jagd eingeladen;
noch find nicht alle Zusagen da, aber
auf zwölf bis vierzehn Personen tön
nen wir rechnen. Nichte Dich also
daran ein.«
Alice, die an einem Kleidchen für
die Kleine nähte, sah erschrocken ans.
»Sollen wir denn schon wieder
Gäste bei uns scheut-« fragte sie.
»Das kostet doch so viel, und ich denke,
wir sind nicht — — wir haben
nicht —- —«
»Was wir sind und haben, laß
bitte, meine Sorgen sein«, entgegnete
er nett-ös. »Kümmere Dich nur um
Deine Pflicht als Hausfrau. Das
Menu zum Abend werde ich später
mit Dir besprechen, es muß tadellos
sein, ebenso die Weine.«
»Aber«, wagte die junge Frau noch
einmal einzuwenden, »was wir im
Hause vorriithig haben, reicht lange»
nicht au5.«
»So läßt Du eben das Fehlende
aus der Stadt kommen. Es wirdj
ganz einfach auf unser Konto ge
fchriebenR l
»Ja — —- wenn nun aber — —
Er ließ se den Sah nicht vol
lenden.
»Zum Teufel mit Deinem einigen
Wenn und Aber! Jch sage Dir. es
muß hoch hergehen bei uns, sonst ist
mein Kredit zu Ende und damit die
ganze Herrlichkeit Hast Du mich
jetzt verstanden — ja?«
Sie sah ihn wie entgeistert an und
machte mechanisch ein bejahendes
Zeichen.
»Nun also, dann weißt Du auch,
woraus es ankommt«, fuhr er leiser
fort. »Die Leute sollen nicht aus den
Gedanken kommen: ,Dem Pol-rann
ger ist der Mammon ausgegangen,
er fängt an zu tnausern’. Gerade
weil einem das Messer an der Kehle
sitzt, dürfen es die hallunten, die
verdammten, nicht merken·«
Alire hatte die Arbeit zu Boden
gleiten lassen, ihre hände preßten
sich irarnpfhast ineinander.
»Und was soll endlich daruus wer
deni Dieser Weg führt zum Ab
grund«, murmelte sie.
Er zuckte die Achseln »Mus; eben
lawiert werden, bis irgend ein
Glücksfall kommt und einen flott
macht. Das Jeu hat mich schon in
manchen Kalamitöten über Wasser
ge,halten soll mich hoffentlich auch
am Freitag Abend wieder rausreb
ßen wenn die Leute erst gut in Stim
mung sind. Später glitckt es dann
vielleicht, Dobrawih oortheilhaft zu
verkaufen jegt mit der vollen Ernte
ist gerade der günstigste Zeitpunkt
dafür.«
»Hast Du denn die Ernte nicht
schon vertausti Jch meine, Du sag
»Was toll ich gejagt haben? Ernte
verkauft? Unsinn«, fuhr er heftig
auf, »lein wahres Wort dran. Du
hörst nicht hin und redeft hinterher
das vertehrtesie Zeug. Und übrigens
tümmere Dich gefälligsl nicht um
Dinge, die Dich nicht«-: angehen.«
Erschrocken Jchwieg die junge
Frau, und Wasil ging sichtlich miß
gestimmt aus dem Zimmer, dessen
Thür er heftig hinter sich zuwarf.
Der Jagdtag tam heran. Die ein
geladenen Herren hatten mit Aus
nahme des Oberamtmannz Kuhlmeier
sämmtlich zugesagt. Man muntelte
zwar, ohne daß der Baron es ahnte,
allerlei über seine mißlichen Vermö
gensoerhältnissr. man wußte, daß die
schweren Weine und die Leckerbissen.
welche in Dobraivitz stets aufgetischt
wurden, nicht bezahlt waren, aber sie
schmeckten darum nicht weniger gut;
man amiisitte sich immer vortrefflich
und folgte lehr gern einer Einfadunkz
über die zu standaliren auf dem Heim
we it genug war.
LIE- tm Tianrn hatte Alice vie
Vorbereitungen zu dein Jagdesien ge
troffen. Sie wunderte sich selber,
daß nach ihres Mannes neulichen
GENUSan die TM igrei dein insect-;
ie en annnen n n
ist-ehe bennrnhlgte. Aber Mike dachte
Mk überdrang äwansdie Zukunft,
WM U IMP
Sretchess Fuß-nd hatte merkle
Wiesen-et- ·,
eiieinigen W ganz verfallen
nnd tie einen alten, rniiden Zug be
kommen Ueber dein spiken Riechen
nnd an den Schläfen treuzie si
Reh blauer Adern; die unnat rltch
erweiterten Perpillen schienen felbft im
Schlaf leine Ruhe zu finden; denn sie
flatterten hin und her unter den nur
halb geschlossenen Augenlid-ern «
Die Nacht zum Freitag tvar
schlimmer als alle bisherigen. Alice
kam nicht aus den Kleidern, das
Wimmern des Kindes, dessen Kör
perchen fortwährend lrampfhaft
zackte, hielt sie neben der Wiege wach.
Gegen Morgen wurde die Kleine
etwas ruhiger, doch konnte dies auch
Folge von Erschöpfung fein. Das
Aussehen des zarten Geschöpfes war
beängftigend
Sobald Alice ihren Mann aus sei
nem Zimmer hörte, ging sie ihm ent
gegen. Lebhafier als seit langer Zeit
trat sie auf ihn zu.
«Wasil, wir tönnen heute leine
Gäste empfangen — ich bitte um
Gottes willen, lasz die Jagd abso
gen.«
Er sah finster in ihr eregtes Ge
sicht—
»Absagen? Was fällt Dir ein.
Warum?«
»Gretchen ist sehr lranl, wie es
scheint. Sie hat die ganze Nacht ge
fiebert und sich umhergeioorfen.«
»Lapalie!« Es zuckte beinahe
spöttisch um seine schmalen Lippen.
»Du machst Dich geradezu lächerlich
mit Deiner fortwährenden Angst um
das Kind. Alle Augenblick soll ihm
etwas fehlen; nachher wirds im
Handumdrehen wieder besser·«
Er wollte geben« aber sie hielt ihn
zurück; ihr war Plödlich so angst« sie
lonnte sich nicht abweisen lassen.
»Die5mal ist es schlimmer als
sonst, glaub es mir doch«, bat sie be
weglich, »es ist ein so schrecklicher
Gedanke, das Haus voll fremder
Menschen zu haben und nebenan das
tranle Kind. Laß absagen, ich bitte
Dich flehentlich!«
»Quäl mich nicht mit Sentimen
talitäten, es geht nicht«, grollte er
ungeduldig. »Wenn’s morgen nicht
besser ist, mag der Dottor kommen.
Jch denke, damit kannst Du Dich be
ruhigen. Und nun halte mich nicht
auf, ich habe noch allerlei zu thun,
ehe die Sache losgebt.«
Einige Stunden später bot der
Schloßhof von Dobrawitz ein bunt-»
bewegtes Bild dar. Die Jäger hat-J
ten sich versammelt. Lautes Begrü-;
ßen, lebhaftes Reden, neckender Zu
ruf erschollen treuz und quer. Der
Baron war in glänzender Laune;
fiir jeden seiner Gäste hatte er ein be
sonders verbindlicheö Wort und
wußte nebenher durch piiante Rades
doten und schnurrige Jagdgeschichten
die Stimmung zu animiren. Es ver-i
sprach ein außerordentlich vergnügter
Tag zu werden«
Nach dem stehend genossenen ersten
meiß befiiegen die herren ihre
Pferde, und fort ging es in raschem
Trabe dem Forstrevier zu.
Nun lag wieder tiefe Stille über»
dem grauen Schloß. Alice hatte ims
Speisesaal die Tafel herrichten lasseni
und selbst ordnend die lebte Hand an- !
gelegt; aber zwischenein buschte sie im- J
mer wieder in das Kinderzimmer, um «
sich mit angebaltenem Athem über
Klein-Gretchens Lager zu beugen.
Gottlob, das Kind schlies! hätte nur
sein Gesichtchen nicht soentseßlich bleich
und verfallen aus-gesehen.
Mit einbrechender Dunkelheit kün-«
dete das Trapeln vieler Pferdebufe
unddas fröhliche Bellen der Meiste«
die Niiettebr d er Jagdgesellschast an.
Gleich daraus dröhnten Schritte auf
den Steinfliesen der weiten Vorhalle, »
laute Stimmen erschallten, Thüren
wuren us- und zugeworfen. j
Beschwichtigend schautelte Mice die
Wiege, in der sich die Kleine unruhig;
rea e. :
i
Drüben im Speifezirnmer hörte
man jetzt Stühle rücken, Gläser klirr
ten. Man hatte sich zu Tisch gesetzt.
Die junge Frau war froh. daß bei
den herrenabenden, die Wasil beton
ders liebte, ihre Gegenwart nicht ver
langt wurde.
Wie lange würde es heute wieder
dauern —- dag Trinken — das Spie
len! Sicher wieder bis an den hel
len Morgen.
Und wenn Wasil nicht gewann,
wie er hoffte —- wenn er im Spiel
verlor! Dann erfaßte ihn blinde
Muth Alice tannte seinen bösen,
lodernden Blick, sie zitterte davor.
Stunde um Stunde verrann, es
war weit nach Mitternacht. Der wirre
Lärm der durcheinander sprechenden
Stimmen hatte sich mehr und mehr ge
fteigert und scholl beängstigend laut in
die stille Kinderstube hinüber. Oft
ttang es wie andauerndeö Lachen,
dann wieder wie heftiger WortwechseL
Die junae Frau lauschte lange,
während sie mechanisch ein Wtegens
lied summte Ste war allein bei dem
Kinde, die Mdachen hatten heute
reichlich draußen in der Küche zu
thun.
Im Zimmer herrschte me ancholt
schei hatbdunteb Das grün ver
hangene Rachtlitmpchen warf nur
einen schwachen geiveusittcheu Schein;
auf dte ttetne Schlafertn. »
Da, was untenneues-»dieseIdie . ;
IIIUMI P
cetstttltem nach-be- M«
Blick ließ nur das Weise sehen. Das
kleine Mündchen öffnete sich, brachte
aber keinen Schrei hervor, und jene
begannen die Glieder zu zucken-. sich
II teitmmen Ein Kampf schütteltes
da- zarte Ksrperchem daß es sichs
hoch aufhäumte. i
; Mit einem Jammeklaut nahm
JAlice das Kind tn ilyre Arme, ·ver
kluchte es zu beschwichtigen, an ihrer
thust zu erwärmen. Vergeblich, nach
Lminutenlanger Pause folgte ein neuer
Krampfanfalt
Alice rifz an der Klingeb einmal,
noch einmal. Endlich lam eins der
Mädchen und fragte, was die gnä
dige Frau wünsche.
»Schnell, fchnell«, gebot Alice angst
voll, »geh hinüber zum Herrn Baron,
et möchte schnell kommen, lafs’ ich bit
ten, Gretchen ist sehr Mian
Wie lange es dauerte! Alice hätte
die Minuten nach ihren ftiirmifchen
Herzschlägen zählen können. Kam
denn Wasil noch immer nicht? Jetzt
mußte ihm die Botschaft längst aus
gerichtet sein.
Ach, endlich, Schritte auf dem Flur
Das Mädchen lam zurück.
»Nun, hast Du’s bestellt, hast Du
meinen Mann gerufen?'«
»Juki-obl, gnäd'ge Feau Von An
fang traut’ ich mich nicht recht ran,
denn die Herren spielten grade Kar
ten, aber dann hab’ ich’s doch ab
gepafzt, und der Herr Baron bat auch
mit’n Kopf geknickt und gesagt, er
läm’ aleich.«
Aliye athmete auf. Es ift gut,
Line, jetzt lchnell, lauf nach dem
Stall; der Wuschat wird heute wohl
noch wach sein, er muß anspannen
und gleich nach dek Stadt zum Dok
tor. Ach Gott« eil Dich doch nur!«
Das Mädchen sprang fort, nach
dem es noch einen mitleidigen Blick
auf das leise stöhnende Kind geworfen
hatte.
Und wieder war Alice allein. Sie
saß neben dem kleinen Lager, hielt die
kleinen, zusaminengelrampften Händ
chen umfaßt und versuchte sie mit dem
Hauch ihres Mundes zu erwärmen.
Vergebens, die Zuckungen des klei
nen Körpers wurden heftiger und def
tiger. Das Köpfchen fiel haltlos zur
Seite.
War denn niemand da, der helfen
Flonntei — Wo blieb Wafili Sein
Kind starb, und er kam nicht —- noch
immer nicht.
(Fortfehung folgt.)
Zu und Zimmermann.
Jin Wiener Fremdenblatt giebt Di
reltor A. Aman Erinnerungen an eine
ungewöhnliche Ausführung von Lord
ings Zar und Zimmermann zum Be
sten. Er erzählt: »Bei der rufsischen
Theaterzensur wird nicht der Roth
ftift aebraucht, welcher in den mei
ften Fällen zuläßt, daß Worte oder;
Sätze noch zu lesen sind, da wer
den die anstößigen Stellen mit Dru
eterschwärze überstrichen, oft bis zu
dreiviertel des Buches und auf folche
Weise gründlich vertilgt. Sind dann
allenfalls Titel oder Namen noch an
stößig. fo werden diefe einfach geän
dert. Da gibt es feinen Wilhelm«
Tell, sondern einen Andreas Dogger- .
goeleL Geßler ist nicht nur zu Karl
dem Zähnen, sondern auch zum Titel
helden des Wertes erhoben worden.
Ein Stück wird taum verboten, aber
wehe dem Bühnenleiter, der die Am
derungen fiir den Theaterzettel nicht
refpeltiren würdet Ueber das Gesun
gene oder Gefprochene indessen ift die
Behörde beruhigt, das ist ja aus dem
Buche entfernt und daß ein Theater
stiick in mehreren Exemplaren vorhan
den fein tönnte, nimmt die Polizei
ofiziell nicht an. Damit kann die
Bühne rechnen und die Ausführung
bringt, was der Dichter schrieb. Kei
nem Darsteller fällt es ein, von Dog
gergockel oder Karl dem Kühnen in
Wilhelm Teil zu sprechen.
So und nie anders habe ich es we- «
nigstens während meiner Anwesenheit
in Russland gesunden, und bei dieser
Praxis sah ich es nur einmal zu einem
Konflikte kommen, der- leicht eine sehr »
ernste Wendung hätte nehmen können. .
Es war am- Anfang der achtziger
Jahre und noch in der ersten Zeit der
nationalen Bedrängniß der Deutschen
in den russischen Ostseeprovinzen
Diese Bedrängnisse wurden in der
ganz deutschen Stadt Reval besonders «
hart empfunden und es herrschte teine
besonders freundliche Stimmung ge
gen die Regierung, als plötzlich der?
Besuch des Zaren Alexanders Ill.
angetiindigt wurde. Jch weiß nicht,
ob die herzen darob freudig schlugen,
aber die Arbeiten für die Empfangs
feierlichleiten wurden rasch in Angriff
genommen und als man erfuhr, daf
der Kaiser seinen Besuch des deutschen :
Theaters in das Festprogramm aufge- «
nornmen wissen wollte, entstand wirt- i
liche Freude. Denn wenn der Zar
fiir das deutsche Theater Jnteresse hat,
taten er doch die Deutschen nicht ver
tilgen wollent Jn Eile wurde dem
hosmarschallamte das ganze Respek
toire übermittelt und rascher, als es
sonst zu geschehen pflegte, war die
Wahl getroffen. Mit der Depesche
eilte der Bürgermeister zum Theater
dtrettor.
»Nun lassen Sie alles vorbereiten,
orgen Sie Liszt die beste Be eIuZMuud
größten lieben sents tanzt
äu Zor selb bat b Oper be Int,
er
will
sslaudr cheAbeuteneeä M Mino
»Um Gatten-Max faßt sei Des-»
« rettor an , »das ist sa sar nnd Zim
mermann
Entseßen ans dem des Bitt-,
germeisters, Entsesen au asen Ge
sichtern tm Theater-bitterm Was sei!
geschehen? Existttt das such über
.hanpt noch, nach welchem die Ausfüh
Hrung stattfinden darst Man hatte
ssrch immer nur um den Theaterzetteh
snie um das ensurirte Buch gekäm
mert. Es existirte zum Glücke noch
und der Bibliothetar brachte es der
bei. Buch und Zettel deckten sich. Wie
aus dem letzteren war Peter der Große
überall in einen Erzherzog Maximis
lian von Oesterreich umgewandelt und
aus Peter Jwanow tvar der Zimmer
geselle Maxl aus Wien geworden; es
waren nicht die Strelihem welche sich
empörten, sondern Kroaten; dieHands
lus« spielte in Flanderm eine Zeit
war nicht angegeben.
Nach kurzer Berathung einigte man
sich, daß sofort mit den Proben begon
nen werde, um den Darstellern anstatt
der ihnen geläufigen, die polizeilich
festgestellten Namen beizubringen
Das geschah und überraschend
schnell hatten die Sänger die Sache
sich zurechtgelegt Man brauchte nicht
änastlich zu sein.
Nun kam der große Tag· Auf der
Bühne war alles frisch hergerichtet
und was in der verhältnismäßig tur;
zen Zeit neu herbeigeschasst werden
konnte, mußte herbei. Feststimmung
und Herztlopsen aus der Bühne. Jnr
glänzend beleuchteten Zuschauerraum
versammelt sich das festlich gekleidete
Publikum. Der Zar tritt in die Loge;
Das Orchester intonirt die rufsische
hhmnr. Alles erhebt sich und singt sie
stehend mit, oder wer sie nicht kann,
thut wenigstens so.
Die Vorstellung beginnt. Alles be
ginnt. Alles geht glänzend. Leider
kommt ein etwas verfänglicher Sah
und ein wegen feiner schönen Stimme
bekannter Tenor hat ihn zu sprechen.
Auf der Bühne steht der Erzherzog
Maximilian und hört die Erzählung
von dem Ausstand der Kroaten an,
schreit aus, daß er die Empiiter züchti
gen werde, und — »Sie haben sich
verrathen, Majestät« fällt der Darstel
ler des französischen Gesandten ein,
»Sie sind der Zart« —- Der Arme hat
in feiner Aufregung an den Erzherzag
svergessen X»
Eine Pause des Schreckens auf der «
Bühne; eine Pause des Erstaunens im
Zuschauerraume. Jch weiß nicht, wie
viel Menschen sich im Geiste auf der
»Wanderung nach Sibirien sahen, der
unglückliche Sänger fühlte sich be
stimmt darunter. Jch weiß auch nicht.
wie lange die Todtenstille im Hause
noch gedauert hätte, wenn nicht einer
aus einmal herzlich gelacht und
applaudirt hätte: der Zar!
Da war der Bann gebrochen, hoch
rufe erschollen im Publikum. Auf der
Bühne waren die Flandrifchen Aben
teuer deendet, man spielte Zur und
Zimmermann Man spielte mit einer
Freude, einem Feuer wie es unter ge
wöhnlichen Umständen gar nicht vor
kommen kann
Am meisten lachte und applaudirte
der Zar. Nach der Vorstellung ließ
er den Direktor in die Loge rufen und
versicherte ihm mit Worten der lebhaf
testen Anerkennung, daß er sich noch
nie so· gut im Theater unterhalten
habe und an diesen Abend stets mit
Vergnügen zurückdenten werde.
Und das war richtig. Nach ·einem
Jahre, als andere die Sache schon vers
gessen, erinnerte man sich ihrer noch
in der hoflanzlei und sandte eine
Auszeichnung siir Förderung der
Kunst an den Theaterdirettor in Re
val. Dieser war indeß nicht wenig ·
darüber erstaunt, da er sich erst einige
Tage in der Stadt befand und noch
gar teine Gelegenheit gehabt hatte.
irgendwie hervorzutreten. Die Per
son des Bühnenleiters war eine an
dere, derjenige, an den der Zar die
freundlichen Worte richtete, war in
zwischen gestorben.«
Der Zeitfchrift Montag voni Els.
Oktober wird aus Petersburg gemel
detiz »Patrouillen zu 5kferde und zu
goß reiten schweigen dmch die
traßenk Die zu Fuß natürlich auf
Schufters Rappen
Iit O Of
Für die Tkuihiihne tomnien jetzt die
Tage, von denen sie mit Recht sagen
tönnem »Sie gefallen mir nicht«
J If II
Frau Spenderg: »Ich bin neugie
rig, welche Huimoden heuee modern
fein werden«-—- Mr. Spendees: »Das
ift leicht zu sagen, es wird zweierlei
Arten Hüte geben: die, die Du nicht
haben willst, und die, die mir zu theuet
sind.«
Odi
Jsmerhin kann König Alfonö froh
fein, daß er die Damen nicht alle zu
Kiraihen braucht, mit denen ihn Un
eufene schon vertobt haben.
III
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