Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, December 08, 1905, Sweiter Theil., Image 13

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    W
« Vaspdchzettzmatki
Von Julius Keller.
« Das Wiss-naht war in vollem
« Gange. Ein Mahl, wie es der reiche
EngrossSchkiichtetmeister und Haus
— eigentbiimer Stresow seinem Braut
"··paar und seinen Gästen leisten konnte.
" Salt es doch, die einzige Tochter mit
’ allen ihr gebührenden Ehren zu ver
« heirathen. Und glürtstrablend saß die
; · junge Frau in ihrer kostbaren Toilette
« neben dem schneidigen Bräutigam, der
stolz und siegesbewußt seine Blicke
iiber die Tafel schweifen ließ, als wolle
·. ttiumphirend sagen-:v »Dieses herr
liche Miidchen hab' ich mir erobert und
. ibk Geld da ni« .
Meister tresow hatte es sich em
gut Stiick Geld kosten lassen, den beu
T« « n Freudentag festlich gn« begeben,
Imd Alles llappte demgemaß. Ver
ttante Freunde, die, mit dem Glase in
der hand, eine Runde um die Tafel
machten, beugten sich zu ihm nie
nnd slüfterten ihm zu: »Gros-,artig,
Strefom großartig!« Er lächelte ge
« schmeichelt. brummte aber dabei:
«Bloß die Bedienung hopert ein bis
chen. . .« und dabei fiel sein Blick mit
dem Ausdruck höchster Unzufriedenheit
auf einen der Lohniellner, der eben
gegenüber einer Dsame"den Rothwein
in das Rheinweinglas schenkte und
s augenscheinlich weder seine Augen noch
seine Gedanken bei der Sache hatte.
Meister Strsesow gab ibni in seiner
derben Art einen unverblümten Wink,
der Gemaßregxelte aber schien dies
taum zu verstehen. Er war ein schon
älterer Mann mit intelligentern Ge
sicht, peinlich sauber und adrett geklei
det, im Aeusyern das Muster eines ge
wandien und ersahrenen Lobntekkners.
Aber eine auffallende Unruhe, die ihn
lintisch und ·3ersabreii machte, be
benschte fein ganzes Wesen, nnd wer
ibn aufmerliam und verständniszvolk
beobachtet hätte, der würde erkannt
haben, wie es« in seinem Gesichte von
sp « W"DW D»
bs
l-.
is
- dann raffte er sich zusammen und wal
muoiam orrnauener, innerer irrt-e
gung suche, und wie seine Hände zit
terten. Seine jüngeren Kollegen be
obachteten ihn verwundert, gaben ihm
theilnahnwolse Winke und stellten ihn
draußen hastig zur Rede... Aber ,er
wehrte dringend ab und sagte immer
nur: »Laßt mich» Laßt mich...
Mirlxst nicht wohl» .Wird schon bes
ser rden.«
Doch es wurde nicht besser. Je wei
ter das Mahl vorschritt, desto zer
streuter und zerfahrener gebärdete sich
der Maan und als er endlich beim
vierten Gange dem Bräutigam das
Geflügel servirte, da beugte er sich so
ungeschickt weit vor, das-, sein Athem
das Gesicht des jungen Ehemannes be
rührte, und seine Hand zitterte so hef
tig, daß die schwere Schüssel bedroh
lich schtvsanlte Sie wär-: gefallen,
wenn Meister Stresow nicht entschlos- .
sen zugegrissen hätte. Aber nun ent- (
fuhr auch ein verständlich-s Schimpf
wort seinen Lippen, und die Gäste
musterten aufmerksam nnd verwun
dert das von glühender Röthe über
flammte Gesicht des gemaßregelten
Menschen Die glücklicke Braut fah
den Vater. wie um Vergebung fiir den
Ungeschciclten heischend bittend an;
Stresow aber raunte jenem drohend
zu: »Ich werde mich bei dem Traiteur
dean Mir so ne Leute zu
schicken! Na, nu man weiters«
Schtker athrnend stand der Kellner
- da. Man sah. mit welcher Anstren
gung er s zu beherrschen versuchte
In feinen ugen loderten Grimm und
Empörum «
»Bitte, serviren Sie nur weiter,«
flüsterte die junge Frau ihm freund
lich zu, »Mit-a meint es nicht so
schlimm.««
Nun sah der ungeschickte Mann sie
an. Nur einen kurzen Augenblick«.
tete weiter seines Amtes.
»Der arme Mensch scheint trank zu
sein,« sagte die gliiclliche Braut leise
zu ihrem Gatten.
»Seit wohl die Gelegenheit benutzt,
Bat-as Weine zu probiren Man sollte
ihn wegschicken . . .«
Draußen im Gange sehnte wenige
Minuten später der alte Lohntellner
an der Wand-» Er preßte die Hand
aufs Herz, und ein junaer Genosse
stand theilnabmvoll mit einem Glase
Wasser vor ihm.
«Trinlen Sie, steran trinken Sie
.. Sie sind wahrhaftig lranl.«
Meister Stresow erschien mit zorni
ger Miene aus dem Korridon
»Nun sagen Sie bloß, Mensch, was
ist mit Ihnen lot-Pl« rief er erregt.
»Sie stören uns ja das ganze Fest . . .
Beschwemi werd’ ich mich über Sie!
.Machen See, dasz Sie wegtommen «
Ich sann Sie hier nicht gebrauchen
Sie sind nicht tauglich sitt gebildete
«" Leute. Schon bei den Tassen Bouillon
fing Ihre Unfähigieii an... Den-ten
Sie, ich halss- nicht gleich gespürt?
Ueberaesckswabkelt haben Sie, gerade
bei dein Bräutigam.» Und nachher
» wieder beim Braten —- als ob Sie
" ihm den bannen nicht gönnten, den er
nimmt.« . ..
Der Mann richieie sich auf, und
Meister Stresoiv trat fast erschrocken
uriick vor dem Ausdruck wilden
I- imms, der in des anderen Auge
M. Es war, als ob eine entschlos
Entgegnnng auf seinen Lippen
s bie, W wiederum würgte et,
ia aibmend, feinen Zorn mit ge
samet Anstrengung hinunter.
Wollen Sie sich bessern,« fragie
» Sitespw milde, »wir versprechen,
· «yuiammenzumhtnen? Meine
» er hat neckst —Sie sind ja schließ
ein alter Mann... Sie passen
« mehr für sen-usw Na—wie
Hi Wolf-i Sie?«
W
»Ich will M— stieß Kampf Mich
hervor, »ich muß fort» Jcht ann
nicht mebr hier bleiben« .«l«xs —es
gibt sonst -—ein Ung lück.
Meister Stresotv sah ihn entsetzt an
und griff sich an den Kon
,,Raus!« schrie er dann heiser.
»Meine-! Sosort, sag ich Ihnen! Und
der Chef soll mich kennen lernen!"
Wie in wilder Flucht lief der Ver
absichedete aus dem Hause in den lal
ten Winter-abend hinaus-. Als ob die
Furcht ilm vorwärts triebe, er tönne
da drinnen, inmitten der festlichen Ge
sellschaft, eine furchtbare That begehen
Die grimme Drohung, die, seit
dem er an der mächtigen Hochzeits
tasel die Gestalfund das Gesicht des
glücklichen Bräutigams erblickt, un
auögesetit in seinen Augen gegliiht,
tvar auch ietzt nicht entschwunden, aber
es war, als wolle er sich durch bastige
Flucht selbst davor schützen, eine wil
Fenlose Beute dieses Zornes zu wer
n . . .
Weit vom Hause erst blieb er aus
atbmend stehen und rang nach Ruhe
und Besonnnenheit . . . Und dann ging
er langsam, mit schwankenden, un
tsit-here Schritten, fast taumelnd, wei
er
Es schlug eben Zehn, als er sein be
scheidenes Heim betrat. .Weit drau
ßen in der Vorstadt, im dritten Stock
einer alten, grauen Mietlylaserne.
Das bleiche, vergrämte Gesicht eines
jungen Mädchen sal) ihm mit ver
wunderten Blicken entgegen . . .«
»Du, Vater?... Schon!« ries die
Tochter-, und dann eilte sie erschrocken
auf hin zu. »Mein Gott, Vater, was
ist Dir? Wie siehst Du aus?...
Du bist trant?!«
Er ergriff ihre Hände und zog die
abgemagert-it Gestalt in seine Arme.
»Mein Kind, mein Kind, « sliisterte
r, »ich habe ihn gesehm «
,,Ihn? . . . Weni«
»Den Elendem der Dich-« der Dich
unglücklich gemacht hat« Den Schur
ten. der«. .
»Vater!« schrie sie auf. »Du hast
Bernhard gesehen?«
.Wie gerne hätt’ ich’s ver
schwiegen» Aber —-— ich kann es nicht.
Es drückt mir sonst das Herz ab»«
Sie blickte ihn in sichernder Unruh
an Er sah, wie es in ihren Augen
fast freudig aufleuchtete, wie ein Aus
druck hoffnungsvoller Erwartung
ihren erloschenen Blick belebte.
Er senkte das Haupt und schwieg.
»Aber so vede doch weiter, Vater-,«
drängte sw, »wo ——wo hast Du ihn
getroffen . t. wann?«
»heute Abend... vorhin bei
Stresow..
»Jn der Hochzeitsgesellscl,ast?«
»Ja. . .da war s.
»Und hat er Dich erkannt? Hast
Du ihn acsvrochen?.. . Hat er nach
mir gefragt?«
Tier Vater zögerte mitleidig einen
Moment, dann aber sprachet schnell:
»Es ist so, wie ich Dir gesagt...
Alles Schwindel, was er an Dich ge
schrieben. . . Alles Vormund und
Lüge« . . .
»Er war nicht allein da, Vater...
mit —einer anderen?"
Sie hielt trampshast seine Hände
umklammert... Jhr vordem so blei
clkes Gesicht glühte, und ihre Augen
hingen weit geöffnet mit starrem Blick
an feinen Lippen.
»,Vater sag mir Alles, « flehtr sie
»ich bin gefaßt, »ich tann’ s hören
Er waRiicht allein da! Mit einer
andern?. . Und-— um Gottes wil
len, Vater,« schrie sie plötzlich auf,
»Du hast geschworen, wenn Du das
— das erfahren würdest, dann woll
fest Du« —-- ——- —
»Todtschlagen wollt’ ich ihn, den
Kerl. sa," stieß er heiser hervor, »er
wiirgen wollt’ ich ihn, den Schufi . ..
Ja. das hab’ ich mir gefchworen.« . ..
Zitternd schmiegte sie sich an ihn
und harrte in Scheu und Angst seiner
weiteren Worte. .
»Ja. das hab' ich geschworen,«
wiederholte er. »Und nun —- nun
hab’ ich ihn gesehen —- hab’ Alles er
fahren» .Meine arme Liefe» .mein
armes Kind... Du mußt es nnn
glauben. Er hat Dich betrogen, Du
hast vergebens inonatelang auf ihn
gewartet, seinen Lügen vertraut. Jch
hab’s gewußt —- ich hab’s gewußt.«
fEntschlossen raffte das Mädchen sich
au .
»Ich tann«s nicht glauben, Vater!«
rief sie energisch. »Ich tann’s nicht . ..
Wer -—— wer war die andere?«
»Wer die andere war?. .. Wer die
ander-e war, mein Kind?... Seine
—F rot war's . . . . die glückliche
Braut arm heut’ Abend war’s —- und
er — der glückliche Bräutigam
Kannst Du es nun glauben-It« Und
er ballte die Fäuste in ohnmiichtigem
Grimm.
Fassungles starrt-e sie ihn an, dann
aber rief sie in furchtbarer Angst:
»Vaiet! Was hast Du dort gethan?«
»Was ich gethan habe?!«
Er lachte ichrill auf·
»Bedient half ich ihn! Servirt hab’
ich ihm!... Ja, so hält man seinen
Schwur, wenn man ein feiger-, erbärm
licher Kerl iit! . . . Jn meinen Fingern
hat's mir arzucki ---— blutroth iit’s mir
vor den Augen aeworden... und es
war mir, als müßi’ ich mich auf ihn
stürzen und ihn mit meinen Händen
erwiiraen . .. Aber -—— wenn ich dann
das unschuldig-e junge Dan mit dem
glücklichen Lächeln neben ihm seh-—
auch io eine arme Beihiirte wie Du —
dann wvlli’ö nicht gehn, dann hielt
mich was zurück, fiel mir was in den
Arm. . . Und während ich ihm die
Weine einichenlte« ihm die Speisen
präsentirde und jede Miene-seines Ge
liehis belauerie, qriibelie ich in fieber
bafter Errenung nach: Wie soll ich’s
thunf.« Wie pll ich Dich Rican
. Und Mc tau die Beden
ten vor mir auf» . rde man mich
nicht fofort packen, mich als einen
Wahnsinnigen davonschleppent Wür
dest Du dann nicht ganz allein, ganz
verlassen seini« .Und endlichede
lich fuhr es mir gar durch den Kon —
daß ich meine gute Stellung verlieren
könnte. . Ach was für erbärmliche
Subjektke sind wir doch! Da lauert
man wochen- monatelang auf eine
solche Stunde, und wenn daBSchicksal
sie herbeiführt, dann fehlt uns der
Muth, die Entschlossenheit, dann
kommen Vernunft, Mitleid, Eigen
nuß — dann hindern einen die ver
dammten Gedanken . . .« Seine Stim
me erstarb in einem heiseren Geslüster.
Er schwieg erschöpft und sah zu· Bo
en.
Sie aber sagte leise: »Recht hast Du
gethan, Vater, und Gott sei gedankt
dafür! Möge die andere glücklich wer
den mit ihm! Sie hat dasselbe Recht
daran wie ich!«
Und sie senkte das Haupt und wein
te still an seiner Brust.
-.--——
Ver ruchlose Ritter.
Humoresle von H a n s H o r i n a.
Christian, morgen reise ich — die
Pfeife aus dem Mund, wenn ich mit
Dir red’ —- morgen reise ich auf zwei
Tage zu meiner Mutter; hoffentlich ge
lingt es mir, sie zu überreden, daß sie
ganz zu uns zieht. —- Was brummst
Du?! — Da giebt’g kein hm —- hm!
Du hast überhaupt nicht zu brummen,
wenn ich etwas sage, verstanden! Trinl
nicht wieder zu viel während meiner
Abwesenheit und studir’ Dir lieber
eine schöne Empfangsrede für die
Mutter ein; Du weißt, welch großen
Dank Du ihr dafür schuldest, daß sie
Dir ihre Tochter zur Frau gab!«
Der grasljch Plitzenbergsche rechter
lan Christian Stottermaier erwiderte
nichts mehr darauf. Zögernd setzte er
seine Pfeife wieder in Brand und pass
te einige distrete Rauchwöltchen gegen
das Abzugsrohr des Ofens hin; als(
aber seine Frau die Stube verlassen, ;
erhob er in stummer Anklage die:
scheuen Augen gegen den Himmel und
ächzte: »Nun kommt also auch noch
dieser Leidenstelch über michs Wie
wird das enden? . . »
Ruhelos wanderte er in der braun
getiifelten Stube auf und ab. Was
hatte er davon, daß er einen ganzen
Flügel des alterthümlichen Schlosses
bewohnen konnte, wenn ihin seine
Häuslichteit nun auch noch durch seine
Schwiegermutter verleidet werden soll
te. Das Dorswirthshaus düntte ihm
rchon jeyt, unter dein Regime seiner
Frau, als eine Stätte des Friedens
und der Behaglichteit, eine Stätte, zu
der er aber nur in Ausnahmefällen
sind mit besonderer Erlaubniß seiner
Frau Zuflucht nehmen durfte. Wie
wird das aber nun tverden?... Er
scrubt’s ihm feine Brigitta, so wird die
Schwiegermutter dagegen Einwen
dungen machen, gestattet ihm aber letz
tere einen Ausgang, so wird wieder
seine Gattin dagegen sein. O, er
kannte sie, diese sich in derlei Dingen
immer gegenseitig ergänzende Liebens
Würdigkeit der beiden Damen schon
von früheren längeren Besuchen seiner
Schwiegermutter her. Und nun soll
die Anwesenheit derselben gar zur
dauernden werden? Entsetzlichl "
Jngrimmig wollte Herr Stotter
naicr in seine Pfeisenspitze beißen, er
innerte sich aber noch rechtzeitig daran,
daß ihm seine Zähne erst kürzlich ganz
neu in einem zahnärztlichen Atelier ge
wachsen waren, und dieselben eine der
artige Zumuthung nicht gut aushalten
dürften. So spurkte er denn in verlus
sener Wuth in den Ofenwinlel. Fast
im selben Augenblick tam es aber wie
eine Erleuchtung über bihn: Falsche
Zähne —- spucken —- Spuk . . HaltausL
Das wäre etwas!
Die Tage bis zur Ankunft seiner ge
liebten Schwiegermutter benützte er,
um seine Jdee vollends auszuspinnen,
und als sie dann wirklich dahertarn, er
trug er gefaßt und mit männlichen
Gleichmuth die beiden usuellen Em
ofangskiisse, ließ den Schwall ge
heuchelter Liebenswiirdigkeiten, versetzt
mit versteckten Persidien, geduldig iiber
sich ergehen und förderte sogar ein
freundliches Lächeln zutage. —- Als
man dann beim Abendessen im hohen
alterthümlichen Speisesaale saß, be
gann er das Gespräch sachte hinüber
zuleiten auf die ihm wohlbekannte Ge
schichte des alten Schlosses, unter des
sen Dach sie weilten. Er als Kastel
lan zeigte sich darin sehr visirt und
wußte mit anschaulicher Lebendigkeit
von all den Sagen und Historiem die
sich um die altersgeschmitrzten, mit
preu umrantten Mauern sponnen, zu
erzählen. Wie er aber zu der schauer
lichen Mär kam, wonach einst ein Rit
ter seiner Schwiegermutter in ruchlo
sem Zorn mit einem einzigen Hieb sei
ner Eisenfaust sämmtliche Zähne in
den Hals hinabschlug, so daß sie elen
diglich erstickte, und daß nun dieser
Ritter zur Strafe dafür schon seit
Jahrhunderten im Schlosse herumspute
und die Zähne feiner Schwiegermutter
suche, da fühlten die beiden Damen,
wie ihnen eine Gänsehaut um die an
dere über den Rücken lief und alg es
im Nebenzimmer trachte, und Herr
Herr Stottermeier mit gutgespieltem
Schreck zusammenfuhr-, lächelte die
W
Schwiegermutter mit blossen Lippen
»Mir scheint gar, here Schwiegetsohm
Sie fürchten sich!«
»Ich — or ich — ich fürchte mich
nicht!« entgegnete dieser und guckte
scheu in alle dunklen Ecken.
Die kleine Gesellschaft war einsilbig
geworden. Selbst der sonst so redse
ligen Schwiegermutter schien das
Grauen vor dem ruhelosen Ritter in
die Glieder gefahren zu sein, Und als
man sich bald darauf, ermüdet von der
Reise, zur Ruhe begab, versperrte sie«
die schwere, eisenbeschlagene Eichen
thiire ihres Schlafgemachs doppelt und
dreifach und schob überdies den mäch
tigen Nachtriegel vor. Dann leuchtete
sie mit der Kerze unter’s Bett, ja sogar
unter die Kleiderschränle, durchsuchte
diese und den bauchigen Kommodetck
sten und legte sich dann erst beruhigter
zu Bett.
Am nächsten Morgen erschien die
Schwiegermutter blaß und mit verstör
tem Antlitz beim Frühstück. Sie hielt
sich beim Sprechen ein Taschentuch vor
den Mund und klagte mit merkwürdig
veränderter Stimme iiber furchtbare
,,«.Zahnschmerzen Herr Stottermaier
lächelte insgeheim vor sich hin; wußte
er ja doch von seiner Frau, daß der
würdigen Dame, trotz ihrer tadellosen
Zahnreihe, längst kein Zahn mehr weh
thun konnte, weil —- nun weil — doch
so etwas verräth man von Damen
nicht! .
Gleich nach dem Frühstück äußerte
die Schwiegermutter den Wunsch, in
die Stadt zum Zahnarzt zu fahren, da
sie mit ihm unbedingt wegen ihrer
Zähne sprechen müsse. Herr Stotter
maier erklärte sich mit größter Lie
benswiirdigteit selbst dazu bereit, die
theure Anverwandte zum Bahnhos zu
fahren, da er nur zu gut wußte, daß
auf der Bahnhofrestauration stets ein
frisches Bier zu haben war. — Die
Schwiegermutter blieb gleich drei Tage
in der Stadt und als sie dann wieder
tam, war aller «Zahnschmerz« wie
weggeblasen, und sie lächelte wie ehe
dem mit zwei glänzenden, iadellosen
Perlenreihen im Munde. Auch Herr
Stottermaier lächelte, aber seinLächeln
hatte so etwas Spöttisches und Hin
terhältiges . . . .
Als sich die Schwiegermutter dies
mal zur Ruhe begab und die Zimmer
thiire wie letzthin fest versperrt und
verriegelt hatte, lonnte sie lange keinen
lSchlaf finden; sie mußte immer wieder
an den ruhelos nach den Zähnen seiner
Jtängst verstorbenen Schwiegermutter
ssuchenden Ritter denken. Daß dieses-;
Gespenst wirklich umhersputte, standi
bei ihr fest. Wo wären denn sonst vor
ein paar Tagen ihre Zähne, die sie
über Nacht in ein Schälchen aufs
Nachttästchen gelegt hatte, hingelomi
men? Die Thüre war damals, ebenso
wie heute, fest verschlossen und verrie
gelt, also konnte es nur ein Geist ge
wesen sein der ihr das theure Gebiß
fortnahm Wenn nun aber dieser
tGeisL überlegte sie weiter, nun endlich
die langgesuchten Zähne gefunden hat,
so wird er doch wohl heute nicht mehr
erscheinen. . · . Sie legte deshalb be
ruhigt die kostbaren Perlenreiben wie
der in das bewußte Schälchen und
schlummerte alsbald ein. Gegen Mit
ternacht —— der Mond schien gerade
voll in’s Zimmer — raschelte es in
dem wurmstichigen Wandgetäselz eine
geheime Thiir öffnete sich sachte und
ein gepanzerter Ritter trat in’s
Schlafgemach Unhörbar schlich der
Geist zum Nachttästchen, ein Griff —
und auch dass neue Gebiß der be
dauernswerthen Dame war im Besitz
des Unholdes. — —-—
Noch bleicher und noch verstörter er
schien am folgenden Morgen die arme
Schwiegermutter beim Friihstiickstisch
und erklärte, nicht eine Nacht mehr in
dem unheimlichenSchloß zubringen zu
wollen.
»Aber warum denn nicht, liebste,
beste Frau Mutters« rief mit gut ge
spieltem Erstaunen Herr Stottermaier.
Sie winlte ab. So ohne Zähne reden
zu sollen, brachte sie nicht zusammen,
und es blieb ihm sonach ein sonst
sicherlich großer Wortschwall erspart.
Der Kastellan seixte in sich hinein. Der
brave Ritter hatte seine Schuldigteit
gethan, die geliebte Schwiegermutter
zog aus Nimmerwiedersehen davon
und wenn nun der Kastellan die
Fremden im Schloß herumführte, da
tonnte er seine Erzählung von der
;Sehauermiir mit dem in den Schwie
Igermutterhals hinabgeschlagenen Ge
biß auch belegen und beweisen.
»Da, hier, meine HerrschaftenCi
schloß er dann jedesmal seine Erzäh-s
lung, »sehen Sie in den Eisensäustent
des Ritters noch die Zähne der Un
glücklichen, welche zum ewigen Ge
dächtniß aufbewahrt wurden: Gebiß
Nr. 1 und Gebisz Nr. 2.«
-————.
Gut angebracht
Chef: »Sie sollen sehr solide leben,
Herr Müller. Das freut mich. Sie
machen sirh wohl nicht viel aus Ver
gnügiungen?« «
Kommis: »O doch, aber meine Mit
tel erlauben mir ja leine Vergnügun
gen. Mit dem Gehalt, das ich von
Ihnen beziehe, tann ich kaum anstren
men, geschweige denn ausgehen«
Stcheres Zeichen.
»Unser Freund Süssel soll ja ganz
verschollen sein«-em
»Ganz und gar! Den findet selbst
der Geldbriesträger nicht mehr.«
W
Es war einmali
Herbststizze von Walburg Man-l
ter.
Sausend rollte der Schnellzug
!
durch lleine Städte, an einzelnen Ge
hösten vorbei, über Brücken, die sich
über silberschimmernde Flüsse spann
ten, auf Dämmen, durch Wiesen, die
im Abendsonnenschein feucht blintten,
durch den herbstlichen Wald, der in
allen Schattirungen von Grün, Gelb
und Rath prangte,—-——der Abend
sonne entgegen, oder besser gesagt,
nach, denn sie war schon tief unten
am Horizont.
Der kurze Herbsttag ging zur Rüste,
und sattes, flammendes Roth bedeckte
den westlichen Himmel; die ganze
Landschaft schien in diese Farbe ge
taucht; sie funkelte in den Fenster
scheiben, malte die Dächer und
Thurmspitzen und stahl sich zwischen
die Bäume-, durch die sich die eiserne,
teuchende Schlange hindurchwand,
daß der Rauch der Lotomotive röth
lich schimmerte. Die düsteren Tan
nen und Fichten erglühten in rothem
Schein und die schlanten Birken
stämme deren grüne durchsichtige
Schleier hellgelb waren leuchteten ro
senfarbig hervor —- —— I
Wir saßen am Fenster eines Ab-!
theils, hinausträumend in den däm-?
mernden Abend, mit fest verschlunge-;
nen Händen, still und ohne Worte;j
das Abendroth umspielte sein schönesJ
rassiges Gesicht mit zuckenden Lichtern
und glänzte in Unseren Augen die zu- z
einander sprachen in jener unerschöpf- J
lich reichen Sprache, die ewig war, ist
und sein wird, zwischen Menschenkin
dern —- —— die sich lieben. —- —
Ein schriller, langgezogener Pfiff
—- der Zug hielt. Ein kleiner, öder
Bahnhof mit wenig Verkehr. Die
Schaffner rufen den Namen der Sta
tion und öffnen die Thüren für die
paar Aussteigenden; es geht alles
sehr schnell; kaum stehen wir auf dem
fast menschenleeren Bahnsieig, so saust
der Zug schon in unabsehbarere Ferne
weiter.l
Das Abendroth ist berblichen;
kaum erhellt den nebelgrauen Himmel
noch ein fahler, grauer Schimmer.
Hoch ragt der alte, rothbraune Ziegel
bau des Bahnhofgebäudes emport. Vor
zwanzig Jahren ebenso wie heute —
nur daß damals liebe Menschen einen
erwarteten oder begleiteten und überall
bekannte Gesichter den Ankommenden
begrüßten. Jn den Gartenanlagen
des Bahnhofs recken die Bäume und
Sträucher ihrer entblätterten Zweiges
in die Nebelschleier empor, und einT
kalter Hauch weht uns auf dem Weg
zum Städtchen entgegen. Der Ge
ruch der welten, auf dem schwarzen
Weg raschelnden Blätter, genau wie
vor langen, langen Jahren, erweckt
die Erinnerung an jene Zeit, als ob
·ch gestern noch hier gegangen wäre.
Und ich zeige und erkläre meinem Be
gleiter überall liebe, erinnerungsvolle
Stätten. Dort steht das graue Haus,
auf dessen ioeinumrankter Terrasse ich
idamals manche frohe und ernste
iStunde meines Lebens verbrachte.
Fluch jetzt wehen und nicken die brau
;nen Ranken im Abendwind —- aber
das Haus beherbergt nun fremde, un
bekannte Menschen. Jch grüße es mit
leisem Seufzer im Weitergehen. Wo
ider Weg eine Biegung macht, steigt
seine andere Erinnerungsstätte aus. —
Damals war das Haus neu und blen
dend weiß, die Zeit hat es grau ge
färbt. Aber in meiner Erinnerung
leuchtet es hell auf, mit allem unver
stcmdenen Herzengliick und Herzeleid
jener goldenen, unvergeßlichen Jugend
stage. Der große Garten im Prächti
gen Herbstschmuck erzählt halbverges
sene Märchen —- ,,es war einmal«!
Jedes Haus, jeder Platz, jede
Straße, die alte, einfache Kirche neben
dem von Epheu umrantten, tleinenj
Pfarrhaus — alles hat eine Stimme’
und spricht zu mir von ,,damals«. —
’»Du bist still und traurig,« sagte die
liebe Stimme meines Begleiters, und
leicht driiclt sein Arm den meinigen.
,,Verzeih,« erwidere ich, ,,hier redet die
Vergangenheit so laut,« daß ich unwill
kürlich still geworden bin.«
»Und ungliictlich'.«s« fragt er mit lei
sem Vorwurf.
»Nicht unglücklich, aber mir ist, alsl
sei ich ein irrender Geist, der um
Mitternacht alte ,Erinnerungsstätten
aussuchen muß, um vergangene-Z Glück
und vergessene Schuld zu sühnen.««
»Welch trauriger Gedanlel Und du
hast mich doch neben dir und weißt,
daß keine Heimath in der Welt so
sicher und liebevoll ist wie die an mei
nem Herzen!« ——
,,Doch —- ich weis-z das sehr wohl
und bin so glücklich. Aber trotzdem,
oder vielleicht eben deshalb bat ich dich
um diesen Ausflug in diese Erinne
rungswelt Kannst du das nicht ver
stehen?«
»Nicht ganz, mein armes Kindchen,
denn wo ich mit dir bin, kümmert mich
weder Vergangenes noch Zukünsigeö.
Jch lebe nur in der Gegenwart-«
--—·-.-.--—
Leichtc Abhtllfr.
»Es thut mir leid, aber ich gebe
meine Tochter grundsätzlich keinem
Maleri« ,
»Wenn ich sise aber zur Frau be
komme, Herr Kvmsmerzienrath, aeb’ ich
ja ganz aern das Malen aufl«
W
s Weins
»Sage-i Se mal, Feinu Mel-im
tout-un W Se denn immt eine-i
In Leu Klößen groß nnd den andern
m
»Im schen Se, meine liebe Fee-Essi
Mitllern tnei' Mann hat sich lie
schmett, daß er zu wenig Abwechng
im Essen hatt«
Dnchhaiem
Wirth: »Hm Wen ver Sees ege
mundet?« Ich habe ihn selbst erlegt!«'
Gast: »Sie gehen so lang auf vie
JOHN bis Sie ein«-mal herunterw
Hänslickset Webe.
Damie: »Seit vierzehn Ta rette
ichhrmit meinem Manne ten Wes-et
me
Herr: »Dann lebt i a im schöns
tden Frieden« hr i
Summntiitlr.
Hausknecht leines Dorfwirthslzau
fes das zugleich Benzinitation isi):
»Der Autler da draußen wünscht für
äch» und sein Schnauferl was zu lau
Beu der Schmiere.
»Warum scheelt denn der Souffletu
heute so?"
»Der hat heute Venefiz und bei
möchte er sich eben auch bemerkba
machen.«
Zusammenklans.
»Wie hat sich eigentlich dies Paar
zusammengefunden?«
»Sie hörte das Klingen seiner Spe
ren für’s Leben gern und er das Klin
gen ihrer Goldfiichsie«
Fakul.
»Die Damen, die Sie an den- Mann
bringet-, werden wohl alle Ihre Freun
dinneni«
Heirathermiiilen »Das i «, ,
aber zugleich hab' ich immer ei
Feind mehr!«
Immer die gleiche.
Mann lbei der Schiffs-Katastro
phe): »Willst Du denn zu Grunde
gehen? Warum wirfst Du den Ret
tungsgiiriel wegli«
Frau: »Ach, der macht so plumps«
Aus einem Geichäitsbricf.
»...Jch kann Ihnen denMeiet
als Weinreisenden sehr empfehlen; er
ist allerdings im Verkehr mit den
Kunden äußerst schweigsam, aber feine
Nase redet ganze Fässer.«'
Der kleine Verräther
Der kinderlose Onkel Ferdinand
besucht feine Verwandten in derStadi,
wo er von allen aufs Herzlichssie auf
genommen wurde. Der kleine Fritz
kommt dieniteisrig mit einer Wärm
flasche und wollenen Decke angekragen
und beginnt den Onkel einzuhiillem
»Aber, Kleiner, mich friert ja gar
nicht!" sprach abwehrend Onkel Fer
dinand.
»Ja, der Vater sagt. Du wärst ein«
Erbsonkel und Dich müßten wir warm«
halten!« entgegnete treuherzig der
kleine Verräther-. ·
Nicht abzubringen,
Pastor: »Nun, Hu-berbauer, warum
so niedergeschslagen?«
Huberbauert »Ach Gott. Herr Pre
ftor, mien Wief will absolut weg von
nur.«
Psastor: Ja, hast Du denn nicht ver
such;, sie von dieser Absichiabzubrim
gen» «
Huberbaurn ',,Jso, ja! Alles hatt ich
gethan, ich hsan geschimpst, han «
Essen weggenommen, han se de Zähne
eingeschlage, un in«n- Keller gesperrt,
damit se auf annere Gedanken lomnnm
soll, abber nix hilft, se will asfsolui
boim.«
Ein Frcchlinq.
Guts-besitzen »Heda, was wachen
Sie auf dem Baume?"
Apfeldieb: »Na, unsereins will doch
auch mal auf ’n grünen Zweig kom
men!«
Rindetmund.
Schneider lfiir den kleinen Fritz ein
Paar Hosen absliefernd, zu dessen
Mama): »Na, die find fehr feft geat
beitet!... Die zerreißt er so leicht
nickit!'«
Der kleine Fritz: »Na, dag will ich
mal sehnt«
Verdachtigcr Eifer-. «
Onkel lder feinen Neffen besuchen
kommt, auf dem Bahan »Wer ift
denn der Mensch, der dsa fo bereitwillig
meinen Koffer trägt?" .
Neffe (verlea,en): »Das... das its
mein Schneider, Onkel!«
Auch ein Trost.
Schwiegerfohn in sve (zum zukünf
tiaen Schwiegervater): »Da bat mir
aber Niemand ein Sterbenswort ge
sagt, daß Ihre Tochter auch Klavier
fpieltitt
Schwiegervater: »Aber machen Si
fich doch nichts draus, . . . sie spielks
ja fo nicht ordentlich!«
Dingen-Ia
Modiftin (zum Arzt, mit dem Ho
schon zum vierten Male bei der kran-«
ken Gnädigen zufammentrifft): »Sie
können fich plagen wie Sie wollen.
Herr Dottor,...ehe wir iiber
Schnitt des Kleides im Klaten sind.
...ist es mit dem Gesuudwekviis
nichtsi«