Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, November 24, 1905, Sweiter Theil., Image 9

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    ". M
Die Mutter-liebe
«Blll.sl Du sticht-un der eitlen Liebe Bill-,
o deine einer kkeuen Mutter Blick. «
» Wenn sie des Klnch Kummer krdkiend lkllli
Und lächelnd ihm erzählt von späkmn Glücks
XVIle Du etfchnii'n des echten Glücke-Z Bild
Lsf lchnue einer Mutter Seligkeit
: nn le durch llikek itindik Ibnicn kiiblkr
G qie k klir treue Bis-is noch Dankbarkeit
Drum wahr· Dir viele-n kranken Glücke-S Sie-m
fei " würdig Dich dkk Miiiktckliehk Glück!
te bt Dich dann crust »Zuk- Schickfcil in die
.1--. ein',
-»So denkst Du freudig nn das Hatt-F zurück,
« Das-s Tcinkr Eltern Viehe limit. die arm
Dein Wledcrlehrcn kenn mil frrisd·n(-iii Blick.
Die harte Pflicht
ovelletke von Hugo v. Giesen.
« Nun war es also eingetroffen!
Atlas sie zwei Jahre lang mit bangem
;»-«;ittern« gefürchtet, jetzt war es Wahr
sheit geworden. Sein Anwalt hatte
. - ihr geschrieben, daß er nun wieder von
seinem Recht, im Frühjahr und Herbst
— «;;r«;s7« sein Kind je vierzehn Tage um sich zu
haben, Gebrauch machen wolle.
Schon als sie Morgens auf dem
Frühstückstisch das große, graue Cou
vert, das für gewöhnlich die Einlei
. tung der Verhandlung barg, in die
-. Augen belam, hatte sie der Schreck er
·" griffen. Jetzt stand sie vor ihrem ei
genen Rechtsbeistand und rang nur
« immer die Hände
»Ich mag es nicht —— und ich wills
nicht mehr«! Er hat lein Recht —- —?
Der Anwalt unterbrach sie. »Doch
. gnädige Frau«, sagte er ruhig. »Ihr
s« gefchiedener Gatte hat das Recht. Bei
der Auseinanderfetzung damals haben
Sie sich beide dazu bekannt. Jhr
Knabe ist über sechs Jahr. Sie wis
- sen, von dem Moment an kann der
Vater die Erziehung für sich bean
spruchent«
Sie wußte nichts mehr zu sagen
Sie drückte das Tuch vor die Augen
und begann zu schluchzen.
Etwas rathlos stand der Anwalt
neben ihr. Dann begann er liebevoll
E auf sie einzusprechen.
- »Sie brauchen doch nicht selbst —
—’ Sie haben doch so viele zuverläs
sige Freunde, die Ihnen gern die trau
rige Pflicht abnehmen würden, gnä
is dige Frau!«
F Sie schüttelte den feingeschnittenen,
« « blassen Kopf. »Nein, nein...das
«-, mag ich nicht —- und das geht auch
s nicht! Sie wissen, wie der Junge ist.
Lebhaft und-wild, wiss leider auch
sein Vater war. Und kränklich bei
- alledem. Wenn ihm etwas passirte, ich
, würde mein Lebtag keine Ruhe mehr
haben.«
Und seit jener Zeit saß sie nervds
und aufgeregt in ihrer kleinen Woh
nung, und bangte dem Tag entgegen,
wo die harte Pflicht sie auf den Bahn
hos trieb, um dem Vater ihres Kin
des entgegenzufahren. Kein Schlaf
kam in ihre Augen. Nur das Bild
; s stand immer vor ihr, wie vor zwei
Jahren zum letztenmal ihr Junge mit
» feinem Vater gejauchzt und gelacht
hatte, wie seine Wangen sich gerüthet,
s seine Augen gegliinzt hatten, wenn er
mit ihm zusammen war, und wie ihn
heiße Sehnsucht quälte, als jene Zeit
dann vorüber war.
Wenn es jetzt wieder so wäre, wenn
iene frohe Liebenswiirdigteit, die einst
sie selber gefangen nahm, ihr jetzt auch
das Herz ihres Kindes entriß! Den
einzigen Trost, das einzige Glück, das
ihr zerstörtes Leben noch kannte?! Sie
mochte es nicht ausdenken, denn das
fühlte sie fest und klar, das würde sie
nicht überleben. Aber freilich, sie war
in den letzten Jahren immer still und
traurig gewesen, sie hatte das Lachen
taum noch gekannt, aus ihrem Leben
war der Frohsinn verbannt. Wenn
das Kind diese Heiterkeit entbehrte . ..
» »Jetzt, wo der Tag der Begegnung
näher rückte. fiel es ihr schwer auf die
Seele. Mit Gewalt raffte sie sich auf
»- aber ihr Junge stand scheu dabei.
Er fühlte wohl instinktiv, baß dieses
Lachen nicht echt, diese Lustigkeit nur
erzwungen war.
i- Das hatte er von seinem Vater.
- Dem konnte sie auch nichts vormachen.
Der ahnte jede leiseste Verstimmung
"—- in thr, der durchschaute die Muste,
- die sie in den Tagen des Streits und
»Daders trug, wenn sie ihn lächelnd fe
"- ster ans Daus zu fessein strebte. Der
sviirte es in seinen Künstlernerven
Ach und auch diese unglückseligen
Nerven hatte er von ihm. Bei trübem
Wetter saß er vergrämt und miß
muthig in der Ecke und starrte vor sich
hin —- und lam die Sonne, dann war
- er wie umgewandelt, konnte sich
freuen über iede Kleinigkeit und iu
beln, als wäre ihm das größte Glück
geworden. Dann holte er sich auch die
kleine Geige, die ihm sein Vater noch
geschenkt, und unter seinen winzigen
Fingern sprangen dann die Töne her
vor und hüpften die Melodien, daß
"« - n seine neun Jahre leicht vergessen
unte.
Sie hatte diese Neigung, die ibr eine
aliietliche schien, mit aller Kraft un
» rücken wollen, hatte das Instru
« t ihm fortgenommen und ihn auf
» Schularbelten verwiesen. Da
z er still und traurig geworden
» fein Wort webr aesprocksem und
« Nachts auf den weißen Kissen sich
:«- weint. km Ueber-nimmer hiirte
. n oftmals schlucken, aber sie be
« « a sieh immer wieder . . . bis ein
Yeömåka
Staats- Anzejger Und Yrrold
v J. P. Wittdolvh, Herausgehen Grund Island. Nebr. 24 November 1905 (Zweitckacil.) Jahrgang 26 No.13
E—
ängstigt und gequält ihm endlich die
Geige wiedergab.
Seitdem was-Z ihr, als schwebte
zwischen ihnen beiden das Gespenst
des Mißtrauens, und das bedrückte sie
jetzt doppelt. Warum war ihr ge
schiedener Gatte nicht lieber gleich ganz
in dem von ihm so verhiinmelten
Amerika geblieben, warum mußte er
jetzt zurücktommen, wo sie fast schon
ruhig war und sich geborgen fühlte!
Seine unstete Natur trug natürlich
»auch daran die Schuld. Ach und was
hatte die nicht schon alles angerichtet!
Aber was half das Grübeln und
Sinnen. Gewähren mußte sie seinem
Willen doch, denn er war imstande
und verlangte das Schlimmste von ihr,
die Trennung von ihrem Kinde. Das
wollte sie nicht aufs Spiel setzen.
An einem llaren Sonntag fuhr sie
fort. Der Zug war nur mäßig be
setzt, so daß sie ein Abtheil siir sich
allein hatten. Der Knabe stand am
Fenster und schaute in den lachenden
Morgen hinein. Seit er wußte, wohin
die Reise ging, war er lustig und gu
ter Dinge. Man sah’s ihm an, er
freute sich aus seinen Vater.
Und aus dieser Freude heraus plap
perte er unaufhörlich über alles, was
er sah und merkte. Jhm siel’s taum
aus, daß die Mutter nicht antwortete.
So voll war ihm die Brust.
Erst als er Thriinen in ihren Au
gen sah, wurde er aufmerksam.
»Mutterchen, du weinst . . . . ja,
«
sagte er verdutzt.
Da riß sie ihn heftig zu sich heran:
»Sag. Kurtchen, sag mir’ö ehrlich . . . .
könntest du wohl mal von mir gehen
— mich verlassen?«
Er sah sie von der Seite an. Nein,
Mutterchen. warum denn?«
»Auch nicht, wenn Vater lieber . . .
wenn er —- lustiger mit dir ist?«
Jetzt schüttelte er nur den Kaps.
Sie aber nahm ihn in ihre beiden
Arme und kiißte ihm wild und heiß
die rothen Lippen, die ganz eigenartig
zuckten und bebten.
Aber ruhiger wurde sie doch nicht.
Sie sah nur, wie er verängstigt von
nun an am Fenster stand und mit
heschatteter Stirn in’s Leere starrte
Denn sein Blick traf die Pracht da
draußen nicht mehr, seine Gedanken
waren weit, weit fort . . . .
Sie brauchte nicht lange mehr zu
grübeln, wo sie wohl waren. Denn
taum waren sie angelangt, hatten im
Hotel den Staub abgeschitttelt und
waren ein paar Schritte iiber die Pro
menade gegangen, da zuckte plötzlich
Idie kleine Hand in der ihren, da riß
er sich plötzlich los und stürzte hastig
hin zu dem Mann, der ihnen langsam
entgegenkam.
»Vater, Vater —-— -——«
Ueberrascht blickte der aus. »Junge,
Kurt ——- —·« dann nahm er ihn mit
ungestümer Zärtlichkeit vom Boden
und hielt ihn stumm an sich gepreßt.
Die Augen waren ihm feucht, und die
etwas grauen Wangen sätbten sich mit
leichter Röthe.
Lässig trat die Frau ihm näher.
i
»Du siehst, Walter,« sagte sie kühl,
»wir sind deinem Wunsche gesalgtt«
Unwilltiirlich streckte er ihr die Hand
sentgegem »Ja —- und ich dante dir
j iehr —- sehrl Du weißt ja nicht, wie
jsehr ich mich in den zwei Jahren nach
Imeinem Jungen gebangt.«
Sie übersah die Hand und lächelte
bitter. »Nach . . . deinem Jungens
tUnd als er zur Welt kam, war er dir
gleichgiltig Du iiimmertest dich nicht
sum ihn und auch nicht um mich.«
s Er stellte den Jungen wieder aus
tden Boden. «Gertrud, wollen wir in
tGegenwart des Kindes nicht lieber den
alten Streit vergessen?«
»Wie du willst," gab sie kurz zu
;riick. »Für die nächsten Tage gehört
er dir . . . da bin ich ja sowieso über
i
i
)
Iflijssia." Mit weniger Worten umg
Jten sie sich noch über die Stunde, zu
Jder der Knabe in’s Hotel zurückge
Jbrachte werden sollte, dann ging sie
! hochaufaetichtet davon.
i Mitleidia den Kopf schüttelnd, sah
Ider Mann ihr nach, dann nahm et
»seinen Junaen« bei der Hand und
sog mit ihm fort. Nach wenig Schrit
ten febon scholl fein Lachen wieder
durch die Allee·
Jn dem Hotelzimmet aber schritt
die Mutter ruhelos umher. Sie zählte
ife Minuten auf der gleichmäsiia ti
ckenden Uhr und glaubte nicht« daß die
richtia waren, sie preßte die beiden
Fäuste auf das heftig ilopiende Herz
und konnte es nicht zur Ruhe zwin
gen. Und sie saß und zermarterte sich
das Hirn, was sie ihrem Kinde wohl
anthun, was sie ibtn wobl bieten
könnte, um seine Liebe sich siir immer
tu erhalten, und sie fand nichts, fand
nichts, was ihr groß genug erschien.
Sie ging schließlich und kaufte ihm
allerhand Spielsachen. Aber sein
Dank war doch nicht wie sonst. Die
Lippen sagten viel, aber das Herz war
nicht dabei. —— —
Und sie fühlte es, wie dieses Herz
ihr zu entschwinden drohte. Gewiß,
es ging ja nur zu dem Vater. Aber
was wollte der? Der war doch fort
gegangen und hatte Sorge, Qual und
Angst nur ihr, nur ihr gelassen.
Sie fragte ihn oft: »Jungchen, bin
ich dir denn gar nichts mehr? Hast
du denn ganz vergessen, wie Mutter
chen dich gepflegt hat, wenn du trank
warst, wie Mutterchen mit dir gespielt
hat?«
Verschiichtert legte er dann die
Arme um ihren Hals. »Nein, Mut
terchen ganz gewiß nicht. Wirklich
nicht, aber . . . Vater ist so lieb, so
lustig —-— —«
Da fragte sie nichts mehr, aber sie
wurde streng mit ihm, wie nie zuvor.
Auf die Minute mußte er nun kom
men, sonst schalt sie mit ihm in bitter
heftigen Worten.
Und doch saß sie eines Abends und
wartete schon fast eine Stunde iiber
die festgesetzte Zeit. Da hielt sie’s
nicht länger aus« Jn Zorn und
Wuth stürzte sie, ihn sich zu holen.
Ohne anzutlopfen riß sie die Thiir
zum Zimmer ihres geschiedenen Gat
ten auf. Da sah sie Vater und Sohn
vor dem Notenpult « ·
Schritt endeten die Geigen ihr
Spiel.
»Was — was ist denn?« Erschreckt
hatte sich der Vater umgedreht.
»Wer ist mein Kind?« schrie sie ihm
entgegen.
Er sah nach der Uhr. »Ach so,«
sagte er dann. »Verzeih, wir haben
uns im Spiel verspätet.«
»Versp·atet?« Sie lachte höhnisch
auf. »Sag’s doch nur ehrlich, mit
deinem Spielen willst du das Kind
mir nehmen, wie du mir im Leben al
les« genommen, was Glück und Frie
den ist. O, dich kenne ich wohl! Ein
Künstler soll er werden Jvie du, nicht
wahr —— und Ehr’ und Pflicht verges
sen, und auch so hinauslaufen in die
Welt wie du. Nicht wahr, das willst
du doch?! Aber ich dulde es nicht,
und wenn ich mit Gewalt ——- —«
»Du brauchst leine Gewalt zu üben.
Er bat so sehr ——- da wollte ich ihm. . .
ich ganz besonders, den Wunsch nicht
versagen. Aber das echte Künstler
blut, das in ihm lebt, du wirst es ihm
nicht hinauspeitschen, und wenn du
noch strenger zu ihm wirst. Bei mir«
—- seine Stimme wurde plötzlich weich
-— «hat man es versucht, und du
siehst, was es aus mir gemacht. Un
stet und rastlos bin ich geworden!
Mehr wie jedem anderen Menschen
muß dem Künstler der Frieden aner
zoaen werden, und gerade in diesen
Tagen, da hab’ ichs so ost gedacht,
» wenn wir zwei alten Menschen —- ——«
s »Niemals!« sckrie sie da auf. Dann
; Packte sie ihren Sohn am Arm, stiilpte
Jihm die Mütze auf den Kopf und
stiirmte mit ihm aus dem Zimmer.
Jn dieser Nacht fand sie teine Ruhe.
Jn seinem Veilchen wälzte sich ihr
Junge und«schrie im Schlaf nach dem
Vater. Von ihr sagte er lein Wort«
Da brach ihr Stolz in sich zusam- ?
men. Sie sah die Jahre gehen und l
den Jungen zum Mann heranreisen, l
von Niemandem recht belehrt und ge
warnt. Sie sah ihn in die Welt hin-—
ausgehen, wie es sein Vater gethan,
und sie sah ihn sriedlos wandern, ge:
rade wie er. Und wer wußte, ob
auch ihm das Schicksal hold war.
In dieser Nacht faßte sie einen hel
denmiithiaen Entschluß: Sie ging zu
ihrem geschiedenen Gatten und bat . ..
um seine Heimtehr —— ---—
»Um des Jungen willenl«
Der lachte sie wieder hell und
freundlich an· Jhr aber zogen sich
plötzlich silberne Fäden durch das
dunkle Haar und tiefe Falten um den
Mund herab. Das sind wohl die
Zeichen des alles-schwersten Kann-setz
—.- —
Was der Mensch am meisten
liebt.
Mit einem Jahr —--- seine Amme.
Mit fünf Jahren - - die Mutter. Mit
zehn « die Schulteriein Mit fech
zehn die Freiheit. Mit zwanzia
« die Geliebte. Mit dreisiia —-« feine
Frau. Mit vierzig —- ieine Kinder.
Mit sechzia Jahren -— seine Bequem
liilsteiL und zu allen Zeiten sich
selbst.
Von der Schuster-h
Direktor: »Warum willst Du denn
; unseren jugendlichen helden schon wie
der entlassen, er spielt ja ganz gut!«
Direktor: »Das schon — aber die
l Lampen versteht er nicht zu putzen!«
Der Tausendmarkschein.
Humoreske von T e o v o n T o r n.
Herr Felix Richtenberg — erster
Brolurist der bekannten Konsettions
firma Bartholomy sFe Sohn — legte
das Zeitungsblatt kopfschüttelnd bei
seite.
»Haben Sie gelesen, Schmidt?«
»Was -—«
»Von dem neuen Gaunertnifs, der
, bfei Lesser Fc Wintler gemimt worden
its«
l »hab ich.«
»Na und was sagen Sie dazu?«
t
Benno E. Schmidt —- er war drei
Jahre in London gewesen und hatte
dort die Gewohnheit angenommen,
seinen zweiten Vornamen nur durch
ein-en Buchstaben anzudeuten-—- zuckte
die Achseln und driiclte den spiegel
blanlen Cylinder vorsichtig aufs
Haupt. Es war seine Tischzeit.
; » »Was ist da viel zu sagen, Herr
.Richtenberg,« erwiderte er leichthin.
« «Wen’s trifft, den trifft’s!«
» »Auch ,’n Standpunkt! Jn Ihrer
Jverantwortlichen Stellung als Em
Jpsangsherr müßte Jhnen ein solcher
i Fall zu denken geben —«
i »Giebt er. Aber doch nur insoweit,
Hals zu den siebenundneunzig verschie
denen Methoden, in denen heutzutage
sein offenes Ladengeschäft behumbst,
bestohlen und betrogen werden kann,
»eine neue getreten ist, die man sich
merken und vor der man sich in Acht
nehmen muß. Das ist kein Kunst
stück. Bei ganz neuen Tricks aber muß
immer erst einer reinsallen. Es
. kommt nur darauf an, wer. Mahl
s zeit, Herr Richtenberg.«
»So ein Mumpitz!« knurrte der
lProturist hinter dem Davoneilenden
her! »Muß! Kein Mensch muß rein
I fallen, wenn er gehörig aufpaßt.««
I Herr Felix Richtenberg war abso
lut sicher, daß ihm nichts passiren
konnte. Dennoch fühlte er sich unbe
haglich. Die Geschichte bei Lesser u.
IWintler ging ihm nicht aus dein
«Kops. Daß er das auch gerade jetzt
hat-e lesen müssen —- an dem einzigen
. Tage in derWoche, an dem er »Stall
wache« hatte iiber Mittag. Mit einer
nervösen Grimasse erhob er sich aus
seinem Schreibsessel. Die Daumen in
die Armausschnitte der blütheniveißen
Weste gehalt, trat er an das kleine
Fensterchen, durch welches man einen
Theil der luxuriösen Empfangs- und
Verkaussriiume übersehen konnte.
Alles leer und still in dieser todten
i Stunde.
Die Kasse geschlossen. Statt des
baumlangen Portiers, der auch zum
Essen gegangen war, lehnte ein
Groom am Eingang vor der hohen
Glasthiir, die nach der Straße führte.
Die drei Kommis standen in müder
Grazie beieinander und erzählten sich -
das Neueste vom Haugvoigteiplatz.
Nachdem Herr Felix Richtenberg
diesen Frieden einige Sekunden lang
hatte aus sich einwirken lassen, beru
higten sich seine Nerven. Er na-«)in
wieder in seinem Sessel Platz, saltete
Die Hände über dem runden Bäuch
lein und bemühte sich, an etwa-«- an
deres zu denken. Es gelang ihm das
auch nach wenigen Minuten schon so
gritndlich, daß fein Haupt immer tie
fer sank —- bis die Nase des Herrn
Prokuristen aus der aus der Weste
sich bauschenden Hemdbrust ruhte.
Er hatte noch nicht lange so geses
sen, als ein Anrus ihn ausschreckte.
Einer der Kommig stand vor ihm
und hielt eine Banknote hin.
»Verzeihen Sie, Herr Richtenberg.
Der Kassirer ist noch nicht da. Wol
len Sie, bitte, hier vierhundert Mark
herausgeben«
-1vas —— wa —s- —— ——— —4
ach« so — Vierhnndert —! Gleich
mein Lieber, gleich. Was ist denn
los draußen — -——«
»Ich habe einer Dame die Crepe de
(sl)ine-Robe nnd drei von den neuen!
bnntseidenen Binsen verlanit«, er
widerte der Konnnis mit leuchtendem
Stolze.
»Alle Wetter! Eine bekannte
Dame —---—?-«
»Nein, von außerhalb. Sie hat es
sehr eilig Will nach dem Anhalter
Bonnhof Wenn Sie also die Güte
haben wollten — —————
Herr Felix Richtenbetg hatte be
reits den Schlüssel in den Arnheim
qebohrt. Jetzt ließ er die Hand sin
ten und machte eine kranse Nase.
,,Freind —? Sehr eilig —? An—
hat-ice Bahnhof —-? Hören Sie
mal —- das ist ein merkwürdiges Zu
sammentreffen. Haben Sie die Ge
schichte gelesen, welche gestern bei Le
ser und Winller passiri ist —?« «
,,Allerdings. Aber diese Dame be
’zahlt doch baar, Herr Richtenberg.
Mit einem Tausendmarlschein!«
»Sehr schön. Und wissen Sie ge
nau, daß das ein Tausendmarkschein
ist —? Das Papier ist neu. Das
Papier ist verdächtig neu —- —«
Der Prokurist hielt den Sol-einge
gen das Licht, betrachtete und befühlte
ihn von allen Seiten. Das Resultat
der Untersuchung war, daß er die Note
dem Kommis zurückgab ,
»Ihr jungen Leute werdet nie ge
» scheidt. Springen Sie mal von hin
" ten herum drüben nach der Depositen
lasse und fragen Sie an, ob derSchein
echt is .«
! »Aber Herr Richtenberg, die Da
me — ———«
! »Wird so lang-e warten. Jch werde
inzwischen hinausgehen. Beeilen Sie
sich-«
Die Kundin —- eine schlank ge-i
wachsene Dame mittleren Alters von
vornehmen Allijren — reagirte auf
die liebenswürdige Unterhaltung, in
welche der Prokurist sie zu verwickeln
suchte, höchst einsilbig und ablehnend
Unrubia nestelte sie an ihrem silber
nen, mit einer Grafenkrone geschmück- E
ten Pompadour, schaute nach der
Droschie aus, die« draußen ihrer
harrte, und brach endlich mit der nn
geduldigen Frage hervor:
»Ja, wo bleibt denn nur der junge
Mensch mit meinem Gelde! Jch muß
fort.«
,,Einen Augenblick, Gnädigste,«
einen einzigen Augenblick! Die Kasse
ist leider um diese Stunde geschlos
sen —- und da ist er eben mal wech
seln gegangen.«
»Das finde ich aber sehr merk
würdig. Ein Geschäft wie das Ihre
hat nicht vierhundert Mark zur
Hand —? Haben Sie den Herrn etwa
weggeschickt, weil Sie in die Echtheit
der Not-e Zweifel setzten? —?«
Herr Felix Richtenberg bekam eine
fürchterlich rothe Platte.
»Aber ich bitte Sie, Gnädigste ——«
’ »Das würde ich mir auch sehr
’ verbeten haben.«
. Der Proturist sandte ein Stoßge
I bet gen Himmel, daß er den Kommis
serleucbten und ihm eingehen möchte,
den Schein nicht nur prüfen, sondern
auch gleich wechseln zu lassen. Leider
erfüllte sich diese Hoffnung nicht. Der
junge Mann tam anaejtiirzt und
blinzelte beruhiand mit den Augen.
»Haben Sie kein Kleinaeld bekom
men?« hauchte der Proturist ihn ver
zweifelt an.
,,Kleingeld ——? Ach so — — —
nein, leider nicht. Man hatte auf der
Bank augenblicklich keins.«
»Diese Farce habe ich nun satt,
meine Herren!« rief die Dame empört.
»Im anderthalb Stunden geht mein
Zug, und ich habe noch Bersrbiedenes
Zu before-en Außerdem paßt mir
Ihr beleidiaendes Mißtraiten nicht.
Sie haan den Bankschein priifen las
sen. Ich verainbte aus den Kan und
bitte um die Note!«
»Aber, hoc-verehrte, gnädiae Frau,
seh bitte tausendmal uns NerXerbnnC
Jch muß allerdings gestehen, daß ich
s— —--- aber wie das in unserem lite
scbiift liegt —-—— es ist erst gestern thie
der bei der Firma Lesser u. Wint
ler ——««
»er Verzichte und bitte um mein
(5ield!«
Olme aus die unerschöpflichen Ent
schuldigunan und Beschwörunaen des
Prokuristen Zu hören, nahm die Da
nsse ihren Tausend markirt-ein und ver
ließ erhobenen Hauptes das Lokal.
»Da hätten wir also sechs-hundert
Em Tageslosung weniger.« saate
Benno E. Schmidt, als der Proturist
ihm den Vorfall erzählt.
»Noch nicht, noch nicht,« erwiderte
Herr Richtenbera aufaereat. »Ich
habe einen ersterblicben höflichen Brief
aeschrieben und den Wonarowitzer, !
der die Dame bedient hat, nebst den !
Sack-en und vierhundert Mark auf
den Anhalter Babnbof aefebieit Viel- !
leickst nimmt sie die Sachen doch noch. »
sich habe dem Wonaroniitzer xnianiig ;
Mart monaiiiche Zulaae versproebem I
wenn er das Geschäft zu Weine
brinat. Jcki denk’, er tnird’5 »was-ein«
»Ich denke nicht. Und wenn erlö
masbi. dann ist was faul an der Ge
schicbte -—«
,,Wiefo faul? Was reden Sie von
faul! Da kommt er ja schon! Das
Nacket bat er nirbt ——— und ans die
Brusttasche klopft er sieh-! Na, Gott
sei aetroinmelt und gepsiffen. Es
wäre ais-b ewig schade gewesen um
das Geschäft. — Na, wie war’s,
Wonqroivitier? Nehmen Sie sich ’n
Stuhl, nehmen Sie sich zwei Stühle
und erzählen Sie!«
»Gut ist’s aegangen, Herr Richten
berq. Jch habe die Dame im Warte
iaal abgefaßt. Erst hat sie noch eine
sWeile aescbolten, dann aber habe ich
i sie breitaeredet. Hier ist der Tausend
markschein."
W
s »Brav, lieber Wongrowikeh Nr
brav. Es bleibt bei den Mantis
Mark — und wenn Sie mal ein paar .
Tage Urlaub brauchen —- —«
»Dann wird er keinen triegen,«
wars Benno E. Schmidt trocken ein,
nachdem er die Banknote einer Prü
fung unterzogen. »Der Schein« den
Sie untersuchen ließen, war echt?«
,,Goldecht! Weshalb fragen SieV
»Weil dieser falsch ist."
»Das ist nicht möglich,« stammelte
der Prokurist. »Das ist — —«
»Das ist so, wie ich gesagt habe,
Herr Richtienbera Bei ganz neuen
Trick-H muß immer erst einer reinfal
len. Werks trifft, den trifst’s.
--—,
»Unt» aller Kamme-«
Mit obigem Ausdruck be eichnet
. man bekanntlich eine ganz chlechte
l Arbeit. Warum sie um ganz schlecht
zu sein, unter der Kanone sein muß,
ist freilich völlig unverständlich.
Jetzt aber zeiat Professor Dr. Ernst
Schwabe in Leipzia auf einleuchtende
Weise, wie der Ausdruck durch eine
alberne Wortverwechslnng entstand.
Prof. Schwabe fand gelegentlich
schulaescbichtlicher Studien über das
Kurfiirftenthnm Sachsen in einem
Aktenbande aus dem achtzehnten
Jahrhundert, der auf eine städtifche
Lateinschule Vezua hat, folaende Er
zählung: Die Schüler der Anstalt
waren im Latein besonders verwahr
lost, Und das erregte den kerechtiaien
Grimm der Väter der Stadi. Auf
ihre Veranlassung nahm daher der
Oberpfarrer eine Visitation vor, ins
dem er die Schüler ein ,,(ixtempo
:ale« schreiben ließ und sich dann an
die Zensur machte. Das Eraebniß
war sehr unbefriediaend; denn in dein
Bericht an den Stadtratb theilte der
Oberpfarrer mit, das-, er sich ,,einen
Canon« von fünf Zenfuren (optime,
bene, sie Satis, male, pessime) ge
macht, daß aber leider viele der Arbei
ten so schlerbt«seien, daß sie nur als
»sub ommi Canone« (unter jedem Ca
non) bezeichnet werden könnten.
« Kanon war also die Staffel der Schü
lerzenfuren, und aus diesem Sprach
gsebrauch hat sich durch Mißverständ
niß oder Verdrehung obige Redens
art entwickelt.
Jm DankfagungssMouat.
Die Ulovembernnmmer der »Dentfchen
Hausfrau«.
Tas- soeben erfchienene dritte Heft des
weiten Jahrgangs der ,,Dentfchen Haus«
2ran« kann fich, was Ausstattung sowie
Inhalt anbelangt, mit den ersten Frauen
Zeitschriften des Jn- und Anslmides
messen.
Jn vollem Einklang mit der edlen
Silyönheit dest- lorbeerbelränzten Frauen
lopfesJ, welcher das Titelblatt ziert, ift
die Stimmung, welche den Inhalt be
seelt - -— wahr- schlicht und edel.
Auf den festlichen Prämienfeiten wird
besondere migeliindigt, daß auch Abt-une
mentsgcrnenernngen bei Ertheilung von
Prämien mitzähle-r nnd es somit den
Leserinnen der »Tentschen Hausfrau«
sehr leicht gemacht wird, die reizendften
Spielfaelien fiir den Weihnachtstisch zu
erwerben
Mancli erfreuliche Neuigkeit bezüglich
der Prämien sowie der Grösse und des
Inhalt-J der kommenden Hefte der
Deutschen Hansfrau« wird auf 4der
edttorteuen Seite angetundtgt· ’
Die nächste Seite schmückt ein stim
mungsvolles Herbstbild, begleitet von
einem sinnigen Danksagungsgedichte
Darunter beginnt eine kurze, sesselnde
Erzählung. Damit ist der Reigen der
unterhaltenden Artikel der November
nnmmer eröffnet. Zunächst werden die
Leser mit Wort ttnd Bild durch Alt
Nürnberg. dem Heime der deuts en
Ziinstiy geführt. Die sortlausende o
belle: »Der Wintergast in Dorf Zeedam«
entwickelt sich in dieser Nummer beson
ders interessant
Die Plauderei für junge Mädchen:
»Pflichten nnd Freuden itu Winter«
nnd die sür Frauen: »Unser Heim im
Winter« sind womöglich noch strittiger
uttd ltilsreirher alH je zuvor.
Tie Anweisung zur Anlage von Mist
beeten, begleitet Von Nathschlägen zur
ttiosentnltnr itn Winter, tann nicht ber
sehlen, manche-in Gärtner ttnd Blumen
freund bon nnschätzbarein Wer-the zu sein.
Die Zeite, welche der Werkstatt im
eigenen Heini gewidmet ist, bietet ganz
besonders werthvolle Anleitungen zum
Zinituern bon Bltnnenständern und zum
Bau eines kleinen (—55ewächshaused.
Mit besonderer Freude werden sicher
lich die beiden reiehhaltig illustrirtcn
lLunidarbeitsteilen begrüszt werden. von
denen die eine dem Her-stellen von Baum
schmnck gewidmet ist.
Denjenigen Frauen, welche ihre Män
tel selbst anfertigen, bietet die Novem
bernunttner der »Dentschen Hausfrau«
aussührliche nnd praktische Anleitungen
in dieser schwierigen Arbeit Die Mode
seite ist diesmal tnit Rücksicht auf die Be
dürfnisse der Jugend nnd des Hausbaters
zusatnmengestellt worden, da für die
Frauen schon iit früheren Nummern ge
sorgt wurde.
Professor Filiigler ist atniisanter als je
zubor und bietet seinen Schülern beson
dere Preise an.
Izu der Fragen nttd Antworten-, Haus
und Herd- nnd Vriestasten - Abtheilung
giebt sich die immer wachsende Begri
sternng nnd hilfreiche Mitwirkung der
Leserinneti t«uttd.
Nicht zu bemessen sind die sinnreichen
litt-dichte nnd die beiden Lieder: »Er-hä
ser’-J Sonntagsrslied« nnd »Ich hatte einst
ein schönes Vatet·lattd«t welche diese «
reichlmltigty 28 Seiten starke Nummer
enthält.
stutz, die Nobetnberntnntner der »Dritt
selten Damian-« beweist wiederunn daß
die Redattion das Vertrauen, welches das
Teittssslttlmm i-- d,n Nishi-Etwa Aktspmz
sVorhabetis gesetzt hat, voll und ganz
würdigt und vollständig rechtfertigt und
. dag ,,«r’åe Leu-we Hausfrau ntug aus
dem Pfade fortsthreitet, den sie sich bor
gesteichnet
Lllle deutschen Frauen, welche dieses
»Heft sehen, werden es sich nicht entgehen
lassen. darauf u abonniren. s-— Probe
. ntnmnern der « eutschen Hausfrau« sind
jbei dem Herausgeber dieses Blattes zu
serhaltem ,der auch gern Abonnetnents
entgegenntmmt.