Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, October 27, 1905, Sweiter Theil., Image 12

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    m- meknmtche Geschichte m
« ElmiraWeih
T« , Deo War ries eine Ordinaiiz ber
Itth M Gruß an den Adjutanten
« M ich wünsche ihn zu sprechen.« tagte
sit-Un dem Soldaten, der saluti
Ieud vor ihm stand. Der Forttrnnss
Mdunt fidhlte das Bedürfnis nach
Stöfnmee Er hatte in feinem Zorn
ein Detachement Soldaten unter dem
Kommsndo des Leutnants Colernan
im größten Sturme hinausgeschictt,
um einen-Destrteusr einsaugen zu las
sen. Der Gemeine Dorcas war in
der vergangenen Nacht nicht nur aus
gerissen sondern hatte auch noch das
Rennpferd der Tochter des Majors
mit sich genommen. Den Major reute
es jetzt, die Leute bei solch’ winterli
chern Weiter auf eine derartige Expe
diton gesandt zu haben.
Als der Soldat beim Adjutanten
ankam. war dieser gerade beschäftigt,
feiner Frau das Abendessen bereiten
zu helfen. Auf die Nachricht des Ma
jors nahm er die weiße Küchenfchiirze
ab und legte der Frau Adjutant die
Bereitung einer guten Sauce an’s
herz. Dann watete er durch den tie
fen Schnee über den Exerzierplatz
nach der Kommandantur. «
,,Glauben Sie, es wird wieder
Sturm geben?" trug ibn der Major
rn der Hoffnung, der Adjutani möchte
doch mildes Frühlings-weiter prophe
seien.
»Ja.« antwortete derAdjutant, über
die braunen Dächer der Stallungen
tn die weite Prärie hinausblickend
»Und was meinen Sie, wird aus
unseren Leuten geworden seini«
t «tNichts Gutes,« meinte der Ade
an .
——1
i
i
Der Umij vesay pas Oaromerer
und seufzte schwer Das Quecksilber
war tief gefallen.
«Jch hoffe nur, Coleman wird ver
nünftig genug sein und mit den Leu
ten umkehren,« sagte der alte Krieger, :
von dem Adiutanten wieder Tröstung
erwartend Dieser aber hielt es nicht
siir wahrscheinlich denn er hatte von
Leutnant Coleman keine besonders
lwhe Meinung.
»Bielleicht folgt er dem Rathe des
Korporals, « meinte der Major sich
selbst beruhigend.
,Jsch glaube es kaum,« versetzte der
Absutant und ging wieder nach Hause
zu seiner Frau.
Der Maer wandte sich, wie er es
gewöhnlich zu thun pflegte, wenn er
im Zweifel war, an den Sergeanten
Mike Hoolen Beide dienten schon
zusammen, als der Maior noch ein
bartloser Leutnant war und Mike ein
Jenaer Sprinainsseld. Nach kurzer
rathung übernahm es der alte
Seraeant selbst, Leutnant Coleman
den Befehl des Maiors zur Rückkehr .
nach dem Fort zu überbringen. Am
nächsten Morgen schwang er sich aus
sein Pferd und machte sich auf den
Weit
Indessen war Leutnant Coleman
selbst schon einige Stunden nach sei
nem Abmarsch zu dem Entschluß ge
kommen. mit seinen halberstorenen
Leuten nach dem Fort zurückzukehren J
Aus dem Rückmarsch hatte er den
Wald durchstreift und Hooley verfehlt,
der die alte Fahrstraße entlang ritt.
Als der Serpeant einige Meilen zu- i
» rückgelegt hatte, brach plötzlich ein hef
tiger Schneesturm los, der sich aber
gegen Nachmittag wieder legte. Da
bemerkte Hpoley einige Meilen vor ihm
einen einsamen Reitersmann. Er gab
seinem Pferde die Sporen und ritt in
leichtem Paß hinter ihm her. Aber
dieser hatte seinen Verfolger ebenfalls
bemerkt unid beschleunigte den Gang
seines Pfades
aDas ist zweifellos Dorcas, unser
Deserteurf dachte sich Hooley »Nur
schnell hinter ihm her.« Das gestoh
lene Pferd schien seh-on sehr entlriiftet
zu sein, der Deserteur zerrte es an
den Zügeln und bearbeitete es mit den
Sporen, doch es humpelte nur noch
mühsam vorwärts
Der Wald, in den Dvrcas zu flüch
ten beabsichtigte war noch Meilen
von ihm entfernt und Hooley war ihm
schon nahe aus den Fersen. Da brach
plbtlich ein fürchterliches Schneegv
stöber los, das einen dichten Schleier
zwischen die zwei Reiter zog, so daß
einer den Anderen nicht mehr sehen
konnte. Dorcas schwenkte mit seinem
Pferde etwas seitwärts ab und ver
barg sich in einem vom Schnee ver
webten Graben. Er sprang aus dem
Sattel und zog seinen geladenen Re
« volver aus der Tasche. Dann hockteer
"
lauert-d hinter das Penn, welches
im Falle eines Kugelwechsels als
Sehnswehr dienen sollte. Seine vor
selbe erstarrten Finger waren aber
Mut mehr fähig. die Waffe zu halten-.
Er lehrt-te sich zitternd an das miide
Thier und wartete mit Bangen. Von
MStraße war infolge des Sturmes
tächts mehr zu sehen und die Minu
ten unten in seinem Versiecke sckimen
isten wir Stunden. Nach seiner Reit
berechnuna könnte sein Verfolaer
TM sannst an ihm voriiber sein: elsen
«. weilte er hinter dem Pferde her-rot
-« M, um zu spähen als er bloß
" M hinter sich das Knirschen des ge
«« . Sein-es vernahm Er wandte
nett Mitreischnelle um und feuerte,
,HG-nchtvr zu besinnen-rohen
Da immer-te em »eines-L nruvvmes
Bonn zu ihm heran. Auf feinem
Mitten war ein dickes Pelzbiinbel auf
gebundm aus dem nichts als ein
paar große, blaue Minderunqu ber
Intauckim Die Fäßchen deg kleinen
Achsnfeö waren mit aekienien Bin
, sen Iesi em den Leib bes Pfades ac
«»Wiiss..’e. Dvrcas trat näher und das
Werte Thier versank vor then
langsam in die Kniee Er versuchte, es
durch Sieben nnd Rasen in die Höhe
zu bringe-n aber es bals nichts, die
Kugel war ihm in die Brust gedrun
aen und das Blut träufelte aus der
tiefen Wunde. Douas versuchte
eiligst die Binden von des Kindes
Fäßchen zu lösen, aber er konnte es
mit seinen erstarrten Fingern laum
fertig bringen. Nach vieler Mühe
war es ihm doch gelungen und er
wollte den kleinen Reiter vom Pferde
heben· Da plötzlich wurde ihm das
Kind gewaltsam aus den- Händen ge
rissen. Hoolen, der sich mit seinem
Pferde unbemerkt genähert hatte, saß
ruhig im Sattel, das lleine Pelzbiiw
del in seiner Rechten haltend. Der»
überraschte Deserteur stand wie an
gewurzelt da und blickte dem Sergean
ten herausfordernd in die Augen.’
hoolen stieg vom Pferde und stellte.
das Kind sanst aus den Boden.
»Ah, heute nicht in Uniform?« sagte
er spöttisch eu Dort-as und besah sich
dabei des Deserteurs zerrissene Com
boy-Kleidung-. Bei dem Klang seiner
Stimme fing das kleine, hilflose We
sen, das zwischen beiden stand, laut
zu weinen an. Des Kindes Stimme
schien das rauhe Herz des Srrgeanten
zu rühren.
»Warum oeruhtast Du es man-cv
fragte er Dorcas gereizt.
»Warum berubiast Du es denn
nicht selbst?« erwiderte Dorcas der
nicht wußte, was mit dem kleinen Ge
schöpfchen anzufangen
»Meine Wider-rede. Komm' hierher
und nimm das Kind und-—- und be
rubiae es. Aber ein bischen rasch«
sonst —.« hoolen kommandirte, als
ob es galt. eine Reihe Soldaten zu
drillen. Dorras gehorchte.
Das Kind schmiegte sich vertrau
ensvoll in des jungen Reiters starke
Arme und Dorcas’ Gesicht rötbete sich
sichtlich vor Freude. Endlich war das
kleine Wesen zum Stillschweigen ge
bracht und guckte mit-seinen großen
blauen Augen zu den Soldaten auf.
Die beiden Männer stießen ein gleich
zeitige-s, verwundertes »Ab!« aus.
Auf ihrem einsamen Priiriefort hat
ten fte noch nie ein so reizendes Ge
sichtcken zu sehen bekommen.
»Ich möchte doch wissen, ob es ein
Mädchen ist« " saate Dorcas leiser.
Hoolen guckte neugierig in das Bün
del, als ob er eine amtliche Nachricht
daraus entnehmen wollte. Er guckte
verständig, aber erwiderte nichts.
»Soll ich das Häubchen ein wenig
zurückschieben. vielleicht können wir es
da sehen?« srua Dorcas mit großer
Kühnheit ’
»Gut, tbue es,« brummte Hoolen,
seine große Neugierde verbergend.
Dorcas schob mit zitternden Fingern
die Haube zurück und nahm die dicke
Binde von des Kindes Kinn und
Mund. Ein süßes, kleines Köpfchen,
von aoldbraunen Locken umrabmt er- »
hob sich freundlich läckselnd zu ihnen. "
»Wie beißtDu denn?« fragte Tor
cas schüchtern.
,.,"Nora antwortete die Kleine.
»Und wie alt bist Du denn?«
»Bier J-.abr Ob, es friert mich,«
sagte sie zitternd und fing wieder zu 2
wenien an.
»Dorcas, die iunae Dame friert,«
faate Hooley in aebieterisckem Tone
Dorcas zoa schnell wieder das
Häubchen in des Kindes Gesicht und
wartete auf weiteren Befehl.
»Was sollen wir mit ihr nur an
fanaen?« sagte Dorcas nach einer
Weile.
»Wir anfanaen?'« schnaubt Hoolev,
der wieder die Würde eines alten
Seraeanten anaenommen hatte. »Ich
Mike Hoolen Seraeant der Kaoallerie -
der Veveiniaten Staaten, werde tbun,.
was ich für gut finde. ohne den Ein
ggruch irgend eines Anderen zu dul- ;
n.« I
Dvrcas verstand. »
Besteige mein Pferd,« befahl Hod
led und wb dass-sind in Dorcas
Arme, dann schwang er sich selbst auf
das gestohlene, müde Pony und beide«
machten sich auf den Weg, um den;
Spuren von Nora's todtem Pferde zu- J
rück zu folgen. Ein wilder Blick leuckp -
tete plötzlich aus Dorcas Augen. Sei- ;
nem Pferde beftia die Sporen einzu
setzen und über die Ebene hinweg nack; «
dem Walde zu und dann an die Küste
zu flieben, wiirde ihm vielleicht die«
Freiheit wiedergeben. Jetzt wäre der
geeignetste Augenblick dazu. hooley
würde ihm mit dem müden Bonn doch
nicht folgen können. Aber während
er so darüber nachdachte. siel sein
Blick auf das in seinen Armen rubende -
Pelzbitndeh und das oerscheuchte diese
Gedanken wieder aus seinem Kopfe«
So ritten die beiden Männer eine
Zeit lana stillschweigend durch den:
tiefen Schnee, bis endlichhooley wie
der beaanm »
«Waruni bist Du denn eigentlich
ausgerissen?«
.Weil ich mich elend sitblte,««erwi
derte Doreas mit einem Blick, der
weitere Erklärungen s überflüssig
machte. -
»Jeder Soldat hat das Gleiche mir
gemacht und kämpft mit dem trost
lofen. ewigen Einerlei des Lebens in
den einsamen Prärieforis aerade fo
wie Du. Auch mir ist es nicht besser
erqunaen,« fanie Hooley vorn-aris
voll. »Ich rathe Dir nur, wenn Du
ie wieder so fühlen solltest, nicht das
befte Pferd aus dem Stalle zu neb
men um einfach Deine Launen zu be
friedigenk
Boreas ließ den Kopf hängen und
erwiderte nichts. Sie sprachen auch
zden ganzen Nachmittag kein Wort
. mehr über fein-e Flucht und verfolgten
sdie Spuren des todten Bonn weiter
Da aber mit einemmale waren biefe
Linie wägen-sieht es war nicht mehr
dsi mindeste Zeichen eines Neide
butes zu selten ,
»Ich glaube, die junge Dame muß
Iirgendwo von daber tommeu,« tagte
shooten verzweifelnd um sich blickend.
J »Wie schrecklich wäre es. diese·Nacht
im Sturme zubringen zu mussen,«
sagte Deren-. aus das schlafende
Bündel in seinen Armen deutend.
»Sie muß unbedingt Jemandem
bier herum gebören,« sagte hocken.
»Vielleicht sucht man auch nach ihr.
Komm’, wir kehren lieber um und
halten uns an die Fahrstraße, bevor
die Nacht bereinbricht.« Sie schwenk
ten links ab und kamen nach kurzem
Ritte an eine ungewöhnlich große
Schneeverwebung Die Pferde bäum
ten sich und wollten nicht weiter, bis
endlich Honley abstieg und sich dem
Hausen näherte. Den Schnee ein
wenig wegriiumend, entdeckte er ein
Wagenrad und allmählich kam ein
alter, mit weißer Leinwand über
spannter Präriewsaaens zum Vorschein.
»Das ist Papas Wagen!« rief Norm
die durch das Sprechen der beiden
Männer wach geworden war.
»Deines Pavas Wagen?« wieder
bolte Hooley, sich zu ihr wendend, »ja,
aber wo ist er denn? s— Das Ende der
Rede war ein bedeutungsvoller Blick
aus Dorcasz
»Er band mich auf Nellie’s Rücken
und ich weinte und Papa weinte auch.
bis Nellie mit mir davonlief. Ob, ich
bin so weit aeritten und es war mir
so talt. Ich friere auch ietzt noch sebr.
Ps« will zu meinem Pada!«
Fräulein Nora versuchte ihrem
Bündel zu entschlüpfen, aber Dorcas
biethze seit.
». will zu meinem Vapa!« schrie
tie, sich gegen ihn webt-end.
»Dorcas,« saate Hoolen schnell, »ich
alaube, es ist besser-, Du reitest mit der
Kleinen ein wenig spazieren. Ich will
den Wagen untersuchen.« Dorcas ge
barchte und Hoolen stiea in denWagen.
»Es ist nutzlos, noch weiter herum
zusucbem ich glaube bestimmt, das,
kleine Mädchen stammt aus diesem
Weg-IV .
--. « m, «
»Im mochte memen Papa, organi
. Nora von Neuem bitterlich weinend.
»Mein Kind, der ist nicht hier!«
»Wo ist er denn?«
»Der ist weit fortaeaanaen und
wird siir lange Zeit nicht wiederkom
men.« Hvoley warf bei diesen Wor
ten wieder einen vielsaaenden Blick
auf Dorcas.
»Ich wollte, wir könnten die letzten
Pflichten noch ersiillen,« saate er nach
dentend, »etwas muß gethan werden«
»Der Boden ist viel zu hart, um ein
Grab zu araben,« meinte Boreas
»Ja, ich glaube auch.«
»Lass’ uns die ganze Geschichte ver
brennen, es wird sicher etwas Heu
drinnen sein.«
»Ja, Heu und die Habseligteiten
eines alten Goldsuchers,« saate boo
len. »Aber verbrennen wollen wir es
nicht. Uebetlassen wir es lieber dem
S-:linee.«
Und so thaten sie es auch und ritten
weiter.
Aber kaum waren sie eine Weile un
terwegs, da brach der Sturm wieder.
los und veitsrbte ibnen den Schnee
mitteidslos in’s Gesicht. Sie konnten
einander kaum sehen und hören. Die
Werde senkten die Köpfe und suchten
sich tanasam ihren Wen.
»Reick!e mir das balftesr ber, es
bänat an meinem Sattel, wir verlieren
einander sonst!« schrie Hoolen
Seine Stimme drana nur in gebro
chenen Wort-en zu Dorcas Ohren. Die
ser reichte ibm mit vieler Milbe das
Ende des Seiles und hooley band es
an seinen Sattettnops.
»Wir —- aehen zurück — Wagen!«
hörte Dorcag rufen und das Pvny
machte Kehrt, das Truppenpferd mit
sich ziehend. Nach langem Kampfe mit
dem Sturm tamen sie endlich zum
Wagen zurück. Keiner wollte in das
Innere steigen tveaen dem, der leblos
und steif unter dem Leinendache lag.
Hooley stiea vom Pferde und half auch
Dorcas mit dem Kinde aus dem Sat
,tel. Er löste die Gurten von den
Pferden und warf die Sattel unter den
Wagen. Dann sab er traurig nach
seinem treuen Begleiter in so vielen
Kämpfen gegen die Jndianer und nach
der Satteldecte, die vielleicht des
Thieres Leben retten würde. Nach
schwerem Kampfe mit sich selbst aber
nahm er sie doch vorn Pferde und
breitete sie unter dem Wagen aus.
Je Pferde überließ er ihrem Schick
a e.
Nun taucrten sich die beiden Män
ner hinter eines der großen Wagen
rijder und schmiegten sich, in die Decke
einaehiillt, dicht aneinander. Nota.
deren Gesichtchen vor Kälte ganz blau
geworden war, lag erschöpft vorn vie
len Schreien zwischen den zwei Sol
daten. Endlich schlief sie ein. wäh
rend der Sturm um den Waaen todte
und beulte. Die Pferde hielten sich
dicht aneinander gedrängt bei dem
Waan und stampften die ganze Nacht
» unruhig den Boden. Hooley steckte sich
Heine Pfeife an und Dorcas neiate sich
: über das schlafende Baby, uin sich von
hooley Feuer zu holen.
So brachten sie rauchend eine lange
Zeit in tödtlickem Stillschweigen zu.
Nora schlief sehr unruhig. Sie war
mit dem Kopfe gegen hoolev gefallen
und dieser öffnete seinen Rock. urn mit
einer Brustseite desselben ibr Gesicht
chen zu bedecken. Dann legte er fernen
Arm über ihre lleinen Schultern, um
sie zu erwärmen. s
Dorcas beobachtete ibn eiferfiichtigz
Spulen hob von Zeit zu Zeit seinen
Rock vorsichtig von der kleinen Schlä
feria Gesicht, um nach tbr zu sehen.
Dann olsgljch fuhr et» atm- erschrocken
zuriick un wurde leichenblafr.
»Oui« Optik rief er aus »sie friert
in zu Tebel« Donat riß den stock
heftig in die höl- und konnte nun
ebenfalls die Zeichen des Frostes an
dem zarten Fleische sehen. Ohne f
lange zu besinnen, nahm et eine band
voll Schnee und rieb damit des Kin
des Gesichtchen ein. Die Kleine machte
schreiend auf und versuchte ihn davon
abzuhalten. Dorcas zog die hände
beschämt zurück.
»Nu: zu, reib’ noch meht,'« sagte
Hooleth die Hände des Kindes fest
haltend, und Doecas fing von Neuem
zu reiben an.
»Ob« laß ihn das nicht mehr thun!«
bat die Kleine, sich an Hooley klam
memb
Dorcas wars den Schnee weg und
vekkroch sich mit thränenden Augen
unter seine Decke.
»Komm nur het! Du mußt!" sagte
Hooley mit auseinander gepreßten
Lippen. Aber Dort-as that, als ob er
ihn nicht hörte.
»Komm ber, saae ich Dir!« wieder-s »
bolte Hooley in scharfem Tone.
»Ich thue esnicht mebrl«
»Du tommst sofort ber und zwar
sckmell!« donnerte der alte Seraeant,
»ich besrble es Dir!«
»Befehle oder nicht, ich thue es nicht
met-r.« erwiderte Dorcas und blieb
unter seiner Decke.
Endlich faßte Hooley selbst den
Mifitb nnd hob eine Hand voll Schnee
au .
»Dir mein Gott,« sagte er, »ich lann
nicht mehr.« als die Kleine jammernd
seine Hände umtlammerte. Der raube.
alte Reitersmann blickte fragend durch «
die Duntelbeit nach Den-kas. Aber die
ser laa schluchzend vor ibm, das Gesicht
in seine Hände vergraben.
Hooley verstand diese Antwort und
ariff nach einer anderen band voll
Schnee.
Nach einer Weile war es aeschehen. «
Er bedeckte das kleine Gesichtchen mit
seiner Halsbinde und sanl dann er-E
schovft zurück.
Aber mit einem Male drana seine
stimme verzweifelt durch die Drin-del
it
»Dorcas!« rief er, »sie schläft ein«
l
(
l
nnd wenn sie diese Nacht schläft, wird i
sie überhaupt nicht wieder erwachen.«
»Rüttle sie doch ein wenig,« sagte
Dorcas erschrocken.
»Ich babe es ia schon gethan. Gott
steb mir bei! Jch habe sie sast geschla
aen, aber es nützt nichts, sie will die
Aue-en taum mebr öffnen«
Dorcas bolte ein vaar feste Züge
ans seiner Pfeife Und reichte sie dem
ISeraeanten. »Hier leae ihr glühende
Asche auf,« sagteer. Der alte Soldat
ichauderte bei diesen Worten zurück.
»Du roher Geselle,« saate er.
L .Da3 wird sie sicher aufwecken,« er
x widerte Dorcas einfach.
) »Mach' Du e,s « saate Hovley, ibn
iam Rocke fassend Und wie ein Kind
bittend, »ich habe das andere gethan-«
u»-O , ich bin nicht Mann aenna da
« saate Darm-T sich losreißend
Mike-eh will Dir aerne fünf Dollarg
dafür aeben: ich will sie Dir sofort
aeben,« flehte Hooley in oerzweifeltem
Tone.
»Nein,« ich will nicht, ich lann nicht!«
»Und wenn ich Dir hundert Dol
lars gebei«
»Scher’ Dich zum Teufel mit dem
Gelde, ich will lein Geld,« rief Dor
cas entrüstet.
»Dann, Dorcas, willst Du es wirt
lich nicht thun? Auch nicht site mich,
den alten Hoolen?«
»Hooley,« sagte der Deserieur in
feierlichem Ton, »der-or ich es tbue,
will ich mich lieber erschießen: und
wenn Du mich noch weiter damit
»auälst, mail-e ich meinem Leben ein
Sarg-U hoolen sant verzweifelt zu
r .
. »Dann reiche mir« Deine Pseise,"
sagte er hierauf.
; »Ein spät, es nützt nichts mehr,«
fügte er mit boffnunasloier Gebärde
bei, «sie rührt sich taum mebrf
Dorcas troch nun auf allen Vieren
berbei.
»Ich will nach dem Fort reiten und
hilfe bolen,« sagte er turz und ent
schlossen
»Mensch. Du wirst denSturm nicht
überleben,« warnte hooley. Aber Dor
cas reichte Hooley stillschweigend die
band zum Abschied.
»Du bist wirtlich ein tapferer Bur
sche,« saate dieser, ibm die band herz
lich drückend. Der andere bestieg sein
Herd und verschwand in der Dunkel
Eb war, als hätte Gott für denRei
ter dem Sturm geboten Endlich war
Dort-as nach langem Ritte vor dem
Wachbaufe des Forts und fiel dort
erschöpft vom Pferde.
Es dauerte nicht lange. so iaaten der !
Maior und der Arzt in einer von vier :
raschen Pferden gezogenen Ambulanz
zu Hooley. -
Die Kleine hatt-e sich wieder erholt,
aber der Arzt schüttelte bedenklich den
Kon als die Ordonnanzen den alten
Lioolen in den Wagen hoben.
Der Arme hatte seinen Ueberrock
amigezogem um Nara damit zu schätzen
und sich dadu selbst der grimmig
sten Kälte au gesetzt. Steif und be
wußtlos hatten sie ibn unter dem
Wagen liegend gesunden. Indessen
dem Fortsarzt aelang es do , das
Leben des alten Seraeanten zu retten.
Auch Doreas aesundete wieder und
lam fiir sein Ausreißen nicht allzu
schlecht davon Not-a aber entsaltete
sich mit der Zeit zu Hooleys Freude
zu einer blühenden Rose« . Ein
Jahrzehnt später sprach ganz Wash
ington von ihrer Schönheit nnd man
nannte sie nur dte schöne Regimentts
tochter. Sie war stolz darauf, in
einem MMilitärsoan destBåärten er
su n. e- eitungen
IWW von ibt als der Adoptidtockp
tek einer vornehmen Ossizietssamilie
und mäßige Leute nannten sie exzep
ttisch, weil sie stets ihr Haar ·tm
Nacken trun, selbst als es gar nicht
mehr Mode war. Sie wußten nicht,
daß sie damit eine Reihe kleine Nut
ben verborgen hielt, die ihr eine Sol
.datenpseise eingebrannt hatte.
sspiii
L Von Franz Warnen-.
E Karl Anton Stips hat sehr gut ge
speist: Julienne a la Montauban,
Seezunge, Hammelrücken mit jungen
Erbsen, Poularde. Und die Mahlzeit
hat Karl Anton Stips mit zwei Fla
schen 1893er Lagtange begossen.
Jetzt, im Abtheii des Eisenbahnwag
gons, bildet den Schluß der Genüsse
die sehr feine und sehr theure Flor de
Mariposa, deren bläulicher Rauch den
engen Raum durchdustet.
Stips hat in Hamburg ein ganz
ausgezeichnetes Geschäft abgeschlossen.
Er befindet sich auf der heimreisr. Er
berechnet den Gewinn auf ungefähr
vierzigtausend Mart. Damit tann
man sich schon etwas zu gute thun!
Und Stips ist nie ein Kostveriichter
gewesen. Jm GegentheiL Er hat
von jeher einen sehr hohen Werth auf
die lluge Pflege seiner sterblichen Hülle
gelegt. Das sieht man ihm an: die
joviale Fülle des Körpers zeigt unver
lennbar einen hohen Grad geistigen
und körperlichen Behagens, der Zufrie
denheit mit dem Ich.
Allein, ganz allein hat Karl Anton
Stips in Hamburg gespeist, und ganz
allein befindet er sich jetzt in dem Ab
theil erster Klasse. Jn wichtigen Au
genblicken des Lebens liebt Stips die
Einsamkeit. Er pflegt nach berühmten
Mustern zu sagen: »Allein mit mir
selbst bin ich in der allerbesten Gesell
schaft-« Er liebt es zugleich, in sol
chen Augenblicten zu grübeln, zu phi
losophirem Karl Anton ist lein All
tagsmensch: zielbewußt gräbt und
jagt er nach Schätzen, um sie seinen
Weltverbesserungsplänen gelegentlich
dienstbar zu machen.
Ach. das ist fatalt Das isi ja dumm!
An einer kleinen Station steigt ein
Reisender ein, Stips hüllt sich in den
Rauch seiner Mariposa und nimmt die
Zeitung zur Hand, um zu zeigen, daß
er leine Unterhaltung wünsche. Er
beachtet den Reisegefährten weiter
nicht und überläßt sich nun völlig sei
nen heute überaus blumigen und son
nigen Phantasiem
Endlich liest Karl Anton wirklich in
der Zeitun: Politisches, Literari
sches, Thea er, Lotales Klatsch und
zuletzt einen Steckbries. Ein Mörder
wird gesucht, ein Mörder, der ein al
tes Ehepaar auf raffinirte Weise er
mordet und beraubt hat, ein Mörder,
der in seinem äußern Auftreten als
feiner und eleganter Mann von unge
wöhnlicher Häßlichteit in dem Steck
brief geschildert wird.
Alles in dieser Welt bat ein Ende.
Auch eine Mariposa. Der duftende
Rauch verzieht sich, und Karl Anton
Stips fühlt jene leichte Anwandlung
ovn Pessimismus, die mit dem Ende
einer Kette von Genüssen vertnüpft zu
sein pflegt. Stins wirft einen Blick
auf seinen Reisegefährten Und nun
durchzuett ihn jäh etwas wie Schrecken:
sollte der Mensch da der in dem Steck
brief geschilderte Mensch seintl Alles
stimmt: die Eleganz der Kleidung, die
Hüszlichteit der Züge und so weiter
und so weiter! Karl Anton prüft und
prüft. Es ist in der That auffällig!
Ja, es ist tein Zweifel mehr: der Kerl
muß der Verbrecher sein. Karl Anton
nimmt die Zeitung wieder zur Hand
und sucht die gewohnte Ruhe und
Kaltbliitigteit wiederzugewinnen Und
das gelingt ihm auch
Tosend und tlappernd rast der
Schnellng dahin. Städte und Dör
fer, Wälder und Felder fliegen vor
über. Und da plötzlich fragte derReise
gesährte: Verzeihen Sie, mein Herr,
sind Sie vielleicht in Müllstadt be
tanntt
Stips ist erschrocken. Müllstadt ist
ja sein Wohnort. Er wird verwirrt.
Müllsiadt —- Müllstadtt Ja — oh
ja — sehr gut.
Kennen Sie dort vielleicht eine Fa
milie Stips? fragte der Unheim
liche weiter.
Karl Anton hält die Zeitung so,
idick-s sein Gesicht vollständig gedeckt
Stipge Stipse Ja ——— gewiß —
wie so?
Jch bin, erklärt der Unheimliche,
der Bruder der Frau Stil-S
Der Bruder meiner Frau? will
Karl Anton entsetzt ausrufen, aber er
beherrschi sich rechtzeitig und schweigt
» DerUnheimliche fährt sort: Als sehr
i junger Mensch habe ich mich von mei
lner Familie getrennt und bin nach
i Canada ausgewandert· Darüber sind
mebe als zwanzig Jahre vergangen.
Inzwischen bin ich meinen Angehöri
sgen hier in Deutschland völlig ent
sremdet. Jede Verbindung mit ihnen
hat aufgehört. Nun führen mich
plöhlich äußerst wichtige geschäftliche
) Angelegenheiten nach Deutschland, hier
in diese Gegend. Und bei dieser Ge
legenheit drängt sich mir ebenso stöß
ltch der Wunsch aus, die Meinigen
wiederzusehen, die wenigen, die wohl
noch am Leben sind.
Ein Gruseln befällt Karl Anton
Stipe. Ja, ja, er bat gelegentlich
einmal von dem unseligen, vers-polle
nen, verlommenen, verlorenen Bruder
seiner Frau gehöri! Entsetlichet Zu
fall, der ihn so mii dem Menschen u
sammenführen muß! Siips heherrfcht
sich von Neuem und frögl mit leidlicher
Ruhe: Und Sie wollen vie Familie
Siips in Müllfisdi befuchens
Ja, das ist meine Absicht Jth
möchte die Schwester gern einmal wie
dersehen. Jch habe viel von ihr ge
halten. Jch möchte auch wohl den
Schwinger und die Kinder lennen ler
nen·
Karl AntonsStips befindet sich in
veinlicher, tödtlicher Verlegenheit. Un
möglich! ganz unmöglich! Er tann
sich nicht zu erlennen geben! Er kann
den Menschen nicht in sein haus füh
ren. Es würde ihn das vor aller
Welt unsterblich blamirenl Er erin
nert sich ießt ganz genau, daß der ver
schollene Schwager ihm einmal als
gänzlich verdorben, etwas ganz Unge
heuerliches geschildert ward. Unmög
lich! Ganz unmöglich! "Und wenn
er nun der gesuchte Verbrecher wäret
Ja, er war est Ohne Zweifel, er war
est Alles stimmte, die feine Kleidung,
die abschreckende Häßlichleitt Karl
Anton machte wieder eine Gewaltans
strengung und sagte dann in tühlem
Tone: »Die ganze Familie Stips ist
auf einige Zeit abwesend von ihrem
Wohnort. Die ganze Familie ist in
der Schweiz. Wo, das weiß ich nicht.
Ader sie wird wohl taum vor zwei,
drei Monaten zurückkehren.
Ach! ruft der Fremde mit sichtli
chem Bedauern, das ist ja schadet Das
ist ja jammerschadel Und er versintt
in tiefes Nachdenken. Plötzlich erklärt
er: So werde ich die Fahrt nach
Müllstadt aufgeben. Jch werde auf
der nächsten Station aussteigen und
nach Berlin weiterreisen.
Stivs fällt ein Stein vom Herzen.
Und er athmet erleichtert auf, als der
Unheimliche aus der nächsten Station
sich wirklich verabschiedet und den Zug
verläßt. Und Karl Anton giebt sich
selbst das heilige Versprechen, seiner
Frau nie —- nie, unter teinen Umstän
den — das Geringste von dem aufre
genden Zusammentreffen zu verrathen.
Ein Jahr hernach bringen die Zei
tungen lange Nekrologen über den in
Canada verstorbenen Millionär
Probe-te Aus seinem Testament
ginge, so berichten sie, hervor, daß er
vergeblich eine Annährung an die
Seinen in der alten Heimath versucht
habe. Und so habe er sein Vermit
gen von fiinf Millionen Vsd Sterling
milden Stiftungen in Quebeck und
Montreal vermocht.
Der vertannte Dichter-.
Kürzlich feierte der schwäbische
Bauerndichter Christian Wagner in
Warmbronn seinen 70. Geburtstag.
Die ihm aus nah und fern zahlreich
zugegangenen Glückwünsche, sowie die
tagg daraus veranstaltete Feier bewei
sen, daß der Dichter überall Freunde
gewonnen hats Folgendes heitere Ge
schichtchen, das Wagner selbst im
Freundestreise zum Besten gab, wird
gewiß manchen interessiren. Der greise
Dichter, der heute noch ein rüstiger
Wanderer ist, begab sich vor drei Jah
ren zu Fuß in die Gegend von Böh
lingen. Er hatte damals seine —- jeßt
bereits veröffentlichte-Ballade »Die
Schlacht bei Böblingen« in Arbeit und
hoffte, dort noch irgend eine im Volls
mund lebende Sage, die sich auf die
Schlacht bezöge, zu erfahren. Zu die
sem Zweck fragte er überall nach den
ältesten Leuten und wurde so auch in
ein lleines Wirthshaus gewiesen. Er
bestellte —- um sich gut einzuführen —
einen Schopven Wein. Als der Wirth,
ein eisgrauer Alter, das Gewünschte
vorseßte, begann derBauerndichier mit
seinen Fragen. Diese mußten dem
Wirth, dem der Zweck des Verhörs un
betannt war, ganz sonderbar vorge
tonimen sein. Nachdem er eine Weile
zugehört hatte, zog er den noch unbe
rührten Schopven vor dem Gast weg
und sagte: «Alter, Jhr hent scho genug
für heut»
Ussverhrennhar.
Ein witziges Wort von Jules Verne
macht gegenwärtig die Runde durch die
Pariser Presse. Wie alljährlich im«
Sommer veranstalten die französischen
Blätter jetzt Umsragen über alles und
noch einiges. So will ein Blatt von
»hervorragenden« Rauchern undNichts
rauchern hören, ob der Tabak schädlich
nsirtt oder nicht. Dieselbe Frage ist
schon vor mehreren Jahren von einer
Zeitung aufgeworfen, und unter den
einaelaufenen Antworten befand sich
folgendes Schreiben von Julez Verne:
»Sie oben die Güte, mich nach meiner
Ansi ft iiber den Tabak zu fragen: zu
meinem Bedauern tann ich darüber
teine Auslunft geben, da ich in dieser
Angelegenheit inkompetent bin: ich
tauche nämlich seit zwanzig Jahren
nur Cigarren der französischen Regiei«
Um dieselbe Zeit etwa verkündete der
Humorisi Alphonse Allais der erstaun
ten Welt, daß er ein Mittel gefunden
habe, unverbrennbare Bühnendekorws
tionen betzuftellem man brauche dass
nur die Zündhölzchen der französischen
Regie zu verwenden, —- die brenn
nämlich nie! . .
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Dann-.
»Warum wolltest Du, Deine Im
wärdeiirliessiogizertsängerini«
» e te ann nur sä e, wen
sie's bezahlt betätnei« us