Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, October 20, 1905, Sweiter Theil., Image 10

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    Kriminal - Roman von B. Elster.
(3. FortsesungJ
,Ia,« stieß Ferdinand hervor, in
seia er erblaßte, »und dieser Verdacht
lastet noch immer auf mir und ver
sällt mir das Leben!«
. Run, nun,« hegütigte der Anwalt.
Sie sind freigesprochen, Niemand darf
Sie der That bezichtigen. Sie konnten
Ihr Alibi nachweisen, besonders da
Fräulein Wüllbsrandt, welche das
Zimmer über Ihrem Schlafzimmer
bewohnte, be chwor. Sie hätten wäh
rend der Na t Ihr Zimmer nicht ver
iassen können, ohne daß sie es be
merkt haben wiirde. Sie habe jedoch
nichts gehört Am frühen Morgen hat
man Sie aber in vollkommen ruhiger
Semiithsverfassuna Jhr Zimmer ver
lassen sehen· Sie sind an Ihre tägliche
Arbeit wie sonst gegangen. Sie haben
auch nicht nach Ihrem Bruder gefragt,
da Sie annahmen, er fchliefe noch
Mt es nicht so?"
»Man nahm an, daß Sie aus dem
Fenster Jhres Schlafzimmers ge
sprunan seien, um die That zu doll
fiibrem Man fand jedoch keine Spu
ren —allerdinqs hat es aeaen Morgen
Hart gereqnet ——kurz und gut, die
blutige Tbat blieb in aeheimnißvolles
Dunkel gehüllt, aber Sie wurden frei
sefprochen.« «
·Ja —- tvegen mangelnder Be
weise!«
»Ihr gutes Gewissen wird Sie
trösten«
»Nicht eher, als bis ich den Mörder
Werks-der
»Um-en wir ruhm. neoer Freund.
Wen halten Sie für den Mörder?«
»Be:tha Wüllbrandt oder deren
Komplizen . . .« -
«Sachte, sachte, lieber Grollert Sie
stimmten da eine Thatsache, für die
Sie nichst den geringsten Beweis ha
ben. Anaenomsmen, Berti-a Wäll
bremdt habe Jshren Bruder erschvssen,
wie sollte sie das bewertstelliat haben?
Das Mädchen hat mit Ihnen zu
Abend aeaessentx sie ist laut der Ans
sane des Küchenversonials bis 10 Uhr
in der Küche beschäftigt gewesen, dann
bat sie sich aus ihr Zimmer zurückge
zogerr. Sie selbst haben sie in dem
Zimmer noch lange aus und ab gehen
fis-eh Am andern Morgen fünf Uhr
st sie in der Küche erschienen. ruhig
und gefaßt wie immer. Die That
könnte Von ihr nur in dem Zeitraum
von Mitternacht bis 4 Uhr früh Voll
siihrt worden sein. Sie behauptet sie
Erbe in dieser Zeit geschlafen. Nie
mand kann ihr beweisen, daß sie es
sieht gethan hat. Niemand hat sie
während dieser Stunden gesehen. Der
Fall liegt bei ihr ebenso wie bei Ih
nen, nur noch günstiger siir das Mäd
chen, dem man schwerer einen Mord
ut, als einem Manne. Wie sollte
auch das Haus verlassen haben?
sselbe war verschlossen, den einen
Schlüssel bewehrten Sie aus, den an
Uen der Hosmeister, der des Morgens
MUhr die Dienerschnft im Hause
Mie. nachdem er die. Haustbiir von
sehen ausgeschlossen Welche Möglich
keit hatte Vertha Wiillbrandt, das
bang ungesehen zu verlassen?«
»Nun — sehen Sie? Ich fürchte,
sie kommen mit them Verdacht
seht weiter.«
»Ich weiß es nicht. . .«
»Aber die beiden Ringe?'
»Fa. die Rinaet Wenn sich mit ih
nen Alles so verhält, wie Sie saaen,
dann bilden sie ein gewichtiaes Indi
- einm. Hat Ihr Bruder niemals mit
Ihnen von Fräulein Wüllbrandt ge
sprochen?«
»Nein — doch fa, einmal! Er meinte
kurz vor seinem Tode, ich sollte das
Fräulein entlassen, es scheint ihm ein
gefährlichen unheimlicher Charakter
n sei-III
kzi s
»Ah- illa-te er das wirklichW
»Jch«enisinne mich genau... ich
fragte ihn erstaunt, weshalb er die
Wirthschafterin nicht leiden könne?
see sei ein- siilleå, pflichieiiriges Mäd
chen. Er erwiderte, sie habe etwas "
Versteckte-s in ihrem Wesen; sie spüre ;
i« warf-. Dann kamen wir nichts
nicht auf das Thema zurück«
»Du-i- hm, es isi fixier, dahinter
steckt eiwass Bekan- Fräulein Wäll
vttmdt nickt öfter Briefe?«
«Kuweiien. Aber seh-r feiien.«
»Sie wissen natürlich nicht, woher
diese kamen?«
»Nein — meifienz aus Berlin, so
viel ich mich entsin.ne.«
»Gut sie keine Verwanxdsie?«
»Sie ist Waise. Ich engagirie sie
in Berlin, nachdem sie sich auf eine
summte von mir asemeldei hatte. Vor
her war sie Wirthicbaiierin auf dem
sitt-traut ankowo in Polen qeweien,
dann hatte sie einem alten Ebeer in
Berlin die Wirthicbaft geführt Ihr (
Wer war Säullelmr in Weite-keu- .
sen even-seien» irb alausbe in der Nähe «
von Brombac- Sie war eine durchaus
sbiidm Verion und hatte ihr Lehre
jthmwen aerrachi Sie verstand
smzssiich und Engliscb «
»Was viel iiir ein-e Wirthichaste
In«« W bei Justiiirailx
spie Sehnlmeiiierei habe ibr nicht
J« vgi Meriisrte iie mir bei ihrem
» ’ Wsie nie-raisi«
·« TM ein-mai is Winter
MWMM weit iie viru
? zehn Tage verreist. Während sie früher
» von diesen Reisen seh-r aufgeräumt zu
rückkam, bemerkte ich nach der letzten
Reife eine tiefe Niedergeschlagenheit
bei ihr.«
»Eine Vertrauensfrage Herr Grol
ler,« sagte der Anwalt. »Ich entsinne
mich des Mädchens sehr wohl, es war
von eigenartiger Schönheit —haben
Sie nie in näheren Beziehungen zu
ihr gestanden?«
Er legte die Hand auf das Knie
IGrollers nnd sah idkn mit schlauem
; Lächeln an.
Ruhig usnd fest erwiderte Grollen
»Niemals, Herr Justizraih. Jch hatte
ganz andere Absichten...'«
»Ist ich weiß —- die kleine Pfar
rerstochter. Aber hat die Wüllbrandt
nicht etwa Absichten auf Sie gehabt?
Das kommt ja vor...·«
»Ich denke nicht. Ich entsinne mich
allerdings, daß Sie Fräulein Vollmar
; nicht leiden kon-.nte «
s »Aha —- ein anderes Jndiciuml —
INum mein bester Herr Groller, wenn
! Sie wirklich diese Angelegenheit weiter
verfolgen wollen, so ist es vor allem
nöthig, Fräulein Wüllbrandt beobach
ten zu lassen. Wohin hat fie sich ge
wandt?«
s
!
»Ich weiß es nicht.«
- »Das ift ärgerlich. Wenn das Mäd
chen wirklich in die Angelegenheit ver
wickelt ifi, wird fie fich verbergen
Aber heute- verfchwindet man- nicht
mehr spurlos. Sie wird aufzufinden
fein. Das ift unsere nächste Aufgabe
Ich bitte Sie moraen früh wieder zu
mir zu tommenx ich werde Sie dann
mit einem Herrn bekannt machen, den
ich schon mehrere Mal-e mit folchen
delikaten Aufgaben betraute. . .«
»Einem Detettiv?«
»Ja, fo trennt man die Lente," ent
aeanete der Anwalt lächelnd.
»Und ich kann wohl sagen, daß
mein Vrivatdeteltiv die feinfte Spur
nafe besitzt. die fich nur ein Jaqdhund
wünschen tm Sie können ihm völ
liges Vertrauen schenken. —— Jetzt
muß ich Sie aber bitten, mich Zu ent
Tschwldiaem da ich zu einer General
versammlung der Deutfchen Bank
muß. Mvraen fröh sehen wir uns
» wieder.«
!
i
i
s
Er erhob sich und schüttelte Fettn
nand freundschaftlich die Hand. Dann
beabeitete er ihn bis zur Thür, wo er
sich nochmals auf das Freundschaft
lichfte von ihm verabschiedete
"Als Ferdinand das Zimmer ver
lassen, blieb re einen Augenblick in
Nachdenken versunken sichern dann
tlinaelte er und befahl feinem eintre
tenden Büreanvorfieber:
«Telephoniren Sie an Herrn Neu
aebaur, er foll fo bald wie möglich zu
mir tornmen.«
Daran wandte er sich alrichmütbig
feinem Attenftudium wieder zu.
In Wendeften war man febr er
; ftaunt, als nach einian Tagen Pferd-i
nand Grollet zurückkehrte, obgleich er
bei feiner Abreife Anordnungen für
eine längere Abwesenheit getrofer
hatte. Der Verwalter Meinert war
am wenigften zufrieden; .,er ftört mir
nur die Arbeit durch fein fabriges We
fen,« brummteer, »und macht die
Leute kodffcheiu die ihn noch irmnre
i
6· Kap ite l. 4
in dem Verdacht haben, feinen Bruder
. erfchoifn zu haben«
»Laß ikm doch,« beaiiiiate seine
Frau. »Er ist doch nun einmal der
Herr biet und um die Arbeiten küm
mert er sich ja fast qar nicht mehr,
sondern überläßt Alles Tir."
»Das ist wahr,« entqeaneteMeineri.
»Die Landwirtlrschait scheint ihm ganz
aleichaültia geworden zu sein« Wenn
ich nsur wüßte. was er mit diesem
rothbaariaen Menschen, den er mit
gebracht bat, immer zusammniwckt
Der Bursche kommt mir verdächtig
vor-"
,.Neuaieria ist dieser Herr Setretiir
Neuaebaur freilich über alle Maßen,«
lachte Frau Meinert. »Er spionirt
überall umher und staat die Men
scken aus. Weißt Du, wenn ich nicht
wüßte« das- der Prozeß vorüber und
begraben ist, so würde ich den Seite
tär fiir einen Kriminalbeamten ball
um«
»Was braucht Herr Groller einen
Sekreiär?« brummte Meinert. »Fei»
Schreibaeschiifte kann er schon llein
besorgen. Na, mich gebt’s nichts an,
was er thut und treibt. Aber wenn
der Roihbaasrige sich an mich heran
maM, dann wird er schon die richtige
Antwort erhalten«
Damit beaab si Meinert in die
Scheuna während « rasu Meinert em
sig an ibrer Näherei weiter arbeitete
Die Antipathie der beiden einsachen »
alten Leute nean herrn Neugebanrp
den neuen Sei-reist Ferdinandt, war
tmbl gerechtfertigt denn der neue Se- «
tretär steckte sein« schlaues Fuchsaesichi
in alle Winkel und Ecken, fragte mit
überböilichem Lächeln die Leute aus
und strich inWald und Feld umher
als suchte er einen verlorenen Gegen
stand. Wemmsaneösichamtoeuig
Fften versah tauchte er plötlich aus,
erschreckte dntch sein unvermuthetez
Erscheinen die Frauen nnd störte die
ist-echte bei ihrer Arbeit Man wollte
kommst haben das er sonst an der
Ær Medic W die Dienstboten
nn Gesinde-immer versammelt waren
oder die Knechte nnd Mägde Abends
noch gewann Arbeit plaudernd sit
stummen-standen
Kurz, der »rothe Fuchs«, wie Herr
Mengeer bald allgemein genannt
! wurde, war überall zu finden. bald in
Hder Küche, bald in den Ställen-, bald
kin dem Garten. hatd in den Scheu
!nen.
Man fürchtete und haßte ihn und
nach kurzer Zeit verstummte ein jeder,
zwenn Herr Neugebaur aufmachte
. Man beantwortete ihm nur das Noth
iwendigste, drehte ihm auch wohl den
jRückery ohne ihn überhaupt einer Ant
.wort zu würdigen
« Der Sekretär löcheite dann gut
J müthiq-spöttisch und entfernte sieh mit
« höflichem Gruß.
« Die Leute merkten au chsehr bald,
. daß Herr Groller den Setretär dnrcky
Haus nicht mit Freundlichkeit und Ach
J tuna behandeltr. Sein Wesen war ge
reizter usnd unaeduidiaer als ie; er
; sprach mit niemandem mehr. aber das
"Hanssknädck«en erzählte. daß der Herr
; osft heftig und ärgerlich mit dem neuen
i Setretär spräche. wenn sie beide
FAbends in des Herrn Arbeitszimmer
I zufammnefafien
; Jn der That reiste das aeheimniß
fvolle Thun und Treiben Neuqedaurs
die Ungeduld Ferdinands aufs
äußerste, und endlich konnte er sich
nicht mehr zurückhalten. Jn ziemlich
heftiger Weise frua er Reuaebcrur nach
den Resultaten seiner Nachforschun
gen.
Mit ruhigem Lächeln tah chn ver
Setretär an.
»Sie werden unaednldia. Herr
Groller.« sagte er dann-, »aber Sie
thun mir unrecht. Ich habe neue Spu
ren entdeckt und wenn ich sie Schrien
bislana nicht mittheilte, so kam das
daher, daß ich vorher ein definitives
Resultat erzielen wollte. Jest kann
ich jedoch sprechen.«
»Ich bitte Sie darum.«
»Nicht wahr, Sie sind time-net noch
der Meinung, daß Fräulein Wäll
brandt mit der That in Verbindung
steht?«
«Allerdin;s,«
»Sie haben recht, aber es steht auch
noch eine andere Person mit der That
Hin Verbindung, eine Person, an die
bis-lang niemand gedacht hat. Jch bin
’aus diese Person aetommen, weil ich
unter den Papieren in dem Zimmer,
» welches der Verstorbene bewohnte, diese
Photographie sand.«
Er entnahm seiner Briestasche eine
kleine Photographie in Visitenkarten
form-at und reicht-e sie Grollen
Dieser wars einen Blick aus das
tleine Porträt und fuhr erschreckt em
vor. Er erkannte das Bild Käthes, der
Tochter des Pfarrers.
»Sie sind verrückt," ries er. »Wie
sollte Fräulein Vollmar mit der That
in Verbindung stehen?«
«Wollen Sie mich aesälliast anhö
ren, Herr Groller,« sagte der Deut
tiv ruhig. »Sie haben mich beauftragt,
hier in Ihrem Hause den Spuren des
Verbrechens nachzuforschem Sie haben
mir die beiden Zimmer angewiesen
welche Ihr Bruder bewohnte- Gut!
Ich mache darauf aufmerksam, daß
diese Zimmer in derselben Etage mit
demZimmer des Fräulein Wüllbrandt
liegen, wenn auch am entgegengesetzten
Ende des das Haus durchschneidenden
Korridors. Ein nächtlicher Vertehr
zwischen beiden Personen wurde da
durch erleichtert, daß Niemand sonst
diese Etaae bewohnte. Sollte Fräu
lein Wüllbrandt mit der That in Ver
bindung stehen, fa» die That wohl slbst
vollbracht haben, so hätte sie sich wäh
rend des Nachts aus ihrem Zimmer
entfernen müssen. Durch die ver
schlossene hausthür war es nicht mög
lich, da nur Sie und der Hosmeister
den Schlüssel besaßen Der hosrneister
träat den Schlüssel stets bei sich, Ihr
Schlüssel hänat in Ihrem Schlasziw
mer, ein Entwenden ist nicht möglich.
Fräulein Witllbrandt konnte das Haus
und ihr Zimmer nur aus andere Weise
verlassen, entweder durch ihr Fenster
oder über den Balton, deren Zugang
jedoch durch die Zimmer Ihre-'s Herrn
Bruders siihrtr. Daß sie das Fenster
ihres Zimmers benuhte, scheint aus
geschlossen, da das Fenster zu hoch von
der Erde entfernt liegt, die Wand des
hauses hier vollständig alatt und tahl
ist« so das; selbst ein aeübter Kletterer
da- Waaeitiick, an der Wand empor
zu klettern-· nicht austuhren kann.
Bleibt also nur der Ausgang über
den Ballon von dem Zimmer Echtes
Bruders: von diesem Balion siilyri
eine schmale eiserne Treppe in den
Garten· Die Thiir zum Balken stand
ossen, die Rinirnertbiir Jbres Bruders
war von außen verschlossen. aber der
Schlüssel steckte. Wen-n wir also an
nehmen, daß ein heimlicher Verkehr
irdischen Fräulein Wüllkzrandt und
Ihrem Bruder siattsand —- was ja
nicht erwiesen isi —- so solaere ich wei
ter: Fräulein Wüllbrandi suchte in
jener Nacht Ihren Bruder aus, fand
ihn nicht in seinem Zimmer, trat aus
den Balken, siiaa die eiserne Treppe
hinuner, aelmaie so in den Bari und
in den Wald, wo dann die Kata
sirovhe siaitsand oder sckson stotter
sunden hatte· Aus demselben Wege
lehrte Fräwbein Wiillbrandi in ihr
Zimmer zurück. ohne von sen-tandem
bemerkt zu sein. Um den geheimen
Verkehr mit dem Erscblaaenen nicht Zu
verrathen, um keinen Verdacht aus sich
selbst fallen zu lassen, leugneie sie, in
iener Nach-i ihr Zimmer verlassen zu
baden. und man konnte ibr ja auch die
ses nicht nachweisen- Jlrc Nus war
tadellos, niemand abnie, daß sie in
beimlicken Wirksaan zu Ihrem
Bruder band-. ein Verdacht konnte sie
nicht treffen-«
»Ich erkenne Iehren Scharfan an
Herr Reuaebaur. Aber Sie sind noch
nicht zu Endi«
»Nein, ich bin noch-nicht zu Ende.
— Ich habe die Spur der Wüllbrandi
weiter verfolgt Sie nahm auf der
Staton Wndessen ein Billet nach Ber
lin und bestieg den Morgens um 9
Uhr hier durchpafsirenden direkten
Schnellzuag Ihre Erscheinung war
zu aufiallend, ais daß sie von den
Schaifnern und Balmbeamien nicht
bemerkt werden sollte. Der Schaffner
des Wagens in dem sie Platz genom
men, entsann sich ihrer noch sehr ge
nan.
Er errisann sich auch, daßsszsie in
Magdebura den Berliner Zug verlas
sen, und nicht weiter gekommen war.
Sie mußte also von Magdebusrg eine
andere Richtuna eingeschlagen haben:
ich habe berausgebrachi, daß sie nach
Dresden weiter gefahren ist, hier der
iieri sich jedoch ihre Spur. Ob sie in
Dresden geblieben oder weitergefabren
ifi, konnte ich noch nicht ermitteln.
Das sind mein-e Auskiinfte über die
Wüllbrandi. denen ich noch hinzufügen
muß, daß ich in dem Ofen ihres Zim
mers einen Aschenifsaufen fand, der
nur von verbranntem Papier herzu
rijbren scheint. Es fanden sich noch
kleine Vanierftiickchem auf dem einen
stand: »Liebe-: Franz. Ich- beschwöre
Dich«.·. auf dem anderen: »Deine
derzweifelnde«.. Hier find die Pa
piersiiickcheni Jsfi es die Handschrift
der Wüllbrandi?«
Er entnanm seine-r Brrertaiche vor
sichtig zwei durch Feuer und Rauch
aefchwärzte Papierfetzen Aufmerksam
betrachtete Ferdinand die febr undeut
lichen Schriftziiae
»Ich alaube die handschrift Fräu
lein Wüllbrandt’s zu erleunen," sagte
er nach einer Weile. »Aber was hat
das Alles mit Fräulein Vollmar zu
thun?«
»Ja. sehen Sie, Herr Groller, wenn
wir den Verkehr zwischen der Wäll
brandt und Jbrem Bruder als erwie
sen annehmen und ferner annehmen,
daß die Wüllbrandt die That voll
brandt oder anaeftiftet bat so muß
doch ein Motiv dazu vorhanden sein
Welches sind nun die Motive, aus
denen ein Mädchen einen Mann tödtet
oder doch zu tödten, zu schädian ver
sucht? Entweder die Anast, von diesem
Manne verlassen zu werden, oder die
Eifersucht auf eine andere Frau Beide
Motive können auch in einander grei
sen. Saat man aemeinnialich bei ie
dem derartigen aebeimnifzvollen Ver
bvechen:.»cherche-i la femme«! —- so
saae ich, Herr Grollen ,.cherchez les
femme«! denn stets spielt noch eine
zweite Frau in einem solchen Drama
eine Rolle. Und meine Ansicht findet
durch die Auffinduna der Photogra
phie Fräulein Bollmars ihre Bestäti
auna· Oder können Sie mir das Vor
handensein der Photographie Jbres
Bruders auf harmlose Weise erklä
ren?«
»Ich tvei srnicht, wie mein Bruder
zu jener Photographie aelommen ist.
Er bat mit mir niemals darüber ge
sprechen.«
»Seben Sie. Er machte mitbin aus
dem Besitz der Photographie ein Ge
beimniß. Es aab da also etwas zu
verbergen. Er stand vielleicht mit der
junaen Dame ebenfalls in acheimem
Einverständnis .u.nd erbislt von ihr"
das Bild.« . . .
»Unmöalich. herr Neuaebaurt Eine
aanz baltlose Kombination!«
»Unm-ö,alich ist nichts,« verehrten
Herr Groller,« entgegnete der Detettio
I mit schlau-m Lächeln »Man hat da
schon ganz andere sonderbare Dinge
!.erlebt Ich habe jedoch nichts behaup
J Legt wollen ehe ich Beweise gesammelt
: tt. "
T »Sie haben Beweise?!«
. Ach glaube. — Fräulen Vollmar
» bat das Grab seines Bruders bis vor
» turzer Zeit stets mit frischen Blumen
J Geschmückt Sie dat oft am Grabe ne
roeilt. überhaupt das Grab mit lieben
der Sorgfalt gepfleat, wie man nur
das Gaul- eines lieben Verstorbenen
pflegt· Außerdem zeiat die junge
Dame seit einiaer Zeit eine tiefe—Nie
deraeschlaaercheih Ich hörte, daß sie
friibn ein munteres, Wtez Mäd- ·
Oen gewesen sein wu. ietzt m ne trau
ria und niedergeschlaam Ich suchte
eine Unterreduna mit ihr, traf sie aus
dem Kirchhofe und begann mit ihr
« über den Todten zu sprechen. Sie er
röthete plötzlich; der Blick ihrer Augen
war ängstlich und scheu, meinen Fra
. aen wich sie geflissentlich aus. Jch er
fuhr nichts von ihr. Aber von dem
Todtenaräber erfuhr ich, daß Fräu
; lein Vollmar arn Tage der Abreise der
i Wüllbrandt mit dieser am Grabe zu
! sannnmaetrosfen sei, wobei es zwischen
den beiden Mädchen zu einer heftigen
Szene aelormnen zu sein schien. Die
Wiillbrandt habe Fräulein Vollmar
gedroht, diese sei aus die Kniee ge
sunken und habe das Gesicht in die
Hände verborgen Als die Wüllbrandt
den Friedhof verlassen, habe sich Fräu
lein Vollmar hastig erhoben und sich
betend über das Grab geworfen.
Dann habe fee noch lanae in Nachden
ten versunken neben dein Grabe ge
sessen. Ich denke, Herr Grollen das
sind Beweise neun-a, daß Fräulein
Vollmar in Beziehungen zu Jhrern
Bruder gestanden, der, wie ich hörte,
ausch viel in demPsarrhause veriehrte.«
Ferdinaind schwindelte es. Er ver
mochte sich den Beweisen des erfahre
nen und schlauen Deleltivs nicht zu
verschließen In der verbitterten Ge
müthsstinmruna, in welcherer sich be
fand, war er auch nur allzusehr ge
ne , dein Mißtrauen seine Seele zu
ös n. Er sah sich von allen Seiten
von Falschheit Find Verrath umringt
und veraebens lamvsien die Liebe, das
Vertrauen« die Großmut-h kurz alle-l
Gute in seiner Seele amen den wu
chernden Samen des Mißtrauens an,
den die Watte Neuaebaurs in seine
Seele acstreut ·
Ein schneidender Schmerz zerriß
sein Herz. Aufs höchte erteqks AMU
er imsinnner aus und ab und lärnpste
Mit sich. ob er diesem schlauen, kalten
Kriminalisien einen Einblick in den
fMåitatrd seines Herzens gestatten
o te.
.Das Bild Käthe’s hatte bislang
rein und stecken-los vor feiner Seele
gestanden. Ja. in den Stunden trü
ber Verzweiflung hatte ihn gerade der
Gedanke an Kätbe aufrecht erhalten.
Vor ihrem reinen Bilde war er gleich
sam betend niederaeiniet, unr Trost
und Stärkung in ibrern Angedenken
zu finden. Er hatte nicht gewagt, sein
mit einein schweren Verdacht belade
nes Leben ihr zu weihen. Er wollte
nur rein und schuldlos wie fre selbst,
vor sie hintreten — und nun war
auch ihr Bild beschmutzt, auch sie war
mit in den Strudel aezoaem den die
ses furchtbare Verbrechen erregt!
Er brach fast zusammen unter der
Wucht dieses entsetzlichen Gedankens!
»Ich sche, Herr Groller," suer der
Deteltib sort, »daß Sie durch meine
Eröffnunaen überrascht —- ja, er
schreckt sind. Es ist allerdings ein
trübes Bild, welches ich Ihnen entrol
len mußte. Aber aus der Spur sind
wir jetzt und ich mache mich anhei
schia. jetzt das Verbrechen völlig llar
zu stellen.«
»Was wollen Sie thun?!« fuhr Fer
dinand aus.
»Wer allem Fräulein Bollmar in
ein scharses Vredör nehmen«-»
»Nein-— niemals-Z« rief Ferdinand
aeoteternar aug. —
Mißtrauisch sah ihn der Detektiv
an. Wm kamen bei dieser leiden-.
schaftlichen Erreauna eigenthiimliche
Gedanken. Sollte er hier axuf eine
neue Spur gestoßen sein?
»Frau-hin Vollmar weiß entschie
den um das Geheimniß,« sagte er
lauernd.
»Ich verbiete Ihnen in dieser Ricky
tuna weitere Recherchen anzustellen!«
»Ah —- aht ———dann. mein verehr
ter Herr Groller, ist meine Aufgabe
hier zu Ende.« . ..
»Ja, sie ist zu Ende! Gott sei dani!
—Jch war ein Thor, daß ich Sie
Hierber rief! Fort — ich will nicht
mehr! —- Sie können heute noch ab
reisen . .. ich will nichts mehr mit Ih
nen zu schaffen haben!«
»Ich werde mir erlauben, Herr
Groller, Ihnen meine Liauidation
einzureichen und dann auf Ihren
Wunsch sofort abreisen," entaeanete
der Detektiv, verbeuate sich höflich und
verließ das Zimmer.
Ferdinand starrte ihm nach. als
habe er ein Gespenst gesehen. Dann
sant er ausathmend auf einen Stuhl
und schan die Hände vor das,Gesicht.
So blieb er banae Zeit sitzen.
Am andern Tage hatte der Verwal
ter Meinert die Genugthuuna, daß
der neue Setretär aus Niinmerwieder—
sehen abrciste. Nach einiaen Tagen
reiste aber auch Herr Groller wieder
fort, dieses Mal fiir lanae Zeit. Die
Fenstervorbiinae und Laden im Herr
schastshause wurden aeschlossen, die
Köchin, das Stubenmiidchem der Kut
scher, welcher zualeich die Dienerstelle
bei Ferdinand orsah. entlassen, die
Kutschvserde dem Verwalter zur Feld
arbeit überarben, turz der ganz-Haus
halt ausgelöst-.
Still und verlassen, itde und leer
stand das hübsche, sonst so freundliche
Herrschaftsbaus da; auf die Part
weae schiittelte der Herbsttvind die
welken Blätter nieder. asuf dem kleinen
Weiher im Bart bildete sich eine ariine
Schlammdecke, die Blumenbeete lagen
tin-gepflegt und verwildeet da, in den
Rweiaen der kahlen Bäume nisteten die
Dohlen und Kriihm
Der alte Pfarrer Vollmar schüttelte
traurig das areise Haupt, und Käthe
Vollmar wein-te beim-lich manche bit
tere Tbriinr.
Vor Fetdireand hörte man nichts
mehr; es hieß, er mache eine Orient
äefkk niemand wußte, wo er sich auf
re .
7.napitet. i
Herr Kaspar Reuaebaur hatte ein
gutes Geschäftsjahr hinter sich. Einige
Ermittelunaen in dislreten Familien
ansaeleaenheiten brachten ihm hohe
honorare ein. Daß Herr Fiaspar Neu
aebawr bei diesen- Ermittelunaen nicht
immer die qeradesten Wege qina und
dem Grundsatz huldigte: »Der Zweck
heiliat die Mittel« — konnte man
von dem schlauen Detettiv nicht an
ders erwarten. Und ob seine Ermit
telunaen schließlich das Glück und die
Zufriedenheit mehrerer Familien zer
ltiiriem war ihm höchst aleichaültia.
»Was iustitia. pereat mundus« — war
sein Wahlsvruch, den er stets imq
Munse zu führen pflegte.
Kurz und aut, er hatte im letzten
Jahre vortrefflich abgeschnitten und
konnte sich im Sommer erst eine tleine
Erholung gönnen. Da er aber gewohnt
war, selbst seine ErholunaBreisen mit
einem geschäftlichen Zwecke zu verbin
den, so übernahm er die Beobachtung
eines beken, wächer plötzlich und ohne
ausreichenden Grund von Berlin nach
dem Riesemehirae abgereist war und
sich in ein einsames Gebirasdors an
der Schneetopve vergraben hatte. Die
ler Herr, ein Amtsgerichtirath a.D.
Wer-mie- twt lehr wohn-abend und
unverherrathei. Grund genug file ver
schiedene Rechten und Neffen. den lie
ben Onkel nicht aus« den Augen zu
lassen, zumal der alte etwa sechziglt
rige here vie seltsame Laune tie,
sein Geld zu Mthätinen Zwecken zu
verwenden. Das heißt, mä ossizteli
ien Wohlwiiiiakeitsllstm Monate sein
·Name niemals. Auch öffentliche Wom
ihäiiakeitöveeanstaltumen besuchte ek
nichts der alte Heer ainxp wie über
haupt im Leben, auch bei feinen Wohl
ihatens seinen- eigenen Weg, indem ee
selbst die Quartier-e der Armuth und
des Elends aufsuchte und hier bedürf
tig Personen unterstütztr. Schon man
cher arme Handwerker, schon manche
arme Wittwe hatte dem »sonderbaren
Kanz« die Existenz, ja das Leben zu
verganlem
was war genug sehr schon, aoer ore
Nichten und Neffen sahen nicht ein«
weshalb das schöne Geld ihres Onlels
ans olche »Warst-um« vergeudet wer
den sollte. Am liebsten hätten sre den
guten Onkel unter Kuratel wegen Ver
schwendung seines Vermögens gestellt.
Deshalb sandten sie auch den beten
Kasbar Neugebaur dem guten Onkel
in das Riesengebirge nach, um zu be
obachten, ob dieser nicht etwa neue
»Dummheiten« machte, die ihre Ab
sicht. ihn unter Kurael zu stellen, un
terstützen konnten.
- Es war an einem schönen Split
sonrmer-Abend, als Kaspar Neugebaur
in FriedrichsthaL dem einsamen Ge
birgsdorf am Fuß der Schneetobpe,
anlangte. Romantisch in einer engen
zu der axwtaltigen Masse der Schnee
topve aufsteigenden Schlucht gelegen.
wurde Freibrichsthal im Sommer oft
von Torrristen besucht. Länge-ten
Aufenthalt namen die Reisenden jedoch
selten in dem kleinen Dorfe, da das
nahe aeleaene Spindelrniishle beque
mere Untertunst bot. Friedrichsthal
laa gerade auf der deutsch-österreichi
schen Grenze: an der kleinen Brücke,
welche itber den Bach führte. befanden
s» biiben und drüben Zollhäuser. in
denen stehende Posten von Grenz
wiichtern auartiertm Auf der öster
reichischen Seite erhob sich eine große
Spinn abrich nrit ihren arauen Ge
bäudemassen und himmelanragenden
Schornstein-en Die Hälfte der Ein
wohnerschaft von Friedrichsthal war
in dieser Fabrik beschäftigt: besonders
die Frauen und Miidcken des Dorfes
fanden in dieser Fabrik lohnende Be
schäftiauna·
lFortsetzung folgt.)
Roman einer Qrchtdee. -
Auch Orchideen haben ihre Schick
sale, und zwar recht merkwürdige und
phantastiscbr. So hat man vor weni
gen Monaten eine seltene Orchideen
art, die seit 50 Jahren nicht mehr
aufgefunden worden war, wieder ent
deckt. Die Orchidee trägt den Namen
lsypribedium Fairieanum«; sie gehörte
zu einer in Assam im Jahre 1857 zu
sammenaebrachten Sammlung, die in
dem gleichen Jahre nach London tam
und auf einer Aultion bei Stehens
von einem Mr. Fairie erstanden und
nach ihm benannt wurde. Jn seinem
Besitz blühte die seltsame Pflanze
wunderbar und wurde bald in der
ganzen Orchideenliteratur als eine
der schönsten unter allen bisher be
kannt gewordenen Arten gerühmt.Es
wurden dann noch ein Paar andere
Pflanzen dieser Art aufgefunden, aber
seit 50 Jahren waren alle Anstren
gungen vergeblich, weitere Exemplare
zu gewinnen, und vergebens wurden
von tiihnen Sammlern gefahrvolle
Reisen und mühselige Expeditionen
unternommen.
Allmählich wurde der Originalstock
der Pflanzen, der sich in Großbritan
nien befand, kleiner, und schließlich
blieb nur ein einziges, nicht eben gro
ßes Exemplar übrig, das den Stolz
des Präsidenten der Könialichen Gar
tengesellschaft, Sir Trevor Lawrenee,
bildete und natürlich unbezahlbar
war. Es war das jene Zeit, da die
Qrchideenziichter in der falschen Mei
nung, die Pflanzen kämen aus Jn
dien und brauchten deshalb viel hine,
diese Wunderblumen in heißer Gluth
zu Tode verdorren ließen; zudem war
die berühmte Fairesche Orchidee durch
Kreuzungem zu der sich die Pflanze
vorzüglich eignete, noch geschwächt
worden.
So waren die Aussichten für Er
haltung und Fortbestehen dieser selte
nen Art eine trübseliep Da entdeckte
ein Mitglied der iibetanischen Expedis
tion im vorigen Jahre ein ganzes
Büschel dieser Pflanzen und schickte sie
nach Kalluttm von wo sie dann wei
ter nach Kew gebracht wurden; nun
werden in wenigenWochen 180 Exem
plare dieser so lange verschollenen Art
verauttionirt werden. Die Jdentitiit
der ausgefundenen Pflanzen mit der
Fairieschen Orchidee ist in Kew als
zweifellos festgestellt worden, da eine
der Blumen seit ihrer Ankunft blühte.
Jedoch sind die Aussichten auf eine
weitere Vermehrung derPflanzen sehr
gerinae. Wahrscheinlich werden wei
tere 50 Jahre vergehen müssen, ehe
wieder welche gesunden werden, denn
die Gelegenheit, in Tibei nach Dahi
deen zu suchen, wird sich sobald nicht
wieder bieten. Private Sammler wer
den sich in das Land nicht hineinwa
gen, und auf eine neue militärisehe
Erz-edition kann man lange warten.
Die in Kew blühende Orchidee bietet
ein wunderbares Bild zar ester Far
ben und hizarrster Formen ar.
In Japan wird man sehr hedaue
daß dieser Schuh und Truh ni
schon zur Zeit des russischen Krieges
bestanden. in Juni-nndI weniger.
l Tiefe Herzen brechen —- ges-äuss
u« o o o
Die Krisen ins Marotto kommen
suwhäufiw um zum Grufeln zu ftif
te