Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, October 06, 1905, Sweiter Theil., Image 13

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    F———————
s Maine-US Bald-dem
Stizze aus einem Kinderleben don
Josephine Siebe.
Nun war die zarte, blasse Mutter
ihrem schon früh verstorbenen Gatten
nachgegangen, und der lange Junge
stand wie betäubt an ihrem Todten
bett. So jäh hatte das Schicksal sein
glückliches Kinderleben zerstört, nnd
hülflos, rathlos ließ er alles über sich
ergehen; eine namenlofe Angst lag in
seinen Kinderaugem als er an dem
Grabe stand, er fühlte es nur wie eine
dumpfe Ahnung, wie arm er gewor
den war. — Er larn zu Verwandten
ins Haus« er wurde zwar ohne son
derliche Wärme aufgenommen, aber
doch in Bezug ans Aeußerlichteiten
wie ein Sohn des Hauses behandelt,
und doch war es ihm, als sei er in
eine fremde Welt versetzt worden. Da
heirn bei der Mutter war alles llein
und einfach gewesen, hier in dem rei
chen Hause der Verwandten war alles
groß —- weit und elegant; doch in den
kleinen Stuben der Mutter hatte sich
der lange Junge frei und sicher be
wegt, hier in den weiten Sälen stieß
er überall an, er war unsicher und ver
legen, und seufzend fand seine Tante,
daß er doch ein recht häßlicher Junge
sei. — Wirklich hübsch war er nicht,
früher als Kind hatte er durch feine
Lieblichkeit alle entzückt, und die El
tern hatten in ihrer Zärtlichkeit für
ihn den Namen ,,Holdchen« gefunden.
Jn dem letzten Jahr aber war er so
rasch gewachsen, Füße und Hände wa
ren viel zu groß, seine Bewegungen
erinnerte-n an die Unaefchicklichteit ei
nes jungen Jagdhundes. Wenn Frau
Elvire.auf den Neffen sah, dann wan
derten ihre Blicke immer vors ihm fort
zu ihren eigenen Kindern. Jlse und
Nota, ihre Töchter, waren trotz ihrer
neun und zehn Jahre schon richtige
tleine Damen, sie hatten ebenso ru
hige, weiche nichtssagende Gesichter
wie die Mutter, dieselben blonden,
glatten Haare und farblosen Augen,
sie bewegten sich ebenso steif und abge
messen und hatten gerade wie die
Mutter eine unendliche Wichtigkeit
mit ihrer Toilette. Wenn sie mit
Fräulein Braun. ihrer Erzieherin,
spazieren gingen, dann schritten sie so
torrett einher, gerade wie« zwei auf
Draht gezogene Puppen.
Der Junge, der da herausgerifsen
war aus den Armen der Mutter, aus
jener warmen, wohligen, kleinen Welt,
wo alles so weich, so voll Liebe gewe
sen war, so durchfonnt von Herzens
giite in der er immer noch das Hold- .
chen genannt wurde, trotz seiner lan
gen Glieder und seiner ungeschicktens
Häßlichleit, empfand diese kühle, stille:
Ruhe der neuen Heimath wie eine Last.
Hier hiesz er Richard, das Holdchen
war mit der Mutter ins Grab gefun
len, und als die dumpfe Betäubung,
das ongstdolle Staunen der ersten
Wochen sich gelegt hatte, iiberlam ihn
eine unendliche Sehnsucht nachWärmr.
Oft weinte er wild und ungestiim nach
der Mutter, und dann packte es ihn
manchmal und er lief zur Taute, undt
legte seinen struppigen Kon an ihre»
Brust, Frau Elvire sah dann etwas-i
unangenehin erstaunt.auf und strich!
flüchtig mit ihrer weißen, festen Hands
über sein heißes Gesicht: »Du darfst»
nicht so unmanierlich fein, Richard«,?
sagte fie, und das »Richard« klang
scharf und kühl, tein Liebeston zitterte
darin nach. i
Dann ging er, beschämt, verlegen,s
zwei —-- dreimal war er getoniitien,i
dann wagte er es nicht mehr. Beis
dem Onkel hatte er gar nicht den Ver- «
such einer Annäherung gemacht nnd
bei Jlse und Nara hatte er so wenig
Glück tvie bei der Mutter. Sie lach
ten mitleidig über die Spiele, die er
verschlag, und als er einmal im Gar-«
ten eine Schneeballichlaebt mit ihnen
beginnen wollte, liefen sie weinend zu
ihrer Erzieherin, die ihm streng sein
Betragen verwies. An diesem Abend
erhielt er von seiner Tanre einen
scharfen Vertveis, sie nannte ihn einen
Flegel, nnd Jlse und Nora rückten bei
Tisch weit von ihm ab. Er wurde
verwirrt, die allgemeine Mißbilligung
machte ihn verlegen und in seiner Un
geschicklichleit stieß er die Weinslasche
um und der rathe Strom ergoß sich
aus Noras Kleid. Jm nächsten Au
genblick sühlte er einen heftigen-Schlag
Er sah das zarnige Gesicht seiner
Tante vor sich, sie schalt ihn so, tvie er
noch nie in seinem Leben gescholten
worden war, und er muszte das Zim
mer verlassen, und wurde aus drei.
Tage vom Tisch verbannt· — Jn der I
Einsamkeit seines Zimmer-s stürztenj
ihm die Thränen aus den Augen, er
weinte toild und leidenschaftlich, er
schrie sörmlich nach seiner Mutter, jas
er zürnte ihr sast, daß sie von ihm ge-- I
gangen war. --— Von dem Tage an
wurde er trotzig und verschlossen, er
fühlte, daß man keine Liebe siir ihn
hegte und das verbitterte ihn. Er be
miihte sich sogar so unmanierlich wies
möglich zu sein, er hatte eine Arts
Freude daran« wenn er sah, wie seine
Tante sich iiber sein lautes Wesen ent
rüstete und die wohlerzogenen Consi
nen ihn ängstlich mieden. stenen
Widerstand wagte er nicht, das weiße,
gleichmäthige Gesicht der Tante bann
te ihn förmlich, aber tvenn er dem
Blick ihrer kalten, blauen Augen ent
ronnen war, dann kam der heimliche
Zorn zum Ausdrucks, dann trachte er
die Thüren, dann stampste er die
Treppen aus nnd ab, sulest wurde er
förmlich erfinderisch im Augsinnen
neuer Unarten. Dabei saß ihm heim
lich im herzen der dumpfe Schmerz,
diese unverstandene Sehnsucht nach
Liebe, und-da niemand im Hause ihm
nur ein wenig Liebe zeigte, suchte er
Trost bei seinen Schultameraden. —
Da war einer darunter, ein schmäch
tiger, blonder Junge, mit einem run
den, rosigen Gesicht, wie ein Mädchen
sah er aus, und etwas Zartes, Schlich
ternes lag auch in seinem Wesen.
Halb schen, halb bewundernd sah ihn
Richard immer an, er wagte es kaum,
sich diesem zu nähern, er hatte nie viel
mit Kameraden gespielt, seine Mutter
war sein bester Freund gewesen, und
in dieser Kameradschast zwischen
Mutter und Sohn hat ein Dritter
nicht Platz gehabt. —
Ein gemeinsamer Spaziergang mit
dem Blondkops sörderte die Freund
schaft. Dieser war ziemlich weichlich,
er hatte etwas Angst vor der bäten
hasten Stärke Richards, die bereits in
der Klasse gefürchtet war, er hielt es
daher siir gerathen, die ihm ofsen dar
gebrachte Freundschaft anzunehmen.
Nur anzunehmen, weiter ging er nicht,
e: gab nichts, und Richard in seiner
ehrlichen, täppischen Gesundheit em
pfand dies gar nicht« er war glückselig,
einen Freund zu haben, rückhaltlos
vertraute er diesem alles an, selbst
seine dumme Sehnsucht nach dem ver
lorenen Kindernamen sagte er ihm
und bat ihn: »Nenn mich doch manch
mal Holdchen!«
Er war lein Menschenlenner, der
lange Junge, sonst wäre ihm das ver
rätherische Zucken um die Lippen des
anderen ausgefallen, dieser rasch den
Boden suchende Blick.
Vollkommen erfüllt von dem Glück
seiner neuen Freundschaft merkte es
Richard nicht, «wie seine Kameraden
ihn manchmal lächelnd ansahen, wie
sie tuschelten, wenn er vorbeiging, er
hörte nicht das halblaut geflüsterte
Wort, bis er eines Tages unvermu
thet in die Klasse trat, da hallte es
ihm entgegen, spöttisch, höhnend
»Holdchen«. Der lange Fritz, der, den
er vor kurzem im Ringkampf besiegt,
hatte es gerufen.
Erst begriff es Richard gar nicht,
verwirrt sah er um sich, überall
lachende Gesichter und da — sein
Freund, das feine Gesicht verlegen zu
Boden gewandt, da wurde es ihm
klar, jener hatte ihn verrathen, man
hatte über ihn gelacht, gespottet.
Nun rief es wieder, von allen Sei
ten klang est »Holdchen, Holdchen!«
—- Dser Gehöhnte schrie auf var Zorn,
bleich, vor Wuth zitternd, stürzte er
sich auf den, der ihm am nächsten
stand, er hieb auf ihn ein, wie ein
Wahnsinniger, da packte ihn eine kräf
tige Hand, aber er riß sich los, keu
chend mit geballter Faust schlug er
blindlings um sich. —
Ein Schrei gellte durch die Klasse,
nnd wie im Nebel sah Richard Plötz
lich das blutige Gesicht seines Klas
senlehrers bar sich. — Wie gelähmt
sank ihm die Hand herab, willenlos
ließ er sich fortführen und in ein lee
res Klassenzimmer sperren, dort sasz
er in dumpfer Betäubung, big in Be
gleitung mehrerer Lehrer sein Onkel
ihn holen iam. Er hatte leine Ant
wort auf alle Fragen, stumm lief-, er
die Strafreden, alles über sich er
gehen, es machte ihm kaum Eindruck,
daf; ihm verkündet wurde, er würde
aus der Schule gewiesen.
Die Verwandten waren entsetzt
über sein Betragen, er wurde in sein
Zimmer verbannt und wie ein Pest
tranker gemieden, er sollte Zeit haben
über seine Schuld nachzudenken. Er
dachte auch immer daran, und er, der
nie einem Thier hatte etwas zu Leide
thun können, sah immer voll Grauen
das blutende Gesicht seines Lehrers
vor sich, manchmal auch das rosige
Mädchengesicht des falschen Freundes-,
und dann erftickte immer die Wuth
seine Reue. Brennend gern wäre er
zu dem Lehrer hingegangen, denn er
hatte ihn gern gehabt, nur wenn er
allein mit ihm gewesen wäre, hätte er
auch den Muth gefunden, ihn um
Verzeihung zu bitten, aber man ver
langte von ihm, er solle es öffentlich
vor den anderen Lehrern thun, da
weigerte er sich, da siegte wieder der
Trotz. —- Man brachte ihn in eine Er
ziehungsanstaltx so eine Art Zucht
haus im Kleinen, der Ruf eines
Raufboldeö ging ihm voran, und da
er in seinem unverstandenen Weh
schweigend alles über sich ergehen
ließ, nannte man ihn verstoctt.
Jn seiner Kindheit hatte er sich fast
schrantenloser Freiheit erfreut, die
Hand der Mutter war so weich gewe:
sen ,daß er es gar nicht empfand, wie
sic ihn leitete, und nun war er gesan
gen, stand unter fortwährender Auf-:
sicht, viel schlimmer noch als bei den
Verwandten. Wie das freiqeborene
Thier sich gegen die Knechtschaft
wehrt, so wehrte er sich.
Jn einer Nacht brach er aus«-! ——
Lhne Vorbereitung, ohne überhaupt
zu wissen, wohin er wollte, nur aus
dem Gefühl heraus, frei fein zu mits
fcn. Er schlich sich, als alle Kame
raden schliefen, in den Speisefaal, der
unvergitterte Fenster hatte,’dort klet
terte er einfach zum Fenster heraus
an einem Mauerpfeiler entlang, doch
nur die Hälfte seines Weges legte er
zurück, da hörte er rufen. -— Einen
Herzschlag lang besann er sich — dann
sprang er hinab-sein schwerer Fall,
—ein Stöhnen weckte den schlafenden
Wächter.
F Man fand ihn blutlibersteömt am
Boden liegend, und der Arzt zuckte die
Achseln: ,,Rettung giebt es nicht und
; es ist ja wohl auch nicht schade um
i n.«
Als letzte Leidensstation öffnete sich
das Krankenhaus für den Jungen.
Eine freundliche, alte Schwester
pflegte ihn, in den wenigen schmer
zensreichen Stunden, die ihm noch be
Ifchieden waren. Sie hatte ein gutes,
iwilde-Z Gesicht, und dem Kranken, dem
sich die Sinne verwirrten, erschien sie
:wie eine Mutter. Unanfhörlich flü
stette er »Mutter komm doch"' »Mut
ter geh nicht fort.« Und einmal, als
sich die Schwester über ihn neigte, sah
Her sie seltsam forschend an und dann
Jtnutmelte er: »Mutter-, sag doch mal
IHoldchen!« —
Eine Erinnerung lam der Schwe
ster, die ergraut war im Leiden der
Menschheit, die Erinnerung an eine
serne, schöne Zeit, da ein lieber Mund
ihr ein-en weichen, kindlichen Namen
gegeben, und erschüttert neigte sie sich
iiber das Bett des Kranken: »Mein
Holdchen«, sagte sie weich und noch
einmal »Holdchen!« — Ein glückseli
ges Lächeln verklärte das hagere Jun
gengesicht, ausathmend legte er den
Kopf zur Seite und schlief ein. —
Das letzte Wort, das ihm nachllang
aus dieser Welt, war doch noch der
Kosename der Mutter gewesen.
.-—--—
Herbst.
««Noveaistische Sei-Je- von Arnald
A. K r U se.
Die Kleine «-war reizend ——— ohne
Frage —lnstig wie ein Vöglein und
hübsch wie eine thausrische Rose. Felix
Heimburg gestand sich, daßsie ihm
sehr, sehr wohl gefalle. Nochs vor drei
Jahren, als er noch Literaturlehrer an
der höheren Töchterschule war, da
Hatte er das hochbegabte siinszehnjäh
rige Kind weiter nicht beachtet - ein
Backsisch wie alle anderen --— das ist
der Standpunkt deg Schulntannes,
wie er sein sollte. Namentlich aber
dann, wenn er alcs stattlicher, sehr
hübscher und äußerst eleganter Mann
von 37 Jahren täglich den Blicken von
zwanzig schwarzen, blauen oder
grauen, zum Tbeil schelmischen Angen
vaare als Zielscheibe dient! Und alle
ohne Ausnahme schwärmen sie siir den
Herrn Literaturlehrer, der so gar
nichts Schnlmeisterhafteg an sich
hatte.
Nun ist dass aber ganz anders «
nun hat er vor etwas länger als zwei
Jahren ganz unerwariet eine recht be:
trächtliche Erbschaft aemacht — -nian
spricht von einer halben Million - -
nun hatte er seinen Herzenswunsch
vertvirtlichen und sich als Privatdo
zent siir deutsche Literatur und Aest
hetil an der Universität habilitiren
können, und sie, die stitth !tteichert,
war nicht mehr seine Selsiilerin s— kein
Baclsisch mehr, sondern eine jnnge
Dame.
Er besah sich im Spiegel. —’Jticht
übel. Das Auae blickt immer noch in
idealer Beaeisterung für alles Höhe
und Edle, die sein und doch eneraisch
geschnittenen Gesichtsziiae waren noch
immer von unaewöhnlicher Schönheit
-— nur durch die braunen Haare des
Hauptes und des sehr starteuSchnurr
bartes zoaen sich manche Silbersiiden.
Aber was wollte das saaen sman ist
so alt wie man aussieht ——-und er
sal) nicht alt aus -entschieden nicht
» deshalb tam auch der Altersunters
schied nicht in Betracht.
Vier Wochen war sie nun bereits
wieder aus der Pension zuriick und
man machte ihr nicht schlecht den Hos.
Aber er war sicher, dass teiner von all
diesen Strebern und Mitgistjiiaern
iraend welche ernsten Absichten hatte.
Denn wenn der Vater auch Land
aerichtsdireltor war, du mein Gott --—
Vermögen war iiberhaurst nicht viel
vorhanden gewesen und der tliest war
fiir Revräsentation draus gegangen.
Das sehr hübsche Gehalt aber wurde
bis aus den letzten Psennia verbraucht.
An de·r Erziehuna der Tochter war
nichts aespart, ein Sohn war Referen
dar — der andere Lsiizier man
kennt das.
Und tvirtlich schien es auch, als ob
Kittn sich nichts aus all diesen faden
Schwätzern machte, daß sie ihm allein
ein erhöhtes Interesse entaeaenbrachte.
Mit ihm bslog sie ernste Gespräche,
mit ihm sprach sie von Schiller,
Goethe und Shatespeare, daß alle Sa
lonlöwen die Nase riimpften und die
Unterhaltungen zwischen den beiden
bereits »das Kolleg« getauft hatten.
Mir mit einem einzigen unterhielt
sie sich noch gern, und das war sein
Neste, der ein,tiae Sohn seiner älteren
Schwester, Dr. Hubert Stranz. ein
junaer, aussallend hübscher Arzt an
der chirurgischen Universität. Aber so
viel er hatte hören können, war es nur
ein harrnloses Geplauder—ss—und was
sollte es auch sonst sein· Eifersucht
lag ihm, dem Privatdozentem Dr.
Felix Heimburg, völlia sern. Außer
dem wäre die Geschichte zwischen den
beiden völlig hossnunaslos gewesen.
Hubert war arm ——- er hatte die Mut
ter sriih verloren und den Vater nach
eben beendetem Universitätsstudium.
Hubert batto bei dessen Tode wenige
tausend Mart aeerbt. deren Zinsen —
z.T. ioaar das Itale ——ausl)elsen
mußten, wenn das Assistentenaehalt
nicht ausreichen wollte. Aas Heirathen
war also nicht zu denken. Hubert
brauchte eine reiche Frau und Kittv
einen wohlhabenden Mann — das war
aanz klar, und das mußten die beiden
sich doch auch selber saaen. Kittv werde
aus ihre noblen Passionen nicht ver
zichten wollen und das brauchte sie als
seine Frau ja nicht; Denn zu den
Zinsen seines hübschen Vermögens
kamen auch noch die ansehnlichen Kol
Ilegiengeldey er las drei Kollege zu
; vier Stunden wöchentlich und eines zu
zweien — und alle waren sie schon
nach dem ersten Semester überlaufen
« gewesen!
Das bischen ,,Herbst« auf seinem
Haupte würde also nichts schaden. Er
rrar entschlossen, sich sobald alg minn
lich zu erklären.
Die Thür wurde hastig geöffnet und
herein stürzte ein hochgew-achsener,
blonder junger Mann.
»Guten Morgen, lieber Onkel, ver
zeih, daß ich Dich zu so ungelegener
Zeit übersalle — aber ich muß Dir ein
wichtiqu Geständniß machen.«»« «
»Ro, na—Herbert, was ist denn
los? Setz’ Dich wenigstens erst und
dann sage wir in aller Ruhe, was es
eigentlich giebt?««
’ «-,Ontel wirst Du mich aber auch
nicht auslachen? Ich liebe Kitty Rei
jchert —— und ich glaube, ich werde von
ihr wieder geliebt —aber -—wsas ist
IDir denn nur, Onkel?«
- »Mir?— Nichts —- gar nichts!
Aber sagtest Du nicht, Du glaubtest,
E Du werdest von Kittn wieder geliebt?«
,,Allerdings-, Onkel, so sagte ich.«
»So hast Du Dich ihr noch nicht
; erklärt —«
’ ,,Onlel -—wie käme ich denn dazu
«——- ich, der ich noch nichts bin und
J nichts habe?«
» ,,Bravo, mein Junge —- Du bist
nichts und hast nichts — Du sollst erst
noch was werden. Und wenn Du Dir
als junger Arzt eine Praxis suchst,
dann mußt Du die Sorgen der ersten
Jahre allein tragen ——— oder, Du mußt
Dich so einrichten, daß Dich dieie
Sorgen nicht erreichen --- d. h. Du
mußt eine reiche eine reiche Frau
nehmen. Gott ja -—— ich glaube Dir ja,
daß der Verzicht Dir zuerst weh thun
wird —- allein Du mußt verzichten-—
das bist Du Dir und stittn schuldig
Glücklich werdet Ihr nicht, denn Sor
gen irciben die Liebe aus dem Hause
—das weißt Du ebensogut wie ich.
Und nun entschuldige mich, mein
Junge, ich muß ins Kolleg«
Gesenkten Hauptes ging der junge
Arzt von dannen
»Der Anakiff wäre abgeschlagen —
und nun bald zu ihr!« sagte sich Dr.
Felix Heimburg
Als er Ftitth wiedersah, da fand er
sie nachdenklich ja niedergefchlageu
Er drang in sie, ihm zu sagen, was
ihr fehle-er hoffe doch. er besitze ihr
Vertrauen und würde sich bemühen,
das auch zu verdienen.
»Ach ja,« sagte sie endlich nacheinis
gem Zögern, »ich habe Vertrnaen zu
Ihnen —— unbegremtes wie zu
einem Bruder »s-- oder zu einem Va:
ter.«
Felix durchzuckte es, aber sie merlte
es nicht und fuhr fort:
»Ein junger Mann liebt mich, ich
weiß es genau, aber er wagt nicht zu
sprechen, weil er noch nicht auf eigenen
Füßen steht —— und ich —-- ich liebe ihn
wieder s-« aber ich tann es ihm doch
nicht sagen!«
»Und wer ist’s.-?«
»Dr. Hubert Stranz — JhrNesse!«
So war Felix noch nie zu Muthe
aewesen. Aber schon am anderen Tage
hatte er sich darein aefunden, daß es
bei ihm jetzt »Herbs1« war.
lir schrieb an seine Bank nnd über
wies seinem Neffen fiir die nächsten
drei Jahre eine sehr reichliche Jahres
reine-— später werde er ja doch alles
betomrnenl
Das Telephon.
De Besichtigunggtag fiir die X Ar
tilleriebriaade war angebrochen
lslrau in arau gemalt erichien der
Himmel, in eintbnigein Plätichern fiel
der·,liegen auf die Wettblech und Fach
niertbaracten, und nicnt dag tleinne
blaue fflectchen ließ eine Besserung des
Wetters an diesem to boctiwichligen
Lage erhoffen, an dein der ztonnnang
dirende General von Donnergberg sich
Von der Schießausbildung dieser Bri
gade überzeugen wollte.
Sorgenschtoer blickten die Häupt
linge nach den Zielen, die im grauen
Nebel taum erkennbar waren, trotzdem
der Sctxibenbauofsizier wahre Scheu
nentliore für das Besichtigunggschie
szen hin gebaut hatte; inißvergniigt
blickten die Leutnantg auf ibre nafi
und nässer werdenden Bandoliere und
Waffenröcte und iiberlegten in Gedan
ten, ivie Viel sie dasiir ans der Offi:
,iieriinterstiitziinggtasse berausfchlagen
könnten.
Frierend und übel aelaunt standen
die Kanoniere neben den Geschiitzen
Jlnien graute vor dem Geschützreinigen
bei diesem Hundewetter.
«le meisten Sorgen aber lasteten
iaui dem Geiniitb des Obersten von
s Seiibeiin
; Eine Besichtiauna bei solchem Wet
ster, wo Exzellenz so schon sehr eins
pfindlich war, wie sollte das enden!
Jin Geiste sah er sich bereits im Zns
linder in einein Pensionopolis des
Dentschen Reiches.
Nervös wandte er sich an den hin
ter ibni baltenden Reqiinentsadjutaw
ten Oberleutnant Holferss
»Nicht wahr, Holfers, die Elwira
stebt doch ganz sicher beim Schiefzen2
Denn wenn Erzellenz mit dem gestell
ten Pferde nicht zufrieden ist, dann
können wir was erleben!«
»Die Elvira steht wie ein Bottigir
boet beim Schießen« sieistia das ru
hiaste Pferd der ersten Batterie,« er
widerte der Gefragte.
Jetzt tain der Kommandirende mit
dem Brigade-.5konimandeur herange
ritten. Sein rundes Gesicht strahlte
vor eitel Wohlwollen, und der Oberst
athmete erleichtert auf.
Denn erstens hatte Exzellenz gut
geschlafen, dann war der Kassee
heute früh schön stark und heiß gewe
sen, ganz so, wie er ihn liebte, und
ferner sah die Elvira, ein kleiner,
dicker Goldfuchs, im stsrahlenden
Glanze naaelneuen Zaum- und Sat
telzeuaes geradezu blendend schön aus.
Exzellenz war bis jetzt so znsriedem
daß der Rean seine aute Laune nicht
trüben konnte. »
Er begrüßte den Obersten und be
ehrte die aufgesahrene Batterie, eg war
die vierte, mit einem »Guten Morgen,
erste Batterie,« sich an dem laut ge
briillten «militärischen Gegenarufie
,,Guten Morgen, Euer Exzellen3« er
freuend.
Der Briaadetoinmandeur stellte
dann die Schießausgabe, und Exzel
lenz fah mit Vergnügen dem Plagen
der Schrapnells und dem emsigen
Hin- und Hersprinaen der Kanoniere
zu. l
Aber plötzlich hatte etwas seineAuf
merksamkeit erregt.
Er wandte sich an den Obersten:
»Ah, Herr Oberst, die Telephonlei
tuna acht jetzt bis in die Feuerstel
luna, wie ich sehe; sunktionirt sie gut?«
»Hu Befehl, Euer Exzellenz, vor
züalich.«
»So, so, Sie können also von hier
mit allen Ständen sprechen?«
»Ein Befehl, Euer Exzellenz.«
»Das muß ich doch mal selbst pro
biren!«
Exzellenz saß ab und ging, vom
Stabe bealeitet, an die Telephonsta
tion während das edle Schlachtroß
schnell durch Decken aran die Unbill
der Witterung geschützt winde.
Dann rief Exzellenz an: :
»Stand 6!« !
—
Lscheint die Sonne-W
Exzellenz nickte befriedigt: verstand :
hatte sich aerneldet. i
Dann that der Kommandirende die t
denltoiirdiae Frage: ;
»Reanet’s da auch?« f
Plötzlich wurde Exzellenz ganz roth T
im Gesicht, einen Augenblick kämpften
Zorn und Lachen in seinen Zügen,
dann brach er in ein schallendeg Ge
lächter ans und sagte: ,,Verfluehter
Kerl, aber recht hat er!« Und er ging
lachend zum Pferde zurück, um sich
weiter vom hohen Roß die Schießerei
zu besehen·
Die Krititen fielen milde, sehr
milde aus, Exzellenz war mit dein
Können des Reaimnetg durchaus zu
frieden.
Der Oberst strahlte.
Dann wandte sich Erkellenz an
Oberst von Senheitn.
»Saaen Sie, mein lieber Senheim«
—- das Gesicht des Obersten strahlte
bei dieser Anrede noch biel mehr «
,,roelcher Kanonier ist im Stand 4 am »
Telephon?«
Der Adjutant sah in sein Notiz
buch.
,,Kanonier Fintschte, zweite Bat
terie.« F
»So, so, dann aeben Sie ihm, bitte,
mal diesen Thaler von mir und sagen
Sie ihm, die Unterreduna heute früh
hätte mir vielFreude aeiuacht.«
Dann ritt Er·i,ellenz, huldvoll grü
ßend, nach der Generalgbaraele. ;
Der Oberst wandte sich an Haupt-’
mann v. Welenbura, den Chef der
zweiten Batterie
»Herr Hauptmann, der Fianonier
Kutschte ist zu befördern; ich freue
mich zu hören, daß Sie so tüchtige
Leute in Ihrer Batterie haben. J
werde dein Kanonier selbst seine Ve
förderuna mittheilten. Holfers, Sie
holen mir den stutsehte sofort in das
Neaimentgaeschäsisziinnter.«
Nach kurzer Zeit traf Franouier
Kutschke»sehtreiss,triefend dort ein, ihm
folate Holser5, sich utiihsain das La
chen verbeiszeitd
»Hier haben Sie einen Thaler, mein
Sohn, den ich Ihnen im ttlusiraae
seiner istzellenz iiberaebe. Seine Ex
zellenz hat-en sieh sehr iiber Jhre
scltlaasertiaeu Antworten aesreutz ich
lefördere Sie desteaen auch lzum lite
freiteu, denn ich liebe tijchtiae, frische
Soldaten. Nun saaen Sie aber blos-«
was haben Sie denn eiaentlich Seiner
Exzellenz aeantwortet?«
»Herr Oberst,« erwiderte der Kano
nier, ,,toie mich Ertellent sraatenJ
Reanet’s da aneh? da dachte ich, es T
wäre der Miiller von meiner Vatterie ;
aus Stand It, und der wollte sich bloß J
einen Witz machen. Aber ich halte nicht !
aetvusz daß Seine Ertelleni am Te- i
l(vhon waren, und da habe ich aesaatr i
Na, denkst Du Ochse denn, bei uns:
A
’Dte steigenden Mitten-reich
Der kiirzlich verstorbene französische
Schriftsteller und Naturforscher Jules
Verne hatte vor mehreren Jahren in
einem Strandcorfe ein tleineg Haus
aemiethet, um daselbst den Sommer
in ländlicher Ruhe und guter Lust zu
zubringen. lKaum hatte er sich häus
lich rinnt-richten als er sieh nach einem
Bauern in der Nachbarschaft umfah,
der im Besitze von stiiheu wäre, um
täalich frische Milch Von ihm haben
zu können. Man sijhrte ihn zu einem
solchen nnd er begann mit dem Manne
zu unterhandeln
»Weder Freund,« sagte er, ,,mein
Diener wird von heute ab jeden Mors
gen zu Ihnen iommen, um einen Liter
frische Mlich zu holen. Ich kann diese
doch von Ihnen bekommen?«
»Gewiß, die können Sie haben und
zwar fin acht Sonst«
»Das heißt, ich möchte gern ganz
reine Milch haben, nicht etwa gewäl
sette.«
»Dann kostet der Liter zehn Sous.«s
»Und Sie werden die Milch in Ge
genwart meines Dieners mellen?«
»Gut, aber dann kostet der Liter
fünfzehn Spuk-L«
Unter Freundinnen
»Ich habe mich gestern mit dem
Assessor Hurtig verlobt und heute
wird er mir den Verlobungsriikg brin
-gen.«
»Ach so, deshalb hat er ihn Von mir
heute zurückverlangt.«
Bart-ast.
Hausfrau (zu ihrem Dienstsiiädchem
welches die Fensterscheiben schlecht ge
reinigt hat): ,,Eine schöne Tugend ha
ben Sie gewiß, Anna. Jch habe noch
tein Mädchen gehabt, das so wenig
putzsiichtig gewesen wäre, wie Sie««
Gut gesagt.
Frau: »So ’ne Gans hat doch ein
zu dummes Gesicht.«
Händler: »Ja, ja — stubirt hänt se
stilich nich — se hänt nix liehrt as
freten, supen un fett war’n un dat is
naug för e Gans —- manche Minschen
können oot nich mihr.«
Die böse Zahl.
»Viel-en Sie die neuen Röcke auch
ganz genau talkulirt?«
Prokurist: »Ja, ich denke, für 13
Dollars können wir sie gut geben«
Prinzipal: »Dann wollen wir sie
mit 14 Dollars auszeichnen; die Zahl
13 liebt die Kundschaft nicht!«
Im Landwirtlighans.
»Was können Sie uns denn«zu essen
geben, Frau Wirthin?«
»Oh, mir hab’n alles-, was S« wün
schen. Sö brauchen nur anzuschaf
fen . . . Also, warten S’, da haben mir
z’erscht an Rindsbratem aber der ist
no net ’braten . . . Na, und dann hab’n
mir sauren Aal, der is wieder no net
sauer . .. Na, und frischer Aal ——— der
iLi net mehr ganz frisch... Möchten
S’ vielleicht gern a Butterbrod, wann
mir a Butter haben thaten?«
Ein Schwabcnstreikh
Ausrufer tin einem wüttembergi
schen Städtchen): »Die Rekruten,
welche zum nächsten Zuge müssen, sind
L«
am Rathhause anaenagelx. —
Varianten
»Was hast Du diesmal von Deinem
Onkel zum Geburtstag betonnnen?«
»Diese Pneumatit und einen Hun
derter.«
»Er unterstützt Dich also snit Rad
und Draht?«
Protest.
(Chef zum Praktikanten): »Du
SchiingeL willst nicht aufstehen?
Merle Dir: Karl der Große schlief
nur drei Stunden täglich!«
Praktikant: »Na, bin ich Karl der
Große?«
Eine gute Eigenschaft
»Sag’ mal, Otti, wie kommst Du
nur zu dem Bräutigam, er ist weder
schön noch geistreich, noch reich, was
gefällt Dir denn so an ihm?«
»Daß er mich heirathet!«
Recht lisnt cr. «
Sonntagsjäger (zum Treiber, den
er angeschossen hat und der furchtbar
schiinpft): »Aber Mensch, nehmen Sie
doch Vernunft an!«
Treiben »Nein, nur Schmerzens
geld!« »
Schlancrtig.
»Seit ich Sie kenne, reizende El
vira, habe ich kein Verlangen nach ei
nem Orden mehr. Sie find mein
Stern!«
»Aber dein Sterne fehlen noch die
Brillanten, Exccilenz!«
Gemüll-link
Tourifi (zuni Wirtl)): » Na, hören
Sie, zu dem Schnitzel hat Ebnen aber
der Fleischhouer elend-es Fleisch aess
schnitt«
Wirth: »Sel)’n Sie, da sind mir
beide hineingefalleii!«
Die Hauptsache
»Es wird doch kaum aus-ellen, daß
wir die Frau Jnspettor in unser Kas
seekränzehen ausnelnuen. Die Frau
soll doch früher einmal Dienstmädchen
gewesen sein.«
»Aber, warum denn nicht? Tenlen
Sie nur, wag- die erzählen tann.«
Selbstbewußt.
Fräulein: »Saan Sie mal, Ma
rianne, glauben Sie, daß der Herr
Reserendar uiebt bald um meine Hand
anhalten wird's«
Köchin: »Na, da seien Sie nur aanz
unbesorgt, aniidiaeg Fräulein, ich habe
schon ganze andere Partien zusam
mengetocht.«
Beleidigung oder uitiItTJ
Herr (zu einem Andernlk »sich er
laube mir, mich leuen uorntsteltem
mein Name ist Verttiald Sti)ts.iarz.«
Der kleine Fritz: »Du. Papa, ist das
der Mann, der das Pulver erfunden
hat?
Papa: »Nein, mein Kind, der hat
das Pulver nicht erfunden! «
Leichte Pslichtcu.
Dienstherr: ,,Merlen Sie sich —
hiet geht alles mit militärischer Pünkt
lichteit: Um sechs Uhr wird ausgestan
den, um zwölf Uhr gegessen und um
zehnUhr zu Bett gegangen.«
Dienstmädchen (erleichtert): »Na,
wenn es weiter nichts zu thun giebt«
dann bin ich schon zustieden.«