Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, September 08, 1905, Sweiter Theil., Image 9

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    HLÆP
Sommer-tacht
Durch die stille Sommerpracht
Tiefe Brunnen hör’ ich rauschen;
Sternenglanz und Erdennacht
Seh’ ich stumme Grüße tauschen.
Was in Tages Lärm verhallt,
Was verblaßt im Sonnenreigen,
Drängt mit brünstiger Gewalt,
Sich zu beben, sich zu neigen.
Tief aus meines Wesens Grund
FUhP ich Lebens-quellen brechen,
Sehnsucht-Eidam mit heißem Mund
Nteakfproch’nes auszusprechen
Und hinan zur Sternenprachi,
Und herab zu ird’sck1en Schranken.
Fluiben durch des Herzens Schacht,
Ew’ger Geister Lichtaedanien.
,---,
Rosen aus Seidenpapier.
Stizze nach demLeben von M a r t ha
S t r a ch w i y.
- O —«—-—————·
Sie saß bei der Lampe, an dem
großen Tisch in der Ecke des Kinder
zirnmers. Die Kinder waren zu Bett
gebracht Und schliefen. die Kinder-«
sachen nachgesehen und fortgeräumt.
Die Tagesarbeit war gethan. —— Nun
hab ihr eiaenes Leben die verichlasenen
Lider und sah ihr in’s Auge. —
Sie saß emsig über einen Streifen
rosenrothes Seidenpapier aebiiett. Jhre
abaeckrbeitetem harten Finaer wanden
ihn geschickt um einen Draht, sie zupf
ten hier und da. sie nahmen die
Scheere zur Hand. Es entstand ein
dustiaes, zierliches Ding, ——— eine
künstliche Rose. —Sie betrachtete sie
mit einem aerührten Lächeln, das die
alternden. in ihren Grundlinien edlen
Züge veriünate, dann legte sie das
rosenrotbe Gebilde aus der Hand und
beaann ein neues.
So sasi sie über zwei Stunden
lang. Ihr Abendbrod stand unbe
rührt neben ihr auf dem Tisch. Unter
ihren Händen blühten die Blumen ber
bor, rinas um sie, an den Wänden,
hinter den Bildekrahmen blühten sie,
wie in einem Zauberaarten, rosen
rothe, duftiae Gebilde, —- Rosen aus
Seidenpapier.
Und sie laß bei der Arbeit mit
einem qlücllichen Lächeln um den ver
träumten Mund, über dem die Haut
in kleinen. winziaen Fälteben laa, wie
ein fein aetälteltes Seidenpavier. Die
grauen Augen unter den todtschan
gen Wimpern leuchteten, die Nasen
·liiael bebten. —«--—--——
RosenausSeidenpaPier!
—Es war lanae her, daß sie welche
gemacht hattet —- Das letzte MalM
Ein iirmliches, kleines Zimmer
tauchte vor ihr auf. Es war mehr
eine Kammer wie ein Rimmer. In der
Ecke stand eine wurmstichiae Bettlade
mit übereinander aethürmten Feder
betten. wie man sie ans dem Lande bei
Bauer-stellten noch findet, Zwischen den
Fenstern eine altInOdische Kommt-de
mit einer weißen Hätelde·e. -- die
hatte sie in ihrer ersten Gielluna aes
häkeli. Abends, heimlich. bei der Kü
chenlamve, in ihrem kalten Zimmer,
wenn die bausarbeit aetban war. Wie
hatte sie sich auf den Aunenblict ac
srent, wennn sie der Mutter die Decke
mitbrinaen würde, bei ihrem ersten
Vkiuch zu Hans-! --«--—-—«—
— ——— Si- mar damals sechzehn
Its-r
k.
It
NMitte alt aewesen und diente als
stiicksenniaad hei einem Neviersörster,
nicht weit von der volnisckien Grenze.
—-Aus der weihen Häteldeele stand
ein Kruzifix-. An den Wänden hinaen
ein Paar iusammenaehetteltr. oder
aus dem Aal-»der aeschnittene Bild
elsen. «’(n der Mitte des Rimmerz stand
ein Tisch und in der Gele, hinter der
Thür, ein kleiner. eiserner Ofen, des
senVlatte ein Kasseetovs einnahm.
Es roch nach dünnem, mit Ziehorie
versentem Arme-Leute-Kassee. —
Und durch das Zimmer. nach der
Oseneele. humvelte ein altes. ein ur
altes Mütterlein. das unaufhörlich
die welken Livven beweate. während es
mit den zittriaen Finaern einen ahne
ariisenen Rosentranz sinaerte! ——— Jhr
Mütterleini —
Es toar alt und arm und vertrock
net, aher sür sie war eg die Stelle, wo
das Leben ewig juna und reich und
quellend sprudelte! -— Wie es so das
stand, ihrMiitterchen, in der ärmlichen
Kammer und sich über di- rosenrothen
Blumen freute, die unter den Händen
der Tochter hervorbliihtenl »
Freilich, es waren nur künstliche
Roten, Rosen aus Seidenpapiert ———«
. Aber site das Miitterlein waren sie
schöner als die schönsten. frischen, aus
dem Garten des Schloßvarteg, denn
die Tochter schuf sie selbst, mit den
harten, abaearheiteten Händen. -—
JedesmaL wenn sie während ihrer
lanaen Dienstjahre die Mutter be
suchte, prachte sie ein vaar Boan Sei
denvavier mit und zauderte die enge
Kammer in einen Rosengarten um.
Diese papiernen Rosen waren heilige
Rosen der Liebe! —-——--—
Und jedesmal sreute sich die Mutter
ause neue, und staunte, und lonnte
sieh nicht satt sehen, und kam sich vor
wie in einem Palast Das gute, armes
Mütterleint Nur Noth und Entbeh
rung hatte es aelannt. und harte,
schwere Arbeit. und Krankheit und
Gebell
Aus ihre alten Taae hatte die Noth
noch zuaenomment Zehn Marl siir den
Monat. das war ein Hungerdaseint
Vier Mart kostete die Kammer, da
blieben noch sechs Mart. d. h. ztvanzia
Pfennig pro Taa sür Kleidung und
Essen. Freilich, die Schwester-, die an
einen Grubenarbeiter verheirathet
war, aab den Kassee und den Zucker
dazu, und sie selbst, nun, sie aab alles,
Yeörasåa
Staats- Anzeiger nnd Tät-rollt
; J. P. Windolph, Herausgeber ’ Grund Lksland Nebr» Z. September 190) ( 1zweiter Theil) Jahrgang 26 No 2.
was sie entbehren konnte von ihrem
Gehalt, der allmählich im Lan der
Jahre aus achtzig Thaler siiea. Da
von konnte sie sich auch nichts zurück
leaen, die paar Groschen, die sie für
sich selbst zurückbehielt, glitten ihr nur
allzu schnell durch die Finger. Das
Sparen laa nitch in ihrer Natur. Was
sie hatte, aab sie aus. Ueberall leuch
iete ihr das Leben rosenroth entgegen,
und die Dinae waren so viel schöner
und machten so viel mehr ans, als
die paar ersparten Geldstücke im Por
temonnaie. Ein paar Ansichtspost
tarten, —- eine neue Schleife für das
Sonntaasileio —-— ein paar Spiel
sachen, siir die ihr anvertrauten Kin
der, —— sie mußte immer schenken und
Dutzen, darin bestand die Freude ihres .
Lebens. s—
Und so war es gekommen, daß sie
nach dreißigjähriger Dienstzeit sich
auch keinen einzigen Nothgrofchen zu
) rückaclegt hatte! —
Aber daran dachte sie nicht. Das
iAlter schien noch weit wea und die
i Angst vor der Noth hatte sie verloren.
Und die Freude war ihr geblieben,»
J daß sie ihrem Mütterchen den Lebens
abend hatte ein wenig lichter machen
.können, dem guten Mütterchen, dasl
zseit einem Jahre schlafen gegangen
swar, «- siir immer! —- - «
Die Hände, die das Seidenvavrer
hielten, zitterten. Die angefangene
Rose fiel auf die Erde. Der Kon mit
den kohlschwarzen Haarwellem in de
nen onch kein einziger weißer Faden
zu sehen war, sank auf die Hände, ein »
irampsartiges Schluchzen riittelte den »
Körper. —
Die Thstr zu dem Kinderzimmer
öffnete sich behutsam. Die Herrin des
Hauses, zu der ein dumpfer, stöhnen
der Laut gedrungen war, trat ein. Ihr
forgendes Auge streifte die Kinder-T
betetn, dann die schluchzende Gestaltj
unter der Lampe. «
Theilnahmsvoll trat sie näher und
berührte die magere Schulter der.
.Magd. Sie war eine gütige Herrin,
fvoll Liebe und Verständniß siir ihre
Untergebenen. Manchmal laa etwas
;in ihrer Art wie die zarte Rücksicht
ieines-Z ungerecht Bevoriuaten den die
.ser Vorzug drückt. Sie hatte alles
Hentwickeln und aus-leben diirsen, was»
in ihr selbst an schönen Möalichkeiten J
und natürlichen Gaben laa. Das ver
gaf; sie nie im Verkehr mit anderen.
—— Darum beugte sie sich ietzt mit fast
schwesterlicher Herrlichkeit zu der Die
nerin herab. und suchte ihr die Finger
von dem thräneniiberströmten Gesicht
zu lösen. »Mutter, ----- Mutter,« tam
es in nniaqbarem Schmerz zwischen
den ineinander verfchlunaenen Händen
hervor, ,,sie ist todt, sie kommt nicht
s « » no
imehr wieder, nie mehr.
I Und dann tlanaen die Troftworta
der Herrin durch das stille Zimmer,
in dem die rothen Rosen leuchteten.
Sie tianaen banal und abaeariffen in
ihren eiaenen Ohren. Was konnte sie
zdiesem Schwer-i gegeiiber geben? —
« Sie, die Reiche, s-— der Armen? »Die
tiefsten Trostgriinde. die sie besaß,
stonnte das arme Mädchen nicht fassen, .
und die landläufigen tamen wie eine ;
Vhrase von ihren Lippen. sp
« »Und sie hat nichts vorn Leben ge
habt, —- und ich tann ihr keine Rosen
mehr machen-« —- — —.
Noch ein vaar Worte mehr und die
aanze armseliae lsriitenz enthiillie sich :
vor den Auaen des junaen, vom Leben
so reich beschenkten Weibes.
Dann tam wieder der Nothschrei
des alternden, einsamen Dienstmäd- .
- ebens. .
I »Ich kann ihr keine Rosen mehr
: machen, und sie hat sich immer so sehr
darüber aesreut. Keine —-«—- keine
iRosen mehr!« —-—
i Wie ein dünner, scharfer Stahl
iichnitt es durch das Herz der junan
i Frau. —
! Sie sah ihr eiaenes Leben· ——— fri
iche. blühende Rosen leuchteten an je
der Bieauna· bedeckten den Weg. den
sie zu aehen hatte, —--—und das- jener
Beiden, —---? Das Bild des alten,
verrunzelien Weibleins trat vor sie
hin. dann die Tochter, —-— sie kannte sie
Jahre lana in ihrer treuen Arbeit und
ihrer frohen. leichtlebiaen Art. Sie
hatte sie schätzen aelernt als Dienerin
und sie sreute sich an den Reiten frühe
rerSchönheit. die sich in ihr offen
barten. Dieses einfache, arme Ge
schöpf hatte Rhythmus in ihrer Seele
und in ihrem Körper, und sie hatte
ein sarbensrohes- sonniaes Auae. —
»Wenn ich als Schulmädel die
Spinenaardinen vor den Fenstern sah
wo die reichen Leute wohnten, habeich
immer aedacht, dienen« muß autsein.
Und ich habe mir aewünscht. Kinder
nriidchen Fu sein, und ein rosenroth-T
aeliebies Enacein in einem schönen
Waaen mit Gardinen durch die Stra
sien Du fahren. Ich bin Kindern aut.
Ich könnte sie fressen vor Liebe!« —
,.Und warum hast Du nicht gehei
entbet. wenn Du Kindern so gut
bist?« —
»beirathen? — Ein armes Mädel
wie ich?-—Gott bewahre mich! So
dumm« bin ich nicht. — Bei uns sind
die Männer nicht so wie bei den Herr
schafien. Da aiebt’s Senae, und oft
mehr als Sudpe und Brod!« ———
Das war es. —- Sie liebte die
Schönheit und die Farben, und sie
haßte vie Gemeinheit, —- und da es
ihr nicht vergönnt war, in ihrer eige
nen Sphäre ihre Sehnsucht auszu
leben, so diente sie willia in einer
Sphäre, die das an innerer Bildung
und äußerem Glanze besaß, was sie
ersehnte. Sie nahm es unbewußt als
Symbol und freute sich an den Gütern
der Anderen, wie an den künstlichen
Rosen aus Seidenpapier.
Eine heiße Thräne siel aus den
Auaen der Herrin und vermischte sich
mit den Thränen aus den harten ab
aearbeiieten Finaern ihrer Magd. —
Dann verließ sie aeräuschtog das
Zimmer und zoq mit weicher, behut
samer Hand die Klinke ins Schloß.
»Rosen! —— rothe Rosen, J«—-au·g Sei
denpapie«r!« —
—-——--—
Ver Regenfchim
Humoreske von J. M e r k l.
Professor·Dr. Ziegenhals, der be
rühmte Chirurg, war ein Schießteufel
allererster Güte. Jede freie Stunde
benützte er, um zu knallen, und wenn
es gerade nichts zu jägern gab, dann
stand er zuverlässig vorm Scheiben
standund verfeuerte soviel Pulver und
Blei, als eben in einer bestimmten Zeit
ein strebsamer Schütze aus dem Lan
zu bringen vermag.
Da er aber außerdem ein witziger
und geistreicher Mensch war, der, wie
nicht leicht ein Jäger, das Blaue vom
Himmel herunterzuliigen verstand, im
mer voll Schnurren und Schnaken
steckte, auch niemals seine Schlagfer
tigkeit verlor oder gar aus der Fas
sung zu bringen war, so genoß er häu
fig die Ehre, Jagdgaft der hohen und
höchsten Herrschaften zu sein, und
manches freie Wort, das einem ande
ren die sofortige Ungnade zugezogen
hätte, verzieh man dem lustigenManne
der Wissenschaft, der so vorzüglich zu
unterhalten wußte.
Einmal aber gerieth er doch in eine
Lage, aus der es fiir ihn anscheinend
teine anständige Rettung gab. Und
das ging so zu.
Der Herzog Friedrich hatte ihn ei
neg Tages verständigt, daß er über
morgen eine Treibjagd auf Hirsche in
seinem Revier angesetzt habe. Wenn
es dem Herrn Professor Spaß bereite,
so könne er sich daran betheiligen.
Ziegenhalg nahm die Einladung
mit Vergnügen an, die-weilen es sich
gerade so günstig traf, daß Nieman
den es gelüsteke, sich von ihm den
Bauch aufschneiden zu lassen, auch
keiner den Wunsch äußerte, die stören
den Rosinen in feinem stofer durch
eine tühne Operation zn entfernen
oder sonst den so beliebten interessan
ten Fall darzustellen.
l
Also fuhr er schon einen Tag früher
nach Hohentannen in der bestimmten
Absicht, vielleicht vorher eine kleine
Privatsckiießerei sich verschaffen zu
tönnen, und wirklich gelang es ihm
mit vieler Mühe, den Förster zu iiber
reden, ihn Abends aus einein aller
dings entlegenen Grenzgebiet piirschen
zu lassen.
Der Förster knüpfte aber die aus
drückliche Bedingung daran, daß der
Professor selbstverständlich den star
ten Zwölfer, den der Herzog sich vor
behalten habe, unter allen Umständen .
schonen miisse, wenn er,« was freilich
recht unwahrfcheinlich schien, ihn zu
Gesicht bekommen sollte. Der alte
birsch steckte in einem Bezirk, der gut
zwei Stunden weit entfernt war, und «
es ist bekannt, daf; eher ein Junggeselle
seinen Stammtisch wechselt, als so ein
bejahrter König der Wälder seinen
Stand, wofern ihn nicht die Liebe zu
solcher Abschweifung verlockt.
Dazu war es indessen nicht an der
Zeit. Dem Professor gliielte es jedoch
unter den schwierigsten Umständen, de
ren Erzählung als von ihm selbst
stammend aus ihre Wahrheit nicht ge
prüft werden kann, dieses lang ge- -
hegte und sorglich bewachte Kapital
stück, den Ruhm der dortigen Forfte,
mit einem herrlichen Blattschuß aus
reinem Versehen in die besseren jen
seitlgen Jagdgriinde zu befördern.
Nothgedrungen mußte er die Un
glücksbotschaftinoch in der felbigen
Nacht dem Förster mittheilen, der na
türlich halb verzweifelte und. nachdem
er sich ein wenig erholt hatte, namen
. los grob wurde. Der Professor saß
«wie ein begossener Pudel da, es war
ihm selber miserabel zumuthe, denn
er wußte, daß ihm der Herzog einen »
solchen Frevel nicht verzeihen werde«
i
noch mehr aber ging ihm der Jammer
desv Försters zu Herzen, der nicht mit
Unrecht befürchtete, der Herzog werde
im ersten Zorn ihm den Laufpaß ge
ben. Und der arme Mann hatte Fa
milie.
Der Professor beruhigte ihn zuvör
derst mit dem Versprechen, er werde
fiir ihn sorgen; dann setzte er sich hin
ter eine Flasche Bordeaux und begann,
scharf zu überlegen. Er zerbrach sich
indessen vergeblich den Kopf, es schien
auch in der That schwer, sehr schwer,
etwas augzudenkem was die voraus
sichtliche Wuth des Fürsten zu mildern
imstande sein konnte. Es war auch
wirklich zu einfältig, daß dieses Biest,
das im starken Dämmerlicht gerade
noch als Hirsch angesprochen werden
konnte, das er sonst zuverläsfig infolge
des schlechten Lichtes neunundneunzig
mal unter hundert Schüssen gefehlt
hätte, eben der einzige Geweihte war,
der nicht getroffen werden durfte.
Nun, es war einmal geschehen und
nicht mehr zu andern; also mußte
man, Gewehr bei Fuß, abwarten,
was da kommen würde. Der Profes
sor legte sich mit dieser wenig tröstli
chen Einsicht schließlich zu Bett und
schlief, so gut es eben gehen wollte,
em. .
Er erwachte jedoch sehr früh wie
der. Der Herr hatte es ihm im Traum
gegeben, wie er sich vielleicht aus dieser
elenden Zwickmühle befreien konnte.
»Ich gehe jetzt sort,« sagte er zu
dem Fürsten »und werde dafür for
gen, daß Seine Durchlaucht den
Zwölfer zu erlegen in der Lage ist.
Sollte inzwischen der Herzog kommen,
so hüten Sie sich nur ja, ein Wort
von der Geschichte zu schnaufen, sonst
kann ich Ihnen für gar nichts gutfte
heuti
»Wie machen S’ denn dag? Wol
len S’ ihn wieder lebendig machen?«
fragte der Förfter neugierig. ,,l.5inen
Schwindel merkt der hohe Herr un
fehlbar.«
»Mmmern Sie fich weiter um gar
nichts. Jch kurire ganz nach meiner
«Art,«' erwiderte der Professor-. Er
schob noch Verschiedene-s in feinen
Ruckfaek und ging in den Wald, indem
er nur seinen Regenfchirm mit sich
nahm.
Dem Förfter imponirte zwar die
Ruhe und Gelassenheit des Gelehrten,
er traute aber der Geschichte gar nicht
recht, und nur die Erwägung, daß eS
zur Beichte und zu einem reuniüthigrn
Fußfall immer noch genügend Zeit fei,
bewog ihn, dem Herzog gegenüber
nichts zu erwähnen.
,,Durchlaucht,« sagte der Professor,
nachdem er, vom Forst zurückkehrend,
den eben angekounnenen Fürsten be
grüßte, »in der hinterenRoßleiten zieht
jeden Abend gegen neun Uhr ein
Zwölfer über den Schlag, das ist ein
Kapitaler, wie man ihn nicht leicht
fieht.«
,,So,« lachte der Kätzog »der hat
Ihnen wohl in die ugen gestochen!
Wie? Sie haben mir ihn doch nicht
etwa angepletzt?«
»J wo,« antwortete der Professor
treuherzig, »mit was denn?« Und er
wies dem Herzog seinen mit Silber
beschlagenen Regenschirmgriff vor.
,,Na,« meinte der Herzog, »Jhnen
trau’ ich Alles zu. Auf jeden Fall
werd· ich mir heut’ Abend den Bur
schen holen, sonst krieg« ich ihn nicht
mehr.«
Gegen acht Uhr saf; der Herzog auf
seinem Pürschstuhl und lauerte auf die
tostbare Beute genau an der Stelle,
die ihm der Professor als die giinstigs
ste bezeichnet hatte. Und richtig gegen
halb neun Uhr, es war gerade noch
ein gutes Biichsenlicht, hörte er im Di
ckicht brechen und gleich darauf streckte
der Zwölfer, wie wenn er sichern
wollte, den Grind zwischen den Tan
nen heraus. Weiter trat er nicht her
aus, er schien vergränit zu sein. Wahr
scheinlich hatte dass der Professor nor
wiszigerweife gestern verschuldet. Der
Herzog wartete noch ein wenig und
dann schoß er. Der Hirsch war weg.
Der Jäger lauschte auf ein Geräusch,
es war nichts zu hören, offenbar schien
der Edle im Feuer zusammergebrochen
zu sein. Nach fünf Minuten wollte
der Schütze vom Sitz sich erheben, als
Plötzlich am selben Fleck wiederum der
Hirsch seinen Grind aus dem Tannen
dickicht herausstreckte, just, als wäre
ihm gar nichts passirt!
Der Herzog war völlig baff. Was
war denn das? Alle Wetter . . . war
der Bursche taub geschossen oder
täuschte ihn das Auge! So ’was war
ihm, der doch eine große Erfahrung
besaß, in seinem ganzen Leb-en noch
nicht begegnet. Er überlegte einen
Augenblick, dann zog er nochmals auf
und schoß zum zweitenmal. Und
wiederum verschwand der Hirsch, als
hätte ihn der Blitz getroffen.
Nun ließ der Herzog wieder zehn
Minuten verstreichen, dann Pijrschte er
leise und vorsichtig auf die Schußstelle
zu.
Aber nun stieg sein Erstaunen und
verwandelte sich auf einen Moment in
ein leises Grausen. Vor ihm lag der
Kopf des Zwölfers vom Leibe abge
trennt, der fünf Schritte weiter hin
ten im Dickicht zu sehen war.
Na, da hörte aber doch die Weltge
; schichte aus! Wie sich das zusammen
H reimte? Dort leuchtete im Moos eine
große, frische Lache bon dunklem
Schweiß. Dem Hirsch war der Kon
abgeschnitten worden, wie es schien
und dorten? O heiliger Hubertust
Dorten funkelte an einem Stamm der
silberne Regenschirmgrisf des Profes
sorg, den der Herzog heute früh erst
gesehen hatte.
» Und nun wurde dem Herzog Alles
blitzschnell klar. Der Professor hatte,
so nahm er an, um sich für die Neckerei
zu rächen, in der Nähe gelauert, und
als der Hirsch auf den ersten Schuß
gefallen war, ihm den Hals abgeschnit
ten, der verwünschte Aasjäger, den
E Kopf auf eine Stange gesteckt und ihn,
Jden Herzog, damit ins Vockshorn ja
; gen wollen. Das war Alles ganz
Haut inszenirt, und wer weiß, ob man
ssich die Geschichte je hätte erklären
Jtönnen, aber daß er seinen Regen
H schirm stehen ließ- den weltberühmten
tRegenschirm des zerstreuten Profes
"sors . . . das war doch über alle
Maßen schlau, das war der besie, wenn
Hauch unfreiwillige Witz, den sich der
IZiegenhals jemals geleistet hattet
i Der Herzog schüttelte sich vor La
chen und lachte noch immer, als er
zum Försterhaus zurückkehrte und
konnte der Gesellschaft die drollige
Geschichte tauin erzählen vom witzigen
Professor, der auf’s Leimen ging und
fdabei so glorreich ins Rutschen ge
. rieth! Der Professor selber machte eine
gute Miene lzum bösen Spiel nnd ließ
sich den Abend über nach Kräften ver:
ulten, was ihm auch redlich besorgt
wurde.
Am anderen Morgen aber, als er
mit dem Förster wieder allein zusam
mentraf, drückte er ihm fröhlich la
chend die Hand. »Hab’ ich das nicht
fein gesponnen,« rief er. »Was? Hätte
ich nicht die Zaubergeschichte erfunden
und obendrein noch das mit dem Re
genschirrn, so hätten sich der Herzog
den Hirsch näher angeschaut und wäre
sofort hinter den Schwindel gekom
men. Aber so hat er sich darum gar
nicht gekiimmert und es gar nicht er
warten tönnen, mich dummen Kerl
auszulachen, und das war gut.«
Der Förster schüttelte in stummer
Bewunderung den stopf.
»Wenn er Sie aber nun hinaufge
schossen hätte?«
»Pah, wie denn? Jch lag in der
schönsten Deckung — platt aus dem
Bauch«
Und nun zog er einen dlauenkzehein
heraus nnd drückte ihn dem Förster in
die Hand. »Für die Angst,« meinte
er. Der Förster dankte freudiast, dann
aber kratzte er sich bedenklich sein
araueg Haupt. »So,« sagte er, »so:
weit wären wir glücklich, aber ob wir
zwei jetzt den Mund halten können. ..
ich fiircht’ alleweil, das ist noch das
Allersch.toierigste.«
»Von meiner Seite droht nicht5,«
Terwiderte der Professor, »und Jhnen
; glaubt man’5 ohnehin nicht«
f ,,Oho!« lachte der Waidmann und
! schaute den Professor so Verzwirtt an,
daß dieser hellan lachend Verschwand
i
i
i —————«——-.—O—.-—-« ———
i
i
Richard Wagner und vie Zahl
Dreizehn.
Man pflegt ja zu behaupten, das-,
alle arofien und berühmten Männer
aberalbiubisch sind. Auch Richard
Wagner war von dem Wahne befan
gen, daß die Zahl 153 eine Unglücks
zahl für ihn sei. Er war zu dieser
Ansicht gekommen, weil er im Jahre
1813 geboren war, und weil sein
Name zusammen mit dem Vornamen
18 Buchstaben zählte. Der berühmte
Dichterkomponist litt start unter die
ser Einbilduna, und wenn er zanafel
geladen war und sich 18 Personen am
Tische eingefunden hatten, konnte er
ausstehen und das feftliche Mahl ver
lassen. Wie unrecht aber Wagner da
rin gehabt hat, sich vor der Zahl13 zu
fürchten. geht am besten aus verschie
den-en Daten aus seinem Leben her
vor. Am 18. Januar 1879 wurde
»Die Waltüre« zum ersten Male in
Braunscbweig anfaefiihrt. Am 13.
April 1845 vollendete Wagner die
Partitur des ,,-Tannhkiuser«. Aller
dings fand am 18.März 1861 die
W»’
erste Vorstellung des «Tannhiiufer«
in Paris statt, die infolge von Initi
guen einen unglücklichen Ausgang
nahm. Am 18. Mai 1881 wurde
»Die Walkiire« zum zweiten Male in
Berlin aufgeführt. Am 13. Juni 1859
ging der ,,Tannhäufer« zum ersten
Male in Stuttgart in Scene.» Am 13.
August 1876 fand die erstes-«Votstrl
lung des ,,Rheingold« in Bahreuth
statt. Am 13. November 1852 war
die erste Vorstellung des ,,Tannhäu
ser« in Wiesbadem Am 13. Dezem
ber«1875 wurde die Partitur des
,,Siegfried« veröffentlicht.
Mißglücktc Reich-.
Ein Metzger hat einen Bäcker zum
Nachbar, der wegen feiner kleinen
Brödchen in der ganzen Stadt be
kannt ist. Eines Tage begegnet er vor
seinem Hause dem Bäcker und dieser
frlagxt »He, Nachbar, woher kommt
J ku«
»J« ban mer bei Euch e halbes
Dutzend Brötle kauft.«
»Ja wo habt Ihr sie denn?«
»Unter der Kapi) —-— do hent fePlatz
genug!« ·
Der Bäcker steckt den Spott ein,
nimmt sich aber vor, bei passender Ge
legenheit Rache zu üben.
Kurze Zeit darauf fragt der Metz
ger den Bäcker auf der Straße: »No,
Moischter Bäck, wo kommt Ihr her?«
Ietzt glaubt der Bäcker den günsti
gen Augenblick zur Rache gekommen
und sagt: »Ich komm aus Eurer Metz
aerei -—— ich hab mir an Kalbskopf
kauft!«
»Ia, wo hent Ihrn no?« fragt der
Metzger.
,,1lnter der Kapp,« sagt lä
chelnd der Bäcker und schreitet ver
anüat ob seiner gelungenen Rache von
dannen.«
Der gestörte Pretschor.
Vom Rhein wird uns geschrieben:
Der Männergesangverein eines klei
nen rheinischen Ortes hatte zum Ge
sangsvettstreit geladen. Unter ande
ren kam auch ein Verein, dessen Mit
glieder sich in wochenlangen Proben
auf das große Ereigniß vorbereitet
hatten. Jm Bewußtsein des sicheren
Sieges betraten die wackeren Sän
gersmannen die Bühne. Tiefe Stille
tritt ein. ,,Schäfers Morgenlied« soll
erklingen. Dreißig Lippenpaare öff
nen sich und — ein brausendes Ge
lächter durchdröhnt den Zuschauer
raum. Die Sängerschaar steht ganz
verdutzt und will aufs neue begin
nen. Das gleiche Gelächter-. Da wird
dem Dirigenten die Ursache klar. Je
der der Sänger hatte sich kurz vor
demAuftreten an — Bla ubeeren
gütlich gethan und natürlich die Spu
ren davon auf dein »Sängermund«
zurückbehalten, was einen unbeschreib
lich komischen Eindruck machte. Mit
der Stimmung war es natürlich vor
bei und mit dem ersten Preis auch.
W
Der einzige Ausweg.
Herr Alois Purzelberger liest beim
Morgenkaffee seine Zeitung und
entdeckt im lokalen Theil eine Notiz,
welche nicht mehr und nicht minder be
sagt, ali- daß er selbst, Herr Alois,
vorgestern Nacht das Zeitliche gesegnet
habe. Wuthentbrannt siärzt er nach
demZeitunganreau und läßt sich beim
Redakteur melden:
»Sie bringen in der heutigen Num
mer die Nachricht, daß der hochber
diente Mitbürger Alois Purzelberger
»gestorben sei; diese Nachricht ist un
i wahr.«
,,Ziigeln Sie Jhre Worte«, erwidert
der Redakteur, »in meiner Zeitung hat
seit ihrem Bestehen noch nichts Un
wahres gestanden.«
»Ich bin selbst Alois Purzelber
ger!«
,,Können Sie mi: Jhr Ehrenwort
darauf geben?«
»Jawohl.«
»Das thut mir leid, oder vielmehr,
es sreut mich um Jhretwillen; Seien
Sie doch froh, daß Sie leben!«
»Ich verlange aber ein Dementi in
Jhrer Zeitung.«
»Mein Blatt dementirt sieh nie
malg:: es widerspricht dies den
Grundsätzen unserer Geschäftsleitung,
und ich werde auch in diesem Falle
nicht davon abweichen.«
»Dann werde ich Sie auf Grund
des Preßgesetzes dazu zwingen.«
»Sie werden nichts durchsehen
Widerruf giebt es nicht. Aber ich will
in anderer Weise zur Klarstellung Ih
rer Angelegenheit beitragen. Jch
werde Sie in der nächsten Nummer
unter den Neugeborenen mit
aufführen!«
—..——· - —-——·
Ein kleiner Schwertes-L
Jn Ermatzhofen (Mittelsranten)
hatte der Lehrer angeordnet, daß die
kleinen Schüler am Montag friih in
der Schule frische Taschentiicher vor
zeigen müssen; er hatte seine leicht be
greiflichen Gründe dazu. Da bringt
nun ein Junge ein altes und ein fri
sches Sacktiicherl zum Vorschein. Auf
die Frage des Herrn Lehrers, was eö
denn mit dem alten Taschentuche für
eine Bewandtniß habe, antwortete der
kleine Knirps dem der Unterschied von
»Sie« und »Du« bisher nicht beizu
bringen war, schlagfertig: ,,Dös weiße
is Dir, un da nei schneuz i mi, va
tstegstV