Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, August 25, 1905, Sweiter Theil., Image 14

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    Um der Mitgift willen.
Original-Roman von Acthuk Zum-.
i .- - (- 0, Js- ... II. .I. .«I. .I. .I. .I- .f. .I«. .I. It .«I-. .I. «·k. .«I. ... .k. .·.. Of
csbdcuiscsiukuiuis
UWGOITIUIUIWIIT
(14. Fortsetzungd i
abe- sie detach-u ihre angst. Ein-i
leichte Erkaltung, die nichts zu sagen
hat« oder eine unbedeutende Magen
derstiinmung, die ebenso rasch vor
übergeht, wie sie kommt. Vielleicht ist
das Unbehagen des Kindes schon vor- ,
silber, bevor der Arzt erscheinen kann.I
Flora ist nicht fentimental und nicht
kleinmiithi». Sie beschließt, abzuwar
ten und weiter zu beobachten.
Aber die Nacht ist schlimmer, als sie
geahnt hat. Je weiter die Zeit vor
rückt, desto unruhiger wird das Kind.
Der Schlaf ift oft unterbrochen, der
« Kleine stöhnt und wirft sich in seinem s
Yettchen Umher. Gegen Mitternacht Z
bricht das Fieber mit voller Hefiigteiti
aus. Der ganze kleine Körper strahlt
brennende Gluth aus.
Nara schließt kein Ange, sie ist un
ablässig bemüht, dem Knaben Linde
rung zu verschaffen. Sie tröstet ihnl
und spricht ihnx liebevoll zu und
nimmt ihn. um«-ihn zu beruhigen, zeit
weise auf ihren Schooß. Als das Fie
ber fiörter geworden, legt sie ihm küh
lende Umschläge auf die Stirn undi
um Brust und Rücken. Sie bereut bit
ter, daß sie nicht gleich bei den ersten
Anzeichen der Krankheit den Arzt hat
rufen lassen.
Beim Morgengrauen holt sie das-i
Versäumte nach. Zum Glück erscheints
der Arzt sehr bald, noch vor seiner(
Sprechftunde. Während Klara ihrer
Besvrgniß Ausdruck giebt, untersucht
er den kleinen Patienten.
»Sie brauchen sich keine Vorwürfe
g machen, gnädige Frau,« antworiet
r Arzt. »Gestern hätte ich höchst
wahrscheinlich selbst noch nichts Be
stimmtes sagen können. Heute freilich
erkenne ich, daß es Schuri-ach isi.«
Die geängstigte Mutter erschrickt
. »Ist die Krankheit sehr gefährlich?"
»Das kommt ganz daran an,« er-»
widert er. »Häusig verläuft sie sehr«
rasch und leicht. Zuweilen freilich
tritt sie sehr bedenklich auf.« s
-Und der vorliegende Fall?«
Der Arzt zögert einen Augenblick
und erklärt dann ernst, mit einem’
sichtbaren Mitgesühl in seinem Blick:.
»Es ist besser, ich sage Ihnen die
Wahrheit: der Fall scheint keiner von
den leichterenX
Klara erbleicht und zittert Aber sie »
gszt sich rasch und nimmt ihre ganze1
illenslrast zusammen Nur jetzt l
nicht schwach werden! Angestrengt·
lauscht sie den Verordnungen des
Arztes, der sich mit dem Versprechen
entfernt, am Nachmittag noch einmal
nachzusehen. I
l
!
Klara weicht den ganzen Tag über
nicht von dem Bett des Kindes
Der Arzt macht ein bedenklichest
Gesicht, als er am Nachmittag er-;
scheint. ;
Er verschreibt eine neue Medizini
Und erläutert Klara, die ihre Unsre-i
gung gewaltsam niederiämpsend auf
merksam zuhört, wie sie den ganzenl
Körper des kleinen Patienten, solltes
das Fieber in der Nacht noch zuneh
men, in einen nassen Umschslag zu le
gen hat«
Kein Schlaf kommt in Klaras Au
gen. Unaushörlich ist sie um Reinhold
beschäftigt, seinen Athem belanschend,
seine Temperatur messend und ihm
Linderung verschaffend nach der Vor
schrift des Arztes.
Ei ist furchtbar, mit dem kranken
Kind, das irn Fieberdeliriutn zu
Mniasiren beginnt, allein zu sein«
Nie hat Klara ihr Alleinsein, ihre
Verlassenheit so bitter empfunden, als
««in dieser Nacht an der Seite des
schwer-kranken Kindes. Die Thriinen
rinnen ihr über die Wangen, und ihr
terlassenes herz sehnt sich nach-Bei
stand, nach Theilnahme, nach Trost.
Auch diese entsetliche Nacht geht
endlich vorüber. Der Arzt kommt.
Ingstvoll hängt Klara an seinen
MMI
»Ist Gefahr?« flüstert sie bebend.
Der Arzt holt tief Atheni.
»Wenn es uns nicht bald gelingt,
das Fieber zu dämpfen, dann freilich
ist ein schlimmer Ausgang wahr: -
scheinlich.«
Clara möchte auffchreien vor
Schmerz und Angst und in ihren zit
ternden Knieen zusammenbtechen.
Aber sie hält sich aufrecht, sich an den
Pfosten des Kinderbettes announ
metnd, und nur ein dumpfe-r Weh
laut entringt sich ihren Lippen.
Nachdem der Arzt gegangen, klopft
ei an der Thür. Es ist der alte Neu
mon. Seine treuen, gutmüthigen
Uns-en Augen spiegeln das innigste
Mitleid Er drückt der verzweifelten
Mutter die Hand und spricht ihr
Ists zu, während ihm selbst die
W nahe sind. EIan möchte sich
III-guten Alten am liebsten an die
M W, Um sich einmal so recht
» W an einem mitfähleuden
I Nr szwsitelpae nur nicht so aalles-in
« Isko SW , .
YII Wen vangnft vix
G- M
ffsksqsssssssssssssssssssssv
Der Alte traut sich hinter dem Ohr
und sieht seine Herrin mit einem un
gewissen Blick an.
»Ja, ich meine auch«, beginnt er
endlich, ein wenig zögernd, »die Frau
Baronin sollten an den Herrn tele
graphirem «
»An — an Herrn von Düringsho
sent«
»Jawohl gnädige Frau. Es ist doch
immerhin sein Kind. Und wenn es
wirklich so schlimm steht und das
Aeußerste —- Gott oerhiite es —- tritt
ein, dann wäre es doch eine große
Verantwortung, und Sie müßten sich
ewig Vorwürfe machen. Es wird ja
nicht so schlimm werden, aber es
könnte ja doch sein.«
Clara hat die Empfindung, als
komme eine plötzliche Erleichterung
über sie, als würde dem, was sie be
reits unklar empfunden, eine feste,
klare Form gegeben.
»Sie haben recht«, erwidert sie
schnell. »Einen Augenblick —- bitte!«
Hastig tritt sie ins Nebenzimmer,
setzt sich an den Schreibtisch und wirft
ein paar Worte, wie das Herz sie ihr
gerade eingiedt, aus’s Papier.
»Herr-n von Düringshosen.
Plantitow.
Reinhold schwer erkrankt. Arzt
stellt Schlimmes in Aussicht. Viel
leicht willst Du Reinhold segen.
Clara.«
Sie giebt dem Alten das Tele
gramm zur sosortigen Besinnung
Neumann stürzt schnell zur Thür,
nach dem er mit einem sreudigenKopf
nicken seiner Zufriedenheit Ausdruck
gegeben hat.
Ruhiger, gefaßter lehrt Clnra an
das Krankenbett zurück. Es kommt
wie ein Aufathmen über sie; es ist ihr,
als dürfe sie nun mit mehr Zuversicht
in die Zukunft blicken.
Siebzehntes Kapitel.
Das Schlaszirnmer liegt aus der
Rückseite des Herrenhauses, nach dem
Garten hinaus-. Es ist in später Nach
mittags-stunde. Clara, die am Kran
lenbett sitzt, hört nicht, wie ein Wa
gen aus den Hof fährt und vor der
Rampe des Herrenbauses anhält.
Erst ein paar Minuten später, als
es leise an der Thlir pocht, wird sie
aufmerksam. Sie ahnt, wer da
kommt. Es ist ihr, als ob ihr preis
lich das herz still siebe, und es verge
hen ein paar Selunden. bis sie ein
schwaches »herein« hervorgebracht
hat.
Und nun tritt Aer ein· Sie fährt
von ihrem Sitz in die Höhe, die Gluth
schlägt in ihr bleiche-Es Gesicht. und es
zuckt ihr in allen Gliedern, als miisse
sie ibm entgegeneilen und ihn jubelnd
begrüßen.
Aber er verbeugt sich fast förmlich,
und auch sie begnügt sich, ihn mit ei
nem leichten Kovsnicken zu begrüßen.
»Wie geht es Neinhold?'« fragte er,
näher tretereisk
Sie berichtet kurz. Das Fieber ist
noch immer ein hochgradiges . Sie
schildert den ganzen Krantheitsver
laus von Ansang an, während er sich
über den tleinen Knaben beugt.
Du wirst müde sein«, unterbricht
sie sich endlich. »Bielleicht nimmst Du
eine Erfrischung zu Dir-t« .
Er verneint mit einer entschiedenen
Geberde und nimmt neben dem Kran
kenbktt aus einem Stuhl Plai. nach
dem auch sie sich gesetzt hat. So sihen
sie einander gegenüber, stumm, beide
scheinbar den Blick ausschließlich aus
den kleinen Patienten gerichtet. Aber
verstohlen mustern sie sich gegenseitig.
»Wie elend, wie angegriffen sie
aussieht!« denkt Ixel bei sich.
»Wie blaß er ist und wie schmal
wangigl Er ist selbst noch nicht ganz
gesund«, spricht Clara zu sich.
Bald darauf kommt der Arzt. Nach
der Untersuchung gebt Arel mit dem
Arzt in das Nebenaimmee und hat
hier eine längere Besprechung mit
ihm. Nachdem er wieder in das
Krankenzimmer«Turiiitgetehrt ist« saat
er zu Clara: »Du kannst Dich nun
niederleam Juki werde bei Reinhold
wachen.«
Sie sieht ihn Seit-sitzt an. .
»Jed? Willst Du denn nicht schla
fen aehen?«
«Nein«, erwiderte er in bestimmiem
Ton. »Ich habe in letzter Zeit genug
geschlafen. Du aber hast sicherlich
schon ein paar Nachwachsen hinter
Dir und scheinst einmal einer unge
störten Nachtruhe dringend zu bedür
sen.«
Jn dem Ton seiner Stimme liegt
während der letzten Worte etwas Wei
ches nnd der Blick seiner"Augen strahlt
theilnehmend, mitleidig-. Ein wohl
thuenbes, warmes Gefühl schmeichelt
sich in Elarai herz. Aber sit-zögert
nich isten-en Es scheint ihr erweislich
dcß sie nicht am Bett ihre-i kegelten
»Mi« wachen soll. Untnifchlosseh
Mit-i sieht sie ihnen
«semtws- Du mit nichts« fragte
W
er. »Ich habe mich vom Arzt einge
hend instruiren lassen. Du kannst
mir wirklich ganz ruhig die Pflege
für diese Nacht überlassen.«
Sie erhebt keine Einsprache mehr
und erhebt sich sofort.
»Gute Nachtt« sagt sie. Und wüh
rend sie an ihm vorübergeht, seht sie
im Flüsterton hinzu: »Ich danke
Ditt«
« «Schlase wohl!" erwidert er und
keugt sich über das Bett des Kran
en.
Clara dehnt wohkig die Glieder aus
der Chaiselongue, auf der sie sich in
ihrem Zimmer hingestreckt hat« Sie ist
wirklich über die Maßen müde und
ermattet. Ein seit lange nicht em
pfundenes, köstliches Gefühl der Be
ruhigung und Sicherheit kommt über
sie. Es ist ihr, als könne ihrem Lieb
ling, da er nun unter seines Vaters
Schutz ist, nichts mehr« widerfahren.
Sonst hätte sie sich höchstens nur für
ein halbes Stündchen Ruhe gegönnt
und vor Unruhe und Herzensangst
kaum einschlafen können. Heute
schläft sie ein paar Stunden fest hin
tereinander. Erschrocken fährt sie end
lich aus dem Schlaf auf und sieht nach
der Uhr. Es war zwei Uhr Morgens.
Fünf lange Stunden hat sie geruht.
Nachdem sie hastig ihren Anzug ge
ordnet, eilt sie in das Krankenzim
mer. Axel sieht neben Reinholds
Bett. seine Hand liegt auf der Stirn
des Kleinen. Er winkt ihr freund
lich zu, während sie hereintritt.
»Das Fieber hat nachgelassen. Jch
habe ihn zweimal in einen kalten Um
scltlag gepackt. Es geht ganz entschie
den besser.«
Clara beugt sich über den Kranken.
Wahrhaftig! So ruhig hat er seit sei
ner Erkrankung nicht mehr geschlafen.
Sie richtet sich wieder in die Höhe,
überglücklich Das Herz ist»ihr so
voll. Sie möchte ihm danken und
weiß nicht wie. Die Thränen schie
ßen- ibr in die Augen, die sie rasch mit
der Hand bedeckt.
Da ertönte seine Stimme wieder,
mahnend, vorwurfsvolL
»Aber warum bift Du schon wieder
auf? Warum schläfst Du nicht bis
zum Morgen? Willst Du Dich nicht
wieder niederlegen? Jch brauche Tich
nicht, wirklich nicht« E
Sie laßt ihre Hand sinken und»
blickt zu ihm hinüber, bittend, fasti
schüchtern
»Ich wollte Dich ablösen. Du mußt
doch auch ein bischen ruhen«
Er schüttelte jedoch lebhaft mit dem
Kon
»Heute Nacht nicht«, erklärte ers
sehr bestimmt. »Ich will ihm noch ei-?
nen dritten Umschlaa geben, wenn esH
nöthig sein sollte. Bis morgen bleibei
ich bei ihm. Dann räume ich Dir
meinen Platz ein. dann werde ich schon
nachholen, was ich jetzt an Schlaf ver
säume. Und nun geh’ —- geh’ ruhig.«
Sie wagte keinen Widerspruch.
Seine Stimme hatte etwas so Be
stimmtes. Während sie sich wieder
niederlegt. athmet sie aus tiefster
Brust. O, es liegt doch etwas Löst
liebes-, unendlich Beruhigendes und
Tröstliches in dem Bewußtsein, einen
stärkeren Willen über sich zu wissen.
eine stärkere Kraft neben sich zu haben,
an die sich der Schwächere anlehnen,
der er getrost alle Sorgen überlassen
kann!
Clara schläft wieder ein und ruht
bis sechs Uhr. Frisch und gestärkt
erhebt sie sich. Seit lange hat sie kei
nen so langen, ruhigen Schlaf gehabt.
Arel begrüßt die Eintretende wieder
mit dem freundlichen, tröstendenBtick.
»Es geht sehr gut«, sagt er. »Nein
hold schläft. Die Arznei scheint mir
sitr unseren kleinen-tranken nicht mehr
so nothwendig wie der Schlaf.«
Clara’g her-z ist von Dank erfüllt,
und wenn auch ihrMund nicht spricht,
ihre Augen sagen es ihm. Zugleich
bemerkt sie, daß Axeki Bewegungen
matt sind. daß Ueberrniidung und
Hinfälligkeit in seiner ganzen haktung
und in seinem Aussehen sich ausprä
gen.
.Willft Du Dir nicht auch ein bis
chen Ruhe gönnentk fragt sie voll
Mitleid und sieht ihn bittend an.
Er nickt.
»Im geye nun schlafen — ins Mit
tag. Dann komme ich wieder. Sollte
wieder ein Wendung zum Schlechten
eintreten, ohast Du wohl die Güte,
smich weiteno zu lassen-«
i (7r gebt. Clara nimmt am Kran
Eienbett Platz. Wie ihr doch jetzt so
anders zu Muihe ist! Sckon die
bloße Anwesenheit Arel s beliebt ihren·
! Muth, ihre Kraft und ihreHof inungs- l
i ireudiqleit.
l Auch der Arzt spricht sich sehr be
Ifriediqi aus Der Zustand des klei
nen Patienten hat sich erheblich gebes- J
fert.
Am dritten Morgen nach Axelgx
Ankunft ift endlich das Fiel-er ganz!
geschwunden und der Arzt erklärt jede
Gefahr fiir beseitigt Der kleine Pa
tient wird schon in tiirzefter Frist wie
der ganz hergestellt sein.
Axel nnd Clara sehen einander
freudesirahlend an.
Ein »Gott sei Dank!« ringt sich der
glüslichen jungen Mutter aus tiefsteri
Brust heraus. Und darauf heftet sie
als wenn sie fasen wollte: Habe
Dank Du Guten fiikDeine treue, nn
ekmiidliche hilfei«
- , » « .
-J-.
«.- »
W
I .
J Aber aus Axeki Antlis sentt sich
plstzlich ein Schatten. Er wendet sich
ab tritt an das Fenster nnd späht an
gelegentlich nach dem Garten hinaus.
. Als der Arzt das Zimmer verlassen
;hat, dreht sich Uxel wieder herum.
"Seine Mienen zeigen einen ruhigen.
freundlichen Ausdruck
s «Wenn Du estattest«, redet er
JClara an, »lasfe ich um zwölf Uhr
;anspannen. Dann komme ich recht
izeitig zum Zwei-Uhr-Zug.«
I Sie sieht ihn bestürzt betreten au.
s »WillsiDu denn schon wieder sorttk
Ientfährt es ihr unwillkürlich.
T Er deutet auf den lleinen Patien
ten der in seinem Bettchen, aufrecht
isitzend wieder mit klaren, hellen Au
lgen um sich schaut.
i »Da Reinhold wieder munter ist,
ist meine Anwesenheit ja nicht mehr
: nöthigA
« Sie zuckt leite zusammen, ein
ichwaches Roth steigt in ihre Wangen;
äihre Lippen bewegen sich, ohne jedoch
einen wahrnehmbaren Laut hervorzu
» bringen«
Schweigend senit sie ihr Haupt.
Achtzehntes Kapitel.
Es ist eine Stunde später. Die
fMorgenpost wird in’s Zimmer ge
bracht. Clara fährt wirr aus ihren
Gedanten auf. Es sind ein paar Zei
tungen, einige Gefchiifts-Rellamen
und ein Brief. Zerstreut nimmt sie
den letzteren in die Hand. Aber als
jetzt ihr Blick auf die Adresse fälli,
macht sie eine Bewegung lebhaften
Staunens. Sie streicht mechanisch
mit der Rechten über ihre Stirn.
Träumt sie denn nicht? Das ist ja
Arel s Handschrift Sollte Arel schon
obqereist sein und ihr schriftlich Adieu
sahen?
(Schluß solgi.)
Auf dem Gut der Kaiser-tm
Wie in jedem der letzten Jahre, so
bringt auch in diesem die Kaiserin
einen Theil der Sommerzeit in
Kadinen zu. Jm vorigen Jahre
weilte sie volle sieben Wochen
dort, Keine andere der auswärti
gen laiferlichen Besitzungen erfreut sich
in dem Maße ihrer Vorliebe wie ge
rade das idnllische Ruheplätzchen im
deutschen Nordosten am Frischen Hoff.
Msm erreicht naornen von Siomg
aus mit der neu gebauten Haffuser
bahn in etwa einer Stunde. Die
Fahrt geht an prachtvollem Laubwald,
an fetten, von schwarz-weißem Hol
ländervieh begrasten Weiden vorbei,
und dicht zur Linien dehnt sich die
grauschöumende, hier und da von ei
nem weißen Segel belebte Fläche des
Hasz, die am Horizont von einem
b.auen ctrich begrenzt wird der Fri
schen Mehrung, jenem schmalen Land
streiiem der das westvreußische Vor
land mit dem Samland verbindet.
Hat man die Station Kadinen erreicht,
so verfällt man zunächst darüber in
einige Verwunderung Das ganze
Stationsgebäude besteht nämlich nur
aus einer kleinen, zierlichen Watte-i
halle, die von keinem menschlichen
Wesen behaust wird, ja, wo nicht ein
mal ein Billetvertauf stattfinden Der
Ersparniß halber wird dieser nämlich
auf ambulantem Wege durch die
Schaffner im Bahnzuge selbst besorgt.
Von der Station auf- tommt man an
Kartoffel- und Getreideseldern und
den siir den ganzen preußischen Nord
osten bezeichnenden Weidetovveln vor
bei durch eine schöne. alte Allee, die
an dem Tage meines Besuches infolge»
eines heftigen Gewitterregens nurl
völlig unter Wasser stand, in einerz
Viertelstunde ins Dorf. Man erblickt!l
aus diesem Wege ein in Rohziegel er
richtetes neues, schmuckes Postgebäude,
eine ebensolche Schule und ein paar
neue Jnsthiiuser, die der kaiserliche
Gutsherr hat erstehen lassen. Man
kommt an dem Gasthof vorüber, steht f
vor sich einen Ententeich und gleich
darauf, unmittelbar an die Landstraße
stoßend, hinter einem sienplen Gitter
ein unscheinbares, kleines Haus mit
einem hochparterees und einem Dach
geschoß. Ertundigt man sich nun,
wo das Schloß denn eigentlich steht,
so ersiihrt man, daß man sich gerade
vor ihnz befindet· Es jsttdieses häus
chen. Bevor es vorn prauer erworoen;
wurde, hat es noch bescheidener ausge- !
sehen, da es durch ihn erst einige
Erweiterungen ersahren hat. Jeden-l
falls würden sich die Bewohner der
Villentolonie Grunewald sür ein Ges
bäude, wie es hier von der deutschen
Kaiserin bewohnt wird, bestens bedan- ;
ken. «
Die Enge des Häuschens ist auch -
der Gruno, warum das kaiserliche.
Paar niemals gleichzeitig hier ieinenj
Wohnsitz- nimmt; ej bietet keinen;
Raum dazu. Der Kaiser begniigt sich«l
deshalb immer nur mit einem Aus-«
enthalt von wenden Stunden, ders
von ihm regeiinii ig dazu benuhts
wird, um die Felder, die Zie elei und 1
vie qupiirafapkii in Augen chein zu1
nehmen. Damit das Gänschen aber
nicht ganz ohne Schmuck dasteht, so
ist an seiner Vorderseite über der
Thür, zu ders eine Rampe ansteigt, ein
verroktetei Hufeisen an enageli; da
rum e n die Worte: « fanden von
Jhrer agtst der Kaiser nnd Mi
nigin am . September 1900.«
Ei war anfangs Juli, als ich nach
Kadinen kam —- ioeniae Tage vor
dein Eintressen der Kaiserin. Der
Zu ang u dem das Kuchen umrin
ae en « rten und act war dei
jedermann gestattet. Nur
in Wdasegchloß elbst wird man ni t
ein gelassen. eine innere Aus a
tung en dBoth dem bescheidenen eu
itbel bestehen ans Acht
und Eiche und haben Cretonnebezilgr.
Auch in der Ge alt des Garteng
driickt sich dies e Un pruchilosiPteit und
manglosigtert aus s inso
ern, als ihm jede pur von Stil
ehlt. Baumgrupdem Nasensliichen,
Blumenbeete, Kiesrvege, Hecken, din n
ten eine unter Bäumen zu einem
tunstlosen Germania-Denlmal aus-H
steigende Terrasse, ein Wasserbassin,;.
in dern die Unken tuten, deren Fang
mit der Angel kür die kleine Prin ef- »
sin einen gro en Spaß zu bil
pflegt; das alles mischt sich wahllos
und kaum besonders gut gepsle ti
durcheinander. Ein Gärtnergehile
ist eben damit beschäftigt, aus den
Rabatten die noch vom Frühjahr her!
stehenden Stiesmütterchen zu entsee
nen und dafür biedere Belargonien
einzusetzen. s
Die Potsdamer Gärtner werden,i
alljährlich immer einer vom Kaiserj
nach England und Frankreich geschickt. !
um dort die Neuheiten zu studieren
So große Wichtigkeit widersiihrt aber
dem Kadiner Obergartner nicht Die .
Kaiserin ist mit ihrem Garten in Ka
dinen eben zufrieden so wie er ist, und !
die Blumen sind ihr alle aleichmäßigi
angenehm, höchstens daßsie eine kleine !
Vorliebe siir Rosen, Neseda und He
liotrop hat. Zur Tafeldetoration be-, !
stimmt sie die Blumen, wie auch inj
Berlin bei den Hosfestem meist selbst. ;
Obst wird in Kadinen nicht besonders 4
viel aezogem das Tafelobst tommt re- «
aelmäßig aus den Pvtsdamer Gärten.
Jn seiner weiteren Ausdehnung
nimmt der Garten um das Schloß
den Charakter eines Wildparls an. l
Eigenarti sind darin aus den We
gen, die au? dem hügeligen Terrain!
aufwärts führen die Ausblicke auf
das Hass, die dahinter liegende schma
le Nehrung und darüber hinaus inl
die Danziger Bucht mit den reizbolls
wechselnden Farbenwirlungen des
Wassers und den tostlich Vwaldeten
Usern. Die große botanische Erdens
tviirdigteit aber, die Kadinen besiJL
liegt außerhalb des laiferlichen Var S,
wennn auch dicht nebenbei. Sie be
steht in einer weit und breit berühm
« ten tausendjährigen Eiche, deren
Stamm so dick ist, daß man iein Jn
neres zu einem kleinen, mit Fenstern
versehenen Zimmer- hergerichtet bat
yin dem früher die Gutsbeamten gern
ihren Stat spielten.
i Das Leben der Kaiserin und ihrer
Kinder verläuft aus diesem »Es-munter
sitz in der denkbar einsachsten Form
« Niemals verfehlt sie, die einzelnen
Jnsthäuser zu besuchen und sich bei
Hden Frauen und Stindern darin nach
ihrem Wohlergehen zu erlundigen.
"Kleine Abwechselungen in die delle
bringen die täglichen Dampferfahrten
iibet das Dass nach dem auf der Neh
rung gelegenen reizenden, bei den El
bingern als Aueflugsziel sehr belieb
ten Badeorte Aahlberg Um die kai
serliche Familie den Beliistigungen der
Neugier zu entziehen, ist für den
Oampfer rn stahlberg eine besondere
Landungsstelle eingerichtet worden.
Natürlich ist auch die Badestelle eine
gesonderte —« nur die kaiserlichen Kin
der baden im See, die Kaiserin nicht
—- nnd wird streng von Gendarrnen
bewacht. Eine andere Abwechslung
bringt der im August stattfindende
Geburtstag der Prinzessin, wenn die
Kaiserin mit ihr um diese Zeit noch
in Kadinen weilt. Dann werden alle
Dorftinder in den Gastho! eingeladen;
unter Betheiligung des Geburtstag-s
tindes findet dort auf der Veranda
eine feierliche Schotoladen- und Ku
chentafel statt, und daran schließt sich
ein großes Fesz. Die Frage, die bei
der Ankunft der Kaiserin in Kabinen
die gesammte Dorfjugend jedesmal in
atbemloser Spannung hält, ist also
die, ob sie auch bis zum Geburtstage
der Prinzesfin dableiben wird.
Das harte Wort Gendarm fiel so
eben, und besonders, wenn der Kaiser
in Kadinen weilt, ist der Grünrock
eine bierorts unvermeidliche Erschei
nun . Fünf ebn Gendarmen und vier
.Ge inte« sorgen dann fiir den Si
cherheiisdienfi. Kein Fremder darf
dann den Gast f betreten — er be
siiße denn eine e itimation durch den
Landratb, die i n als underdirchtig
bezeichnet. Wandert man durch das
Dorf,«so wird man vorn Gendarmen
ersucht, dies in möglichst beschleunig
tem Tempo zu thun und nicht sieben
u bleiben. Etwas milder ist diese
raxis, wenn nur die Kaiserin da ist;
aber auch dann ist der err Gendarm
eine wichtige Persönli Leit.
Vielleicht werden bei dieser Gele
genheit au einige Angaben über Ka
dinen als ittergut von Jnterfse sein.
Es umfaßt, die beiden zu ihm noch
ghöri en Vorwerte Krickelhof und
charfenbeeg eingeschlossen, 2800
Mor en Wald, 1680 Morgen Feld,
300 « or en Wiese und 1200 Mornen
Stauwie en, No r nnd Binsen. Die
ganze Wittbschat ist in Schiiiae ein
getheilt. Mit Ausnahme des Vor
tvetts Schakfenberg liegt das Areal
in ununterbrochenem Zusammenhang
und hat gute witihfchaftiiche Verbin
dung. Die Lage ist zum Theil un
eben, sodaß lder Boden ungleich und
Abs und Zufahrten mituniee schwie
rig sind. Der Boden wechselt zwischen
strengem Tons und Lehmboden und
leichtem Sand· Betrieben wird auf
Fee-il Gäthefchesktrennerei. Köcnökbaih
. i , ’ ungvie sucht,
Sehn haltung und Pfeerezucht Die
Butter findet Ab as nach Berlin.
llebeigens soll Rad nen nach der sap
Wt seines kaiserlichen her-n nicht als
afteewitthlchasi gelten, sondern die
Wirthschaft .,soll unter Vermeidung
rößerer Aus aben allmählich uus
sich selbst geh n und derbessert wer
den. Als eine Goldgrube gilt Oa
dinen bei dem vorn Kaiser dafür an
aele ten Kaufpreii unter den- Sach
ver ändigen aber auch heute noch
nr t.
statiirlich unterließ ich auch nicht ei
nen Besuch in der so bekannt gewor
denen laiserlichen Ziegelei, die etwa
eine halbe Stunde weit svom Schloß
liegt. Ziegelsteine werden aus Kadi-h
nen schon seit Jahrhunderten herge
stellt. Vor einigen Jahren wurde Ma
schinenbetrieb eingerichtet und neben
dem schon vom Kaiser übernommenen
Ringofen ein zweiter solcher mit künst
licher Trocknerei angelegt. Verfertigt
werden Hinter- und Vormauerungss
steine, Verbiender und Glasursteine,
DachziegeL Drainrohre u. s. w. —- im
Ganzen fünf Millionen Stück im
Jahr. Reiche Tonlager sind auch noch
für fernere Jahrhunderte vorhanden·
Angestellte Versuche ergaben, daß sich
gewisse Thonsorten auch für feinere
Waaren eigneten, und so entstand aus
Befehl des Kaisers die vielberufene
Masolilafabrit, die jetzt 22 Arbeiter
beschäftigt. Man sieht hier zunächst
das Rohmaterial, eine schöne, hoch
rothe Erde, die sich im Urzustande ta
dellos formen läßt, die aber den gro
ßen Nachtheil hat« daß sie schlecht
brennt und die Form sich zu leicht
»zieht«. Wenn man in anderen Ma
jolilabetrieben den Ausschuß aus zwei
bis drei Prozent berechnet, so beträgt
dieser bei der taiserlichen Fabrik viel
mehr. Große Schwierigkeiten bereitet
auch das Arbeitertnaterial, da das ein
heimische nur für die elementarsten
Handgriffe verwendbar ist und für die
feinere Arbeit Kräfte aus dem Westen
mit entsprechendem Lohnaufschlag ge
holt werden mußten. Als ich die Fa
brit besichtigte, wurden gerade Ka
cheln für eine Decke des neuen Don-zi
ger Reichsbantgebäudes fertig, sehr
geschmaclvoll anzusehen, dei Quadrat
meter zum Preise von 75 Mart. Auch
die Preisstellung Verursacht der Fa
brit Widenoärtigleiten. Stellt sie die
Preise niedrig, so schreit die übrige
MajolilaiJndnitrie über unlanteren
Wettbewerb Stellt sie die Preise hoch,
so sind die Klaqu noch schlimmer-,
und der Kaiser muß sich sagen lassen,
daß er als Kaufmann zu viel Geld
verdienen will. Der Grund, der den
Kaiser zur Anlage der Fabrit be
stimmte, entsprang bekanntlich nur sei
ner landegoäterlichen Fürsorge. Er
wünschte. zu der Jndustrialisirung des
Ostens auch als Privatmann sein
Scherflein beizutragen, und b«oftte,
namentlich seinen unmittelbaren
Gutsnachbarn damit ein anspornendes
Beispiel zu geben, da sich dieser rothe
Thon nicht nur in Kadinem sondern
auch meilenweit in der Umgegend noch
findet und sie zu ähnlichen Fabrikan
lagen zu veranlassen. Aber die bisher
wenig lohnenden Erträgnisse der Fas
brit dienen den Herren Nachbarn vor
erst weniger als ermunterndes denn
als abschreclendes Beispiel, und fo ist
es bisher ohne Nachfolge geblieben.
Mein Besuch in der laiserlichen Fa
brik sollte mit einer nicht uniiblen
Pointe abschließen. Der Direttor der
Fabril war nicht anwesend, und so
führte mich ein junger Beamter darin
herum, nachdem ich ihm vorher meine
Visitenlarte überreicht hatte, aus der
ich mich offen und ehrlich als Zei
tungsberichterstatter bezeichnet hatte.
Aus meine Frage beim Abschied, ob
denn fiir Jedermann die Besichtigung
der Fabrik von der Direktion gestat
tet wäre. erividerter er treuherzig:
»Jaw·ohl! Nur nicht für Journalis
sten...« Heinrich Lee
An die farbenreichsten Phantasien,
die der üppiae Geist orientalischer
Märchenerzähler sich ersann, gemahnt
der Königöpalaft, den seine Hoheit
der Maharadscha von Kavurthala sich
im Nordwesten des Pandschab hat
aufbauen lassen. Das Wunderroerk,
dessen Kosten sich auf eine Million
Dollars belaufen, wirlt wie ein zau
berhaftes Traumgebild aus blauem
und weißem Marmor. Aber wenn
auch überladene und arelle Wirkungen
an altindtsckte Pranlsucht erinnern
mögen, so hat doch der Fürst die gis
qantifchen und machtvollen Formen
der wundervollen alten indischen Ar
chitettnr verschmäht und sich ganz nach
europciischen Stil einrichten lassen.
Der ganze weite Palast wird von ei
ner weiträumigen Galerie aus wei
szem Marmor umgeben, die auf Säu
len aus blaue-n lanadifcben Marmor
ruht. Auch die riesiae Eintrittshalle
ist mit Täfelungen aus blau-Im und
weißem Marmor bedeelt nnd strahlt
so in der Lieblinasfarbe des Maha
radscha. Der Palaft enthält 14
Staats-title, von denen aus man in
weite Hofe und schöne Gärten blickt,
in denen Sprinabrunnen vlätfdkem
Der Saal sitt den Dutbak allein wird
im indischen Stil ausgeschmückt sein.
An ihn aber schließt sich sogleich ein
Raum im Stile Ludwigs xlxs an
und an diesen ein EßsaaL der in den
Formen der Zeit Karls ll. von Eva
and ehalten ist. Da auch die ande
ren äume ein Kompendium der ver
schiedensten Stilsokmen darbieten
werden, so has der Malmmdscha das
schönste aus der ganzen Welt zu einen
etwai wirren und mehr betäubenden,
als erster-enden Ganzen verein s.
Alle Einrichtuon die Möbel, Tit
Tapeten, die Beleuchtuna usw. nd
nach den modernsien Ansprüchen ret
gestellt.