Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, August 25, 1905, Sweiter Theil., Image 13

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    W
X sein«-Heiße- nah-.
Erzählung von sieinhold Ort
manm
Der junge Rechtsanwalt Paul
ilbert war ein Mann von festen
tundfiinen und von unerschiitter
licher Redlichkeit Er hatte eine ganze
Anzahl von Mandaten abgelehnt,
weil ihm die in Frage stehenden
Sachen nicht reinlich genug waren,
und wenn er auch möglicherweise in
der Achtung gestiegen war, so mußte
er es doch mit ansehen, daß einige
seiner weniger ängstlichen Kollegen
die nämlichen Mandate zu recht fetten
Prozessen ausschlachtetem während er
selbst sich mit allerlei wenig eintrag
lichen Bagatellsachen mühselig genug
durchschlagen mußte. Seine Ansichten
aber wurden dadurch nicht geändert,
und in der optimistischen Ueberzeu
gung, daß die Rechtfchaffenheit doch
endlich den Sieg davontragen müsse,
blickte er nach wie vor vcyk hoffnungs
dollen Vertrauen-s in die Zukunft.
Und es schien, daß die Tugend
wirklich ihren verdienten Lohn finden
solle. Jn einer Gesellschaft machte
der junge Rechtsantoalt die Bekannt
schaft eines sehr iebenswiirdigen
herrn, des Privatiers Rheinberger,
der sich ihm eigens hatte vorstellen
lassen, urn ihm zu sagen, daß er von
verschiedenen Seiten die schmeichel
thaftesten Dinge iiber seine Tüchtigkeit
wie namentlich über seine Gewissen
haftigkeit gehört habe, und das-. er sich
freuen würde, diese so schätzens
werthen Eigenschaften des Herrn
Doktors im Interesse eines ihm nahe
stehenden Herrn, seines Schwagers
Fritz Meyer, nutzbar«gemacht zu
sehen.
»Mein Schwager, der augenblicklich
noch in Frankfurt am Main feinen
ständigen Wohnsitz hat«, lagte er, »ist
ein Mann von großartigem Unter
nehmungsgeist-, dem alles zu gelin
gen pflegt, wag er einmal in die Hand
genommen hat. Er hat Fabriten und
Eisenbabnen gebaut, Vergiverte ange
legt und Badeorte aus Sandwijiien
geschaffen. Dies-mal aber wird er
ohne Zweifel den Vogel abidiießen
und den gewaltigiten Erfolg seines
Lebens davontragen. Er kzsat im
Verein mit mehreren anderen Gras-,
lapitalisten anggedehnie Terrains in
der Liineburger Heide erworben, die
nach dein Gutackten der bedeutendsten
Sachverständigen ungetenre Betro
leumlager in ihrem Schoße bergen,
und’er ift eben im Begriff, eine Ge
sellschaft zur Augbeutimg dieser na
türlichen Schatze zu lonstituiren.
Weil dabei viele Fragen rechtlicher
Natur in Betracht lomrnen, hat er
rnich ersucht, ihm einen tüchtigen Ju
risten als Berather zu empfehlen, und
ich brauche Jhnen wohl nicht erst zu
sagen, lieber Herr Doktor, daß die
honorirung eine der Höhe des Mil
lionenobjekts entsprechende sein
wiirdr. Wenn Sie gestatten, das; ich
meinem Schwager Jhren Namen
nenne, wird er im Laufe der nächsten
Wochen hierher kommen, um das
Weitere persönlich mit Ihnen zu ver
einbaren.«
Fiir den an magere Liquidationen
gewöhnten Rechtsanwalt waren das
natürlich höchst erfreuliche Aussichten,
aber sie bedeuteten nicht das einzige
freudige Ereigniß dieses Abends.
Herr Rheinberger hatte ihn um die
Erlaubniß gebeten, ihn seiner Nichte
Jda Meyer, der Tochter eben jenes er
folgreichen Großunternehmers, vor
stellen zu dürfen, und nie zuvor hatte
ein weibliches Wesen so tiefen Ein
druck auf Paul Hilbert gemacht, wie
diese reizende junge Dame, die sich seit
einiger Zeit besuchHweise im Hause
ihres Oheims aushielt und deren
äußere Anmuth augenscheinlich noch
übertroffen wurde durch die Rebens
wiirdigleit ihres Wesens und durch
die bezaubernde Herzens-ging die der
Rechtsanwalt deutlich aus ihren schö
nen dunllen Augen leuchten zu sehen
meinte. Man hatte ihn freundlich
ausgefoederi, einen Besuch im Rhein
berger’schen Hause zu machen und er
fand eine foherzliche Aufnahme, daß
er die nächsten Tage wie in einem
Rausch des Entzückens verlebte.
Aber er war nicht der Mann. um
der bevorstehenden günstigen Wen
dung seines Schicksals willen die
Pflichten feines Berufs zu vernach
liifsigen. Nach wie vor erschien er auf
die Minute pünktlich in seinem Bu
reau und jeder Klieut fand ein auf
merksames Ohr.
Unter diesen Rathsuchenden befand
sich eines Tages auch ein Mann, Na
rnens Kleinschrnidt, der in einer
Strafsache den Beistand des Rechts
anwalts suchte. Er berkhteth daß er
das Unglück gehabt hatt-IT durch aller
lei gefchäfiliaie Trangaitionem die er
selber natürlich file durchaus harm
los gehalten, das Interesse des
Staatsanwalt-Z zu erregen. Schließ
lich förderie er eine Menge von Pa
pieren zutage, in die Tr. Hilbert Ein
sicht nehmen sollte und erllärte, er
wolle lieber am nächsten Tage seinen
Vetter und Sozius, einen ebenfalls
unter Anklage gestellten Herrn Meier,
schicken, weil dieser eine größere Ge
wandiheii in der Darlegung kompli
eierter Verhältnisse habe als er. Der
'unge Rechnanwalt laß den ganzen
iAbend fis-r den Papieren der Firma
Kleinschmidt und Meter und ei war
nicht eben der giinsttgste Eindruck den
er daraus von dem geschäftlichen Ge
dahren dieser Firma gewann.
Alt ihm am nächsten Vormittag
Bin Bureauvorsteher einen herrn
eher meldete, zeigte er dem Eintre
tenden denn auch ein sehr ernstes Ge
sicht. Der aber schien den frostigen
Empfang garnicht zu bemerken, trat
vielmehr mit der zuversichtlichen
Sicherheit eines vollkommenen Welt
mannes auf.
»Ich höre von meinem Schwager,
daß er mit Jhnen bereits iiber diel
Sache gesprochen hat«, eröffnete er ins
beinahe herablassendem Tone die Un-l
terhaltung. »Da werden wir also,
wie ich hoffe, rasch zu einer Verstän
digung gelangen. Sie sind doch be
reit, uns Jhren Beistand zu leihen?«
»Das kommt ganz aus -die Um
stände an«, erwiderte Dr. Hilbert sehr
kühl. ,,Uebrigeng hatte ich geglaubt,
der Herr sei Jhr Vetter, aber das ist
ziemlich gleichgültig Jch habe mich
inzwischen näher über die Sache in
sormirt und ich muß Jhnen gestehen,
daß ich vorläufig noch sehr ernste Be
denken habe, mit damit zu besassen.
Meine erste Bedingung würde sein,
daß Sie mir vollkommen reinen
Wein einschenken.« 1
Der Besucher sah ein paar Sekun
den lang den jungen Rechtsanwalt»
schweigend an, dann aber schlug er!
ihn pldtzlich mit einem jooialen La
chen aus s Knie und ries:
»Sie gefallen mir, Doktor! Dass
ist die Sprache eines ausrichtigens
Mannes. Und ich glaube selbst, daßI
wir am schnellsten zum Ziele kommen
werden, wenn wir nicht lange Ver
stecirns mit einander spielen.«
,,Kommen wir also zur Sache.
Die riesigen Lager, von denen Jbr
Verwandter mir gesprochen bat — sie
sind in Wirklichkeit garnicht vorhan
den, nicht wahr?«
»Na, ganz so schlimm ist es nun
wohl nicht. Etwas ist schon da,
wenn wir auch selbstverständlich ein
bischen übertreiben müssen. Anders
ist eben heutzutage kein Geschäft zu
machen. Und ich freue mich aufrich
tia, daß Sie das Ding von vorn
herein richtig anseten. »Mundus
dult decipi« und »Verdienen« wird
mit einem großen Ansangsbuchstaben
geschrieben. Haben wir unsere Ge
sellschaft erst einmal unter Dach und
Fach, so brauchen wir uns um das
Weitere nicht mehr zu tümmern.«
Paul Hilbert runzelte die Stirn.
»Sie denlen also im Ernst daran,
diese Gesellschaft in’s Leben zu ru
sen?'«
»Und ob ich daran denke! Die
Sache ist ja schon so gut wie fertig
Es tommt nur eben darauf an, sich
fiir alle Fälle den Nachweis der Gut
gläubigieit zu sichern und die nöthige
Anzahl von Hinterthiiren offen zu»
halten. Und das ist es, was wir von
Jhrer Gerissenheit erwarten, Herr
Rechtsanwaltt Mein Schwager hatte
mir gesagt, Sie müßten mit Vorsicht
behandelt werden und man dürfte
Jhnen nur ganz allmählich beibrin
gen, was Sie fiir uns zu thun haben.
Aber er ist sein Menschentenner —
das habe ich ihm immer gesagt. Er
sieht in jedem Menschen, der eine ehr
bare Miene aufzuseßen versieht, einen
unbestechlichen heiligen. Jcha aber
wußte schon in den ersten zwei Minu
ten, woran ich mit Jhnen war.« «
Jetzt war die Reihe des Verbliifft
»seins an dem Doktor.
»Es scheint mir denn doch noch
nicht ganz sicher, Herr Meyer, daß
Sie sich in diesem Fall als der bes- s
sere Menschenienner erwiesen haben.
Jch gestehe, daß mir eine Zumuthung
wie die Jhrige bisher noch von Nie
mandein gemacht worden ist«
Der Andere lachelte verschnitzt.
»Ich verstehe, Doktorchen « tch
verstehe vollkommen Sie meinen, soi
was müsse vor allen Dinan ange
messen bezahlt werden. Aber Sie
können, was das anbetrifst, ganz be
ruhigt sein. Und je tnifflicher die
Dinge sind, die wir von Jhnen ver
langen, desto glänzender werden wir
Sie natürlich auch bezahlen. Gerade
dasz Sie bei aller Welt in dem Rufe
stehen, ein Mann von vedantischer
Rechtschaffenheit zu sein, macht Sie
ja für uns so unschätzbar.«
Nun aber war es mtt Paul Hil
bert’s Geduld endgültig vorbei.
»Nun ist’s genug«, schrie er, »und
ich will Ihnen «mal etwas sagen,
mein sehr ehrenwerther here Meyer!
Wenn Sie mir hier eine Million auf
den Tisch legten, so würde mich das
nicht einen Augenblick hindern, Jhnen
die Thiir zu weisen. Sehe ich aus
wie ein Heilfershelfer und Sonsng
selle von Schwindlern?«
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Herr Meyer fuhr aus als wäre er
von einer Schlange gebissen worden.
»Von Schivindlern? Herr Rechts
anivalt—das hat mir noch Niemand
gesagi.«
»Nun, so sage ich’s Ihnen. Ver
llagen Sie mich, wenn Sie wollen.
Aber machen Sie jetzt gesälligst die
Thür von draußen zul«
«Unerhörti Das mir, einemManne,
der sich hundert solcher armen Schlu
rler laufen kann wie Sie einer sind.
Und mein Schwagee, dieser Esel,
wollte mir einreden, Sie wären in
meine Jda verliebi.«
Paul hilbert hatte die Empfindung
einez Menschen dem Jemand under-i
sehens einen Kübel eiskalten Wassers
über den Kopf geschüttet hat. ;
»Jhre Jdai Sie sind also — -——«s
»Ich bin ihr Vater —- natürlich ;
Haben Sie das vielleicht nicht ge-H
wußt? Na, Einer von den Schlauen
sind Sie jedenfalls nicht, mein wer
ther Herr Rechtsanwalh Einen Men- s
schen, der sich solchen Verdienst und
solche Partie verscherzen kann —- ohne
jeden vernünftigen Grund —- bloß(
aus sogenannter Rechtschaffenheit, den
hätten seine Ew
senbote werden iassen sollen aber nicht
Rechtsanwalt Guten Morgen, Herr
Doktor, und der Himmel erhalte Jh-’
nen Jhre fromme Einfalt!« s
Hinaus war»er, schnaubend vor
Muth Paul Hildert aber, dem es
erst so spät zur Ertenntniß gekommen
war, daß er nicht den Schwindler
Meier mit i, sondern den Schwindlers
Meyer mit h vor sich gehabt habe,
stützte den Kopf in die Hand und ver
sank in tiefsinnige Betrachtungen über
den Werth der Redlichkeit Seine
goldenen Aussichten und seine sonni
gen Liebeshosfnungen —- alles war
mit einem Schlage dahin, und in sei
ner Seele dämmerte es auf wie die«
betrübliche Erlenntniß, daß er viel
leicht wirklich besser gethan hätte, einl
Dichter zu werden, obwohl es ihm
keineswegs ganz außer Zweifel war,
daß man es gerade in diesem Beruf
mit der Ehrlichkeit sonderlich weit
bringen könne.
Der Bund.
Von J. H· Rosnh Autorisirte Ueber
setzung von W. Thal.
,,Nein,« ries Eljarleg Montsort eis
rig, »ich mache nicht den geringsten
Unterschied zwischen einem Hund und
einem Menschen! Wenn ich ausricljtig
sein soll, so ist mir sogar manchmal
ein Hund lieber als so ein Neben
mensch, der nur Böses im Schilde
führt. Der Tod meines anhänglichen
Thieres wiirdc mir ebenso wehe thun,
wie der meines-; theuersten Freundes-,
ja vielleicht sogar noch mehr. Seit
den acht Jahren, die wir zusammen
leben, ist er nicht allein stets der ver
ziiglichste Gesahrte gewesen« sondern
er hat mir auch zweimal unter Um
ständen das Leben gerettet, wo einem
zweibeinigen Freunde nichtg weiter
übrig gebliben wäre, als höchstens
mit mir zusammen zu sterben. «
Wenn ich hundert Jahrhunderte lette,
so wiirde ich den Nachmittag des 18.
JJuli 1897 nicht vergessen. Ich war
zur Besteigung der Teufelkhörner aus«
gezogen. Wenn er auch nicht gerade
die Jungfrau und auch nicht das-Mat
terhorn ist, so ist auch dieser Berg
sehr hoch und dabei ein äußerst ge
fährlicher-Berg Es giebt Stellen, wo
einem manchmal Steine in so reicher
Fülle aus den Kopf regnen, daß man
damit eine Schwadron Radallerie ver
nichten könnte. Von Natur aus bin
ich unklug und sogar tollkiihn. Weil
ich dreimal die Teufelåhörner bestie
gen, schmeichelte ich mir, sie ganz ge
nau zu kennen. Außerdem verließ ich
mich aus den Instinkt Mirauts; der
brave Hund ist im Berge geboren, und
hat außer dem Gedächtniß für Wege
ein merkwürdigee Verständnis siir die
Richtung.
Wir brachen also vor Tagesanbruch
von Anzeindaz ans und erreichten die
Gipfel gegen neun Uhr Morgens. Aus
dem Rückwege lenkte ich, trotz des Wi
derspruches meines Hundes, in eine
Moräne ein, die ich zu kennen glaubte.
Es war eine jener schrecklichen Stellen,
von denen dieser Berg wimmelt, und
in denen unsere Zeitgenossen übrigens
die Emotion des Erhabenen finden,
oder wenigstens zu finden glauben.
Jch durchschritt die Moräne ohne
Schwierigkeit und wurde nur von der
Sonne gebraten, die, —«- das kann ich
beschwören, —- bier glühender ist, als
die Sonne der Sahara. Man weiß,
mit welcher Hestigkeit die Sonnen
strahlen die Menschen gerade aus den
höchsten Bergspitzen treffen; das
Fleisch aus meinen Schultern und in
meinen Achselhöhlen war buchstäblich
verbrannt. Wir waren, Miraut nndi
ich, sehr zufrieden, als wir uns inH
Schatten eines ungeheuren Blockes
niedersetzten und uns mit Hilfe eines!
kräftigen Frühstücks, das aus kaltem
Fleisch, Ziegenkäse und dem ausge
zeichneten Brote oeg Pachtyoieg Dotter
bestand, ersrischen tonnten. Dabei bei
ging ich allerdings die Untlngheih eine
Flasche Dezalen, einen kleinen, an
scheinend recht harmlosen Weißweinss
zu leeren, der aber recht verhängniß
voll wirkt und äußerst verrätherisch
ist. Er stieg mir zu Ropr und regte
mich aus. Jch machte mich wieder nuf
den Weg« durchschnitt ein Flußlaett
und sodann ein Rinnsal, das ich schon
einmal durchsvatet zu haben glaubte.
Miraut leistete wieder etwas Wider
stand, verließ sich aber dann auf das
menschliche Genie und folgte mir phi
losophisch. .
Als ich das Rinnsal durchschritten,
erkannte ich positiv, daß ich mich ver
irrt hatte. Die elementarste Klugheit
hätte mir nun geboten, umzukehren,
und mich von setzt ab einzig und al
lein aus den hervorragenden Instinkt
meines Hundes zu verlassen. Doch der
Delazey ist ein Wein, der die Men
schen prahlhansig und eigensinnig
macht. Ich schmeichelte mir, einen
Ausgang zu finden und setzte ent
schlossen meinen Weg fort. Er wurde
immer schwieriger· Zwei- oder drei
mal hörte ich das wüthende Geröll
großer Steine, und etwas unklar und
verschwommen suchte ich in mein Hirn
wieder Ordnung zu bringen. Nach
und nach entschwanden die Geister des
Weines, dafür aber spürte ich eine un
angenehme Schwäche und Müdigkeit
in den Gelenken. —- Plötzlich sah ich
mich einer wüsten Zeerekgegeniiben
Eine fast senkrechte, etwa hundert
Fuß hohe Mauer, die kaum von eini
gen Vorsprungen unterbrochen wurde,
vereinigte sich mit einem finsteren
Chaos von Steinen. Ringsumher
graue Massen, furchtbare Felsenvor
sprunge, Gipfel, Zinnen, ein zerkliis
teter, zerrissener Berg, überall Trost
losigleit und Tod. Mich überfiel ein
heftiges Schaudern, und ich dachte
nur daran, so schnell wie möglich um
zukehren. Vorher aber prüfte ich
meine Ausriistung meine Krampen,
meine Hacke und vor allen Dingen
meinen guten Manillastrick. Jch hatte
ihn losgemacht und drehte ihn nach
allen Richtungen, als das Geräusch
eines Steines mich erschreckte. Jch
will es nicht wie manche Duellanien
machen, die die Angrisse und Paraden
auszählen, die dem verhängnißvollen
Stoße vorangegangen sind. Jch hatte
die untlare Empfindung, daß der
Stein auf mich zukam, oder wenig
stens aus mich zuzutommen schien,
daß ich eine falsche Bewegung machte,
und ..... nach einem Sturz in’s Leere
an meinem Jackett —- nebenbei be
1nerlt, einem recht kräftig gearbeitet-en
Jackett —- an einer Felsspitze hänan
blieb, die wie ein großes, steinernes
Horn aus der Wand herausragte.
Ich war nicht verletzt, laum be
täubt, und dachte daran, daß ich eben
sogut gleich nach unten hätte rollen
lönnen, der Tod wäre augenblicklich
eingetreten, während ich jetzt noch
lange Stunden mich im Todestamdie
winden mußte ..... Eine Hilfe war nicht
zu erwarten. Sicherlich miirde nie
mand durch diese Gegend kommen.
Zuerst fragte ich mich, ob ich mich
nicht von dem Felsen losreißen und
mich selbst in den Abgrund itiirzeu
sollte. Doch der Trieb der Zell-ster
haltuug ist mächtig, und außerdem
sagte ich mir fast in demselben Augen
;blict, daß ich ja nicht allein war; mein
’Gefäl;rte, riet den Kopf ijlser den Ab
;grund trug-streckte stiesz ein Derzweifel
Eies Geheul aus«-. —-— Wenn ich nur
ieinen Strick l)«citte, sagte ich mir, doch
iauch er lag am Fuße der gräßlichen
sMauey zusammen mit meiner Hacke
»und meinem Hute.
i gi- sie sc
i Jch komme jetzt zu dem unglaub
lichsten Theil meiner Erzählung, fuhr
Montfort fort, bevor ich dariiber
spreche, muß ich Ihnen sagen, daß ich
mit Miraut regelrechte »Rettunggsze
nen im Gebirge« probirt hatte. Er
lannte gewisse Worte, wie Hacke, Al
penstock, Strick usw. und hatte ferner
gelernt, mir mehr oder weniger ge
schickt Gegenstände von oben nach un
ten zuzuwersen. Hätte ich ihm zum
Beispiel meinen Strick zugeworfen, so
hätte er ihn mir aus der Stelle ge
bracht. Wie aber sollte er ihn mir
aus dem Abgrund, in den er gefallen
war, herausholen?
Versuchen wir es immerhin, sagte
ich mir —- wie Sie sich denken tön
nen, ohne die geringste Hoffnung. Jch
erhob den Kopf zu Miraut und sprach
mehrmals das Wort Strick aus.
Dann deutete ich aus den Fuß der
MLuen Eine Minute begniigie sich
Miraut, kläglich zu heulen. Er ver
stand nicht, —- und selbst wenn er ver
standen hätte?
Plötzlich hörte sein Geheul auf, nnd
der Kopf verschwand. Jch blieb in
einem grauenhasten Schweigen allein,
das kaum von dem leisen Knistern
meines Jackettg unterbrochen wurde-,
das mit schrecklicher Langsaniteit unter
meinem Gewicht nachgab. ---- Wie viel
Zeit eigentlich verging, weiß ich nicht,
aber es dauerte fürchterlich lange. -—-—
Endlich ließ sich ein Bellen unter mir
huren, Miraut war in dem Abgrund.
—s Zum ersten Mal schoß ein Hoff
nnngsschimmer in meiner Seele auf.
Jch ermuthigte das Thier mit meiner
sanftesten Stimme und wiederholte
immer und immer wieder das Wort
Strick· «
Von neuem Schweigen, lanaeg,
fürchterliches Schweigen. dann wieder
das Gebell des Hund«-, diesmal über
rnit. Da neigte sich der Kopf über
den Abgrund, und ich fah, wie er ei:
nen Strick zwischen den Zähnen hatte.
Eine fürchterliche Minute! Denn dies
mal hegte ich nicht den geringsten
Zweifel, wie sich Mirant benehinen
würde. Auf mein Kommando würde
er ausführen, wag er während meiner
Dressur tausend Mal ausgeführt.
Aber würde der Strick nicht wieder an
den Fuß der Mauer zurückfallenk
Nach einer Minute des Zögerns stieß
ich den entscheidenden Schrei aus-.
Der Strick flog in die Luft. Nur
eine Kleinigkeit war vonnöthig ..... ein
Zentimeter, oder eine Zehntel Sekun
de . . . und alles war umsonst. Aber
es gelang. Jch faßte den Strick und
war gerettet. Jch brauchte nur eine
Schleife um das Felsenhorn zu wer
fenund mich herunter zu lassen. Der
Abgrund führte zu einem praktitablen
Wege, und drei Stunden später wa
ten wir nach Anzeindaz zurückgekehrt.
Sie werden es jetzt wohl ganz na
türlich finden, daß mir Miraut einem
Menschen durchaus ebenbürtig er
scheint, und daß ich für den Instinkt
ebensoviel Achtung habe, wie für die
Intelligenz. Es giebt ein Genie des
Jnstinkts, wie es im Genie des Ver
standes giebt; am 18. Juli 1897 hat
lmein Hund Miroui Genie besessen.
Der Haus-Briefkasteu.
»Sol« murmelte Professor Schlau
mann befriedigt. »Das wäre besorgt.
Nun noch etwas Streusand auf die
Adresse, und dann kann ich die beiden
Briefe gleich in den Postkasten wer
sen«
Und schon griff er nach dem Hute
und eilte zum Korridor hinaus-. Hin
ter ihm klappte die Wohnungsthür zu.
»Aha, da ist ja schon ein Briefkasten,
hier gleich am Hause,« rief er freudig
überrascht aus, als sein Auge auf ei
nen braungestriehenen Kasten mit der
Auffchrift: ,,Briefkasten« fiel. »Wie
bequem! Ja, ja, ich habe erst kürzlich
gelesen, daß man solche Brieftasten
jetzt auch in den Häufern selbst an
hringen will. Wirklich eine ganz bril
lante Ersindung.«
Und zufrieden ließ er seine beiden
Schriftstüele in den gähnendenSchlund l
ides Kasten-s verschwinden. —
i Als nun Professor Schlaumann am
lautern Morgen seine Postsachen
durchsah, fand er auch zwei an seine
ibeiden Kollegen Professor Stribius
und Professor Tüftelmann gerichtete
Schreiben vor. ,,Nanu«, überlegte er«
,,lvie kommen die beiden Briefe hier zu
meiner Korrespondenz Aha, « fiel ihm
lein, »die sind gewiß in eine sogenannte
Briefsalle gerathen und so unter meine
Postsachen gekommen. Jch will sie;
dann selbst in den richtigen Kasten be- s
sördern.« ti- !
Und als er später an seinem Haus
brieftasten vorbeiging, ließ er die bei
den Briefe in dessen Jnnern ver
Am nächsten Morgen lagen wieder
ztrei Schreiben, eins an Professor
s Tiiftelmann eine an Professor Stri
j liug gerichtet, auf seinem Schreihtisch.
; »Ja, die Postbeamten!« brummte
i Zehlaun ann argerl ileh. »Gewiß ha
k hen sie hl of; lnrz die Adresse ülerflo
k gen und al L« sie den Titel »Professor«
blasen, gleich die Brie fe für mich ah
eaehen. Al-: oh ich der einzige Pro
Iseffor wäre! Na, ieh werde sie dann
stiertig befindet-n.« Und wieder ließ
irr sie leim Verlassen des Hauses in
den Reihen des anugdrieskastens der
I schwinden.
i Als aber am anderen Tage wieder
Iztoei Schreiben an Tiiftelmann und
Strihing vor ihm auf dem Tische
lagen, rief er empört seine traute
Gattin cruphrosine herbei »Denke
Dir, Sinden,« leriehtete er voll Zorn,
,,fchon seit drei Tagen dringen mir
diese Postbeamten jeden Morgen stets
zwei Briefe an Kollegen Tiistelmann
und Strihiug ins Haus Zweimdl
habe ich die Schreiben schon in den
richtigen Kasten gesteckt; jetzt werde
ich aber den Beschwerdeweg beschrei
ten.«
Mild lächelnd nahm Frau Euphra
sine die beiden Briefe in die Hand.
Ein Blick aus die Schriftziige legte
ihr den Sachverhalt klar.
»Jn welchen Kasten hast Du denn
die Briese immer geworfen, Lllois?«
fragte sie giitig.
,,Jn unseren Hausbrieftasten,« ent
gegnete er immer noch unwirsch
Da nahm ihn Frau Euphrosine an
Eder Hand, öffnete die Korridorthiire
f und führte ihn zu dem vermeintlichen
s Haushrieftastem ans eine Inschrift
; am unteren Theile des Fiasteng deu
Jtendt »Für Professor Schlaumann!«
flas Schlauniann verlegen.
! ,,Sotlten das — sollten das —- ——«
’ stainmelte er, »meine eigenen Briefe
sein —— die ich immer wieder in meinen
- eigenen Privatbrieftasten gesteckt
« habe) --— ——«
Frau Euphosine lachte nachsichtia:
,,Gib nur die beiden vSchreiben her, ich
- will sie selbst besorren damit sie end
lich ihre Adressiiten erreichen.«
Es schlägt Dreizehn.
Eine einfache nnd originelle Art,
seine Leute zur Piinttlichteit anzu
halten, fand der berühmte Herzog von
Bridaewater, der seiner Zeit Süd
Lancashire mit Kaniilen versah: erist
jetzt schon ijber hundert Jahre todt.
Dieser Herzog war ein Peinlich
pünktlicher Herr und ärgerte sich da
rüber, daß seine Leute nicht nach
demDinner so Piinttlich zuriicktehrteih
wie sie sortgingen, wenn die Uhr
auf seinem Gute Worgleh zwölf
Hing- Als er ihnen darüber Vorstel
lungen machte. erklärten sie, das; sie
zwar die zwölf Schläge zur Mittaags
stunde stets vernahmen als-er oft den
einzigen Schlag um 1 Uhr überhör
ien. Der Hering fand schnell einen
sehr einfachen Ausweg, um ihnen diese
Ausrede abzuschneiden und liefi eine
Uhr machen, welche um 1 Uhr drei
zehn Schläge ahgieht, und diese Uhr
verkündet noch heute die Stunde nach
Mittag mit ihrem guten Bäcker
dutzend kräftiger Glockensrhläge nnd
ist eine der Mertwiirdigkeiten von
Worsleh Hall.
— . —
Merkwiirdige Entdeckung·
P ofessor (der etwa benebelt nach
Sau e kommt, legt sich mit seinerPelz
müde in’s Bett und berührt diese
,vor’m Einschlasen zufällig): »Mut
wiirdig, früher hatte ich doch immer
’ne Platte!«
Kinder-munt
Lehrer (zu Karlchen, einem U·
tetiensöhnchen): »Nun, weißt
auch, warum der Thurmbau zu Babel
unterbrochen wurde?"
Karlchem »Weil der Plan vorn lie
ben Gott nicht genehmigt war.«
Angemessen.
Hausfrau: »So eine Frechheit! Aus
Jhre Rechnung schreibt der Schuster
»Hochwohlgeboren« und .an unsere
»Wohlgeboren!«
Dienstmädchen: »Ja, Madam, ich
bezahle meine Rechnung aber auch im
mer gleichs«
Glaubwtirdig.
Blaustrumpft »Herr Redakteur, wean
Sie meine Novelle nicht abdrucken,
dann geben Sie mit das Manuskript
wenigstens zurück! Bisher hat mir
noch jeder Redakteur meine Arbeiten
zurückgegeben.«
Beweis-.
Gatte: »Wie, der Hut, den Du vor
acht Tagen gekauft hast, soll heute
schon nicht mehr neu sein?«
Gattin: »Nein, der ist jekt nicht«
im Mindesten mehr neu!. .,.-.- Meine
Freundinnen haben ihn s on alle ge
sehen!«
A.: »Ich theile Jhn im Vertrauen
mit, daß ich seit gest n mit der schö
nen Laura, die an de Tischchen dort
sitzt verlobt bin. Ab ,,bitte sagen
Sie es Niemand!«
B.: »Seien Sie vollkommen beru
higt — das thue ich schon nicht aus
Rücksicht für Jhre Braut!«
Ein Schuldcnmacher.
Tochter (ro-einend): »Mir ist er im
mer noch eine Erklärung schuldig!«
Mutter: Und mir die gebührende
Ach·tung!«
Bruder: »Mir —- den Dank dafür-,
daß ich ihn bei Euch eingeführt!«
Vater: »So —- und Inir?! Die
fünfhundert Mark, die ich ihm vor
s«
langer Zeit geliehen.
Mißqlücktc Verbesserung.
Der witzige, aber etwas voreilige
Kritiker X. kommt bei einer Festtafel
neben die dicke und alte Gattin des
Bankiers May-er zu sitzen. Jm Eifer
deg Gespräch-s bemerkt er zu seiner
Nachbarin: »Ich tann die dicken
Frauen nicht leiden.«
Jm selben Augenblick wird ihm
seine Ungeschicklichkeit klar und et
fügt rasch hinzu: »Das heißt, wem
s«
sie jung sind.
Begreiflich.
Polizeiiommissär: »Nun, Hubey
wie hat denn das Automobil, von dem
Sie überfahren wurden, eigentlich
auggesehen?«
Bauer: »Ja, wenn i’ das toiißt’,
Herr Kommissar! J’ hab’s g’lsört,
g’rochen und g’spiirt, aber — g’sehn
liab’ i’g net!«
-
Beim Heirath23vermittler.
Freier: »Ich bin wirklich imsweis
fel, ob ich die Dame mit 35 Jahr« und
20,000 Mark Mitgift, oder die mit
30 Jahr’ und 25,000 Mark Mitgift
nehmen sollt«
Vermittler: »Das ist ganz glei ;
35 mal 20 sind 55, 30 mal 25 sinds
auch!«
Schlan.
,,Denl’ Dir, Frau, heut’ Nacht
ist meine Kasse ausgeraubt worden.
Mein ganzes Gelb, 5,0()() Mart, find
fortt«
,,Soll ich gleich die Polizei verstän(
digen?«
»Nein, aber an die Zeitung werde
ich eine Notiz schicken, daß der Ein-«
brecher die in einein anderen Fach be
findlichen 80,()0() Mart glücklicher
weise nicht bemerkt bat, wenn sie in
Wirklichkeit auch nicht existiren. Da
ärgert sich der Dieb gehörig und ich
verschasse mir einen größeren Kre
bii!«
Jn der Eomrncrfrischr.
»Aber Herr Wirth, ra sind ja gleich
ztrei Fliegen in der Silppe?!«
»Werden halt Zwillinge sein!«
Zur Ausbildung
Chef szinn Let)rling): »Dieses
Jahr werden Inir ’mal Pleite ma
chen . . . damit Sie das auch lernen,
Mitllert«
»Ent- rvsa.«
Er: »Die Frauen sind eigenthlimli
che Geschöpfe sie heirathen den ersten
besten Esel, der nm ihre Hand anhält.
Ich glaube, Sie iriirden er: ebenso
machen ?«
Sie: »Halte-i Sie Dach ’n;al Um
mich an, dann werden Sieg ja sehen!««
Nicht passend. t
»Weißt Du, inein Mann ist zu
dralligt schenlt mir einen Hut, der ab
solut nicht zu meinem Haar paßt;
wenn er mir wenigstens das passends
Haar noch tnitgeschentt l)ätte!«
Der dick ttmkndr Dicke.
»Was diese mißgünstigen Leut·
nur haben, wenn sie von mir sagen
ich würde ’rnal platzen Wenn ich
platzen sollte, dann platzt ich icn Boll
gesiihle meines Daseins, und die, bis
platzen aus Neid!«