Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, August 25, 1905, Sweiter Theil., Image 12

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    Kellington’s Erzählung
Erzählung don A. Duvantier.
Lennox und ich besuchten
WA; einmal Lord Kellington
M einem schönen Schlosse Kenili
Mih in Sussex. Der alte Diplomat
hatte fast immer Besuch von Freun
dnh denen er ein liebenswürdiger
Itrth war. Es konnte aber auch vor
kommen, daß Lennox und ich ihn ganz
allein trafen, und dann handelte die
Unterhaltung meist von den Erled
nisfen unseres Wirthes während der
Zeit, too er als Gesandter an fremden
Höfen gewesen.
»Warte es Jhnen unangenehm,
Lord Kellington,« fraate Lennox wäh
rend einer solchen Plauderstunde,
«uns zu erzählen, wer das kleine,
süße Babh ist, dessen Bild über
Ihrem Schreibtisch hängt?«
»O nein, meine Herren,« antwor
tete der Lord, »ich weiß ja, daß ich
auf Jshr Mitgefiihl rechnen kann.
Uebrigens ist es durchaus tein Ge
heimniß, daß das Bild meine kleine,
vergdtterte Alice vorstellt, die ich als
kleines Kind zu verlieren den Kum
mer hqk ««-.'» Jch spreche nicht gern da
von, den ist-r Verlust und des ban
darauf plgen Tod ihrer Mutter
bilden de: traut igsten Abschnitt mei
nes Lehns. Mc ne kleine Alice tvar
das Eberbild i rer Mutter, das
süßeste kleine Ges "pf.'« — Lord Kel
lington’s Stimme itterte. —- »Je t
bin ich ja alt und s wird nicht nie
lange währen, b) ich mit ihnen ver
eint bin. Jch wi aber mit dem An
fang beginnen.
Sie erinnern sich wohl noch, daß 1
ich im Jahre 1886 in einer außer
ordentlichen Mission nach Sosia ge
sandt war. Als ich meine Ausgabe
geldst hatte, nahm ich einen sechsmo
natian Urlaub und reiste zu meinem
lieben Freunde, dem Grafsen An- J
drassy in Siebenbiirgen, um mich et
was auszuruhen. Wir vertrieben
uns die Zeit damit, zu jagen und in
den Bergen herumzullettern, und
wenn Andrasin verhindert war, mich
Zu begleiten, ritt ich allein. Ich lernte «
ie wilde Gebirasgeaend bald kennen
und entfernte mich ost meilenweit vom .
Schlosse. Auf einem solchen Aus-(
trug-, dessen Ziel der Gipfel des-« Ber
ges Ratcliesa war, entdeclte ich zu
meiner Ueberraschung frische Huf
spuken auf dem aufgeweichten Bera
«pfade. Es mußte also eine Gesell
chaft vormir sein und ich beeilte mich,
zu erreichen. Der Pfad, den ich
vor mir hatte, war sehr geiahrvoll·
Manchmal führte er unmittelbar an
einem tiefen Abgrund entlang und
dann wieder ging es mit einer schar
fen Wendung um hervorspringende
Felsen. Es war kein Wunder, daß
mein Pferd müde wurde. Ich stieg
ab, um ihm einen Augenblick zum
Her-schnaufen zu gönnen.
Pishlich hörte ich hoch iiber mir ei
nen Schrei. Er klang, als wäre ein
Mensch in Noth, und ich war augen
blicklich auf den Füßen. Mein Blut
erstarrte vor Entsetzen bei dem An
blick, der sich mir darbot. Von oben
her kam in sausendem Galopp-, eine
junge Dame den Felsenpfad herab auf
einem Pferde, das anscheinend rot
Angst wild geworden war. Das Tltier
flog an Abgriinden vorbei und über
Felsenstücke, während die Reiterin es
vergebens zu zügeln suchte. Mir blieb
keine Zeit, nachzudenken Das Pferd
mußte angehalten werden« sonst war
feine Reiterin·eine sichere Beute des
Todes. Ich ftellte mich auf die Sxiie
des Weges, wo der Abgrund war, jede
Sehne meines Körpers auf das Am
ßetfte gespannt. Als das Pferd ang»
taft kam, warf ich mich ihm mit gan
zer Kraft entgegen. Bei dem Zusam
menprall wurde mir schwarz vor Au
n, aber ich hatte gliicklirtierwise den
·gel gefaßt und hielt ihn mit gan
zer Kraft. Aber erst ungefähr zwei
hundert Fuß weiter gelang es mir,
das Thier zum Stillstehen zu brin
Es war noch rasend und es
war mir kaum moglich, seiner Herr
YI werden. Plötzlich entdeckte ichs die
rfachr. In seinem rechten Ohr sah
wein kleines Stück Zunder glühen.
Ich zog es schnell heraus und sofort
wurde das Thier ruhiger. Die junae
Dame sprang herunter und reichte
-mit, noch athemlos vor Schrecken.
die Hand.
»Wie soll ich Jhnen danken, mein
Her«r! Sie haben mein Leben geret
M«Jch that nur meine Pflicht, mein
Fräuleins« antwortete ich und nannte
meinen Namen.
»Stanislaus wurde plötzlich scheu,
ohne daß ich keqreife wovor. Er ist
sonst das ruhiaste Thier von der Welt. »
Aber wollenSie nicht mitkommen und »
meinen Vater beariißens Ich bin die :
Tochter des Grafen-Marit3ka. Es
wird ihn freuen, Ihnen gleichfalls sei
nen Dank aussprechen zu tönnen.« .
« t kam uns ein Reiter in schar- s
fern tabe entgegen. Es war Leut
usant Graf Mariglm der Bruder der «
jungen Dame. Er dankte mir mit
- ähertriebener Herzlichteit nnd wieder- i
holte die Einladung seiner Schwester. :
: « Sie hätten einen Ritst in die Ver-se ;
- Mai-n agte er, und plötzlich wäre
seiner Schwester scheu ge- :
who-these Wklme daß es ihm möglich ge- -
:- wäm es Fu ziialetn Welches -
Fee-heben Unglück heim qeschehm
W- wenn ich nicht zur rechten Zeit
Fall es aged o«:Ihrnkilijxikte
W ne en no a
WW jnnee Mann
-- W Laien Eindruck auf
· W IM me flatternd wie
W
ich ihn oft bei Spielern, Morphiniften
und politischen Spinnen gesehen hat
te. Jch empfand jedoch lebhafte Neu
ger zu erfahren, wie es möglich war.
ß ein Bruder mit taltem Blute
feine junge Schwester tn den Tod f
ren konnte und nahm schließlich
Einladung an.
Marisla war ein uraltes Schloß,
das auf dem Gipfel eines Felsens lag.
von dem man eine wunderschöne Aus
sicht iiber die ganze Gegend hatte. Die
Mauern und das Dach waren sehr
verfallen und selbst die Tapeten im
Eßsaal hingen an mehreren Stellen
in Fetzen von den Wänden. Der alte
Grafsf kam mir indessen mit einer so
herzgetvinnenden Liebenswiirdigleit
entgegen, daß ich mich in seiner und
Fräulein Elisabeths Gesellschaft bald
iehr wohl fühlte. Die junge Dame,
die mir in dieser Umgebung doppelt
hübsch und liebenswürdig erschien,
gefiel mir mit jedem Augenblick bes
ser, und als ich mich verabschiedete,
stand sie auf der Terrasse und winkte
mir ein »Lebewohl und aus Wieder
sehen« zu.
Jch beschloß, mein Abenteuer nor
läusig zu verschweigen Aber dann
fragte ich wieder, ob das richtig war·
Welche schreckliche Familientraaödie
bereitete sich auf dem alten Berg
schlosse vor. Nun, ich wollte mir
Mühe geben, darüber ins Klare zu
kommen.
Am nä49en Tage beim Frühstück
fragte ich Andrassnr »Wer sind ei
gentlich diese Maritztas?«
«»NC- hast Du schon von ihnen ge- s
hart? Ja, das ist leicht gesagt. Die
Familie gehört zum ältesten Adel des »
Landes, aber sie steht vor dem Ruin. »
Der alte Graf ist die Anspruchslosig
lett und Ebrenhaftigteit selbst und die
Tochter verläßt das ganse Jahr bin
dutch das Schloß nicht. Ter junge
Gras Georg dagegen ist ein aus
schweifender Charakter. Sein Vater
hat ein über das andere Mal seine
Schulden bezahlt, aber das geht jetzt
nicht länger, denn lein Mensch leiht
noch einen Gulden aus Mariteta Die
Lebensweise des Sohnes ist dem Va
ter sehr zu Herzen gegangen und er
ift vor der Zeit alt geworden.
Das hatte ich mir auch gedacht, aber
es ertliirte nicht. warum Geora Ma
rttzta seiner Schwester nach dem Le
ben trachtete.
»,,Jch habe ebenso viel Mitgefühl für
die junge Dame, deren Erbtheil ver
schwendet ift,« bemerkte ich. I
»O, sie leidet reine Rom sum-ok- «
tete Andrassy. »Ein tinderloser Onkel
hat sie zu feiner Universalerbin einge
setit. Sie hat fünfmalhunderttausend
T Gulden und ist also eine reiche Partie.
JDu solltest Dein Glück bei ihr versu- .
’chen,« fügte er lächelnd hinzu. »
» Jetzt begriff ich. Die junge Gräfin l
J sollte aus dem Wege geräumt werden« !
damit Graf Georg in den Besitz ihres
Geldes kam. Welches furchtbare Ver
.brechen hatte ich verhindert. Aber fie
ikonnte jeden Tag das Opfer eines
neuen Schurlenftreiches werden. Sie
mußte beschützt werden. Aber wie?
"Dieser Gedanke bereitete mir viele
I qualvolle Stunden.
Ich wurde im Laufe der Zeit eins
häufiger Gast auf Maritgta undFräu- (
lein Elifabeth und ich schlossen war-f
me Freundschaft Sie zeigte im Ver- !
lehr mit niir ihre ganze natürliche
Anmuth und die abenteuerlichen Ver
hältnisse unter denen ich ihre Bekannt- I
schoft gemacht in Verbindung mit dere
Gefahr, gegen welche ich sie be
schützen wollte, weaten Gefühle bei;
mir, wie ich sie einer Frau gegenüber
noch nie empfunden hatte. Mit einem
Worte, nach dreiwöchiger Bekannt
schaft bat ich den Grafen uin die Hand
feiner Tochter und einen Monat s ä
ter fand in aller Stille unsere Te u
ung in der kleinen Kapelle in Ma
«ritzka statt.
Jch danke Gott für die drei glückli
chen Jahre, die dann folgten. J ver
ließ Ungarn mit meiner jungen rau,
» wohnte eine feitlang in England und
iwurde darau als britifcher Bevoll
;miichti ter nach Buento in Eluador
qufand. Hier erblickte unfere süße
kÄlire das Licht der Welt und fest er
schien unser Glück vollkommen. Jch
fühlte mich hier in dem sretndenWelt
theil, wo wir schnell Freunde gefun
den hatten, vollkommen sicher vor al- l
len Nachstellungen von Georgs Seite. s
Jch selbst hatte Nichts zu siirchtenJ
denn das Testament von Elisalpethsl
Onkel bestimmte, daß ihr Vermögen
nicht aus ihren Mann, sondern aus
ihre Kinder übergehen sollte. Aber
auch für meine Frau und meine kleine
Tochter glaubte ich an keine Gefahr.
Wir hörten nie etwas aus Maritzta.
denn der Vater meiner Frau war
gleich nach der Hochzeit ge torben und
u ihrem Bruder hatten wir immer
en einem sehr kühlen Verhältniß ge
standen. Jch war überzeugt, daß er
seine ruchlosen Pläne ausgegeben
hatte. Meiner Frau hatte ich nie er
zählt, aus welchem Grunde ihr Pserd
aus jener Bergtour durchgegangen
war und das Geschehniß begann auch
schon aus meiner Erinnerung zu
schwinden. Aber da kam das Unglück. l
O, welche schreckliche Zeit war est;
Unsere kleine Alice sing schon an zns
ae n und sie und ihre Amme hielten j
st viel in dem kleinen Wäldchen auf, ;
welches an unseren Garten grenztr.i
Eines Tages ging die Amme in’s!
Haus, um einen Gegenstand zu holen »
und ließ die Kleine allein. Gott ver
ebe es ihr —- seit diesem Augenblick
t Niemand unsere Alice wiederge
ehenl" :
; Lord Keltingion fuhr mit— erstickter
SUZYZ W- Si he vi a i
- eae tren, e gre enne ne
Geist-Je »F setzen-en daß mai-I
W
iäderwiiltigt werde. Der Schlag war
sur that. Jch that Alles, was in
merk chlicher Macht stand, um mein
Kind zu finden. Mii hundert Mann
durchsuchte ich den Wald und die
ganze Umgegend. Erst gegen Mor
en fanden wir eine S r. Der
chein meiner Leuchte iel aus ein
langes, krummes Dolchmesser, dessen
Form mich an diejenige erinnerte,
welche die Bauern in Siebenbiirgen
tragen. Das Messer mußte aus
einem Gürtel verloren sein als ich
es sah, hatte ich sofort den Ge
danken, das Kind könnte vom Grafen
Georg oder einem seiner Helfershelser
geraubt sein. Jch telearaphirte sofort
an Andrafsh: »Ist Graf Georg auf
Matthias« Die Antwort lautete:
»Nein, in Budapes.« Jch setzte nun
Himmel und Erde in Bewegung. Jn
allen Hasenstädten in Südamerika be
obachtete die Polizei alle nach Europa
sahrenden Passagiere, ich setzte eine
Belohnung von zehntausend Pesetas
aus, ich suchte das Kind durch alleZei
tungen —- aber alles war vergebens.
Vielleicht that ich meinem Schwager
Unrecht durch meinen Verdacht, viel
leicht gehörte das Messer einem n
dianer oder einem Mestizem ie
konnte er an die Lilugsiihrung eines
solchen Rinderraubes denken. wenn ein
Weltmeer zwischen ihm und uns lag.
Damals aber zweifelte ich nicht daran
Jch verließ meine Frau, die vor Kum
mer erkrankt war, fuhr über Bene
zuela nach Lissabon und iam nach
40iägiger Reise in Wien an. Dort
erreichte mich eine neue Un liicksbot
schast. Die Zeitungsderliiufer riJeJxen
die Nachricht aus« Graf Georg a
rigia in Budapesi wäre wegen Wech
selfälschung verhaftet. Jcki fuhr nach
Budapest, ging zum Gefängnibinspeb
tor und bat um eine Unterredung mit
» dem Gefangenen·«
J »Sie kommen zu spät, Lord Kell
?ington,« antwortete mir der Beamte.
I»Leutnani Matitzia hat in dieser
INacht Selbsimord begangen, indem er
jseine linke Pulsadet au schnitt.«
T Mir wurde schwarz vor den Augen.
! »Ist er todi?« stammelte ich.
! »Noch nicht, aber es wird wohl nichi
Imehr lange währen. Wenn Sie ihn
izu sehen wünschen, werde ich Sie zu
ihm führen.«
Mein Leben bat oft an einem Ser
denfaden gebanaen, aber nie bat mein
Herz so angstvoll gellopft wie auf die
sem Gange. Würde ich noch zur rech
ten Zeit kommen, um zu hören, ob
mein Kind lebte, oder würden dieUm
stände füra immer ein Geheimniß
bleiben?
Wir traten in die Zelle. Der Pa
tent lag leichenblasz auf seinem Bett
und stöhnte leise. Jch ergriff seine
Hand und fragte mit zitternder
Stimme: »Kennst Du mich? Er ant
wortete nicht, seine Augen begannen
zu brechen.
· »Hast Du mein Kind gerauth« rief
ich.
Ein Zucken durchlief feinen Körper,
er stieß einen leiten Seufzer aus und
verschied. Jch fiel obnmächtia um.
Mit blutendem Herzen tehrte ich zu
meinem Weibe zurück. Der Kummer
hatte ihren Verstand verdüstert und
bald daran verlor ich auch sie. Kurz
vor ihrem Tode brachte man mir ein
kleines Kinderflelett, welches von Ein
geborenen im Dickicht des Waldes ge
funden war. Waren es die irdischen
Ueberreste meiner tleinen Alirei Die
Aerzte konnten es nicht sagen. Es
war möglich, aber nicht -sicher. Jetzt
ruhen mein Weib und mein Kind drit
ben in fremder Erde und mir blieb
nBurddie Erinnerung und dieses kleine
il .«
Der neue Trick.
Humoreste von Adolf Thielr.
Wie alltäglich läutete auch heute
Punkt 1 Uhr die Mittagsglocte im
Kurhause des kleinen Badeortes —
nennen wir ihn Birkenthal — und rief
die Gäste zur gemeinsamen Tafel, die
wir Deutsche die «Table d’hote'« nen
nen.
Die Blätter begannen bereits von
den Bäumen zu fallen, und die ahl
der Gäste war daher nicht me a zu
groß. An der Spitze saß sch icht und
würdig ein pensionirter Oberstleut
nant, rechts und Iints vertheilten sich
dann die übrigen Gäste, meist Damen.
Wie immer gaben sich die Töchter als
wahre Ausbunde von Sittsamteit und
Zart eit, und wie immer verwandten
die itttet in unauffäll« er Weise
ihren ganzen Scharssinn au die Be
obachtung der einzelnen Fee-ern die an
der Tafel erschiene-n bee, ach, die
herren haben ja schon lä den hol
den Glauben verloren, da die Eben
im himmel geschlossen werden, wie
das mitRe t so beliebte Schwertdei
Damotles ngt über ihnen die bange
Frage: Was bat ef und so mancher
trägt in seinem otizbuch die Adresse
eines « superliissigeu Unstunstibuk
kcllUSI
Der Herr, der sich da eben nach der
Suppe am unteren Ende der Tafel
niederließ, war sicher lein Heirath-Is
tandidat. Die zeigen sich ja immer
nobel vor den Leuten, sie huldi en dem
Spruch: Der Spanier zahlt die Rech
nungen, aber er liesi sie nicht.
Rein, der dorsihaarige here mit
dein dünnen Bollbarte, der wie arme
»Leute Korn stand, war entschieden
nicht darauf erpicht, holde Mägdelein
durch iinsiige inanzlage und durch
Generosität u lenden -—- diese Mag
neten iiir edes weibliche herz, das
fiir ichsne Kleider und neue Hüte
sehn-Ermi; und richtig, eine der scharf
sichtigen Schwiegermütter fah auch
schon an seinem Goldfinger den bin
denden Reif
Der bngte neue Gast. anscheinend
ein Touri , las die Speixelarth innr
melte: Zwei Mart sün zig das Di
nerf Ein bißchen viell« und rief dann
dein Obertellnee, der erade mit de
tender Miene an dni vorüber
schwebte, zu: »Herr Oder, geben Sie
mir das Mena, aber lassen Sie den
Fisch und den Pudding tve !«
So geschah es, der Gat verzehrte
mit erfreulichem Appetit die Sappe,
den Braten und ein halbes Rebhukyn
und gönnte den anderen gern den Fi ch
und den Pudding.
Als der letztere erschien, fühlte der
eniigsaine Fremdling fiir sich jenen
onient getoinmen, in dem, nach ei
nem bekannten Bonmot, sich derMensch
vom Thier unterscheidet, er ließ das
jedem Gläubiger angenehm ins Ohr
träufelnde Wort »Zal)len!" verneh
men.
Armutbig und unoliörbar wie ein
Genius schwebte der»Ober« herbei und
slötete »mezza voce": »Bitte. mein
Herr! Sie hatten Suppe — 80 —
Braten mit Kompott — 1,20 —
Rebhuhn —- 1,50 —, macht 3 Marki«
Der Gast meinte nicht recht gehdrt
zu haben. Endlich fragte er erstaunt:
»Ja, wie kommt denn das-? Das
Menn tostet zirei fünfzig, und ich ha
be Fisch und Pndding nicht bekom
men und soll 3 Mart bezahlen?«
»Bitte,« sagte der »Ober« mit der
Sanftmuth eines Heiligen, »die ein
zelnen Gänge rechnen wir a la carte!«
Der Fremdling, der tein benach
tandidai irar, protestiste, de: Ober
Ganymed bestand auf seinem Schein,
und so ging der Streit weiter; der
Hotelier, der mit am Tische faß.
mischte sich aus Gründen der Pelika
tesse nicht ein«
«Vielleicht,« rief der Gast, »enischei
det einer der Herren hier die »Frage?
Darf ich Sie vielleicht miten, das
Ri«teramt zu übernehmen"s« wandte
er sich an den Qberstleutnant, indem
re auf ihn zuging und sich vor iyin
verbeugte.
Der alte herr erwiderte die Ver
beugung und wollte erst abwehren, da
der Fremde jedoch seine Bitte wieder
holte, sann er nach und sällte dann
einen salomonischen Urtheilsspruch:
»Herr Ober, Sie liefern dem Herrn
erstens den Fisch und zweitens den
Pudding nach, und der Herr zahlt
dann —zwei Mart fünfiia.«
Der Herr war. damit zufrieden und
—wir erzählen leine Märchen-der
»Ober" auch-.
Der Fisch erschien und der Herr
auittirte mit einem »Danle'·, worauf
der Fisch wieder verschwand.
Dem Pudding wurde das gleiche
Loos zu theil, und unter dem Amiise
ment der Gäste zahlte der Herr zwei
Mart fünfzig, sowie eine halbe lasche
Wein. Jndem er fünfzig P ennige
Trinkgeld beifügte, sagte er: »Ich
wollte nur mein Recht haben," und
wandte sich an den Oberstleutnant mit
den Worten: »Herzlichsten Dant, mein
herr, siir die Uebernahme des Richter
amtes!« Dann ging er nach böslichenr
Gruße davon. «
Auch die anderen Gäste hatten sich
entfernt, und so blieb denn fiir einige
Zeit, da auch der jüngereKellner bin
aus gegangen war, der Obertellner
Fran mit detn Piccolo allein im
Speisesaale
Franz hatte etwas auf dem Herzen,
und zwar etwas-, das er gern in der
Nachbarschaft des Herzens im Magen.
ehabt hätte, ein saftiges, braunes———
ebhuhn, das auf dem Servirtische
stand, einsam wie deines Tannen
baum.
Die Rebbiihnerjagd war eben auf
gegan en, der lectere Bratvogel war
einer er Neulin e der Saison——tein
Wunder daher, aß ranz, der gern
etwas Gutes aß, le haft mit ihm
iotettirtr.
Das Rebhuhn blieb übrig, aber —
so lallulirte Franz mit Molttebliel —
der Hotelier, der mit an der Tafel ge
sessen, hatte es sicherlich ebenfalls e
seben, und so war es denn sehr wa r
s inlich, daß der Vogel in die Küche
sl egen und dann aus der Abendspeife
tarte wieder erscheinen würde.
Fatale Situation, dort lockte das
appetitreizende Flügelthier, und der
Hotelier stand, wie Franz zufällig
hörte, draußen hinter der Flügelthiiri
Einen anderen Ausgang hatte der
Saal nicht; wie sollte er, der lüsterne
Feinschmecken nun den Vogel an den
Cerberusaugen des Wirthes vorüber
bugsiren?
Franz dachte an seine Fracktasche,
aber er erinnerte sich noch zu rechter
Zeit, daß einer seiner Vorgänger auch
nmal ein Stück Kapaun in dieser
Weise »retten« wollte und daß dann
der Hotelier, der ihn beoebachtet hatte,
mit den Worten: »Zum Braten gehört
auch Sauert« eine Sauciere verbind
lich lächelnd in des Kellners Rocktasche
entleert hatte.
Indessen, die Noth macht erfinde
risch, in Franzens Seele leuchtete ein
großer Gedanke aus. Der Pietolo,
er noch im Saale war, und gerade
ein paar Früchte naschte, wurde beim
Ohre gepackt und mit unsansten, der
Zoolo ie angehörenden Worten, hin
ausge andt.
Franz war allein mit seinem Opfer,
doch ganz kurze Zeit nur, dann trat
der botelier ein. vom jüngeren Kellner
gefolgt. Während dieser die Tasel
abräumte, musterte der Wirth den mit
Speisen beseßten Servirtisch. »War
denn nicht,« wandte ergich an Franz,
«war denn nicht ein edhuhn übrig
gebliebeni« ,
harmlos, wie ein neugeborenet
Lan-ni, erwiderte ane: »Ich glaube
nicht, ich kann tn ch ncht erinnern!«
Mit einem Blick, der Der und Me
ten peüste, betrachtete der otelter die
Elanle Gestalt seines »Obers«, aber
tvar nirgends eine Unebenbeit zu
entdecken, tadellos hingen die Fran
schieipe Etat-.
It ranz sich dann entfernt hatte,
unter og sich der hotetier, den der Fall
lebhat interessirt hatte, der Mühe.
das i ebhuhn zu suchen. Scharf über
wachte er den abräumenden jüngeren
Kellner, dann blickte er in jeden Win
kel, aber vergeblich, der Bratvogrl war
und blieb verschwunden
»Es geschehen doch noch Wunderk«
murmelte der Wirth. »Da want-, das
kann ich beschwören, hinausgetragen
hat’s auch keiner, das lann ich eben
falls beeiden, und da ists nicht!«
Gegen Abend saß Franz in seiner
stillen Stube und verzehrte mit großem
Appetit das tatte Nebhubn;so hatte
ihm lange nichts eschmectt. Ja, das
Leben bietet auch tieine Freuden!
Die Saison war zu Ende, die Kell
net wurden abgelohnt. Zuletzt er
schien Franz, der für den nachsten
Sommer wieder engagirt und für ten
Winter in der Großstadt beschäftigt
war.
Der Potelier legte ihm oen Oe ir ag
hin und fragte dann ebenso plötzlich
wie freundlich: »Franz, wo ist damali
das Rebhuhn hingekommen?«
»Welches Rebhuhn?" fragte der Ex
Zbär mit himmlischem Unschulds
r e
»Na, Sie wissen doch, das vom
Servirtische verschwand ?«
»Entschuldigen Sie,« sagte sfranz
höflich, »aber ich bin nicht allwi end "
Lächelnd reichte der otelier seinem
Getreuen ein Zehnrnar stück. »ca en
Sie« s mir!« flusterte er Es interesfirt
mich!«
»Besten Dank, Herr —,'« quittirte
Franz mit einer Verbeugung »Es
iebt eben mancherlei Dinge zwischen
Zimmel und Erde. ———Als ich so al
lein war mit dem Rebhuhn, als es
mich so freundlich anliichelte, da stieß
ich eine Gabel durch seinen kxliigel und
—- spießte es unten an die Tischplattei
Später holte ich mir s dann!«
»Ah! Ahi« machte der Wirth mit
einem tiefen Seufzer der Erleichterung
und drückte Franz zum Abschied die
Hand. »Ein neuer Tritt!« sagte er
dann, als er allein war
Seitdem hat der Herr hotelier die
Neigung, in Fällen, wo er sich teinen
Rath weiß, unter die Tifchplatte zu
sehen. Aber er hat da nichts wieder
aufgespießt gefunden.
—
l Beneidet. »
Von M. H e d e l. i
Jm Morgenlande lebte einst ein(
alter Einsiedler, der im Rufe großer;
Klugheit stand; die Großen des Rei
ches frugen ihn nicht selten um sfiatlHl
und selbst der Herrscher liebte es, insi
g wierigen Fällen dessen Meinung zu
ren.
; Als ein Verbrechen der einen Mord
mit besonderer Grausamkeit verübt
hatte, zum Tode verurtheilt war, liesz
der Beherrscher des Reiches den weisen
Mann kommen und trug ihm auf,
außergewöhnliche Qualen zu ersinnen,
womit der Mörder zur Verschärfung
der Strafe noch vor feinem Tode ge
; peinigt werden sollte
» »uasset ihn leben," entschied der
;Alte, »und beiiehl ihm, jeden Tag
;eine gebratene Taube, gefüllt mit löst
jlichem Gebäci und anderen Delilates
! sen, zu ver«zehren.«
i Des Herrschers Umgebung, die den
»Nati) mit angehört hatte, glaubte, der
Mann habe plötzlich seinen Verstand
verloren, und ein mißbilliaendes Ge
murmel lief durch die Versammlung
Der Herrscher aber, gewohnt, sich
den Anschauungen des Alten zu fiigen,
selbst wenn sie ihm unverständlich wa
r ren, gebot den Leuten Schweigen und
; ordnete an, daf; der Verbrecher in seine
» Zelle geführt werde, der Koch aber die
j nöthige Weisung erhalte.
s Höhnisch lächelnd überblickte der
jMörder die ganze Versammlung als
f er abgeführt wurde·
i Jn der ersten Woche tonnte der Ver
Jbrechee die Stunde taum erwarten,
I die ihm den ungewohnten Genuß
dringen sollte und gierig verschlang er
stets den Leckerbissen bis auf das letzte
Stückchen. Fa den ersten Tagen der
zweiten Wo e asz er fchon langsamer
und am legten Tage derselben wollte
er, zum Erstaunen seiner Wächter,
sogar etwas übrig lassen, was diese
aber unter teinen Umständen gestatten
durften
Anfangs der dritten Woche bat der
IMiirder flehentlich, man möge ihm
Idoch heute nur ein Stücken Brod ge
’ ben, wenn es auch schon alt und hart
sei; allein sein Flehen war umsonst.
Am nächsten Tage hatte sich die Ab
sneigung gegen die anfänglich so ge
fchahte Speise derart gesteigert, dasz
chon der Geruch der Taube ihm fürch
terlichen Elel verursachte, lalter
S weiss ihm beim Anblick derselben
au die Stirne trat und seine Augen
wird rollten, als man ihm das Mahl
mit Gewalt beibrachte.
Jn der darauffolgenden Nacht floh
ihn der laf. und wenn sich die Au
n hie un da zu lurzem, unruhigem
»Schla» schlossen, dann sah er im
) Traume hunderte von gebratenen
Tauben auf iichzufli en, und der
Gedanle, sie alle noch e en zu miiisen,
kverurfachte ihm ein Gefühl namen
l loer Un it und Pein. Immer und
sirnmer tv eder sprang er von feinem
kharten La er auf. rannte wie ein
wildes Th er in feiner Zelle umher,
jund das fehauri . in der Stille der
zRacht met här are-Mitten feiner
scetten steigerte die leelflrhe Orte ng
Ides Ungltietlichen bit sum Wathirm
W
Oel To esanbench wued et wieder
ruhig, un inlt Worten, so eilheend
und schmeichelnd, tote man sie dein
harten, versteckten Sünder nicht zu e
traut hätte, bat ee darinn, nnnrne e
doch dem Henker ausgeliefert u wet
den. Als auch diese Bitte es Ge
quälten unberiicksicht t blieb, bemiiek
Rte sich seiner eine nechtdare Wut
it knapper Noth entgin en die Wör
ter seinem plötzlichen ngeis ; wie
von Furien gehetzt, todte der ördee
in dem engen Raume, der S aum
stand ihm vor dem Mund, die ugen
traten aus den Höhlen, und als die
Erregung aufs Höchste gestiegen war,
rannte er mit aller Wucht gegen die
harte Wand seiner Zelle und zer
schmetterte sich daran den Schädel.
Der ursprüngliche Neid seiner Wär
ter hatte sich zuerst in Staunen nnd
dann in Mitleid verwandelt, und als
durch ihren Mund das Volk von den
Leiden und dem scheu-eigen Ende des
auf so eigenthiimliche Strafe Bestraf
ten Kenntniß erhielt, da nsar von
Stunde an das Vertrauen zu der
Weisheit des alten Einsiedler-S ein
unbegrenztes. »
Eier Gedenktag
war der 30. Juni. Vor 40 Jahren,
am SO. Juni 1865, wurde in dein
jetzigen berlmisazen Rathhause, das
damals noch im Bau war, die erste
Magistratsiitzung abgehalten und am
80. Juni dieses Jahres fand die
Zuwire Sitzung des- Magiiiratö an
derselben Stelle statt. Eine große
Gedenttasel am Rathhause hat folgen
den Wortlaut: »Die erste Sitzung des
Magistrats ward in diesem Nathhause
abgehalten am SO. Juni 1865. Bis
dahin hatte der Magistrat seine Sis
ung im Köllnischen Rathhause am
Fischrnartt abgehalten.« Drei andere
Tafeln verkünden, daß 1) im Beisein
König Wilhelm des Ersten derGrund
stein zum BerlinischenRathhause nahe
dem Thurmbau am Il. Juni 1861
gelegt ward, 2) daß die erite Sitzung
»der Stadtberordauern-Versammlung
Tin diesem Nathhause am S. Januar
1870 abgehalten wurde, und s) daß
»im Beisein Kaiser Wilhelmg des Er
sten der Zusammentriit des ersten
Deutschen Reichstages in diesem Rath
hause am 17·April 1871 gefeiert
wurde« Die erste Sitzung des Magi
strats leitete der damalige Oberbim
gerineister SeydeL der am 9. Januar
1873 im 61.Lekänsjahre starb, und
nach dem die Seydel-Straße ihren
Namen erhalten hat. Das Berlinische
Rathhaus wurde vom Stadtbaurath
Wäsemann in zwei Hälften innerhalb
10 ahren vollendet· 24 Pskivckthäuser
rnu ten niedergelegt und eine unkünd
bare hypothet übernommen werden.
Mit der Niederlegung der Häuser ver
schwand auch der letzte Rest des alten
Berlinischen Rathhaiises, der unter
dem Namen ,,Gerichtslaube« bekannte
alte SchösfenstuhL der durch ein Ge
miilde im Rathhause verewi t worden
ist. Kaiser Wilhelm der Er te ließ die
«Gerichtslaube« betanntlich im Part
u Babelsberg wieder aufbauen. Auch
ie frühere Naaelaasse versehn-and
Sie mußte der Rathhausstraße Plah
machen.
- —-.—-—
Ein ventiches Soldatenleven.
Jrn 80· Lebensjahre ist der Pre
rnierleutnant Christian Johannsen
auf feinem Hofe Jürgenslut unweit
For-erstehen nach einem vielbewe ten
eben gestorben. Er studirte zunächst
Jurisvrudenz, doch vertauschte er
1848 die Pandetten mit dem Schwert
und kämpfte als Ofsizier drei Bahre
fiir fein Vaterland. Nach der een
digung des dreijährigen Krieges
wurde er zunächst Landmann, trat
aber während des Krimlrieges in die
deutsch-englische Legion und trnrde
Adjutant des Generals von Stutter
heim. Als der Pariser Friede dem
Krirnlriege ein Ende machte, schloß er
sich der afritanifchen Legion an, welche
unter dem General von Stutterheim
den Kaisernausltand in Kafsraria un
terdriicten und stolonien errichten
sollte. Hier wirtte Johannlen sieben
Jahre, bis. im Winter Meist-M die
Nachricht vomTode des König-J Fried
rich des Siebenten und der betannten.
Protlamation des Herzogs Friedrich
ihn erreichte. Er tonnte aber erst
Ende April 1864 in Kiel eintreffen,
als die Bildung einer schlesivig-hol
steinischen Armee ausgegeben war.
Mit dem ihm eigenen Freirnuth machte
er dein Gouverneur von Schüsin
General von Manteuffel, tein bebt
daraus, daß er ein Anhänger des Her
ogs Friedrich sei, worauf er mit
hartegeld entlassen wurde. Bei Be
ginn des deutsch-französischen Krieges
stellte er sich sofort dem tornniandireni
den General von Manftein in Schlec
wig zur Verfügung« der ihm die Füh
runa der Munitionstolonne filr die
18.Division übertrua. Jn der Schlacht
von Gravelotte erhielt er fiir persön
liche Tapferteit das eiserne Kreuz.
Nach dein Franlsurter Frieden nahm
er feinen Abschied und lehrte in kein-er
landtvirtlsschafilichen Befchäftianng
aus feinem hos Jürgenslust zurück.
Das solt per Erde.
Wieviel Gold wird jährlich in dek
Welt ewonnensl Jm Jahre 1904 soll
der rth der Goldgewinnung rund
1400 Millionen Mart betra en haben.
Australien steht an erster telle und
liefert rund-Ists Millionen, die Ver
einigten Staaten 338, Vaniqu
ZU« und nur Europa erweist sich m
arm, indem Russland mit blosz so
Millionen Mart vertreten ist.