Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, August 11, 1905, Sweiter Theil., Image 14

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    Um der Mitgift willen.
Original-Roman von Arthnk sapp.
0 0 .·s-. .0. .I. .I. -1-xL--14 Axt- OOOOOOOOLUIUI
UIIIUIIIOIIITTTTT -—
(12. FortfenungJ
Der Gefangene lächelte. Und dann
nn er in dem gemüthlichen, ver
traulichen Ton, der sich schon seit ah
ren zwischen ihm und der Frau on
nl eingebürgert hatte, sich zu verthei
en.
.Ja, sehen Sie, Frau KonsuL da
machte ich wieder die alte Erfahrung,
daß man über eine Sache oder eine
Situation nicht richtig zu urtheilen
vermag, ehe man sie nicht selbst prak
tisch an sich erprobt hat. Jch bin im
rner ein Gegner des Duelle gewesen
und habe immer darüber meine Glos
sen gemacht, und nun — nun muß ich
erkennen, daß es Lagen geben tann.
in denen ein Mann, der Ehrgefiihl be
sitzt, sich nicht anders zu helfen weiß,
als seinen Gegner vor die Waffe zu»
fordern." ;
»Unsinn!« fiel die Frau Konsuli
iirgerli ein. »Wenn Sie auf einmal l
so empindlich geworden sind undj
glauben, partout eine Sühne verlangen ’
su müssen, so zitiren Sie Jhren Geg
ner doch vor das amtliche Gericht, wie
ej sich gehört und wie das Gesey dor
schxejvex , .
k-. k,-»et.i
»Ic, ßtllll sollst-h Wluu qui-( tue
aus gedacht, aber dann wird die
Sache in der öffentlichen Gerichts
sitzung verhandelt und kommt in die
Zitungem und ich bin erst recht der
Blamirtr. Was niiht es mir, daß
mein Beleidiger vielleicht zu einer
Geldstrafe von fünfzig oder hundert
Mark verurtheilt wird. Das dürfte
mir taum als eine entsprechende Süh
ne erscheinen für die mir zugefügte
schwere Beleidigung«
»Also Sie meinen," erwiderte die
Frau Konsul ironisch, »Jhre Ehre er
fordert, daß Sie sich gegenseitig die
Hälse brechen?«
Herr Guntermann lächelte aber
mais-.
»Das scheint mir nicht gerade noth
wendig,« erwiderte er, und wieder
ernst werdend, fügte er hinzu: »Aber
ich gluhe doch, daß Einen ein ganz
anderes Gefühl der Genugthuung
durchströrnt, wenn man feinen Gegner
mit dem geladenen Revolver in der
Hand zur Rechenschaft zieht und ihn
ein paar Selunden lang zwischen Le
ben und Tod hat schweben lassen.«
»So? Und wenn Sie selbst, der
Beleidigte, nach obendrein Schaden
davontragen?« «
»Ja —« Herr Gunterrnann zuckte
mit den Achseln —- »diese Eventuali
tät muß man allerdings mit in den
Kan nehmen-«
Während die Frau Konsul ärger
lich brummte, griff Klara in das Ge
sprach.
»Ich habe mit Herrn von Dürings
hosen gesprochen, weil mir der Ge
danke unerträglich war, daß ich die
Ursache eines Blutvergießens werden
sollte. herr von Düringshafen hat
mir ehrlich zugegeben, daß er Sie
mißverstanden, daß er Ihnen Unrecht
gethan hat, und er ist bereit, die Be
leidigung, die er Ihnen zugefügt hat,
zurückzunehmen.«
sherrn Guntermann’s blasses Ge
sicht röthete sich, und ein Gemisch von
Erstaunen und innerlich empfundenerl
Genugthuung strahlte aus seinen Au
gen
»Das hätte er gleich thun sollen,«;
erwiderte er lebhaft. I
»Ich denke,« nahm Klara sanft und j
in hitendem Ton das Wort, »auchs
morgen früh wird es dazu noch nichts
zu spät sein. Er hat mir verspro-i
chen. die Erklärung morgen auf dem?
Kampfplatz vor den Zeugen abzugeJ
den. Darnach haben Sie dann wohl
seinen Grund mehr, sich beleidigt zu
sählen und Ihre Forderung aufrechtz
zu erhalten« i
- here Gnntermann sah die Since-i
M, der der Eifer die Wangen reif-l
thete, zögernd, überlegend an. Seins
Der-z war nicht so leicht zur Versöh-«
innig gestime wie Frau Klara ins
Mut-ist der ihn bewegenden Ein-?
pfindungen geglaubt hatte. Jm Geist
erlebte er die undergessene Scene noch
einmal, er fah seinen Gegner vor sich
mit dem hochmüthigen Gesicht und
hörte die fchimpflichen, beleidigenden
Worte, die ätzend wie Gift in seine
Seele gedrungen waren und die ein
fieberndes unauslöschbares Verlan
gen nach Rache in ihm entzündet hat
ten. Und auch jetzt regte sich der Haß .
gegen den Mann der die Ahnung
loie mit seinem äußerst glatten We
sen bethört und unglücklich gemacht
hatte, nur noch stärker in ihm.
»Ich weiß nicht,« erwiderte er end
lich, ,,ob die im ledten Augenblick ab
ebene, vielleicht rein formelle Er
rrmg zumal bei der Schwere der
Bleibt-Jung eine geeignete, hinreichende
SÆ Tit-«
Mara fah den Sprechenden sehr
Masche und betreten an. Jn fei
Ist-In glimmte ein Etwas, das
sie M kürlich an den von Aer aus
W Verdacht erinnerte. Sie
« rafsü idem Bkick und ein schwer
- . nächtig-n ließ sie die Un
gis etwas überaus Reinli-i
Doch da sie noch keine
T TIIQTTTT TTTT7Is v
bestimmte, beruhigenbe Erklärung von
ÆelB Gegner empfangen, so konnte
sie sich auch der Fortsetzung der Ver
handlungen-ich nicht entziehen.
; »Ich chte doch,« entgegnete sie rnit
Heinem Anflug von Ungeduld, »wenn
Derr von Düringshofen als Offizier
von einer friedlichen Beilegung Jbres
Zwistes die Beeinträchtigung seiner
Ehre nicht befürchtet, so brauchten
Sie, der Sie von leiner Rücksicht auf
die Standesehre gebunden sind, in
dieser hinsicht nicht rigoroser zu sein«
«Verzeihung,« versetzte Herr Gun
-termann ernst und bestimmt, »ich
glaube, hier handelt es sich nicht um
Standesanschausngem als vielmehr
um individuelles Empfinden Sie
vergessen, gnädige Frau, daß ich der
Beleidigte bin und daß es mir na
turgemäß nicht so leicht werden kann,
zu vergessen, als dem Beleidiger.
here von Düringshofen hat dem Ge
fühl des mir angethanen Schimpfes
Zeit gelassen, sich tief und tiefer in
meine Seele zu bohren, ehe er — viel
leicht nicht aus freien Stücken —- zu
dem Entschluß gelangt ist, die mir
ungerecht zugefügte Beleidigung zu
rückzunehrnen. Ich habe mich infolge
dessen schon völlig in den Gedanken
an das Duell bineingelebt —«
»Aber,« unterbrach hier die Frau
Konsuh ihrer Entriistung Ausdruck
gebend, und schlug ihre Hände inein
ander, »was verlangen Sie denn
noch mehr, Herr Guntermann2 Soll
er vielleicht noch einen Fußfall vor
Ihnen thun? Jch weiß nicht mehr,
was ich von Jhnen denlen foll. Jch
hatte Sie immer fiir einen ruhigen,
friedlichen Menschen gehalten. Und
nun zeigen Sie sich ja förmlich blut
diirftig wie ein —- ein —«
Die erregte Frau Konsul fand kei
nen passenden Vergleich und schwieg
Herr Guntermann aber erhob sich
und gab stehend feine letzte Erklärung
ab: »Ich habe ja nicht gesagt, Frau
KonfuL daß ich unter allen Umstän
den auf dem Duell bestehe. Durch
aus nicht! Solch’ ein Spielen mit
den Waffen geht mir eigentlich gegen
die Natur, und ich bin wirklich, wie
Sie die reundlichkeii hatten, zuzu
geben, ern friedlicher Mensch. Aber
meine Friedlichkeit gebt nicht so weit,
daß ich mich nach Belieben beleidigen
ließe, ohne eine Miene dazu zu ver
gieehern noch dazu von einem Manne,
r —
Er brach plötzlich ab, als Klara eine
auffahrende Bewegung machte und
schloß, feine Erregung bezwingend:
»Wie die leidige Angelegenheit aus
geht, ob ich meine Forderung zurück
nehmen kann oder nicht« hängt ledig
lich von der Erklärung ab, die Herr
von Düringshofen morgen abgeben
wird. Man kann eine Entschuldigung
vorbringen in einem Ton, mit einer
Miene, in einer Ausdruckweise, daß
man den Eindruck hat, es handle sich
eher um eine Verschärfung der Belei
digung, als urn eine aufrichtige Zu
rücknahme derselben. Beauemt sich
Herr von Düringshofen dazu, sich in
aufrichtiger Weise und in dem Um
fange, wie ich es erwarte, zu entschul
digen, so werde ich nicht ansiehen,
meine Forderung zurückzunehmen.
Das verspreche ich Ihnen, Frau Kon
ful, und der gnädigen Frau, eine be
dingungslofe Verpflichtung aber kann
ich nicht einaehen.«
Er verbeugte sich und ging. Drau
ßen biß er die Zähne zufammen. O,
diese Frauen, diese erbärmlich schwa
chen Frauen! So unglaublich es war,
sie chien ihn noch immer zu lieben,
den Mann, den sie doch in seiner
ganzen moralischen Niedrigkeit er
kannt haben mußte! . . . Es war
keine persönliche, zum Vergessen und
Vergehen neigende Stimmung, in der
Herr Gunterrnann feiner Wohnung
zufchritt. Schade, daß schon die
Dämmerung hereinbrach! Er hatte
zwar fchon faft den-ganzen Tag zu
gebracht, um sich nm ver ungetrenn
ten Waffe,so gut es ging. einzuschie
ßen. Aber ee hätte seine Uebungen
gern noch fortgesetzt, denn die Mög
lichkeit, daß der Revolver dennoch
während seines motgigen Zusammen
treffen-B mit Herrn von Dükingslzw
fen eine Rolle spielen würde, schien
ihm durchaus nicht ausgeschlossen
Bierzehntes Kapitel·
Axel von Dütingöhosen erwachte
am anderen Morgen frisch und mun
ter, obgleich et nicht seine gen-ohne
volle Nachirnhe gehabt hatte. Ein
Brief an seine Klara hatte ihn lange
wach gehalten. Alles, was sein Herz
un weichen. liebevollen Gefühlen barg,
hatte er in den vier eng beschriebenen
Seiten ausgesteömt Dann hatte er
den konveetieien und mit der vollstän
dige-n Adresse versehenen Brief in ein
leeres Schubfach feinei Scheeibiisches
siegt und den Schlüssel stecken lassen.
ziin ven Fakt, daß et lebend nicht
mehr ntiieikaiw wiieve man den
Bei-s s den nnd ihn an feine Adres
satin befördern
Ei me eesi sechs Uhr. Um sieben
J
W
Uhr sollte das Wende-baut in den sum
Rittergut Planiiiow gehörigen Forst,
an einer vorher genau bestimmten
M bezeichneten Lichinng, stattfin
Eine halbe Stunde vor der festge
setzten Zeit verläßt Aer ieise Zimmer
und Haus, um sich zu Fuß nach dem
Rendesvouspiatz zu begeben. Es ist
ein heller, ilarer Frühlingemorgen
Rüsiig und frisch schreitet Axel dor
wäris, er hat, wie es bei einer solchen
Situation auch bei den Reserve-Offi
zieren iiblich ist, Uniform angelegt.
Ihm isi so wohl, so leicht zu Muth;
von der instinktiven, dumpfen Ban
gigkeit. die in schwerer Lage des Le
bens, im Angesicht einer Gefahr, et
was Natürliche-Z is«-, empfindet er keine
Spur. Vielmehr verklärt ein sonni
geiz Lächeln seine Züge. Er gedenkt
des überraschenden Besuches, den er
gestern empfangen und rer merkwür
digen Unterredun , während der er
alle Phasen mens lichen Empfindens
der Reihe nach durchlostet hat: Zorn.
Erbitterung, Schmerz, erleichtertes
Aufatbnren. tiefinnetliche Genugihu
ung, Freude, Glück. Er muß iiber
sich selbst lächeln· Wie hatte er auch
nur einen Augenblick lang im Ernste
glauben können, daß dieser irockene.»
langweilige, fieisleinene alte Zung
geselle für Klara eine andere eben-»
tung haben könnte, als lediglich die»
des Verwalters ihres Vermögens!;
Er ist ihr auch heute ebenso gleich
giltig wie damals Mit dieser Ge
wißheit in der Brust begiebt sich Aer
nach dein Kam-philan. ais handle es
Isich uin eine friedliche gesellige Zu
isammenkunft und nicht um ein ern
!,stes vielleicht todtbringendes Ren
stontrr.
s In seiner Seele ist keine Spur- von
Zorn und Erbitterung mehr. Opti
mismus und freudige Zuversicht be
herrschen ihn und et ist fast sicher,
daß es zu einem Kampf überhaupt
nicht tommen weide. Sicherlich wird
sich der sriedsertige Kaufmann nicht
unversönlich und blutgieriger erwei
sen, als er, der in der Führung der
Waffen geiibt ist. Und sollte dennoch
swider Ermatten das Tuell stattfin
den, bah, was hat er zu fürchten?
Er trachtet nicht nach dein Leben sei
nes Gegners; der Mensch ist ihm jetzt
furchtbar gleichgiltig, und er wird«
nicht die schwere Last auf seine Seele
wälzen. ein Menschenleben ohne zwin
gende Veranlassung taltbliitig der
nichtet zu haben. Und sollte er selbst
dein Kampf zum Opfer fallen, was
liegt ihm ain Leben? Er fürchtet den
Tod wahrhaftig nicht, weiß et doch,
»daß Klara zwar ihm nicht« aber auch
jieinem Anderen inehr angehören
»wird. Niemand wird sie liebend in
sseine Arme nehmen dürfen. Sein
swar sie, sein allein!
Unweit des Rendezvousplatzes trifft
Axel seine Sekundanten, in deren Be
gleitung sich der Stabsarzt des Ne
giinentå befindet. Kurz nach ihm
trifft auch die Gegenpartei ein. Herr
Guntermann ist in ein feierliches
:Schwatz gekleidet, seine Mienen sind
noch ernster als gewöhnlich; ein Aus
druck düsterer Entschlossenheit blickt
Haus seinen Augen und zeichnet sich um
den sestgeschlossenen Mund.
! Nach ver ausgingen höflichen Be
grtißung gehen die Sekundanten an
den üblichen letzten Versuch, eine Ver
föhnung der Gegner herbeizuführen,
der pflichtgeinäsz jedem Duell voraus-«
zugehen hat, der aber in den meisten
Fällen nur eine leere Formalitiit be
deutet Axels Sekundanten blicken
denn auch ganz überrascht, als dieser
nun erklärt, sein Gewissen nöthige ihn,
szu bekennen, das er m Folge von erst
sgestern Nachmittag eingetretenen Um
ständen vie Ueberzeugung gewonnen
habe, seinem Gegner Unrecht gethan
zu haben. Herrn Gunternianns Be
such bei ihm sei nicht, wie er irrthiirn
; lich angenommen, in beleidigender Ab
Hsicht erfolgt. Er —- Axel von Dü
Iringhosen — sehe sich deshalb veran
ilaszt, vie gegen Herrn Gunternrann
fausgesprochenen Beleidigungen hier
imit zurückzunehmen.
Als diese Erklärung Herrn Gunter
mann überbracht wird, zuckt es spöt
tisch urn seine Lippen. Er richtet sich
in seiner ganzen Höhe aus und ertheilt
kühl, fast hochmüthig seinen Bescheid.
Er bedaure, die kurze Erklärung
seines Gegners nicht sitt eine vollwich
tige Sühne des ihm zugesiigten schwe
ren Jnsults betrachten zu können. Er
set nicht nur mit Worten, sondern in
direlt auch thätlich beleidigt worden.
iHerr v. Düringshosen habe sich brüst
iaus seinem Zimmer entfernt und habe
’ihn, seinen Gast, wie einen lästigen
Bittsteller stehen lassen. Er verlange
deshalb, vasz Herr von Düringshosen
diese seine Handlungsweise als nicht
«gentlenran-lite« anerkenne, sich ihret-.
wegen besonders entschuldige und sei
ner Reue einen noch näher zu verein
barenden überzeugenden Ausdruck ver
leihe. Zugleich solle Herr von Dif
ringzhosen ausdrücklich geloben, ihm
— Gunterrnann —- tiinstig mit ver
ihm gebührenden Achtung zu begegnen.
An den ernsten gerötheten Gesich
tern seiner Sekundanten erkennt A el,
daß vie Botschaft, die sie ihm von i
neni Gegner überbringen nicht Gu
tes enthalte. Während er aber s t
den Bescheid selbst vernimmt, sehte
auch ihm das Blut jiih in die Wangen
nnd seine Entrilstu macht sich in
einein heftigen Un stampfen seines
trachten Fußes Lust. Doch er be
W
herrscht sich rasch. und äußerlich ruhi
ertltirt er mit so lauter Stimme, da
auch sein Gegner jedes Wort verneh
men tannr »Ich be vorhin rneine
Ertliirutgk nicht um dem
Duell aus dein Wege zu geben, son
dern weil ich mich als Mann von
»Eine, der, wenn er"sein Unrecht er
; kennt, es auch eingesteht dazu fiir ver
.pflichtet hielt. Auf das demüthigende
’Ansinnen meines Gegner einzuge
hen, weise ich weit von mir zurück.
Fias- lasse dem Zweikampf seinen
au .«
Axels Sekundanten fegen sich noch
einmal mit dem Gegner in Verbin
dung. Aber Herr Guntermann lehnt
ebenfalls ab, auch nur ein Jota nach
zugehen. Damit muß der Versöh
nungsversuch als gescheitert betrachtet
werden.
Die Sekundanten machen sich nun
unverzüglich an die Erledigung ihrer
weiteren Aufgaben. Es wird in ver
Lichtun , die ein paar hundert Schritt
im Umfang beträgt, die ebenfte Stelle
ausgesucht und hier werden nun die
Standplätze — der beiden Duellanten
so ausgewählt, daß jeder das Sonnen
licht von der Seite empfängt. Dar
auf werden die Distanzen abgeschw
ten, und zwar beträgt die Entfernung
zwischen den Standpuntien der beiden
Duellanten sünfunvdreißig Schritte.
Auf der Verbindungslinie zwischen
diesen beiden Standvlätzen werden je
zehn Schritte abgernessen und diese
Endpuntte durch niedergelegte Ta
schentiicher als Barrieren bezeichnet,
so daß der Abstand zwischen diesen
martirten Schranken nur fünfzehn
Schritte ausmacht. Nachdem diese
Vorbereitungen getroffen, werden die
Tags zuvor von den Sekundanten ver
einbarten und ausgeschriebenen Bedin
gungen des Zweitampfes vorgelesen
und den beiden Duellanten die ehren
wiirtliche Verpflichtung abgenommen,
diese Bestimmungen genau zu befol
gen. Danach zieht Axel seinen Was-:
senrock aus, während Herr Gunter-;
mann sich seines seierlichen langen;
Gehrockes und seiner Weste entledigt.j
Während das alles programmmä-.
ßig verläuft, hängt AxeL dem dag»
Alles nichts Neues mehr ist« da er;
schon einmal einem Duell als Sekun- ;
dani heigewohnt hat« seinen Gedankens
»nach. Wenn er auch den Kampf nicht (
fürchtet, eine Empfindung schmerzli
chen Bedauerns durchrieselt ihn doch.
Schade, daß er Klaras Wunsch nicht
hatte erfüllen können! Wird sie ihm
nun nicht die Schuld beimessen, wenn
sie erfährt, daß das Duell doch statt
gehabt hat? Arme Klaral Wie viel
Aufregung. wie viel Bitterkeit sie in
der letzten Zeit hat durchtasten müssen
durch seine Schuld! Es durchschauert
ilzn heiß, undein Gefühl tiefer Reue,
hrennender Sehnsucht erfiillt ihn und
in jedem Blutstrvpfen empfindet er,
daß er sie liebt, nur sie allein, innig
und wahrhaftig, daß er sie verehrt aus
dem Grunde seines Herzens, daß es
in der ganzen Welt lein weibliche
Wesen giebt, das für ihn das Jdeal
einer Frau deriörpert wie Klarm O,
wenn er es ihr doch einmal sagen
dürfte mit der ganzen« flammen n
Beredtsamieit der ihn in allen Fasern
seines Seins durchdringenden Ueber
zeugungi
Eine neue Enttäuschung muß er
ihr nun wieder bereiten. Das wenig
stens schwört er sich im Stillen heilig
zu, sich, was an ihm liegt, so zu ver
halten, daß das Duell einen-unblutis
gen Ausgang nehmen muß.
Die Sekundanten laden die Was
feu. Das Looö spricht Axel den Vor
theilzm unter den beidenjlzistdlen zu
mahlen. er grem aukg Oerarhewohi
zu. Die Sekundanten und die Aerzte
begeben sich an ihre Pläne. Jn allen
Zügen malt sich tieser Ernst; aller
Mienen und aller Anwesenden Hal
tung legen Zeugniß von der feierlich
diisteren Stimmung ab, von der Je
der durchschauert wird. Die beiden
Gegner stehen hochausgerichtet wie
Erzbilder einander gegenüber. Jeyt
ertönt klar und bestimmt das Korn
mando des älteren Selundanteu:
»Borwärts!« »
Die Duellanten spannen ihre Was- !
sen und gehen in demselben Momentl
aus der zwischen ihnen gezogenen ge
raden Linie einander entgegen. Beide
halten ihre Pistolen mit der Mündung
nach oben. Axel ist es, der zuerst
stehen bleibt, einen ganz kurzen Au
genblick zielt und seinen Schuß ab
giebt. Seine Kugel pseist ein paar
Schritte seitwärts von dem Gegner:
vorbei und bohrt sich in den Stamm!
einer der die Lichtung begrenzenden
Fichten.
Kerzengerade bleibt Axel stehen«
um. wie es die Vorschrift bestimmt,
unbeweglich den Schuß des Gegners
abzuwarten. Sein Gesicht blickt ruhig,
fast gleichgiltia
here Guntermann geht noch ein!
paar schnelle Schritte weiter bis hart
an seine Barrierr. Hier macht er halt,
senkt seine Pistole, zielt sorgsältig und
schießt.
Wie ein Echo sol i dem Knall ein
kurzer-, chrillee Aufich rei, Axel tau
melt un sinkt vorntihee zu Boden.
Seine Sekundanten und die beiden
Aerzte prangen ihm sofort bei. Er ist
hetvußts kund a huiet nur miihsam.
Wir hin diz Brust.« lautet der
ärztliche Beschet .Schwer verwun
det aber nicht hossnungslos. «
Fitnssehntes Kapitel.
Klara hatte sich arn Morgen nach
ihrer Ankunft bei der Frau Konsul
nach Tarlshagen zurückbegebem ah
nungtloi, daß sur selben Zeit um
ihretwillen Blut stoß.
Erst zwei Tage später brachte ihr
ein Brief ihrer Tante die Mittheilung
del Vorgesallenm Axel liige schwer
verleht in Plantilow auf dem Sma
zenslageu zwei Aerzte widmeten ihm
ihre Kurzsi
Klara erschrat heftig. Das Brief
blott ensani ihren zitternden händen
und es wandelte sie eine plötzliche
Schwäche an. Alles Blut strömte ihr
zum Herzen, dessen Schläge wild tob
ten, als wollten sie die dumpsstöhnende
Brust zersprengen. Mit übermensch
licher Willentrast easste sie sich aus;
ihr erster Gedante war, soort abzu
reisen und selbst nach dem Verwunde
ten zu sehen. Aber während sie durch
das Zimmer ging, um ihre Vorkeh
srungen zur Reise zu treffen, tam ihr
idas Bedentem durfte sie ihrem ersten
»unwilltiirlichen Antriebe nachgebeni
»Dandelte sie nicht intonsequent, sor
sterte sich nicht Spott, Hohn und Ge
ringschähung heraus, wenn sie sich nun
so gewissermaßen selbst desavouirtei
Hatte sie nicht selbst das Band zwi
schen Axel und sich zerrissen? Geschah
es nicht nach ihrem Willen, daß sich
ihre Wege getrennt hatten? War’s
nicht aus ihre Veranlassung geschehen,
daß bereits der erste, der Sühne-Ter
min, in ihrer Ehescheidungstlage an
beraumt war? War’s etwa ihre Ab
sicht, das, wozu sie sich entschlossen,
wieder rückgängig zu machen? War
nun plöylich Alles ausgelöscht, was
zwischen ihnen Beiden oorgesallen
war, und sollte sie ihm eine Hilfe aus
drängen, die ihm nicht erwünscht, viel
leicht nur peinlich war? Nein, nein!
Sie hatte weder die Pflicht, noch das
Recht, zu ihm zu eilen und ihm ihre
Fürsorge zu widmen. Ada war es,
die ihm als feine Verwandte jetzt näher
stand als sie und die es sich gewiß
nicht nehmen ließ, den Leidenden lie
bevoll zu plfegen.
Ein brennender Schmerz durchfuht
die Sinnende, und ein paar heiße
Thriinen tropfien durch die Finger,
die sie erfchiittert gegen ihre Augen
gepreßt hatte. Die Brust war ihr eng
und bedrückt und ihre unthiitige Ein
famleii, die Stille ihres Zimmers la
steten schwer auf ihr. Es war eine
mechanische Bewegung daß sie jetzt
nach der Klingelschnur griff.
Fortsetzung folgt.)
Jutimes von Zelt-.
Wie Zola seine Romane taki-erei
tete, darüber veröffentlicht der Litera
turforseher F. Mafsis, der in der Na
tionalbibliothel sämmtliche Manu
skripte und Notizen aus Zolas Nach
laß durchgefeth hat« eine interes
sante Studie. Mafsis nimmt als
Beispiel PAssommoir lDer Todt
schläger), fiir welchen Roman dem;
großen Realiften 1868 im Gesammt- -
plan der Rougon - Macauart die:
erste Jdee kam, und den er erst 1878 ;
veröffentlichte Er wohnte vor dem3
Sturze des Kaiserthums in einer der «
Miethstasernen der Rue Samt
Jacques, mitten unter Arbeitern und .
armen Leuten, die Alloholismus und
Elend niederdrückte Er warf 1869
folgende Notizen aufs Papier: »Ar
heiter - Roma-n. Der Roman in Ba- «
iignolles. Eine Wäscherinx der Ar
beitsraum der Büglerinnen, in einem
Laden der Avenue; in der Avenue
Wöfcherei. Wäscherinnen u. s. w. Ein
Arbeiterfest (die Wäscherin). Kleine
Gerichte, große Platten, alles Geld
geht auf ein Ahendessem Die Fenster
find offen, das Draußen nimmt an
der Freude theil. Lieder beim Nach
tisch. —- Die Frauen holen die Män
ner aus der Wirthschaft. -—.Die
Frauen führen die Männer. —— Nicht
die Photographie eines Mannes, der
48 aus den Barriladen getödtet wur
de, vergessen, die den revolutionären
Haß in der Familie wachhält. — Die
Politik irn Volle, mit ihrem Ge
schwäh, Erzählungen aus 48, ihrem
haßetfiillten Dulden des Reichthums,
ihren Schmerzen. —- Nur Arbeiter im
Roman. Arbeiterfamilien mit ver
schiedenem Milieu. —- Wäsche an den
Fenstern u. i. w.« —
1875 schreibt Zola dann den ersten
Entwurf nieder: »Das Milieu Voll
zeigen und durch dieses Milieu die
Voltssitten erklären; wie in Paiio
die Völlerei. die Auflösung der Fa
milie, die Liebe der Arbeitereristenz,
der harten Verrichtungen, des Zusam
menlebens ohne Rücksicht auf die Ge
schlechter und das Alter, drä. Sich
gehenlassens u. s. w» kommen. Mit
einem Wort, ein sehr genaue-Z Bild
des Volkslebens mit seinem Schmutz,
seinem Dahinlebem seiner Sprache;
und dieses Bild soll als das darunter
—- aber ohne These — den besonderen
Boden haben, auf dem all dieseDinge
gedeihen. Dem Arbeiter nicht schmei
cheln, ihn auch nicht schwärzen. Eine
absolut exakte Realität. Am Ende
macht sich die Moral von selber frei.
Den Gegensatz bildet ein guter Ar
beiter; oder vielmehr nein, nicht in
den «Maieuel« verfallen. Ein schreck
liches Bild, das feine Moral in sich
ielbit triith
diesem Selbstgespräch plaudert
er un weiter über seine Personen
«Meine Gewaiie Maequart muß die
hell-in lein. Ich mache also die Frau
out dem Voll, die Arbeiterstan. Ihre
W
Geschichte erzähle ich. Sie flilchteh
sich von Plassant mit ihrem Geliebten
Lantier, von dem sie zwei Kinder
Claude und Ettennr. hat, nach Paris.
Sie fltlchtet sich TM. hat damals B
Jahre; Claude hat s Jahre, Etienne
4 Jahre. —- Lantier, Gerbereiarbeio
ter, verläßt sie drei Monate nach der
Anlunft in Paris, wo sie ihr Gewerbe
als Wäscherin wieder aufgenommen
hat; er seinerseits verheirathet sich,
zweifelsohne. Sie lebt mit Coupeau,
einem Zinlarbeiter, zufammen, der sie
heirathet. Sie hat alsbald von ihm
eine Tochter, Anna, 1851. Jch entle
dige sie Claudes, sobald er 10 oder 12
Jahre ist. Jch lasse ihr nur Etienne
und Anna. Wenn die Erzählung
spielt, hat Anna mindestens 14,
Etienne 18 Jahre. Mein Drama wird
also ums Jahr 1865 spielen. Vorher
werde ich das Leben von Gervaise er
zählen. —- Jch werde ohne Zweifel
zum Rahmen das Leben einer Frau
aus dem Volke nehmen können. Jch
nehme Gervaise in Paris mit 22 Jah
ren (1850) und führe sie bis 1869.
bis sie 41 Jahre alt ist. Jch lasse sie
durch alle Krisen und erdenlliehe
Schande schreiten. Endlich tödte ich sie
in einem Drama."
Zola malt dann die Einzelheiten
des Charalterg und Temperamentö,
die er den Personen geben will, macht
eine Liste von Personen, als handle
es sich um ein Theaterstiick; wirlt die
Epifoden der Handlung ineinander,
sucht den Titel (er wählt zunächst«
Das einfache Leben von Gervaise
Macauart) und befafzt sich dann mit
dem Ausgang: »Das Ende; das
Drama ist zunächst das Wichtigste.
Es müssen dabei alle Personen mit
lpielen, die Poifsons und die Boches.
I Andererseits muß Gervaise dieHaupts
und Mittelperson sein, und da ich vor
allem ihr Leben erzähle, muß ich aus
ihr eine sympathische Persönlichkeit
machen; ich muß zeigen, wie alles in
bewußter und unbewußter Weise an
ihrem Untergang arbeitet. Zunächst
sind Schulden nöthig. Um sich zu
nähren, und ihren Nichtsthuer von
einem Gatten zu nähren, kann sie
»rechts und links Geld schuldig blei
J ben, beim Metzger-, beim Bäcker, beim
«Kohlenhiindler, beim Kolonialwaas
renbiindler u. s. w. Dann, zum Aru
ßersten getrieben, tann ich sie zeigen,
wie sie aus die Straße hinabsteigt.
Schließlich, um das Drama schreckli
cher zu gestalten, tann ich sie noch in
anderen Umständen, an Selbstmord
denken lassen. Das banale Drama
beim Voll ist irgend eine brutale Ei
fersucht, die am Ende mit dem Messer
spielt. So könnte es einen Kampf
zwischen Lantier, Coupeau und Hon
jet geben, die von den anderen Perso
nen die einen gegen die anderen ge
trieben werden. —- Nicht vergessen,
daß ich sie sympathisch machen will.
Meine Personen in gute und böse
theilen, so viel gute wie möglich.
s Zola arbeitet dann siir jede Person
ihre politische Gesinnung aus und be
ginnt, sobald der Entwurf beendigt
ist, von neuem die Charaktere auszu
arbeiten; jede einzelne Person nimmt
er vor, zerlegt ihre Biographie, stellt
die Daten sest, leiht ihr Redensarten
und stillt zahlreiche Seiten mit Dia
logbruchstiicken, als habe er sie im
wirtlichen Leben irgendwo belauscht
Aber diese ganze Arbeit ist nur gewis
sermaßen das Vorspiel. Mit dersel
ben Genauigkeit studirt er das Mi
lieu, in dem sich sein Roman abrolleu
soll; er beschreibt Stadtviertel, Stra
ßen und Sackgassen, Häuser undWoh
nungen, und spart nicht mit Einzel
heiten; er zeichnet Pläne, gruppirt in
logischer Nachbarschaft seine Perso
nen. Er macht sich genaue Notizen
über Wäschereien und Biiszreiem
macht eine Liste technischer Ausdrücke,
lernt tennen, was das Werkzeug ei
nes Spenglers oder eines Ketten
schmiedes ist« Dann versenlt er sich
in die Bitchen studirt den Altoholiss
mus und seine Folgen, sindet über die
Arbeitersitten das Buch »Subtime«
eines bedeutenden Sociologen, Denis
Toulot, mertt sich allerlei Voltltauäs
drücke darin an und ritirt in seinem
Roman wörtlich ganze Stellen aus
dem Buche. Dann schasst er sich ein
Lexilon des Argot. desPariser Plebö,
an. Und so die Handlung, das Mi
lieu, die Personen derart im Kopfe,
macht sich Zola daran, in einem Zuge
seinen Roman niederzuschreibem Es
lann nicht erstaunen, daß er sür eines
seiner dickleibigen Bücher nur sieben
Monate brauchte. Die Präliminarien,
die Vorarbeiten, losteten ihm Jahre.
So war Zola Realist nicht im
»Dichten, er war es im Erleben. Wer
die packende Erzählung von PAssonri
; rnoir gelesen und wer Augen hat, dem
Jrvird die Studie Massis’ in der Re
itme etwas wie eine Enthüllung sein.
jMan hat sich ost gefragt, wie das
jhirn eines Mannes einen so lamplis
»zirten Apparat erdenten nnd beherr
; schen konnte, welcher in den Notnanen
HTravaiL Fecondite u. s. w. spielt.
; Zola wußte seine Städte lebendig um
Isrch zu schaffen, bevor er sich daran
machte, sie der Mitwelt zu beschreiben·
- Wir lieben es ost, die Menschen
nach den Charattereigenschasten zu be
nrtheiletn die ihnen sekleth und nteht
nach denen, die sie be then.
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; Was früher in -««der Literatur siik
lkurlanter galt, wird jeht immer lan- ,
I er. «