Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, August 11, 1905, Sweiter Theil., Image 10

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    M-— tmmä—————
L je Graer von Yakhenau
Roman von JA. Z.
fww
(8. Fortsetzung-)
Der Prozeß, den Herr Legertnann,
der geohrseigte Chef der Firma Karl
Wilhelm Legemann, angestrengt hatte,
endete mit der Verurtheilung des Re
serendars zu einer geringen Geldstrafe,
da die vorausgegangene Beleidigung
seiner Braut durch den Klägrr dem
Vetlagten als strasmildernd in An
rechnung gebracht wurde.
Kur-e Zeit daraus bestand Gras
Mettich das Assessorenexamen. Ein
halbes Jahr lang arbeitete der Asses
sor bei einem sehr bes ästigten Rechts
tuwalt, dem Justiz-ca h Hagemann.
Dann bewirkte er seine Zulassung
als Rechtsanwalt beim Landgericht 2.
Er ließ sich in dem Vorort Halensee
nieder, weil er dort leichter Klienten
is sinden hoffte.
Das Porzellanschild an dem Hause,
" in dem er Wohnung genommen, er
regte das Interesse vieler Passanten,
nnd mancher stand staunend still und
las kopfschüttelnd:
«Gras von Buchenau, Rechtsantvaltx
Sprechstunden 4—7 Uhr Nachmit
gg «
Eine Vorortzeitung nahm sogar im
redaktionellen Theil Notiz von diesem
seltenen Vorgang und berichtete seinen
verwundeten Lesern, daß zum ersten
Male im Bezirk der Landgerichte 1.
nnd 2. ein »wirtlicher Gras« den Be
rns eines Rechtsantoaltes ausübe.
Man besprach den Fall mit Interesse
in den Familien und an den Stamm
tischen in allen Halenseer Lotalen und
zerbrach sich die Köpfe darüber, durch
welchen Umstand der Gras Buchenau
wohl zu dem für einen so hatt-gebore
uen Aristokraten ganz ungewöhnlichen
Entschluß veranlaßt worden war, die
Rechtsanwaltstarriere einzuschlagen,
nnd allerlei scharfsinnige Vermutliurp
gen wurden dabei laut. Auch blieb
das Interesse siir den Gras-Rechtsan
toalt bestehen. Keinem dieser Leute
fiel es aber ein, sich des Grasen zu
erinnern, sobald sie in einem Rechts
streit juristischer Hülfe benöthigten
»Wenn ich einen Rechtsanroalt
brauche. den ich bezahle,« sagte der
sternnmge Geschäftsmann, »so wiu
ich mit ihm ungenirt von der Leber
weg reden. Jch will keine Kompli
mente machen —- Herr Graf hier, Herr
Graf dort — und will mich womöglich
nicht über die Achsel ansehen lassen
nnd nachher noch obendrein aristotra
tifch hohe Rechnungen bezahlen. Ueber
haupt, was versteht denn solch Aristo
trat von geschäftlichen Dingen!"
Aehnlich argumentirten die Klein
händler, die Bauern und Arbeiter.
· Einen Grafen in sein-er Behausung
aufzusuchen und ihm ihre kleinen An
Iiegen vorzutragen, das war den Leu
ten schon so wie so peinlich; rnit
einem so hohen Herrn konnte man doch
nicht so vertraulich sprechen, wie mit
einem einfachen, bürgerlichen Rechts
anwalt, abgesehen davon, daß ein
Arisiokrat doch gar nicht im Stande
war, sich in die Anschauungen und
Gefühle eines kleinen Mannes hinein
ufinden. Wie konnte sich denn ein
af für die Streitsache eines Bauern
oder Arbeiters interessireni Der nahm
einfach das Geld und betrieb nachher
He Sache mit ariftolratischer Noncha
nee.
Seine Standesgenossen aber nah
men die Dienste des Grafen-Rechtsan
toaltss noch viel weniger in Anspruch.
sie alle waren mit dem Kammerherrn
Baron von Glümer-Rottenfeld über
die Niederlassung des Grafen als
sechtsanwalt höchst indignirt und em
pfunden diesen seltenen Fall, diese
Lonzession an die »alle Standesunter
schiede,ausgleichende Tendenz der Zeit«
ais einen Stande-L
hätte nicht hie und da einen braven
süsrger die Neu ierde in die Sprech
Iunde des gräslichen Rechtsanwalts
rieben, und hätte vor Allem nicht
stizrath Hagemann manchen Rath
nchenden seinem jungen Kollegen zu
chiett, Graf Dietrich würde alle Ur
sche gehabt haben, seinen Entschluß
k- bereuen. So aber kam er mit
nteeftühung des freundlicher Justiz
raths glücklich über den schweren An
fang hinweg.
Und dann half die natürliche Ent
wickelung der Dinge ihm weiter.
Diejenigen, die an feinem Schilde
ein Dutzend Mal zögernd vorüber
gegangen waren, kamen schließlich da
ss, doch einmal mit dem gräflichen
Mtsanwalt einen Versuch Zu ma
chen, um nicht erst weiter nach Berlin
fhäneingehen zu müssen. Und als sie
ben, daß Rechtsanwali Graf Buche
Iau aristotratische Alliiren ganz und
gar nicht herauskehtte und mit ihnen
nicht anders verkehrte als rgend ein
Argerlichee Rechtsanwali, und als
die Erfahrung sie obendrein belehrte,
daß der junge Rechtsanwalt sich der
Interessen seiner Mandaien mit ebenso
rohen Eifer wie Geschick annahm, da
nun sie nicht nur wieder, sondern
mpfa sen ihn auch angelegentlichst
Inn den und Kollegen.
III ein halbes Jahr vorüber war,
et ei wagen u können, seine
» »Meist- Ieant heimste ihren nnd einen
Mit-m Herd im »He-IMM
" Die est wurde nsiiiclich in be
, . se nnd ist en sten Fa
W im. Das Stein-net
« Mer- Menfetdfche Ehepaar
W’
swar formell eingeladen worden und
hatte, wie nicht anders erwartet wor
den war, unter höflichem Vormund
abgefagt.
Die Gräfin-Mutter wurde durch
ihren leidenden Zustand entschuldigt,
lder alte Graf aber hatte es sich nicht
Inehmen lassen, an der Trauung fo
wohl, wie an der darauffolgenden flei
f nen Feier theilzunehmen.
» Er führte Frau Mienen die fich seit
i lange nicht so zufrieden und gehoben
gefühlt hatte, zu Tisch und brachte
auch den Toaft auf die Neudermählten
saus. Seine Schwiegertochter schloß
iek mit väterlicher Hekziichteit in die
i Arme, küßte sie und sagte bewegt:
i »Ich wünsche Dir von Herzen
Glück, mein liebesKindi Du betommft
einen tüchtigen braven Mann. Halte
ihn immer lieb und werth! Dann
kannst Du Deines Glückes und meines
Dankes sicher sein.«
Die Gräfin-Mutter hatte aus dem
milienschmuck ein paar kostbare
tücke gespendet, und auch der Kam
merherr und Gemahlin hatten es an
dem üblichen Hochzeitsgeschent nicht
fehlen lassen und einen pruntvollen,
silbernen Tafelaussatz geschickt, eine
Gabe, die in dem jungen Ehepaare al
lerdings mehr peinliche als andere
Empfindungen wecktr.
Sogar eine kleine Hochzeitsteise
konnte sich das junge Ehepaar, dank
der Ersparnisse die Gras Dietrich ge
macht hatte, gönnen, um fo mehr, als
es ihre hochzeit in die Zeit der Ge
richtsferien gelegt hatte.
Es waren ein paar Wochen nach
ihrer Heimkehr vergangen. Ein kalter
IfJerbftwind entblätterte bereits die
Bäume des nahen Grunewalds, als
eines Nachmittags eine fragwiirdige
Gestalt in dem Bureau des Rechtsan
waltes Grafen Buchenau erschien. Der
Bureauvorfteher maß die nicht gerade
Vertrauen einflößende Persönlichteit
mit mißtrauischen Blicken. Der kurze
hellfarhige, mit Flecken übersäeteSom
meriiherzieher war bis zum Halse
hinauf zugetnöpft, wahrscheinlich um
die nicht mehr faubere Wäsche vor
neugierigen Blicken schamhaft zu ver
bergen. Der kleine, runde, schwarze
Hut war verbeult und am Rande start
abgegriffen. Wangen und Kinn des
sonst nicht unsympathischen Gesichtes
waren schon mindestens vierzehn Tage
nicht mehr rasirt und gaben darum
mit ihren halblangen Haarstoppeln
dem Antlitz ein unsauberes Aussehen.
»Der Herr Rechtsanwatt zu spre
chen?" fragte der Ankömmling mit
einer heiseren Stimme.
Der Bureauvorsteher sah nach der
Uhr, die auf dreiviertel vier zeigte.
»Um vier Uhr beginnt die Sprech
stunde,« beschied et barsch, — »was
wünschen Sie denn?««
Der in dem schmierigen Ueberzieher
schien nicht gewöhnt zu sein« sich ein
fchüchtern zu lassen. Er zog einen
Stuhl heran, setzte fich, schlug behag
lich ein Bein über das andere und er
widerte zurechtweisend:
»Das werd’ ich dem Herrn Rechts
anwalt selbst sagen.«
Der Bureauvvrsieher machte eine
auffahrende Bewegung und schien
nicht übel Lust zu haben, den Fremden,
dessen Aeuszeres einen zahlendenKlien
ten kaum vermuthen ließ, ohne Weite
res hinauszuweisen aber es lag doch
etwas in der Art des Fremden. das
den Bureauvorsteher einschüchterte
und ihn veranlaßte, sich brummend
über seine Arbeit zu beugen und sei
nen empörten Gefühlen lediglich durch
ein stummes Achselzucken Luft zu ma
n.
Etwa zehn Minuten später steckte
der Rechtsanwalt seinen Kopf flüch
tig durch die Thür eines nebenan lie
genden Sprechzimmers.
»Ich bitte!«
Der Fremde sprang hastig auf seine
Füße, jedoch an der Thür zögerte er
einen Augenblick. Dann trat er ein
Der Rechtsanwalt Graf Buchenau
blickte nur flüchtig auf und deutete
dann einladend auf den neben seinem
Schreibtisch stehenden Stuhl
Der Fremde aber leistete dieser Ein
ladung keine olgr. Er blieb mitten
im Zimmer ehen. Ein verlegenes
Lächeln erschien in seinem Gesicht,
seine Finger griffen neevös an det
Krempe des abgetragenen Hutes he
ktunä während er die Frage hervor
!c J
»Na, erkennst Du mich denn nicht,
Dietrich?«
Der Rechtsanwalt drehte sich schnell
herum und schnellte mit einem Ruck
in die Höhe. Sich vor den ihm Gegen
überstehenden hinstellend und ihn mit
erstaunt sotschenden Augen betrach
tend. brach er in den Ausruf aus:
»Bist Du es denn wirklich, Bode?«
Und als dieser ausaihmend, daß
der erste, schwerste Moment vorüber, (
lächelnd nieste fügte er hinzu
«Jeh habe Weh längst erwartei.«
»Sei« Bedo fand seine Ungemer
heit allmählich wieder und streckte dem
Bruder die band ent egen:
»Na, das steni m . Dann komme
ich Die nicht un wiege-is
Der Rechtsanwalt machte doch eine
unvillkiietich zueiietzuckende Bewe
gung, denn Bot-M leste Beete hatten
ihm eine nhauch von Viert-einst der
nicht eben lieblieh mit dem See-C
—«
schlechten Eognaci gemischt war, su
etragen. Aber er bezwang sich und
Fchlng ein. Zugleich nahm er den An
deren von Neuem in Augens in.
»Sage mal, wie bit u denn
auss« bemerkte er tap schiittelnd mit
einer Mischung von Spott und mit
leidigem Schrecken.
Bodo aber hatte seine Verlegenbeit
fängst überwunden, und lächelnd an
sich berabschauend, erwiderte er:
»’n bischen strapazirt. wie? Das ge
nirt ’n großen Geist nicht. DemScha
den ist leicht abzuhelfen, wenn Du mir
’n bischen unter die Arme greifst.«
Und sich mit der Hand über das strap
pige Kinn ftreichend, fügte er mit Gal
genhumor hinzu:
»Ich glaube, der Backenbart steht
mir nicht. Was meinst Du, ob ich ihn
mir wieder absiibeln lasse?«
Graf Dietrich schüttelte noch immer
mit dem Kon und betrachtete seinen
Bruder immer von Neuem. Endlich
zoaen sich seine Mienen zu einem
strengen Ausdruck zusammen, under
sagte ernst:
»Eigentlich sollte ich mit Dir or
dentlich ins Gericht gehen. Du hast
mir schöne Sachen gemacht. Wenn-Herr
Börner.Dich trifft, dann gnade Dir
Gott! Aber ich glaube, in Deiner Lage
find Vorwürfe wenig angebracht.
Ueberdies sehe ich, hat die Strafe nicht
lange auf sich warten lassen. Es ist
eben die alte Geschichte: Wie gewon
nen, so zerronnen.«
Bodo nickte trübselig dazu.
»So ist es,« stimmte er bei. »Die
paar Mari, die ich mir bei herrn
Börner eriibrigt hatte, sind bald genug
zum Teufel gegangen. Die verdamm
ten Karten!«
Dietrich stand tiefbetiimmert vor
seinem Bruder, und seine Gedanken
flogen nach Schloß Buchenau« zu sei
ner Mutter. Ein leises Aufatbmen
hob seine Brust. Nur gut, duß sie
ihren Liebling nicht in diesem Zu
stande fab.
»Schamn Du Dich oenn gar man,
Bodo?" sagte er mehr traurig als
scheltend. »Wiißtest Du nur, wie
Mama sich um Deinetwillen härmi.
Das, was Du an ihr gesiindigt hast,
kannst Du nie,—— nie wieder gut ma
chen. Du hast ihr Leben zerstört. Die
Sorgen und der Kummer um Dich
bringen sie täglich dem Grabe nahm«
Seine Stimme schwanlte, und auch
über des Leichtsinnigen Gesicht flog ein
Zacken der Rührung und Zutun-sch
ung. Beschämt sentte er sein Haupt.
Plöszlich aber erhob er sein Gesicht
mit jähem Rud.
»Der Teufel soll mich holen!« rief
er und schlug sich betheuernd und auf
geregt mit der Rechten aus seine linke
Brusiseite, »wenn ich noch einmal die
oerwiinschien Karten in die Hand
nehme. Das schwör-e ich Dir, Ditt
rich, auf mein heiligstes ——«
Aber der Rechtsanwalt winkte ab.
Er mochte von dem in dieser Situa
tion abgegebenen Gelöbniß nicht allzu
viel halten.
»Schon gut,« sagte er. »Zeit wär’s
allerdings, daß Du endlich einmal in
Dich gingst und endlich ein ehrlicher
Mensch würdest. Uns Mamas willen
will ich Dir helfen, so viel in meinen
Kräften steht. Fürs Erste mußt Du
Dich wieder anstiindig eauipiren, da
mit Du präseniabel bist. Dann wollen
wir weiter sehen, hier« —er schritt
zu seinem Schreibtisch, öffnete und
nahm einige Goldstücke heraus, die er
dem freudig und begierig Zuareisen
den in die Hand drückte, »für die
nothwendigsten Ausgaben! Suche Dir
irgend wo in der Nähe ein Chambre
garnie und komm-e morgen zum Mit
tagbrod — zwei Uhr. Wir wollen
dann das Weitere besprechen."
Die lebhaften Danteshezeugungem
in denen sich Bodo ergehen wollte,
schnitt er kurz mit den verabschieden
den Worten ab:
»Ich habe jetzt zu thun. Auf Wie
dersehen morgen!«
Fünfzehntesskapiteb »
Bodo sah ganz flott und gentleman
lite aus, als er am nächsten Mittag
abermals im Bureau des Rechtsan
waltö ersehen. Auch sein Auftreten
war ein wesentlich seibftbewußteres
und seine Stimme hatte schon wieder
den früheren schnarrenden nnd ein we
nig näselnden Ton, während er den
Bureauvorsieher, der ihn gar nicht
wiederzuerlennen schien, fragte:
»Ist mein Bruder, der Herr Graf,
schon hieri«
Der Bureauvorsleher sprang bei
dieser Anrede sogleich devot auf.
Der Herr Re sann-alt ist noch
auf dem Gericht, ann aber jeden Au
genblick kommen. Wollen der here
Graf vielllleirht inzwischen im Sprech
zimmer Plan nehmen!«
Damit wollte er die Thus des Ne
benzimmers öffnen, aber Bodo winkte
wohlwollend ab.
»Lassen Sie nur, mein Liebet!«
Und nachdem et sich in dekn Buteau
neugierig umgesehen hatte, was et ge
stern in seiner Niedergeschlagenheit
verabsäumt hatte, fina ee here-blas
send ein Gespräch mit dem Eures-u
vvrsteher an.
»Sagen Sie einmal, mein Lieber,
was hat denn nun eigentlich solch ein
Rechtsanwalt wie mein Bruder zu
thun?« »
Der Respekt vor dem Grafen veran
laßte den Bueeauvotskeher. das Lä
cheln, das ihm auf die Lippen treten
;wol1ke, zu verbeißen.
; «Meisteni sind ei kaufmännische
Prozesse-' erklärte er, »die den-here
Ruhm-weilt führt, Inder n
werden eingeklagt oder Mittagen-Rein
Manchmal kommt auch eine Strafe
! DI- VML i i do
DER-o uuwiipk « « « «
Der Bureauoosrfteher zuckte mit den
Achseln.
»Das will ich nicht erade zagenf
meinte er. «Freilich, chwier g ift’i
manchmal und anprengend und erfor
dert viel Scharf inn und Gelehrs
tenntniß.«
Jn den Mienen des Zuhörenden
walte sich fo etwas wie Bewunderung.
»Dafiir bringt es denn wohl auch
höllifch viel Mammon ein, wieisp
Diesmal gestattete sich der Bureau
vorsteher ein dislretes Lächeln.
»Je nachdem, Herr Graf, je nach
der Größe des Ohielts·"
Der Eintritt des Rechtsantvalks
unterbrach das Gespräch, durch das
sich Bodo offenbar iiber die äußeren
Verhältnisse seines Bruders unterrich
ten wollte. Dieirich händigte dem
Bureauvorsteher seine Handatten aus,
gab ihm einige Anweisungen und for
- derte dann seinen Bruder auf, i m zu
folgen. Sie schritten iiber den orri
dor. Auf der anderen Seite des Flurs
hatte Dietrich seine Vrivatwohnunm
»Was ist Deine Frau fiir eine Ge
borene?'« erkundigte sich Bodo wäh
rend des kurzen Weges.
Dietrich lächelte.
»Du wirst schon sehen. Ihr« seid
Euch Beide ja nicht ganz unbetannt.«
Bodo hatte nicht mehr viel Zeit, sich
den Kopf iider diese geheimnisvoll an
gedeuteten Worte feines Bruders zu
I ekokkchen.—Dietkich öffnete vieThiik
feines Wohnzimmers und zog feinen
Bruder mit den Worten hinein:
»Da ist er, Franzislal«
; Während die junge Frau, die durch
Iihren Gatten bereits vorbereitet war,
zdem Eintretenden mit freundlich ent
Igegengeftreclter Sand gegenübertrat,
stand Bodo im ersten Augenblick wie
erstarrt. Aber mit der ihm eigenen
gesellschaftlichen Gewandtheit faßte er
f sich rasch, zog die Hand seiner Schwä
gerin an feine Lippen und ließ ein
paar grüßende Worte vom Stapel.
s »Seht angenehm überrascht, gnä
digste Frau Schwiigerin Gestatte mir
:noch nachträglich meinen herzlichsten
- Glückwunsch.«
Und sich zu tetnem Bruder umwen
dend, gab er seinen Gefühlen in den
Worten Ausdruck:
»Du Duckmäusert Davon hast Du
«Dir ja nie das Geringste anmerten
lassen!«
Dietrich guckte mit den Achseln
»Damals wußte ich ja selbst noch
. nicht,« erläuterte er mit einem zärtli
chen Blick nach seiner erglühenden
; jungen Frau hinüber, »wie sehr ich in
;Franzisla verliebt war. Das offen
Hbarte sich mir plötzlich —- bei der Ka
i tastrophe, die ———«
s Er machte eine heftige, wegschie
; bende Bewegung mit der Hand. »Doch
zwir wollen jetzt nicht davon sprechen.
tJch habe einen Bärenhunger. Jst an
i gerichtet, Franziska-W
i Bodo reichte seiner Schwiigerin ga
lant den Arm und siihrte sie in das
Eßzimmer. Es war eine eigenthürn
zliche Situation, die für Bodo eigent
zlich viel Peinliches und seelisch Be
engendes hätte haben müssen· Aber der
Ex-Leutnant ließ sich nicht so leicht
verblüssen. Man merkte ihm nicht die
Hierin-Oe Besangenheit und Verlegen
heit an. Mit der harmlosesten Miene
lplauderte er von allem Möglichen,
von Halensee, von der Schönheit des
inahen Grunewaldeö, von Dietrich'5
sBerut und noch von einigen anderen
Hundersänglichen Dingen.
I Als das Mittagsmahl vorüber war,
Ftüßte er seiner Schwägerin abermals
! galant die Hand und machte seine ele
Iganteste Verbeugung, als Franziska
lsich verabschiedete. um die herren bei
’einer Zigarre und zu intimer Aus
sprache allein zu lassen.
z Bodo legte sich behaglich in einen
iStuhl zurück und vasste wohl emuth
; den Rauch seiner Zigarre vor ich hin.
s »Deine Frau ist rei end.« sagte er.
E«Mache Dir mein au richtiges Kom
fblimenn Bist wirtlich beneidenswerth
LSchatte nur« daß der Alte —«
Doch Dietrich unterbrach die Be
! trachtungen seines Bruders.
» »Lassen wir das fest und sprechen
Iwir von Deiner Zukunft. Jch bin be
I reits für Dich thötig gewesen-"
l Bodo nahm dieie Eröffnung mit
Ieiner Miene hin. die eber ein dunkles
Unbeha« en, als Befriedigung verrieth.
»Ich abe mit Justizrath Hagemann
gesprochen,« fuhr Dietrich fort, »bei
dem ich als Assessor gearbeitet habe.
Der « ustizrath ift bereit, Dich in sei
nem ureau anzustellen, vorläufig niit
dem bescheidenen Gehalt von vierzig
Mart monatlich. Ader er hat mir
versprochen,« Dir bald Zulage zu
geben, wenn Du Dich einarbeitest. Die
Aussicht, die sich Dir eröffnet, ist ver
hältnismäßig nicht schlecht. Wenn Du
tüchtig bist, kannst Du But-entwor
steher werden. Ein Bureauvoriteher,
besonders bei einem beschäftigten An
walt, bat anständige Einnahmen.«
Bodo ließ die Hand mit der Zigarre
sinken und starrte seinen Bruder ent
setzt an.
»Du muthest mir doch nicht etwa
zu, Schreiber zu werden?« rieser ent
rüstet.
Dietrich zuckte mit den Achseln und
erwiderte elaisem
»Weißt u etwas Besseres?«
Augenblicklich ja nicht,« stotterte
Bodo, ganz bleich irn Gesicht vor
Schrecken. »Aber mit der Zeit wird
sich schon etwas einigermaßen Patien
des sinden.«
»Das kannst Du ja dann immer
noch annehmen. Aber voriäusig bietet
sich Dir nichts Andere-. Ich bin noch
froh, daß der« Just ath meiner Bitte
to rasch We get ntt hat«
sodp iprana aus. Er war ftir den
Vorwurf, der in der Antwort feines
Bruders gelegen, nicht ganz unein
psindlich .
»Na ia.« stammelte er, »ich bin Dir
ja dankbar. Aber —« er trat an sei
nen Bruder heran —»sa e doch mal
selb , Dietrich, kannst u Dir das
den en, daß ich in so 'ner Schreiber
bude hoele mit Schreibärmelm als
Kollege von ordiniiren, srauhbeinigen
S reiberseeleni«
· er ExiLeutnant streckte schaudernd
beide Arme zur Decke empor. Dietrich
liichelte ein wenig sarlastisch
»Berauschend st ja das Bild nicht.
Aber wenn Du in Amerika geblieben
wärst, wär’ es Dir vielleicht noch viel
schlechter gegangen. Jch habe mir sa
gen lassen, daß sich drüben manch ehe
maliger Ossizier und manch ein Ba
ron und Gras als Kellner durchgehol
sen haben, da scheint mir der Beruf
eines Schreibers doch immer noch we
niger peinlich. Kannst Du denn über- »
haupt höhere Ansprüche machen?« :
Bodo blickte immer noch sehr empört T
drein. s
»Erlaube ’mal, erwiderte er heftig, !
»ich dächte doch, bei meiner Vergan
genheit —!« s
»Bei Deiner Vergangenheit?« ent-!
gegnete Dietrich und gab den Blick ;
seines Bruders voll zurück. »Meinst
Du Deine Vergangenheit als Berather
meines Schwiegervaters, die ihm sein
ganzes Vermögen gekostet hat?"
Die Stimme des Sprechenden llang (
scharf und schneidend. Bodo senlte
nun doch etwas beschämt daß Gesicht.
Die Antwort blieb er schuldig. Und so
fuhr Dietrich sehr ernst und entschie
den fort:
»Ich habe Mama versprochen, Dir
zu helfen, und ich bin bereit Dir in
der mir richtig erscheinenden und mir
möglichen Weise Hülfe zu leisten. Mein
Einkommen ist nicht hoch genug, um
Dich ganz erhalten zu lönnen. Du
mußt also selbst verdienen. Aber auch
abgesehen von dieser Frage, die Arbeit
ist auch in moralischer Hinsicht eine
Nothwendigleit siir Dich, damit Du
endlich einmal die Selbstachtung zu
rückgewinnsL Ein Mensch, der nichts
Nützliches thut und aus der Tasche
Anderer lebt, der muß sich ja doch,
meine, ich, selbst verachten.«
Ein rother Streifen flammte in dern
Gesicht des Geiadeltsem Mit einem
Ruck hob er seinen Kopf, und in dem
Ton, in dem er jetzt sprach, lag teine
Entrüftung mehr, nur noch schüchernes
Bitten.
»Kannst Du mich denn nicht wenig
stens bei Dir anstellen, Dietrich?"
»Das geht unmöglich« ertliirte er.
»Denn erstens tann ich keinen Schrei
ber mehr einstellen. Und zweitens
würde Deine Beschäftigung in meinem
Bureau zu allerlei Unzuträglichieiten
führen. Das begreifst Du doch?'«
Bodo strich mit der hand über seine
feuchte Stirn.
nFreilich,« stiihnte er. »Also, Du
meinst, es wird mir weiter nichts übrig
bleiben, als die Schreiberstelle bei dem
Justizrath anzunehmen?'«
»Das ist allerdings meine Mei
nung,« antwortete Dietrich sehr be
stimmt. Dann erhob er sich. ging zu
seinem Bruder hinüber und fuhr,
während seine Stimme einen weicheren
Klang annahm, fort: »Sei ein Mann,
Bodo! Rasse Dich auf! Nur der An
fang ist schwer. Die Thäti teit eines
Schreibers ist keine so angren ende,
bedente doch, wenn ich Papa, so te er
mich einmal nach Dir fragen. antwor
ten tönnte: er hat ganz mit der Ver
gangenheit gebrochen und ist ein or
dentlicher, ehrenhafter Mensch gewor
den, wäre das nicht ein tleiner Licht
biick fiir Papa, eine gewisse Genug
thuung, die Du ihm doch wahrhaftig
schuldig bist? Und bedenke auch, wie
es auf Mamaö leidenden Zustand lin
dernd und vielleicht heilsam einwirken :
würde, wenn ich ihr mittheilen könnte, .
das; Du in gesicherter Stellung bist,;
in meiner Nähe. Netzt Dich denn "
das gar nicht, Bodo?«
»Ja, Du hast Recht,« rief er aufla
dernd »Ich will arbeiten und will ein
ordentlicher Mensch werden, und der
Teufel soll mich siiickweise hoben, wenn T
ich nicht endlich aufhöre, unseremAlten
daheim Sorge und Kummer zu berei
ten.«
Der leicht Geriihrte warf in blöd
lichem Gesiihliausbruch beide Hände
um den Nacken seines Bruders und
riß ihn stitrmisch an seine Brust.
Sechzehntes Kapitel.
Bvdo trat also die Stellung als
Schreiber bei Justizrath Hagemann
an. Außer dem Justizrath kannte
Niemand seine Vergangenheit. Dem
Bureauvvrsteher und seinen Kollegen
gegenüber galt Bodv als einfacher
»Den Buchenau«. Daß seine guten
Vorsähe wirklich ehrlich gemeint wa
ren, davon zeugten Dietrich sehr ange
nehm die gelegentlichen Aeußerungen
des Justizraths.
»Ihr Bruder läßt sich sehr gut an,«
äußerte Herr Hagemann unter Ande
rem, »er besi t eine schnelle Auffassung
und ist ii erhaupt ein gewandter
Mäusch. Auch an Eifer fehlt es ihm
ni t.«
Dietrich tvar seh-r zufrieden und be
lobte feinen Bruder. der häufig des
Abends sein und Franzislcks Gast
war. Freilich, im Stillen konnte er
die Besvrgniß nicht los werden, ob
dieser Umschwung zum Besseren bei
dem Leichtsinnigen auch vvn Dauer
sein tviirde.
Eines Tages erhielt Dietrich von
Buchenau eine alarmirende Nachricht.
Bei der Gräfin hatten sich die herz
irämpfk- von denen fle früher fchon
hieund da bei esucht worden« tn
lester Zeit wieder vlt ein estellt, und
der Urst hatte mit le r besvr ter
Miene nie nt, daß die sehr leid de
Vatient n· einem solchen Unfal- leicht
erliegen könne. J
Ein aar Mußerun en in» dem
Briefe seknes Vaters erfFillten Dtetrich
mit schmerzlicher Erschiitterun . Die
Kranke leide schwer an nervo er Un
ruhe. die den Schlaf von ihrem La er
sicheuche und sie in beständiger seelis er
sAufregung erhalte. Tit-der Grafs
Tvermuthtz obgleich sie sich ihm gegen
Hiiber nie darüber ausgesprochen, daß
ses das ungeftillte Sehnen nach dem
verlorenen Sohne sei, welches ihr am
Iherzen nage und ihr Gemüt verdri
stere. Ihn erfülle diese hrnehs
mung natürlich mit noch größerer Er
bitterung gegen den Ehr-losem dessen
Leichtsinn die Tage der Mutter ge
- für t habe.
ietrich besann sich nicht lan e. Er
besorgte sich in Eile einen iuri ischen
Vertreter und reiste nach Schloß Pu
chenau ab. Der alte Graf empfing
ihn mit herzlicher Freude. »Ich dante
Dir, mein Jun e,« sagte er, »daß Du
gekommen bist. Deine Gegenwart wird
der Leidenden wohl thun, und für mich
selbst ist sie eine Hülfe, ein wahres
Labsal. Es ist furchtbar, ein geliebtes
Wesen leiden zu sehen und ihm nicht
hlfen zu tönnen.«
Dietrich sah seinem Vater bittend
in’s Auge und erwiderte leise:
»Vielleicht kannst Du ihr doch hel
fen, Papa«
Der alte Graf guckte er blickte diister
zu Boden, sein Gesicht verfinsterte sich
und nahm einen harten, fast drohen
den Ausdruck an.
»Komm’,« sagte er, die Andeutung
seines Sohnes unbeachtet lassend,
»Mama erwartet Dieb«
Er schritt ur Thür. Aber Dietrich
machte leine iene, ihm zu folgen-·
»Papa,« nahm er nach kurzem Zo
gern entschlossen das Wort, »ich wollte
Dir zuvor noch eine Mittheilung ma
chen, über die Du Dich sicherlich freuen
wirst. Bodo ist auf dem Wege ein
ordentlicher Mensch zu werden« Seit
vier Wochen arbeitet er in einem
Rechtsanwalt-Bureau. Sein Arbeit
geber ist voll zufrieden mit seinen Lei
stungen.«'
Der alte Graf hatte sich wieder dem
Sprechenden zugelehrt. Ein unendlich
bitteres, veröchtliches Lächeln guckte
um seine Lippen. Mit der Hand
machte er eine abwehrende Bewegung.
lFortsetzung solgt.)
Pflanzen der Wüste.
Das außerordentlich thätige Car
.neaie - Institut in Washington bat
neben anderen bedeutsamen wissen
schaftlichen Unternehmungen auch eine
ganz eiaenartige Gründung vorge
nommen, nämlich die Schaffung eines
ständigen Wüstenlaboratoriums, das
die Erforschung der Wüste nach all
ihren Eigenschaften in einer bisher
nicht erreichten Weise in die Hand
nehmen und fördern foll. Wesentlich
wird es allerdings auf die Untersu
chung der Pflanzenwelt ankommen.
die bekanntlich unter dem Einfluß des
Klimas und des Bodens der Wüste
besondere Formen annimmt.
Als Platz für das Wüstenlaboras
torium ist eine Oertlichteit in der
meritanischen Provinz Sonora in
mäßiger Entfernung von einer Eisen
bahnftation ausgewählt worden. Die
ersten Arbeiten, die von zwei hervor
ragenden Botanilern dort unternom
men wurden, sind fest veröffentlicht
worden und bringen mancherlei neue
Aufklärung über das sonderbare
Pflanzenleben in der Wüste.
Betannt war bereits die Thatsache,
daß die Pflanzen in der Wüste sich
durch Wasseransammlung in ihren
Geweben gegen die Austrocknung schü
tzen. Es giebt Landstriche auf der
Erde, in denen es Wochen unt-Monate
lang nicht regnet, und die Gewächse
müssen deshalb darauf bedacht fein,
den ihnen durch einen Regenfall ge
lieferten Wasservorrath festzuhalten
und sparsam zu verbrauchen. Sie
würden damit allein aber nicht zum
Ziel kommen, wenn nicht bei ihnen
die Mittel zur Aufnahme des Wassers
noch in besonderem Grade verstärtt
und veroolltommnet wären. Zu den
dadurch besonders beeinflußten Or
ganen gehören selbstverständlich die
Wurzeln.
, Jn der camornnchen Wune rommr
ein Kattus der gewöhnlichen Gattung
Opuntia vor, der über der Erde tnapp
11,-s« Fuß erreicht, dage en unter der
Erde Wurzeln besitzt, ie sich über
einen Bereich von etwa 161x», Fuß
Durchmesser ausdehnen und ziemlich
dickt unter der Erdobersliiche hinlau
sen. Daraus ergiebt sich für die
Pflanzen die Möglichkeit, eine sehr
große Menge von Negenwassen mit
ihren Wurzeln aufzunehmen, ehe es
im Wüstenboden wieder verdunstet.
lMitunter muß der so ausgespeicherte
JWafferoorrath für ein ganzes Jahr
lausreichem um die Pflanzen bei fort
’gefedter Dürre am Leben zu erhalten.
Uebrigens benutzen manche Thiere
) und erst recht der Mensch in der Wüste
die Pflanzen vorzugsweise als Durst
stiller. Die wilden Esel in den süd
ameritanischen Wüsten schlagen mit
)ihren husen die starken Dornen den
Katteen ab und sangen dann den er
Efrischenden Saft aus ihnen heraus.
LDie Jndianer schneiden ein hutförmis
ges Stück von der Spihe eines Kaitus
lab und führen das start mit Wasser
Gmel-feste Fleisch in der Pflanze wie
in einem Topf um, um ei dann mit
der Hand herauszuichöpsem
Unser Zollamt rechnet Fros then
tel zum Geilü el. Dementspsefchend
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kten Fischen.