Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, July 28, 1905, Sweiter Theil., Image 10

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    Die Graer von Muhman
Roman von JA. Z.
(6. Fortsetzung.)
Dielrich hielt ihre Hand eine ganze
Geile in der feinen und drückte fie in
» Rig. Endlich fand er ein paar herz
liche Worte.
» «J(h bedanke aufs Tiefste Jhr und
Ihrer Familie Mißgeschick. Jch neh
me innigsten Antheil an dem, was Sie
betroffen hat.« Er wandte unwill
kürlich feinen Blick von dem ihren ab
nnd gab ihre Hand frei, während er
mit innerlichem Fröfteln fortfuhr:
.Leider muß ich bekennen, daß ich
wohl zum Theil mit schuld bin an
dem, was Jhnen und den Ihren wi
derfahren ifl.«
· « Franziska Börner öffnete ihre Au
gen weit.
«Sie, here Referendar?«
Er nickte, düster vor sich hinftarrend.
»Aus Alfreds Mittheilungen,« er
widerte er, »sehe ich, daß Baron Oct
ting, oder vielmehr der, der sich unter
diesem Namen bei Jhnen eingeführt
hat, die Hauptursache der geschäftli
chen Kalamität ist, von der Jhr Herr
Papa heimgesucht worden«
»Zum Theil. allerdings. Papa hat
ihn in Verdacht, daß er ihn übervor
theilt hat, daß er minderwerthiges
Material für seinen Stall angetauft
und ihm einen viel zu hohen Preis in
Anrechnung gebracht hat. Und noch
Schlimmeres sagt er ihm nach."
Die Sprechende warf einen scheuen
Blick auf den ihr noch immer Gegen
überftehenden, dessen zuckende Miene
und abwechselndes Erröthen und Er
blafsen bewies, wie tief ihn ihre Worte
trafen.
»Papa,'« fügte sie ihrer Mittheilung
rasch hinzu, »Seht in feinem Zorn und
in feinem Kummer gewiß zu weit.
Uebrigens sind Sie, Herr Referendar,
doch nicht verantwortlich für das, was
der Baron sich uns gegenüber vielleicht
hat zu Schulden kommen lassen.«
— Graf Dietrich hob feinen Blick.
»Vorh, gnädiges Fräulein,« er
widerte er, »Jhnen gegenüber we
nigstens bin ich verantwortlich. Sie
-erinnern sich, daß Sie mich einst
über den Charakters des Barons be
ifragten. Jch schwieg geflissentlich,
obgleich es meine Pflicht gewesen
wäre, Sie und die Ihrigen über
feine Vergangenheit aufzuklären. die
« mir ja aufs Genaueste bekannt war.
Jch kannte ja seinen Leichtsinn, feine
Berderbtheit, seine Gewissenlosig
seit von srühefter Jugend an. Jch
wußte ja, daß er ein Spieler ist, ein
Mensch, von dem sich seine Familie
losgesagt hat, weil er feine Ehre ver
loren und ihr nur Kummer und
Schmach zugefügt hat. Aber ich
schwieg aus tleinlichen, feigen Be
denken, in egoistifcher Rücksicht auf
mich selbst, ich fchämte mich, einzu
gestehen, daß dieser Mensch, der sich
Its Baron Oetting bei Jhnen einge
führt hat, in Wahrheit —- mein Bru
der ist«
Graf Dietrich ftand mit gesenktem
hauvte wie ein überführter Schalm
r, der den Richterspruch erwartet.
Franziska Bürner schien durch das
unerwartete Gestönoniß so überrascht.
fdaßd sie nicht gleich eine Erwiderung
an
»Sie sehen,« fügte Graf Dietrich
seitdem Betenntnisse in wirklicher Zer
knirfchung hinzu, »daß Sie doch Ur
sache haben, mir zu zürnen und mir
Vorwürfe zu machen.«
Endlich wich die Erstarrung von
dem jungen Mädchen. Es war eine
impulsive Bewegung in ihr, die sie
antrieb, dem jungen Manne ihre Hand
f- lich entgegenzustrecken nnd mit
warmem Gefühl zu sa
: »Nein, here Referendar, das
Efeu-km mir. Jch denke nicht
rau. Sie zu schmähen, weil Sie
scheuten, den geheimen Kummer
ilie remden preiszugeben.
M re ie, ich fühle mit Ih
m. M peinlich sub schmer Jhte
Lage war. habe kein , Sie
zu tadeln. trügt felbst die
hauptde an feinem Unglück. Wa
rum verschenkte er fein Vertrauen so
W, warum ließ er sich ver
leiten
Die Sprechend-e fchrak zusammen
nnd brach jäh ab. Von draußen
tönte das Geräusch eines in die Kot
tidpkihiit geneckten Schlüssels herein.
«Papn!« flüstetie sie dem ihr Ge
gnäbetsitzenden zu und legte zugleich
uns einer instinktiven Geste den Zeige
singer ihrer Rechten auf den Mund,
m Zeichen, daß er über das, was
soeben besprochen, Schweigen be
wahren möchte.
Herr Hörner hatte sich aussallend
verändert Sein Haar war stark er
sten-L nnd die Leidenschaft des Spielz,
die ihn über ein Jahr fast in beständi
k feesschet Ettegung gehalten, hatte
sittliche Spuren in das einst volle,
W W gegraben. Seine Figur
Sie das Dehäbigånvetlegenfund war
Wge war n einer ein
Wen halinng lag etwas
esse-, Kleinmäthigeö, bei
Wnahe Bescheidenes, während sonst im
mer Großspurigieii und prahlerixche
Ausgeblasenheit aus seinem- Austre en
und seinem ganzen Wesen gesprochen
hatte.
Als er den Grasen erkannte, verzog
er ein Gesicht zu einer trübseligen,
weinerlichen Grimasse. Und nach der
Ati schwacher Charaktere, die unfähig
sind, ihr Unglück mit Würde zu tra
gen, und die für ihre Leiden nie sich
selbst, sondern lieber alle andern ver
antwortlich machen, fing er sogleich ein
lautes Lamentiren an. Aber Fran
ziska fiel ihm bei den ersten Schimpf
namen, mit denen er seines Verder
bers gedachte, ins Wort.
»Laß doch, bitte, Pape-L« sagte sie
sanft. ihn liebevoll umschlingend. »Der
herr Ideserendar wird seinen liebens
würdigen Besuch nicht wiederholen.
wenn Du ihn so wenig freundlich em
piiinast.«
Herr Börner stotterte ein paar Ent
schuldigungen und berichtete dann auf
eine Frage seiner Tochter, daß das
Kontursverfahren seinem Ende entge
gengehe. Es würden ungefähr fünf
zig Prozent der Forderungen bezaht
werden. Das Geschäft fortzusetzen,
dazu fehle es ihm an Betriebskapital,
auch habe sich die Kundschaft zum
Theil schon verlaufen und so würde
ihm nichts anderes übrig bleiben. als
auf seine alten Tage sich um eine An
stellung in einem anderen Geschäfte
der Brauche zu bewerben.
Graf Dietrich tröstete, fo gut er
konnte und versprach, den Einfluß sei
nes Schwagers, des Kammerherrm
in Anspruch zu nehmen, um Herrn
Börner bei Erlangung einer Stellung
behülflich zu sein. Dann erzählte er
von seinen eigenen Erlebnissen und
Plänen. Daß er nun bald in das As
sessorenexamen gehe und daß er noch
nicht recht wisse, ob er sich dem Richter
stande widmen werde oder ob er doch
noch zur Regierung übergehen solle.
Als schließlich Frau Börner von
ihrem Ausgang zurückkam, war man
in ein ganz gemiithliches Plaudern ge
kommen. Auch an Frau Börner wa
ren die Ereignisse nicht spurlos vor
über-gegangen auch sie war grau ge
worden und ihre Haltung, sowie ihre
Kleidung ließ das ihr früher eigen ge
wesene Bewußtsein vermissen, zu den
vom Schicksal Bevorzugten zu gehö-«
ren
Graf Dietrich wurde wieder wie
ehemals ein täglicher Besucher der Fa
milie Börner. Wieder widmete er
dem Gyrnnasiasten seine Hilfe. Al
fred hatte zwar seine ursprüngliche
Absicht, zu studiren, aufgegeben, aber
er hatte sich doch zum Ziel gesehn we
nigstens das Reifezeugniß für die Pri
ma zu erlangen, und da seine Gaben
nicht in so ausreichendem Maße vor
handen waren, wie Fleiß und guter
Wille, so wurde ihm die Bewältigu
seines Pensums ohne jegliche hilfe M
sehr schwer. Freilich, Graf Dietrich
that diesmal das, was er ehemals aus
Rücksicht auf s die zusammengefchmol
zenen Mittel seines Vaters gethan,
aus selbstlosern Interesse für feinen
Schüler und in dem geheimen Gefühl,
der arg get-rüsten Familie gewisserma
ßen fiir das Konto seines Bruders eine ’
sEntschädigung zu schulden. Es war
ymeistens ein trauliches Beisammensein
zu Dreien. Herr Börner hatte eine»
Stellung angetreten, die er durch die»
gnädige Verwendung des Kammer
sherrn von Gliimer - Rottenfeld erhal
iten. Frau Börner war meistens mit
Hden haushaltungsarbeiten beschäftigt.
"Und so saßen die Drei; Alfred, Graf
"Dietrich und Franziska in dem »gu
ten« Zimmer der Familie beienander,
» arbeitend und, sobald die Unterrichts-"
stunden vorüber waren, gemiithlich
zplaudernin .
Franziska bereitete sich für einen
neuen Beruf vor. Sie hatte einen
Kursuö in Buchführung und Handels
wissenschoft durchgemacht und übte
»nun zu hause fleißig bie erworbenen
Kenntnisse. Zugleich durchforschte fie
eifrig die Annoncenspalten der Zei
tungen und schrieb Meldebriefe, so oft
sie eine ihren bescheidenen Ansprüchen
entsprechende Stellung onnoncirt fand.
Freilich. Monate waren schon darüber
vergangen, und sie hatte sich schon
häufig persönlich in Geschäften der
sverschredensten Branchen vorgestellt,
Hohne daß es ihr bisher gelungen war,
Jvor den immer in großer Anzahl vor
handenen Mitbewerberinnen den Bor
zug zu erhalten«
Auffallend war es, baß Fronziötcks
Klagen über ihre hartnäckigen Mißer
folg- bei Dietrich, der doch sonst dem
jungen Mädchen eine ouffallende
Theilnahme widmete, kein gleichtun
gendes Echo fanden. Jrn Gegentheil«
er schien jedesmal förmlich auf noth
rnen, so oft sie mit betrübter iene
von einer neuen Cnttäufchung berich
tete. Jo, orn liebsten hätte er ihr über
haupt abgerebetxssssskei fremden Leuten
einen Erwerb Fischen, und er wurde
immer von e" «.nlichen. wibri en
Empfuduua bete-tw- wenn er ch
das zarte, serwöhnte junge Mädchen
Fin einem Geschsfiiientor zwischen
llecken Kommis akbeitend und von ei
»nem rücksiehtslofem harten Prinzipal
2Befehle empfangend, votstellie. Aber
et—wagie nicht, feinen Empfindungen
Ausdruck zu geben, denn et hatte ja
nicht das Recht, dem jungen Mädchen
einen Beruf zu verleihen. den sie ja
doch nur aus edlen Motiven wählte,
um ihren Eltern im Kampf um’s Da
sein zu Hilfe zu kommeen.
Diettich machte ein seht befiützies
lGesichi, als et eines Nachmittags
Fräulein Franzisla in hellem Jubel
fand. Sie lam dem Eintretean
itiumphirend entgegen.
»Gratuliren Sie mir, Herr Rese
rendar,« rief sie fast übermiithig, wie
er sie noch nie gesehen. »Endlich, end
lich habe ich’s erreicht! Wie Sie mich
hier sehen, bin ich wohlbesiallte Buch
halterin der Firma Karl Wilhelm Le
germann. Aber was haben Sie denn«
—- fiigte sie hinzu, als sie seine er
schrockene Miene bemerkte —- »ich
glaube gar, Sie gönnen mir mein
Glück nicht einmal.«
»Ich weiß wirklich nicht," erwiderte
Dietrich ernst, »ob ich Jhnen dazu
gratuliren soll. Jch befürchte, daß
Jhre Stellung Jhnen manche Ver
drießlichleit und manche Enttäuschung
bringen wird'
»Enttiiuschung? Wieso?« ,
Den Referendar machte diese Frage
befangen. Er mochte das, was er be
fürchtete, nicht offen aussprechen.
»Sie sind,« entgegnete er, »in dem
Frieden Jhres Hauses ausgewachsen·
Jetzt sollen Sie hinaus auf den Markt
des Lebens, sollen derafsmiiszig mit
fremden Menschen oertehren, die Ih
nen vielleicht unsympathisch und un
an enehm sind.·« ,
Fräulein Franziska lachte. Ohne
den wahren Grund seiner Besorgniß
zu ahnen, entgegnete sie heiter:
»Aber Sie denken doch nicht, daß
ich mich stirchtei Bewahre! Wenn
ich meine Pflicht erfülle, lann mir
doch nichts geschehen. Meinen Sie
nicht?«
Dietrich blickte diister zu Boden, die
Antwort schuldig bleibend.
Ohne in ihrer freudigen Stimmung
darauf zu achten, fuhr Franziska hei
j ter fort:
; »Nathen Sie einmal, iHerr Rese
jrendar, wie hochtsich mein Gehalt be
Iläuftt Auf fünfzig Mart nie-nat
lich!« rief sie mit stolzer Genugthu
ung, als er stumm mit den Schultern
-zuckte. »Ist das für eine Anfänge
rin, die noch gar keine Erfahrung und
praktische Uebung hat« nicht glän
;zend?« ·
. Er nickte und setzte sich an den Tisch
fzu seinem Schüler, der seine Bücher
whereits aufgeschlagen hatte. Aber
Graf Dietrich war heute nicht recht
bei der Sache, seine Blicke richteten
T sich immer wieder auf das junge Möb
chen, zu deren ftrahlenden Mienen sein »
diisteres, grübelndes Gesicht einen ei-’
genthiimlichen Montrast bildete.
Da die Firma Karl Wilhelm Le-(
germann englische Geschäftszeit hatte
unv um sechs uhk schloß, so sah Graf?
;Dietrich, der in der Regel die Zeit
szischen fiinf und sieben Uhr seinem»
HSchiiler widmete, auch in der Folge-;
s zeit die Buchhalterin fast täglich.
Dietrichs Befürchtungen schienen sich»
in teiner Weise bewahrheiten zu wol
;len, denn Franzistcks reude an dem
neuen Beruf war stets ie gleiche, undj
»der Eifer, mit dem sie sich ihrer neuen
zThätigteit hingad und die frohe Ge-»
inugthuung mit der sie die Ausübung
Ider übernommenen Pflichten erfüllte,
erhellten überzeugend aus ihren
zSchilderungen nnd Mittheilungen.
IUnannehmlichteiten und Strapazen,
Jdie ihre Kräfte uberftiegen, schienen
mit ihrer Stellung nicht verknüpft,
im Gegentheii. sie konnte die Freund
lichkeit und Rachsicht ihres Chess
inicht genug rühmen.
Die Firma Karl Wilhelm Legers
»mann betrieb ein »Kommissionsge
:schäft, die Vertretung einer Leinenii
Fabrik, und außer dem Chef waren
»nur noch zwei Reisende, ein Lagerist
rund ein Lehrling in der Firma
schika
Nach und nach freilich hörten die
lauten Freudenergiiffe auf, und die
Jfrohe Begeifterung, mit der Fräulein
Franziska von ihrem Berufe gespro
chen, schien der Gleichgültigteit der
träglichen Gewohnheit zu weichen
Jer, dein heimlich beobachtenden jun
gen Manne fiel es auf, daß die Buch
halterin von Zeit zu Zeit ftiller wurde
»und von dem Geschäft, das doch zu
erft das Hauptthema ihrer Unterhal
tung abgegeben, überhaupt nichts
mehr erzählte. Und als er eines Ta
»ges fragte, oh ihr das anhaltende
Sitzen im Comptoir nicht bekomme.
oder ob sie Aerger im Geschäft ge
habt, da flog ein nervöfeö Zacken
;iiber ihr Gesicht, und sie verneinte
xturz und hastig.
l Eines Tages, als Dietrich nach fei
sner Gewohnheit um fünf Uhr zum
jUnterrieht erschien. bemerkte er zu
feinem Erstaunen Franziztas hut
und Mantel bereits am Gatderoben
haten im Korridoy und unruhig
fragte ersich
Warum ist fiefo früh nach Haufe
gekommen? th fie vielleicht er
inmitt«
Seine Unruhe wuchs noch, als er
feinen Schüler allein riun immer fand.
schon zu
Aufei« graste er ftden nahen.
lfrwlkgbf t di it fftee
re use te m in et
lMiene und in einem merkwürdig er
bitterten Ton,’ ver dem Referendar
auffiel. « ’
»Ist Fräulein Franziska etwas zu
I Wägen-« erkundigte er sich theitneh
s m
Er«sah, wie der Jüngling mit der
Antwort zögerte, nnd »wie ihm das
zBlut ins Gesicht choß, währender
J befangen auf die ifchplatte vor sich
; niederftarrtr.
’ »Nun« so antworte mir doch, Al
fred,« forderte der Referendar jetzt
zernstlich beunruhigt auf.
z »Sie hat das Geschäft verlassen,«
.stieß der Setundaner aufgeregt her
tremdet arr.
»Verlafsen? So plötzlich? Warum
defini«
Die Gluth aus Alsreds Wangen
brannte noch duntler. Er sah auf seine
hand, die er auf den Tisch gestemmt
hatte, seine Mienen hatten etwas Ver
legenes, Scheues.
»Weil —- weil er sie beleidigt hat,«
siotterte er. »
Dietrich erbleichte unwillturlichz
seine Augen öffneten sich weit. ·
»Beleidigt?« sragte er, und seine
Stirn legte sich ganz in Falten.
»Nun—nun ja! Er—er hat ihr
schon ’ne anzeZeit immer so—so’n
dummes . ug gesagt. und heute —
heute hat er sie uin — umfaßt und
that sie tü— en wollen« Da hat ·sie
sihn zurückge oßen und ist-ist ein
: sach dadongelaufen.«
Der Jünglinåwarf sich mit Behe
Imenz in seinen sptuhL neben dem er
bis ietzt »esianden, stiißte beide Ellen
bogen auß den Tisch und verbarg das
glühende Antlitz in feinen händem
Dietrich stand wievom Donner ge- .
rührt und griff so heftig nach dem ;
Kopf, daß es ihm ein paar Setunden ;
lang förmlich schwindelte. Seine s
Hände ballten sich unwilltiirlich, und
seine Zähne preßten sich fest auseinan
der. Seine Augen flammten. Und
dann ging ein Ruck durch seine Lohe,
kräftige Gestalt. Jn der nii sten
Minute war die pldßliche Zornesauf
wallung wenigstens äußerlich über
wunden. Er zog einen Stuhl heran,
seßte sich und sagte, zu seinem Schü
ler gewandt:
»Wir wollen beginnen.«
Merkwürdig war, wie Tietrich
heute eilte, und doch tamen hie und da
Pausen vor, in denen der Lehrer zer
streut, stumm vor sich dinblictte, wäh
rend seine Finger nervös zuckten und
seine Mienen einen finsteren, drohen
den Ausdruck annahmen. Schon turz
nach sechs Uhr schloß Tietrich heute.
Aber er machte noch teine Miene,
zu gehen, sondern.gab seinem Schüler
einen Auftrag.
»Sage Deinem Papa, bitte, daß ich
ihn einen Augenblick sprechen möchte.«
Herr Börner ließ nicht lange auf
sich warten. Mit vorn-übergeneigten
Schultern und seinem bedrücktem
tieinmiithigen Aussehen trat er ein.
Der Referendar schritt solgeich led
hast aus Herrn Börner hinzu.
»Jhre Tochter ist infam deschimpft
worden,« stieß er erregt hervor.
Herr Böner nirttr.
»Seit Jhnen Alfed erzählt? Wenn
man arm ist.« fügte er tritt-selig hinzu,
»dars man sich nicht wundern, wenn
Einem so etwas passirt.«
Dietrich stand mit derschriintten
Armen vor Iranzista’s Vater.
»Was werden Sie thun, herr
Bäueri«
»Ich? —Na, mein Kind aus dem
Geschäft nehmen. —- Natiirlich ohne
Kündigung, sofort! Er wird sich hüten
und wird tlagen.«
»Und sonst« —ein Ausdruck von
Ungeduld zitterte in den zuckenden
Mienen des .jungen Mannes, —
»sonst, rr Börner?«
»Son t? Ja, was denn noch?« Der
Sprechende Zuckte resignirt mit den
Schultern. »Was tann man denn
sonst noch thun? Nichtst«
Auf den Wangen des jungen Man
nes flammte es wieder lehhafter, und
seine Augen blißten unwillig.
»Sie werden doch jedenfalls Meer
Tochter eine Genugthuung ver af
schasfeni« ,
»Ehe Genugthuunsi Sie meinen
Magens Aeh, das i tso viel Aerger
; und Aufsehen. und raus tommt da
Ibei doch nichts. Der Versuch eines
jKussest Was wird er dafiir trie en?
isten « n Falle ein paar art
i ld
vor.
Dietrich blickte den Jüngling be
ase.«
»Das meine ich nicht, Herr Bör
ner.«
»Nichts Ja, was kann ich denn sonst
inoch thun, Herr Neserendar?«
i »Sie sollten den Frechen zur Rede
; stellen und ihn anhalten, Ihrem i
Fräulein Tochter Adbitte zu lersten.«
) Herr Börner riß feine Augen weit!
au . (
! «Abditte? Ja, das wird er nicht I
thun. Er wird mich einfach aus-s
lachen« «
Jn dem Mienenspiel des Grafen!
drückte sich eine flammende Energie;
zugleich mit loderndem Grimm aus-!
»Dann müssen Sie ihn zwingen.«
.Zwingen9 Ja, dazu habe ich jas
at keine Mittel, Fett Referendar.«
r wird mich einfa hinauiwerfen
lassen, wenn ich ihn aussuche und
viele Worte mache-"
Graf Dietrich athmete tief. Aus I
feinen Augen biitzte ein Entschluß.
»Wenn Sie mir gestatten,« so ie
er, -,.tvill ich an Jhrer Stelle hinge n ;
und den Herrn» zur Yede stellen. ch «
meine, irgendeine Suhne fiir die er- »
littene Kränkung sind Sie Jhrer
Tochter schuldig.
· Wenn Sie meinen.«« .
TO knm etwas dedächiig und zHi :
gernd raus. Desto entschiedener
und be mmter klang die Stimme del s
Ersten
I
»Ganz gewiß! Jch meine, eine so
s che Handlungsweise, ein so schont
lo er. gemeiner Mißbrauch des MIC
len Uebergrwichts verdient in jedem
Falle eine exemplarische Strafe. Ja
ich bin dk Ansicht, das ist geradezu
die Pflicht gegen die anderen jungen
Damen, welche die Verhältnisse nöthi
gen, in ähnlichen abhängigen Stellun
gen zu arbeiten und die denselben
Beschimpfungen ausgesetzt sind. Jede
Züchtigung eines solchen Burschen
schreckt Andere zurück.«
An der Energie und dem Zorn des
Grasen schien sich auch der Grimm
des getränkten Vaters anzufachen.
»Ja, gehen Sie, Herr Referendar.«
stimmte er jetzt zu, ,,gehen Sie in
Gottes Namen!«Und sagen Sie dem
Kerl, ein frecher, ein ganz gemeiner,
frecher Patron wäre er.«
· Zwölftes Kapitel.
Herr Legermansm der Inhaber der
Firma Karl Wilhelm Legermann, war
sehr erstaunt, als am anderen Vor
mittag ein eleganter Herr in« seinem
HKontor erschien, der gar nichts Kaus
: männifches an sich hatte und sich als
IReferendar Graf Buchenau vorstellte.
T Es war ein einfaches, ziemlich gro
ßes Kontor, und außer dem Chef war
Niemand anwesend. Der Lehrling
mochte sich auf einem Geschäftsgang
befinden. s
n dem Gesicht des Eintretenden
zu te es ganz eigenthümlich, während
er dem sich mit neugierigen, tragenden
Mienen Erhebenden entgegen ing.
»Habe ich die zweifelhafte Lhre, mit
Herrn Legermann zu sprechen?« fragte
der Referendar.
Der Kaufmann ftuhtr. Er neigte
unwillkürlich fein rechtes Ohr dem
Fremden entgegen.
,, ch verstehe Sie nicht,« sagte er.
» ind Sie Herr Legermann?« wie
derholte Dietrich feine Frage lürzer
und bestimmter.
» Der Reserendar richtete sich unwill
lurlrch etwas ftrammer in die Höhe.
»Ich bin ein 7 reund der Familie
Börner,« fuhrer ori, »und komme im
Aufträge des Vaters Jhrer früheren
Buchhalterim des Fräulein Börner.«
Der Kaufmann trat instinktiv ein
paar Schritte zurück und stellte sich
hinter feinen Schreibtifch.
Die Worte und nach mehr der fin
ftere, drohende Gesichtsausdruck feines
Besuchers schienen ihn mit einer unbe
stimmten Furcht zu erfüllen. Er suchte
dieselbe hinter einer ärgerlichen, un
tvilligen Miene zu verbergen.
»Ja, wo steckt denn das Fräulein
heute?«' fragte er. »Ich liebe Unpünlt
lichleit im Geschäft nicht. —- Oder
sollte sie erkrankt feins«
Graf Dietrich antwortete nicht. Er
musterte den hinter seinem Schreib
tisch ihm Gegenüberstehenden. Es war
ein Mann Anfang der Vierzig, von
ziemlich vierfchrätiger Gestalt. Eine
unverkennbare Schlauheit prägte sich
in seinen unschänen Zügen aus. Seine
Stirn erhob sich dreist, seine tleinen«
funkelnden Augen sahen den Referen
dar mit rhnischer Frechheit an.
Graf Dietrich nahm wieder das
Wort.
»Das Fräulein wird Jhr Geschäfts
lokal nicht mehr mit feiner Gegenwart
beehren,'« erklärte er. »Sie aber wer
den sich noch heute zu der Dame bege
ben und sie in Gegenwart ihrer Eltern
um Verzeihung bitten!«
Der Kaufmann fuhr aus«
»Was —- was fällt Ihnen denn eint
Ich — hahaha —- wofrir soll ich denn
meine Buchhalterin um Verzeihung
bitten?«
Die Stimme des Grafen klang
scharf und drohend.
»Das Fräulein ift nicht mehr Ihre
Buchhalterin. Jch frage Sie jetzt, ob
Sie Ihre gegen Fräulein Börner ver
übte- Unverschämtheit in der von mir
angegebenen Weise sühnen wollen oder
nicht "
Wieder reckte Herr Legermann sein
Gesicht vor; der« Ausdruck fchamloser
Dreistigkeit prägte sich noch ftärter
darin aus als vorhin.
«Unverschämtheit?« erwiderte er
rob. «Wiefo? Weil-was räulein
Zoll sich nur nicht so haben! s hade
ich denn Großes gethan-is Lächerlicht
Ueberhaupt, wie kommen Sie denn
dazu, mich hier förmlich ur Rechen
schaft ziehen zu wollen? Freund der
äumiliet Das tann . eder agen.« Ein
s und frivoles ächeln zuckte um
die den« wulfti en Lippen des Spre
chenden. Ge n ie ist wohl Fräulein
Bäzrrer nich so zimperlichij - .
Das, was nun geschah, erfolgte im
Verlauf von höchstens wei Setunden.
Mit einem Sa war raf Dietrich an
der Seite des aufmanns. Dann hörte
man zwei laute, tlatfchende Töne, de
·nen wie ein Echo ein lauter Auffchrei
aus dem Munde des rrn Lega
mann folgte. Darauf prudelte der
Gezüchtigte die Worte hervor:
»Das«iollen Sie mir büßen. ch
zeige Sie an. Ueberhaupt, verla en
Sie foxort mein Lotal!«
Gra Dietrich lächelte verächtlich,
fetzte feinen But auf, drehte sich um
und entfernte sich langsam aus dem
Kontor.
Zwei Tage später brachten verschie
dene Blätter unter der Spitzmarte
»Brutaler Ueberfall eines Kauf
manns« die Schilderung des Au -
trittz, der sich imKontvr derFirma
Karl Wil lm Le ermann eben o turz
wie drafti ch abgefpielt hatte. Der Be
richt schien von dem geohefei ten
Kaufmann felbft infpirrrt zu ein«
denn fein Name war distret nur mit
den Anfangibuchftaben angedeutet,
während der Name des Rä rs und
der Buchhalterin in ganzer vollstän
digteit angeTeren waren. Des xun en
Bequ rs r «angeblich beledia en
Dame war mit ein paar vorsichtiger-,
faber ironifchen Redewendungen ge
dacht, und seiner ȟbertumpelnden,
brutalen Handlung« das Motiv »un
berechtigtet Eifersucht-« untergeschoben
worden.
Während Gras Diettich den Zei
tungsbettcht durchlas, drängte sich 17111
das Blut zum Kopfe. Er schlug se ne
Rechte erschüttert vor die Stirn und
seufzte aus tiefer Brust. Scham und
Schmerz ttampften sein Herz zusam
men. -
Daran hatte er nickt gedacht, diese
Folgen nicht vorausberechiiet. Hatte er
nicht thöricht, iinüberlegt gehandelt?
Nun war Franziska Börrier auch noch
vor der Oeffentlichteit unheilbar korn
promittirt, ihr Ruf für immer dahin.
- Der Grübelnde trat zoriii mit
dem Fuße auf. Und dennoch. Wie
hätte er anders handeln sollen? Sein
Blut empörte sich noch ebenso heftig,
wenn er des Schimpseg gedachte, dem
das junge-Mädchen den Seiten des
Kaufmanns ausgesetzt gewesen.
Würde er nicht ein zweite Mal ebenso
handeln? Gewiß! Unertriiglich erschien
es ihm einfach, Fräulein- Franziska
beleidigt zu wissen und nicht die Hand
zu erheben zu ihrem Schu e, zur
Sühnung der ihr angethanen behniaeh.
Und dann, nachdent er ein paar auf
geregte- Gänge durch sein Zimmer ge
macht, wars sich der junge Mann auf
einen Stuhl und begann einst dein
Grunde der Emriörung, die i in irr
allen Adern siedete, nachzu orschen.
Zum ersten Male bemühte er ich,»seine
Empfindungen für Franziska Borner
in ihren Motiven uiid geheimsten An
trieben zu zerlegen.
Er ließ die Vergangenheit Revue
vor fich passiren, von seiner ersten Be
gegnuiig mit Franzista Börner bis
zu ihrem letzten Zusammenseiii. Er
sann lange über die Gründe des zor
nigen Mißbehagens nach, das ihn ge
quält und geinartert, als Bodo ihm in
seiner leichtsinnigen, srivolen Art dort
seinen Absichten aus die Tochter des
ehemaligen reichen Fabrikanten e
sprochen, und stellte eingehende e
trachtun en an über die Unruhe und
Unzufrie enheit, mit der ihn Fran
ziskas Entschluß, Buchhalterin zu
werden, vom ersten Augenblick an er
füllt hatte. Und schließlich kam er zu
dem Resultat, daßes nicht alleinMit
gefühl und sreundschafttiech Sympa
thie fei, die sein Herz bei dem Gedan
ten an Franziska schneller pocheir
mache, sondern das-, die Anmiith, das
schlichte. keusche und sittlich reine
Wesen des jungen IIIarichens eine tiefe,
leidenschaftliche Liete in seinem Herz
entzündet habe.
Entsetzung totgt.)
Die saht Tret.
Jm Gegensatz zu ter berüchtigien
Ungiüaszahl 13 siebt die Z. Wer
kennt nicht das alte Lied: »Drei Li
lien, drei Lilien, die dslanzt’ ich aus
ihr Grab«, und die ebenso alte Weise:
»Seht ihr drei Nosie vor dein Wa
gens« Diesem schließen sich die sloti
ten Lieder: »Es zoaen drei Burschen
wohl über den Rhein« und »Wen!
weih’ ich wohl das erste Glas« (bis
zum dritten endigendi, endlich bei
Toastem »Hoch solt er leben, dreimal
hoch!«, ist die drei dabei doininirend.
Jn der Natur erscheint in der Z
das zarte Kteebtiittchen, im Gegensaf
zu der Passe »Das liederliche Kleo
blatt«. »Die drei- Grazien", sowb
»Drei Paar Schuhe« beherrschen wie
der das bessere Luftsvietgenre. Aus
der alttestainentarischen Geschich
find die »heiligen drei Könige« sowb
die drei Weisen aus dein Morgen
lande« betannt, und auch der Zur-f
Christi an Petrus: »Ehe der hab
zweimal trübt, wirst Du mich dreimal
verleugnen." Wenn man im Volks
leben sagt: »Drei Schritt vom Leibe«,
und das bedeutungsoolle »Aller uteI
Dinge sind drei!«, sowie das Jidele
»Dreinial drei ist neune, Du weißt s
wie ich's meine«, so ist das allgem te
verständlich. Wenn Jemand» in het
terer Laune singt: »Mein hut der at
drei Ecken«, so bestätigt das nur I
Povularitiit der 8 schon aus früherer
Zeit her.
Ein bekannter Filassiter giebt der
3 ebenfalls die Ehre unter den ahleii,
wenn er sagt: »Ich sei« gen-it rt mir
die Bitte, in Eurem Bunde der Drit
te!»« Wie» der Würfetbecher stets drei
Würfel zahlt, so le t auch der Aut
tionator auf diese «ahl sein haupt
augenmert, denn beim dritten Hain
iiierschlag eschieht die Zuerterinun
des Gegen andes an den Bieter. Be
rat-taten Menschen, die die Ruhe dts
Nachste stören wollen, genügt die
dreimal ge Aufssoiderung das Zim
iiier wegen Ge ahr des Hausfriedens
bruchs zu veranlassen. Auch der Spl
dat, in Yusübung seiner Pflt t.
ruft in nachtticher Stunde einein sich
ihm nähernden Unbeiannteii ein »Mit
werda« bis zum dritten Male zu.
Schtiniin ist es auch, wenn bei spiel
tuftigen Leuten zuin Stat der dritt
Mann sehst
Die Wilhelmshavener Zeitung (Nk.
122) meidet unter dem Neuesiem »Die
Eisenbahnvetbindung zwischen Toiio
und qudiwvstot ist unterbrochen.."
Die armen Rassen! Ihre Flotte ist
hin, und nun können Sie auch nicht
zu Lande an die Hauptstadt ihres
Gegner-s kommen.
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» ch glanbe,· unsere Feeundin Liz
zie at «wirklich einen Vetehtet.«
»Ach, kein Gedanke. wie kommst du
nur darans.« »Nim, ich hab’ be
merkt. daß te sich then Gürtel je t
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