Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, July 07, 1905, Sweiter Theil., Image 12

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    Seine Leidenschaft "
humoresle von P e te r I III.
Mein eFreund Eduatsd ; vcis
ganz uetiek nett, sen w W «
normaler Mens Q·W«W -k « -
unterscheidet er A IF 1 an
sieden Leute-; Witwe
s » » « mit einem klei
Schnurrbart
» " M er nie länger als
— ... der Maschine ak
HVM II Ins seiner Rose sitzt ein
r mit einer schönen schwarzen
sassung. Seine Anzüge sind von
Knaussiilligem Schnitt und zeigen die
Unbestimmten Farben der Toga des
sDurchschnittsluliurmenschrm Kurz,
er ist vollkommen normal.
Und doch hat dieser so harmlose
junge Mensch eine Leidenschaft, eine
wilde, furchtbare Leidenschaft, die ihn
zuweilen widerstandles mit sich fort
teißi, die ihn zu ihrem willenlosen
Sklaven erniedrigt. Diese Leidenschaft
ist weder das Nilotin, noch der Allo
hol, weder der grün-e Tisch. noch der
grüne Rasen, sondern — die Köchin
nen.
s
Es ist dies etwas ganz Eigenthüms .
liches. Die Damen der guten Gesell
schaft nämlich, mögen sie noch so jun
oder so reizend sein, machen au
Eduard wenig Eindruck, hingegen
braucht er nur eine hübsche Küchensee
zu sehen und es ist zehn gegen eins
zu wetten, daß er sich sosort sterblich
in sie verliebt und ein Verhältniß mit
ihr anbahnt. So ein berschwiegenes,
iniimes Tete-a-Tete mit einem netten
Küchenkäser in dessen ureigenstem
Wirkungskreis geht ihm über Alles.
Viel hat er dabei geduldet und ertra
gen. Vor herannahenden Hausstauen
ist er oft in Schranke und unter
Tische gekrochen, Hunde haben ihn ge
bissen, Katzen ihn gelratzt. Einmal
wäre ihm fast der kleine Finger beim
Speckschneiden abhanden gekommen,
ein andermal gossen sie ihm lochendes
Wasser über die Sonntagshosen. Aber
es half Alles nichts-: er ließ sich nicht
obschrecken und ging seinem unglückseli
aen Hanae weiter nach.
Man wird begreifen, daß es unter
solchen Umständen keine Kleinigkeit
· war, Eduard zu verloben. Aber
schließlich hatten seine alten Herrschaf
ten und besonders seine Schwieger
mama in spe, die energische Frau
Kommerzienrath Kern, das Kunststück
doch sertia gebracht, und Eduard ke
gann allen Ernstes, seine Rolle als
glücklicher Bräutigam zu erfassen.
Alle zwei Tage mindestens erschien er
zu Besuch bei den Kern’schen Damen,
und man bemerkte keine Ausbriiche
der furchtbaren Leidenschaft mehr, die
ihn früher in ihrem Banne hielt. So
schien es, als ob binnen Kurzem es
eine glückliche Ehe mehr geben sollte,
als das entsetzliche Ereigniß eintrat,
von dem meine gesträubteFeder Kunde
geben soll.
Als nämlich Eduard, mit einem
radgroßen Rosenstrauß bewaffnet,
eines Tages gegen zwölf Uhr bei sei
ner Schwiegermama klingelte, fand er
das Nest leer. Da ihm aber das mit
leidige Stubenmädchen versicherte, daß
die Damen sehr bald zurücktommen
würden, trat er dennoch in den Saan
ein, um dort zu warten. Das be
sorgte er auch gründlich, aber die Da
men kamen nicht. Endlich hörte er die
Entreerhiire gehen. Voll Freude
stürzte er auf den Korridor, aber es
war Niemand da; anscheinend war
das Stubenmädchen hinausgegangen
So lies denn der brave Eduard, sich
im höchsten Grade mopsend, aus dem
langen Flur auf und ab, der sich noch
weit in einen Seitensliigel hinein er
streckte.
Gott, war das langweilig! Ein
paar Mal ertappte sich Eduard beim
Gähnen. Aber plöhlich ging es wie
ein elektrischer Schlag durch ihn.
Durch, was war das? Hatte da nicht
eben ein Topsdeckel getlirrt? Richtig,
hinter dieser Thüre mit den matten
Glasscheiben war ja die Küche· Ob
man ida nicht . . . Hm, aber die Braut!
Ach was, Braut! Wer weiß, in wel
cher Konditorei die saß und schleekte.
Mit zwei langen Schritten war er
an der Thüre, die er ganz leise und be
hutsam öffnete. Donnerwetter war
das eine Küche, groß und hell wie ein
Saalt Aber wer stand denn dort,
ihm den Rücken zulehrend, an dem
M«gescheuerten Küchentisch2 Das
war ia der reizendste Schatz, der «e
ein Kotelette pamrte oder ein Reh
mu nickt-!
Und während der Schein des Herd
seuers auf dem Fußboden lustig hin
und her tänzelte, während der Braten
auf der Platte von Zeit zu Zeit on
heimelnd zischte, ging Eduard auf den
Zehenspibem mit beiden Armen ba
lonzisrend, auf die süße Küchenfee zu.
Und indem er seine großen Hände
ganz sachte über ihre Augen legte, flö
tete er in seinen höchsten und verlieb
testrn Tönen: »Nathe, wer bin ich?!«
»Ein altes, unverschämtes Nilpferd
sind Stel« rief die Kleine entrüstet,
indem sie sich energifch herumwandtr.
Aber im nächsten Augenblick wollte sie
nor Schreet in die Erde sinken· »Ach,
set gnädige herr! ch dachte, es wäre
—ei wäre s—der , riedrich!«
»«So?« sagte Eduard, dem die ei en
thitmliche Begriißung weiter nichts
Ungewöhnliches war, »der Friedrich?
hier« der Kutscher-? Ja, was erlaubt
ch denn der unverschämte Mensch? —
Iher er ist doch gar nicht hier!«
«Cr putzt hinten die Thürschlösser,«
sagte die Kleine, puterroth.
Eduard streichelte ihr heruhi nd
Adise Wange. -»Ra, na, werden gFSie
dochnicht gleich so roth, Kindchem —
Ja, sagen Sie ’mal,' fuhr er dann
XI Midnightqu Tone fotHl
——— liebe ——— —
III-Mk houchte sie i
FOR-. meine liebe Markt-eh ja, 4
W denn nun die Damen
zur-ich?«
«Uch!« sagte sie unschuldi und ver
ttcuensvoll, »die gnädige z rau und
das gnädige Fräulein werden wohl so
bald nicht zurücktommenf
,,«Aeh, heuchelte Eduard, »sehr be
dauerlich Und die Lan wird wohl
klingeln, wenn man herein will, was?
Und der Friedrich, sagen Sie ’mal,
das ist wohl sonst ein ganz tüchtiger
Mensch, der Putzt, bis Alles blitzblank
ist. was?«
»Ja,« lachte sie, ,,er ist sonst eine
ganz brave Seele!«
»Nun,« meinte Eduard resignirt,
»da wird wohl nichts Anderes übrig
bleiben, als daßSie mir etwas Ge
ellschaft leisten. Also, allons, meine
lde Martha, auf diese Bank von
holz werde ich mich setzen, wenn Sie
gestatten.«
Na, das kam der Kleinen allerdings
etwas tomisch vor. Aber dem Bräuti
gam ihres Fräuleins gegenüber ris
kirte sie keine Remonstrationen. Und
so machte sie denn gute, ja sogar sehr
gute Miene zum bösen Spiel, was
freilich zum Theil auch auf den fas
zinirenden Einfluß zurückzuführen
war, den Eduard seinerseits auf alle
Köchinnenherzen ausübte.
So vlauschten sie denn ein vaar
Minuten miteirkander·· Aber plötzlich
that Marthel einen kleinen Bestät
zungsschrei: »Herr-gott, ich vergesse ja
ganz, meine Knödel zu machen; ich(
dtoseine ja gar nicht mehr fertig wer- i
i n.« i
I »Na, wenn’s weiter nichts ist,« ries!
Eduard feurig, »da werde ich Jhnen
eben helfen. Na ja, glauben Sie, ich
tann’s nicht? Jch habe schon andere
l Sachen gemacht, wie ein paar lumpige
Knödel geknetet.«
Marthel lachte ganze Trillerketten.
»Sie können Knödel knetenlk Ich
möchte fast wetten, Sie bringen keinen
fertig.«
»Gut!« sagte Eduard, ,,wetten wir.
Drei gegen eins meinetwegen. Wenn
ich gewinne, bekomme ich von Ihnen
einen Kuß, und wenn ich verliere, gebe
ich Ihnen dreie!" .
Und damit streifte er auch schon,
trotzdem Marthel diese Bedingungen
gar nicht zu passen schienen. seine
Rockärmel auf, stellte seine Manschet
ten auf den Tisch und griff dann mit
beiden Händen, nachdem er sich von
ihrer peinlichen Sauberteit überzeugt
hatte, nach dem schon hergerichteten
Teig. Er knetete erst ein paarmal,
drin herum und dann formte er drei
so vollendete KnödeL wie sie selbst
ein Oberbofleibkoch nicht besser fertig
bringen konnte.
Marthel war ganz basf. Aber als
sich Eduard von ihretr erstarrten klei
nen Munde seinen süßen Lohn holen
wollte, knisf sie aus. Nein, das wollte
sie nicht! Aber Eduard konnte sich na
türlich nicht menagiren. Er lief ihr
nach und jagte sie schließlich in der
ganzen Küche herum. Zuletzt sah er
schon gar nicht mehr, wo er hinlief,
und so rannte er denn plötzlich an ein
großes, an der Wand hängendes
Blekkbecken an, das nun mit donner
ähnlichem Krachen auf den Boden he
runtertoste. Und im selben Augen
blick klingelte es am Entree
Einen Augenblick standen die beiden
da, wie zu Salzsöulen erstarrt. Dann
sprang Eduard auch schon lautlos aus
der Küche in den Flur und von dort
irr-»den Salon. Athemlos an allen
Øllcbckn VOt CNULDLU zlllckll0,
brachte er dort seine Aermel in Ord
nung und versuchte die Teigspuren
von seinen Fingern zu entfernen. Un
terdessen läutete man am Entree
Sturm. In gellender Raserei erklang
die Glocke immer wieder, bis Marthel
endlich öffnen ging
Es waren die Damen vorn Hause.
Die Frau Kommerzienrath nahm sich
erst gar nicht Zeit, ihrer Köchin im
Entree etwas zu sagen, sie stürzte so
sort ni die Küche, ihre Tochter hinter
her. Aber da brach es los, daß der zit
ternde Eduard jedes Wort verstehen
konnte; denn sie war eben sehr ener
gisch und wußte ja nicht, daß Jemand
im Solon wartete.
»Was ist denn das Fett ein uner
hörter Unfug in der Kii ? Wer hat
denn die große Schüssel hier herunter
geworfen? Das war ja ein schreckliches
Getöse! Ach, die Beulent Nun, Ant
wort! Warum können Sie nicht glei
aufmachen, wenn ich tlingle, nun
Wie sehen Sie denn überhaupt aus?
Marthal Martha! Wer ist hier in der
Küche gewesen? Denn hier ist doch
Jemand bei Ihnen gewesen, eine
MannspersoM Nun, nun! Wollen
Sie es nicht bald sagen?«
Aber das arme Möbel sagt nichts.
»Nun, dann werde ich es hnen
sagen,« schrie die Gnädige aufs eue.
«Wo ist Friedrichs«
»Er putzt hinten die Thürschlösser,«
antwortete Marthel schluchzend
»So! Die Thürschlösserl Jn der
Küche ist er bei Ihnen gewesen. Zu
sammen habt ihr wieder esteckt und
Euch gegenseitig von der rbeit abge
halten. Sie faule, nichtsnußi e Pet
son, noch nicht ’mal Knödel ha n Sie
gemacht. Aber ich will Euch helfen!«
Mit dieser Drohung stürzte sie da
von, um nun auch Friedrich den Kopf
zu waschen. Von dem, was sich in den
hinteren Zimmern abspielte, vernahm
Ednard der weiten Entsetnun wegen
nichts. Erst nach einigens inuten
hörte er wieder, wie-sich eine erregte
Menschenmasse der Küche zuwiilztr.
«Nnn,« rief die Mithin höhnis ,
»der fragen Sie doch selbst, da kann ie
es ja sagen. Aber hesehwindeln Sie
mich doch nicht!«
«Nu’ also, Martha«« tagte daraus
eine erregte Kutscherstimme, kliin ich
hier in der Küche gewesen oder nichts«
Aber Martha sagte wieder nichts,
nur in ein därbates Heulen brach sie
auc.
Jn diesem Augenblick öffnete Else
Kern, die der peinlichen Szene ent
gehen wollte, die Thüre zum Salon.
»Ah, guten Abend, Eduardl —
Mama, hier ist ja Eduard!« »
Eduard, der sich unterdessen völlig
gefaßt hatte, kam nun aus den Flur
und begrüßte Braut und Schwieger-l
mama.
»Ach, entschuldigen Sie, Herr
Schmitt,« sagte die Rätbin, »Sie sind
wohl eben gekommen. Entschuldigen
Sie. Ich habe eine schreckliche Szene
mit den Dienstboten Elfe, geb’ doch
mit Herrn Schmitt in den Salon! —
Nun,« herrschte sie dann wieder den
Kutscher an, »was sagen Sie nun?
Sie heult. Das beweist genug. Wer
soll es denn überhaupt gewesen sein!
Es isi ja Niemand da außer Jhnenf
»Ich bin’s nicht gewesen. Und wenn .
alle im Hause sagen, ich bin’ s gewesen
ich bin s doch nicht gewesen. Und da
mit basta!«
Mir hochroihem Kopf ging er zu
seinem Pußkappen zurück. i
·,,Nun,« rief ihm die Mithin erbost
nach, »wenn Sie zu Jhrem unver
schämten Gelüge noch frech sein wol
len, können Sie ja gehen zum fünf
zehnten. —- Ach,« seßte sie zu Eduard
gewandt hinzu, »ist es nicht entseßlich.
sich mit solch faulen, nichtsnußfi n
und noch dazu verlogenen Men ign
herumiirgern zu müssen!«
Und Eduard tlappte zustimmend
zusammen und sagte:
»Ja der That, gnädige Frau!·
Eine Stunde später saßen die Da
men Kern beim Essen und mit ihnen
Eduard. Denn die Frau Kommer
zienräth. die sich nach ihrem Auftreten
als Megäre in ihrer ganzen Siebens
wiirdigteit zeigen wollte, hatte daraus
bestanden, daß er mi ihnen speiste.
-Eduard war die Sache einigermaßen
peinlich, besonders seiner Manschetten
wegen, die noch immer friedlich in der
Küche lagen, da er bei seiner eiligen
Flucht ganz vergessen hatte, sie mit
zunehmen. Wenn es ihm nun auch
bisher gelungen war, sein etiletten
widriges Manto zu verbergen. so
fürchtete er doch, daß man bei Tisch
seine peinliche Blöde entdecken würde.
Und so tam es auch. Else Kern, die
neben ihm saß und ihn mit ihren
großen Märchenaugen forschend be
trachtete, sagte plötzlich:
Dich weiß nicht. Ednard, Du siehst
heute so eigenihiimlich mit Deinen
Aermeln aus. Ah. jetzt sehe ich, Du
hast ja keine Manschetten an!«
»Ach, Verzeihung —- pardon —
bitte um Entschuldigung!« stotterte
. Eduard. »Ich glaubte, es würde nicht
! bemerkt werden. Jch muß sie zu
’Hause vergessen haben. —- Bitte tau
sendmal um Entschuldigung Ah, jeßt
weiß ich, ja, ich habe sie beim Fort
gehen in meinem Zimmer liegen las
sen. Aber siehst Du,'« setzte er mit
einein glücklichen Gedanken und einer«
leichten Verbeugung nach seiner Braut
s hinzu, »das kommt davon, wenn man
snichts anderes denkt, nichts anderes
s im Kot-se hat als Dich, liebe Else!«
Die Frau Rath lachte amiisirt auf,
aber Elses Miene wurde eher ernster.
Sie sah starr auf seine Hand.
»Du an mich gedacht? Wie Du an
mich denken magst, sehe ich eben «etzt
sehr deutlich. Wo hast Du denn ei
nen Verlobungsring? Auch vergessen,
was?« — Das traf Eduard wie ein
elettrischer Schlag. Bestiirzt sah er
aus seine Finger.
»Ach, thatsachlichl Ich weiß wirklich
nicht. Jch werde ihn doch nicht ver
loren haben. Er ist mir nämlich
etwas zu groß.- Ich habe ihn doch
aber heute früh noch gehabt. Vor
dem Waschen habe ich ihn abgezogen
und aus das Tischchen gelegt.'«
Die Damen ließen Messer und Ga
beln ruhen und sahen gespannt aus’
Eduard.
»Ja, da müssen Sie sosort nach
sehen, Herr Schmitt,'« sagte die Rä
thin. »Und wenn er sich nicht sindet,
sofort annonziren· Gold mit Brillan
ten.«
»Na,« sagte Eduard mit etwas er
zwungener Lustigkeit, »so schlimm
wird es ja nicht gleich sein. Hoffen
wir das Beste. Aller Voraussicht nach
liegt er sicher und ruhig zu hause bei
meinen Manschetten.«
Man begann wieder Zu essen, sprach
aber zunächst tein War .
Da mit einem Male lehnte sich die
Mithin, ganz bleich im Gesicht, nach
hinten zurück und sah sassungslos
bald aus Eduard, bald aus ihren
Teller.
»Aber-J aber... herr Schmitt!
Sehen Sie doch hier . · . aus meinem
Teller! Das ist ja Jhr Ring, Jhr
Verlobunasring!«
Zu Tode erschrocken sahen die bei
den andern hin.
»Ja. here Schmitt! Er ist es. Gold
mit Brillanten. Und wissen Sie, wo
er war? Hier . . . hier . . . in diesem
Kniidel!« .
Alles war sprachlos. Da klopfte es
an die Thiire und bald daraus erschien
Friedrich aus der Schwelle, mit einem
Paar Manschetten i der hand. »Ich
wollte bloß sacm F au Kommerzien
rath, da ich «e Stulpen ier in der
Küche ge unden habe. Vi eicht trie
gen Sie nu’ ’raus, wer bei der Köchin
gewesen is’.«
Damit stellte er die Siulpen, die die
wohlbekannten goldenen Knöpse
Eduardi aufwiesen, impertinent grin
send aus die Schwelle und verschwand
wieder-. Man wurde noch sprachloser.
Endlich stand clse gern von ifrern
Stuhle aus. Die Lippen se zu ani
menleslnissem drehte sie kang ani ihren
Ver obnngirina vom Finger. Dann
W W
i
legte sie ihn vor Eduard hin und sagte 1
freundlich: ·
»Da, Herr Schmitt, haben Sie
Ihren Nina wieder. Stecken Sie ihn
Ihrer Martha an den Finger. Oder
lassen Sie sich ihn durch die Nase
ziehen. Oder verschlucken Sie ihn —
in einem KnödeU Den Mund können
Sie ja weit genug aufmachen.« Dann
lachte sie kurz auf, wandte sich um
und verließ das Zimmer. —- —
·th das nicht schrecklich? Jst das
nicht entsetzlich-? Ein so netter junger
Mann und muß eine so unglückselige
Leidenschaft haben.
Oh
Der Dieb«
Novellette von Wendla R ofen.
Jn tiefer Finsternis lag der Raum.
Der Regen schlug sioßweife gegen das
Fenster, der Sturm pfiff leise, dann
lauter nnd immer lauter, bis er end
lich von dem heraufrollenden Donner
über-tönt wurde.
Mit einem tiefen Seufzer richtete
Helene sich in die Höhe — — —- je
desmal, wenn sie im Begriff war, ein
zufchlafen, wurde sie von dem Tosen
des Wetters aufs Neue aufgeschrecki.
Merkwürdig, wie neroös sie gewor
den war, hier in diesem vornehmen
Erholungsort, wo sie Unterhaltung
und Zetftreuung zu finden gehofft
hatte. Kam es daher, daß sie so al
lein geblieben war unter dem elegan
ten Publikum. Manchmal fchien es
ihr, als hätten die Menfehen eine
Schen, sich ihr zu nähern —- und den
noch dürstete sie feit Jahren nach ei
nem freundlichen« herzlichen Wort —
und dennoch sehnte sie sich rnit jeder!
Fiher nach dem, was die Menschen(
Glück nennen. ;
Sie stüßte den Kopf in die Handj
und sah mit brennenden Augen hin- s
ein in die Dunkelheit. War sie mit1
ihren 28 Jahren denn wirklich schons
so alt, daß sie kein Anrecht mehr;
hatte aus die Freuden des Lebensii
Was nußte ihr ihr Vermögen ihre;
Unabhängigkeit, wenn sie glücklos al- i
lein durchs Leben gehen mußte. —
»——Der Halbschlummer senite sich her- .
nieder und schloß ihre Augen, die
Gedanken begannen sich zu verwirren.
Und da —- — war es Täuschung?
«—— — Helene richtete sich mit einem
jähen Ruck in die Höhe —- —— Ein
anderes sremdartiges Geräusch — —
es tönte aus, dem Nebenzimmer her
ein — —- wie menschliches Regen —
—- leise —- — dumpf — — jeßt ein
’Ton, als wäre ein Stuhl nur wenig,
laber plötzlich von der Stelle gestoßen.
Sie wollte aufschreien, doch der Ton
erstarb ihr in die Kehle, ihr herz
hömmerte, daß sie seine Schläge zu
hören glaubte —- —- und in ihrem
Körper siihlte sie eine Starrheit, daß
sie keine Bewegung machen konnte.
Mit weit geöffneten Augen starrte sie
einige Augenblicke wie leblos in den
leeren Raum —- ——-da kehrte ihre Be
sinnung zurück, ihre Hand tastete
nach den Streichhölzerm dann ließ sie
sie stehen« erhob sich ohne jedes Ge
räusch von ihrem Lager, wars ein
Kleid über und blieb aus dem Bett
rand sitzen. Jhre Zähne schlugen an
einander, doch rnit aller Willen-straft
beherrschte sie sich. — —- — —
Mit vorsichtigen Schritten, fast
schleichend bewegte sie sich etwas vor
wärts, hielt eine Seiunde lang inne,
dann tam es näher —- —— näher —
— und nun —- —— helene faßte mit
einer jähen Bewegung nach dem Her
gen, ihre Augen weiteten sich —— —
preszte die Hand auf den Mund —
—- — im Rahmen der Thiir stand ein
"Mann.
Sie öffnete angstvoll den Mund«
brachte keinen Ton hervor. Regung-Z
als müßte endlich ein Schrei ihre
grausigste Angst auslösem doch sie
los saß sie da. ihre Augen« die sich an
das Dunkel gewöhnt hatten, beobach
teten scharf die Umrisse seiner hohen
Gestalt, und ihr Hirn arbeitete fieber
haft. —- -— Wer war der Fremde,
was wollte er von ihr, wollte er sie be
rauben — —- ermorden? —- —Jn
ihrem namenlosen Entsetzen glaubte
sie, einen Revolver in seiner hand
blihen zu sehen. —- — Für einen Mo
ment verließ sie wieder die Besinnung,
das Zimmer schien sich mit ihr irn
Kreise zu drehen, rathe Funken tanz
ten dor ihren Augen, die sich allmäh
lich in gelbe, schwingende Kreise auf
löften —- — Jest tarn er näher, trat
an den kleinen Tisch, aus dem die Ju
welen lagen —- und rührte sich nicht
mehr.
Und nun zuckte ein Blitz herein,
flammend roth, selundenlang anhal
tend, als öffnete sich der himmel. Mit
einem Blick hatte sie seine Gestalt um
faßt, hatte sie gesehen, daß seine Klei
dung nicht die eines Einbrechers war,
daß fein Gesicht einen intelligenten.
aber ängstlichen, diisteren Ausdruck
hatte. Da tam eine plötzliche, ganz
unmotivirte Ruhe über sie; sie tastete
nach dem Tisch —- — ein Streichholz
flammte auf, bald darauf brannte die
Kerze. —- — Der Mann an dem
Tische machte eine Bewegung, als ob
er vorüber hinstürzen wollte, dann
hielt er sich mlihfam fest und nur die
Augen leuchteten seltsam starr aus
dem leichenhaft bleichen Gesicht, als
helene seht hochaufgerichtet vor ihn
M"
hintratt »Was —- — —- was —?«
brachte sie rniihsarn hervor, und es
war ihr, als sei es gar nicht ste, die
das Wort sprach, so dumpf und fern
tlang ihr ihre eigene Stimme. Wort
los sahen sie sich eine Weile an, er
mit scheuern Blick, sie prüfend und
fragend. »
Plötzlich tönte es von der Wand her, -
murmelnd, wie ein erstickter Tour
»Bei-seiden Sie mir —· — —«
Sie antwortete nicht, sondern blickte
ihn noch immer schweigend an. Jede
Furcht, jede Bangigkeit war von ihr
gewichen. Sie fühlte nur das Son
derbare, das Ungewöhnliche des Au
genblicks, und in ihrer Seele regte sich
etwas wie Neugierde, wie ein Inter-;
esse fiir das Problem. das da leben-I
dig, bleich und voll tiefster Verlegensj
heit dor ihr stand. :
»Sie haben sich in der Thiir ge-.
irrt?« fragte sie endlich, scheinbar
gleichgültig.
ff»Nein,'· antwortete er leise, aber«
e t.
Ueberrascht hob sie den Kopf. Ei
nige Selunden herrschte wieder tiefe
Stille. Dann sagte er langsam, in
seinem bisherigen dumpfen Ton: »Ich
wollte Sie beftehlen.«
»Mich —- bestehlen?« wiederholte
sie mechanisch.
»Nicht gerade Sie, wer se eben war,
der hier wohnte. Jch wußte es nicht.
Jch sehte voraus, daß ich etwas fin
den würde. Und einige Augenblicke,
nachdem ich gekommen war, öffneten
Sie schon die Thür. Jch flüchtete
mich ins Nebenzimmer, versteckte mich
und wartete, bis ich glaubte, daß Sie
schliefen.u
»Warum sagen Sie mir das?«
fragte sie nach einer lleinen Pause·
» ch weisz es nicht« antwortete er
mit mattem Ton. »Ich glaubte, ich
muß es sagen. Ja —- — ich wollte
ftehlen ——— — aber ——- — ich bin lein
Dieb —- —— ich habe es nie gethan —
—- Verzeihen Sie daß ich Sie er
fchreclt habe —- —. Wenn Sie ietzt
Leute rufen wollen und mich der Po
lizei übergeben — —- —
»Nein, « sagte sie ruhig gehen Sie.«
Er löste sich langsam von der Wand
los und machte eine Bewegung, als
wollte er in das anstoßende Zimmer
schreiten, dem Ausgange zu.
Da regte sich plötzlich etwas in ihr,
etwas ihr Unverstandliche5, etwas wie
Mitgefiihl, und ohne daß sie es hem
men lonnte, fragte sie rasch: »Wenn
Sie es noch nie gethan haben ---- wa
rum — —— warum? — —— —-—?«
Er blieb stehen und wandte den
Kopf ab. »Die Noth,« sagte er leise,
»Dies ——— —-— oter Selbftmord!« s--—!«
»Aber —« wandte sie ein
Er lehnte wieder miide an ter
Wand·
»Ja, ich weiß, wenn ich auch nicht
genommen habe, bin ich trotzdem ein
—- — ——« er unterbrach sich, fuhr
aber langsam fort: »Ich wohne hier
in diesem Hotel seit drei Tagen. Ich
wollte hier mit einem Freunde zusam
mentreffen, der mir geholfen hätte.
Da telegraphirte er, daß er nicht tom
men tönne. Und jett bin ich ohne
Geld —- -—— —- ohne Ausweg —- —
-—— ich tann mein hotel nicht bezah
len — —nicht weiterreisen —- —— —
«
:verloren, so oder so —- —
J Sie betrachtete ihn jetzt noch schär
sfer Seine Kleidung verrieth den
Mann der besseren Stände, sein blei
ches Gesicht trug den Ausdruck eines
gebildeten Menschen. Jn ihrem her
zen trampfte sich etwas zusammen.
»Was sind Sie? Welchen Be
ruf —?« fragte sie plöhlich
Tanenieurf antwortete er.
hne Stelle —- —"— ohne Beschäf
tigung —?« fuhr sie fort.
»ch habe mich in der lesiten Zeit
mit einer Erfindung beschäftigt, alles,
was ich hatte, ging drauf —- — ich
hoffte — —- mein Freund —- —«
»Und sieben Sie denn allein da —
— ohne andere hilse —- —- Eltern —
l--— Verwandte2«
»Allein —-— —— ganz allein!·'
Sie erhob sich von ihrem Sitz und
schritt an ihm vorbei zum Fenster.
Eine Weile blickte sie hinaus in die
dunlle Nacht. Aus der Ferne tönte
das Rauschen des erregten Meeres
und der Regen schlug an die Scheiben,
Tropfen unt Tropfen. Und dorthin
zum wildschiiumenden Meere mußte
der Mensch hinaus, der jetzt hinter ihr
stand, hinaus, urn nie mehr zu den
Lebenden zurückzulehren —- — —
oder zum Verbrecher werden —« —
«Nein, es dars nicht sein,« sagte sie
sich. »Ein ich nicht auch einsam und
verlassen, wie er» —- — —— nur, daß
ich nicht Noth leide. Und wenn mein
Reichthuni nicht wäre?« »- —— Sie
dachte den Gedanlen nicht zu Ende.
»Sie werden jetzt gehen?« fragte sie,
ohne den Kopf nach ihm zu wenden.
Er antwortete nicht; sie hörte nur,
wie sein Körper sich regte.
»Wohin?« fragte sie wieder rasch
und sast schroff.
Er blieb stehen und blickte zu Bo
den.
»Es ist doch alles vorbei, es ist doch
alles gleichgültkgf murmelte er.
»Und Jhre irsindung2 Jhre Zu
lunst?«
Er machte eine Geberde verzweifel
ter Restgnation.
»Zukunfts« wie ein Echo hörte es
sich an. so leise sprach er. »Wenn ich
nicht ein Ende mache —- — morgen
läßt mich der Hotelier oerhasten —
—- ich tann ja nicht zahlen —- -—- also
lieber das Ende.«
Sie blickte ihn an, als wollte ki
feine Gedanken hinter feiner Stirn e
sen. Der-tin agte sie langam, mit ei
ner gewissen rockenheit, als wollte sie
zeigen, dafz ihr Gefühl nicht dabei be
theiligt ei: »Ja — —- vielleicht wäre
es etwas —- ——. Jch habe ein gewis
ses Interesse an Erfindungen s- —
gerade an den Erfindungen, die auf
diesem Gebiete gemacht werden —- —
ich möchte Jhnen helfen —- ——— ich
meine natürlich —- — ich will Sie
aus Jhrer Lage befreien, um Jhnen
die Vollendung Jhrer Aufgabe zu er
möglichen ——« —-.«
Ein dumpfer Schrei, ein unartitu
lirter Ton, daß sie zusammenfchrat.
Jm nächsten.Moment lag ein Körper
neben ihr, in sich zusammengebrochen,
wei stände hielen ihre Hand und sie
fühlte, wie Thräne um Thriine da
rauf fiel. «
»Stehen Sie auf.« sagte sie er
schüttert und ganz leise. Sie machte
ihre Hand frei und entfernte sich et
was von ihm. Sie fühlte, wie ihr et
was vom Herzen in die Kehle stieg,
wie sich etwas Feuchtes in ihr Auge
drängte, was sie nicht zeigen wollte.
Nun huchte sie zur Thür, öffnete
sie leise, blickte hinaus und schloß sie
rasch wieder-.
»Sie miissen jetzt gehen,« sagte sie
fast befehlend. »Und tommen Sie
morgen Vormittag wieder —- ——- —
morgen Vormittag —- — ——."
» Die Thiir fiel hinter ihm zu. He
lene horchte auf seine sich entfernenden
Schritte.
z Plötzlich griff sie mit einer unwill
Htiirlichen Bewegung an ihr Herz —
sEs klopfte in seltsam raschen Schlä
iaen —- — schneller — —- als es seit
langem gellopft hatte.
Die beiden Alten.
Jni trauten Stäbchen beiin Lampen
fchein
Sitzen zwei Alte ganz allein;
Still ist es iniZininier,und immer nur
Hört man das Ticken der alten Uhr.
Die haben die beiden als hausrath
bekommen,
Als sie sich einander zu Gatten genom
men;
Nun ist sie auch alt geworden init
ihnen,
Muß aber noch immer wie früher
dienen,
Und inan ihnen rille Stunden sagen,
Wieviel die Glocke liat geschlagen.
Die beiden Alten wollen eben
Nach ilirein Lager sich begeben,
Da sprach die Frau halb fiir sich hin:
Mir ist«-I tieut wunderlich zu Sinn;
Mir ist«-» als sollten wir alte Leute
Noch etwas Schöne-·- erfntiren deute.
So plauderten tie beiden noch ein
Stück
Und dachten an frühere Zeiten zurück.
Wohl früher war-J nicht so still um
sie her,
Da spielten auch Kinder und lärinten
gar sehr,
Und freudig schauten die Eltern zu,
Geboten nur selten den Kleinen Ruh!
Diesinder wuchsen und wurden groß,
Dann rissen sie von der Heiinath sich
.. los
Und zogen in alle Winde hinaus
Doch später lehrten sie wieder wohl
ein
Zur Freude von Vater und Mütter
lein,
Und brachten ihr eigenes Ehegeinahl
Und endlich der Enkel stattliche Zahl;
Und judelnden Herzens die Alten be
dachten
Welch Glück doch die lieben Kleinen
brachten.
Doch auch die Enkel wuchsen heran,
Aue jedem Knaben ward wieder ein
Mann,
Und aus derMiidchen lieblichenSchoiit
Da wählte sich einer vor einem Jahr
Die« älteste zu seinem Bräutcheii sich
aus
Und fiilirte fie heim in das eigene
Haus. —
So ließen die Alten die früheren
Zeiten
An ihrer Seele vorübergleitem —
Auf einmal erllang die Glocke hell,
Und als sie die Thüre geöffnet schnell,
Sollt’ eine Dedefche sie belehren,
Daß sie nun Urgroßelterii wären.
Da reinsten die zitternden blinde sie
falten,
Und Dasteöthränen weinten die Al
ten.
Guido Franke.
speiset-Zeus des sorgen-.
landes.
Uebertetzt von Roda Roda.
So viel ein Menfch fich fett-et
täuscht« tann ihn ein anderer nicht
taufchen.
Zuerst vergessen die Vergeßlichen
ihre Sönden.
Du magst noch fd oft ,,Hani " fa
fekås davon wird dir das Man nicht
u . «
Jininek hätt man die Gleichgefinm
tne fiik die Atiigften
Du magst mit deinen guten Thaten
die Welt erfüllen — ein böses Maul
tannft du damit nicht ftopfcn. ·
Der Kluge forat mit dem Herzen «
und tacht tnit dem Mund.
Das Gefchent öffnet die Thüre,
und die Liebe tritt ein.
Setz die Zunge gefangen, ehe fie
dich gefangen sein« «