Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, June 30, 1905, Sweiter Theil., Image 11

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    Wem-r Hchrkibkhrikk von
Tini- Hunkstmgei.
IIQIUI USE-sys
No 161. Die
Herrlichkeit mit
den Philipp
sein Bahsspiele
is schon im
wet. Er hot
ausgefunne,
daß die Frau
nach alle
menschliche Be
rechnunge die
Ienige Prson is, wo ole Pose anyen
soll un wo also auch den Bahs in die
Fämilli spiele soll. Jch muß sage, ich
hen die Tschehnsch ganz gut gegliche
un es is der Philipp, wo mein Hos
band is, wo zuerscht eingesehn hoi,
daß er als Bahs e Fehlier is. Die
Kid3, —- osf Kohrs sin die wioder da
Lor zu blehme gewese -— hen den Phil
as Lewe sauer gemacht. Die sm so
brav gewese, daß er e Schehm war,
owwer blos, for baß se von ihren Pa
alle Dag ihre Pennies kriegt hen. Er
hoi se doch geprammißt, daß jeder je
den Dag an den er sich behehfe deht,
soviel Pennies kriege deht, wie er
Jahre alt wär. Den Weg is der Phil
jeden Dag so ebaut siwwwerzig Cents
los geworde un das hot er off Kohrs
auch ntt gegliche. er is auch eschehmt
gewese, e Rieoorkschen zu mache un do
hot er zu mich gesagt: »Seh, Lizzie,
hot er gesagt, was duhn die Buwe en
nihau mit den Geld mache, wo ich se
gewwe duhnT Ei dont noh, hen ich
ch gesagt un ich muß osfe gestehn, ge
wunnert hen ich mich auch, was se mit
den viele Geld anfange. Jch hen ja
doch gewißt, daß se tein Saluhn frie
twente duhn. Well, ich hen mein Meind
ussgemacht, daß ich emol e wenig ihr
watsche wollt. Wenn die Schul aus
gekosse«hot, dann hen se immer gleich
ihr Hohmwerk gemacht, bikahs daß
is en Pakt von den Egriment gewese.
Dann fm se awwer los geschowe un
ich hen se nit mehr gesehn, bis es Zeit
sor Sopper war. Die Buioe hen im
mer so pehl geguckt un ich hen schon
gedenkt, se deine sich an die Stritt zu
viel erkseite. Well, wie se den Tag,
wo ich mit den Philipp den That ge
habt den. aus den Haus sort sin, do
sin ich e Distenz hinner se drin. Do
hen ich genohtiszt, daß se mit e ganze
Latt annere Vuwe in den Rendiestohr
sin. Aha, hen ich gedenkt, das is wo
g ihr Geld spende un die nicksnutzige
uwe duhn mich nie nit emol e Sti:
ckelche Kendie heim bringe. Jch hen
mich dann in en Dohrweh geheid un
hen gewatscht dis se toidder autseit
komme sin. Dann is die ganze Gang
widder reduhr nach unser Haus gange
un ich hen gesehn, wie se von die rier
Seit in den Bahrn geschniett sin.
Ich hen jetzt Den Phii gesagt was ich
ausgesunne hen un der hot sich e
Stevvliidder geholt un hot die an das
Windoh von den Bahrn gestellt; dann
is er enuss gekleimt un liot inseit ges
lupcht un in e Sectend is er widder
erunner komme un hot gesagt: Lizzie,
tch.will, daß du auch emol gucke duhst.
To hen ich awwer gesagt, wag fällt
dich ein, denkst du ich tleime die Lad
der enuff? O, well, hot er gesagt,
es is teine Dednscher. Wann du
" willst dann halt ich die Lädder vor
dich. Rosser, hen ich gesagt, ich tleime
nur unner die Kandischen enuss, wann
du inseit das Haus gehn dudst. Wie
du willst, hot er gesagt un is fort.
sort. Dann sin ich die Lädder enuff
gekleimt un wie ich in das Windoh
gucke, do hen ich puttinier die Fitz
kriegt un ich hen mich sesthalte misse,
sonst wär ich erunner gefalle. Denke
Se nur emol an, do hen so edaut
suszehn Kids, unsere osf Kohrg da
dei, gesosse un hen Sickeretts ge
schmohtti Well, ich hen siwwe mol
gucte müsse, bisohr daß ich ’s hen glau
we könne« Dann fin ich awwer wie
der Blitz die Lädder erunner gesaust,
sin in das Haus un hen zu den Phrl
gesagt: »Phil, hen ich gesagt, do muß
ehbes geschehn. Das is so, hat er ge
sagt, un ich weiß auch, was. Dann
is er autseit gange, bot die Hohs an
den Heidrandt angeschtuht un hot ge
sagt, wann er wissele deht, dann sollt
ch das Wasser antörne. Dann hot
er die Rierdoht von den Baden ge
lackt. mitaus das; die Kids eddes ge
noihißt hen un is dann die Lädber
widder enuff geileiint. Ich hen ihn
die Hohg gerietfcht un er bot se dorch
das Fenster in den Babrn gesteckt·
Dann hoi er gewisselt un ich hen das
Wasser angetörnL Do hätte se aw
wer emol e Gehaller böte solle! Die
Buwe hen geiriiche, als wann se bei
lewendigem Leib gerohstei wern debie.
Nach so ebaui zehn Minute, hot der
Phil widdet gewissem ich hen das
Wasser qeitappt un er bot die Buben
dobr ussgemacht un bot eins nach das
annere autieit aclosse. So wie eins
eraug komme is, do bot ers getäckelt
un botg verschmisse, daß die Lappe ge
floge sin. Er hoi gar nickö drum gew
we, ob es seine Kids ware, oder annere
Leut ihre, er bot immer dtuss ge
schmisse un wie er ferzebn Kids ge
habt bot, do hoi er aeitappt un bot ge
denkt das wäre se all. Er bot awwer
doch ein gemißi gehabt. Der Bennie,
wo wahrscheini so e Fiehiing gehabt
bot, daß ihn ebbes unangenehmes hab
pene deht, bot sich in den Bahrn ge
heid un bot gewari bis der Sirum
voeiwwer gezer war, dann bot er sich
fortgeschnieki un wie et später ins
hau- toenme is, do hot er geäclt, als
wann er gar ntt in die Kraut gewese
un gar nit wißt, was bassirt wär.
Well, sei Schmiß hat er doch kriegt un
dann hot der Phil sich hingelegt un
hot geschlosse. Er war inteierlie aus
ge leht un do hen ich ihn auch schlose
lo e. Awwer wie er usfgeweckt ig, do
hätte Se emol ebbes erliewe könne!
Schie wiß, was hot er die Buwe dann
tahlt! Wei die Feger hen do ge
tanne un hen gebriillt wie die Stiere.
Er hot sie den Reiot Aectt vorgelese
un hot gesagt, daß se von jetzt an tein
Pennie mehr kriege dehte un daß se
jeden Obend die schrecklichste Licken
triege dehte, wann ich nor das aller
geringfte zu tomplehne hätt. »Ich will
iwtverhaupt gar nicks mehr mit Euch
zu duhn hen un von heut an habt Jhr
eiere Ma widder zu meinde un zu ge
horche, blos zu das Spänke duhn ich
tende, hot er gesagt un Ihr müßt selbst
sage, daß ich do drin en Suckzeß sin.«
Dann hot et sich mit e seieklicheg Ge
sicht an mich gewandt un sagt: »Lizzie,
ich bitte dich, nemm du widder das
Männetschment von die Fämmillie in
die Hand du tannst«s doch am beste;
awwer wann du Esistenz brauche duhst,
dann kahl an mich.« Damit war die
Sach gesettelt un ich sin jetzt widder
der Bahs von die Färnniillie, wie’s
auch sein soll.
Mit beste Riegards Yours
Lizzie Hansstengei.
-————-· --.--——
Eine SegekyachtiWettfahrt.
Die Wettfahrt über den Ozean utn
den Kaiserpokal hat mit dem Siege
der »Atlantic«, des besten amerikani
schen Schiffes, geendet, die deutsche
Yacht »Han1burg« ist als zweite, um
einen Tag später, an’s Ziel gekommen,
hat aber den Record des »Endymion«
m einer früheren Wettsahrt um acht
zehn Stunden überboten. Die elf
theilnehmenden Fahrzeuge waren vor
ihrer Abfahrt folgendermaßen charak
terisirt worden: Fleur de th, das
kleinste Schiff der Wettfahrt, hat
kaum große Aussicht; Endhmion, als
vorzügliche Yacht berühmt und sollte,
bei jedem Wetter, unter den Ersten
fein; Ailsa, bei starker Brise und
nicht allzu hohem Seegang wird von
dieser die beste Leistung erwartet;
Hildegarde, verspricht ute Leistung;
Hamburg, einzige deut che acht der
Wettfahrt, wird bei leichter rise und
müßigem Seegang als gesährlichster
Concurrent erwartet; Atlantic, das
neueste und modernste Schiff unter
den Theilnehmern. Bei starkem Wind
und Seegang besonders augsichtgvollz
Sunbeam, bekannt durch seineWelt
umsegelungen, hat als Rennyacht
kaum irgend welche Aussichten;
Thistle, ein vorzügliches-, starkes See
schiff, aber nicht allzu schnell, daher
nur bei sehr starkem Winde für den
Sieg in Betracht kommend; Utowana,
bat von den großen Yachten die mei
sten Aussichten, bei auch nur halbem
Winde und ntäßigem Seegang hat sie
Beste-z geleistet; Apache braucht star
ken Wind, hat bei dieser Jahreszeit
daher wenig Aussicht; Walhalla, je
schlechter das Wetter, desto besser die
Aussichten, da sie durch ihre Größe
selbst bei stärtftun Sturm mit mäßi
ger Schnelligkeit fegelfühig ist.
Größe und Takelung der roncurri
renden Schiffe war sehr ungleich.
Eine Yacht ist alg Vollschiff, eine als
Bart getakelt, drei sind Animosi
3choner, vier zweimaftige Schoner
und eine trägt YawlsBeseglung. Die
älteste Yacht ist 1.874 erbaut, eine
MAS, sechs sind in den neunziaer
Jahren entstanden und zwei sind
Kinder der neuesten (,eit· Sechs sind
Stahlhachten, vier sind im Kompositi
System erbaut und nur eine ist eine
reine Holzhacht; fünf von ihnen sind
tnit Hülfsmaschinen ausgerüstet, die
aber selbstverständlich für diese Fahrt
außer Dienst gestellt werden mußten.
Die Wettfahrt hat besonders deß
halb großes Interesse erregt, weil hier
nicht die üblichen Rennmaschinen in"5
Spiel tanten, sondern für aktuelle
Seefahrt berechnete Schiffe, deren
Werth von der Bauart und Leitung
abhängt. Es ist viel darüber gespro
chen worden« fchrieb vor der Fahrt die
deutsche Zeitschrift ,,Wasfersport«, daß
eine vierzehn Tage andauernde Wett
fahrt tein eigentliches Rennen sei, und
daß ihre Ergebnisse in den seltensten
Fällen sich völlig eintvandfreix lten
könnten; dazu seien die Yachtex .. .
einander zu ungleich und die Vetter
lage spiele eine zu große Rolle. Es
läßt sich natürlich nicht leugnen, daß
diese Einwände ihre gewisse Berechti
gung haben, aber darf man denn eine
solche WeltnteersWettfahrt überhaupt
in Vergleich stellen mit einem Rennen
über 30 oder 50 Meilen? Hat eine
solche Wettsahrt nicht ihren eigenen
Maßstab, mit dent sie gemessen wer
den muß, und ist sie nicht in aller
-erster Reihe ein Prüfstein für seemän
nische, navigatorische Fähigkeit des
Führers und die Ausdauer und Tüch
tigkeit der Mannschafti Kommt nicht
die Seetiichti keit der Yacht, die Güte
ihrer Ausriitung in weit höherem
Maße zur Geltung als bei einem
vier- oder fünfstündigen Schnellig
keitsvetaleich?
Aus deutscher Seite hatte man
große Hosxnungen aus die »Hamburg«
aesetzt, an dieser Seite setzte man den
Sieg der ,,Atlantic« voraus, die ja
auch in der oben angegebenen Liste
von vornherein die beste Censur hatte.
Natürlich sreut uns der Erfolg, das
Be te aber ist der durch die Wettsahrt
aeleserte Beweis, daß das Interesse
an der Segelschissahrt noch unter den
seesahrenden Nationen lebendig ist
und die übern-te nde Maschine die
seemännische Tit tigteit alter Tradi
tion noch nicht verdrängt hat.
Stromanfwärtz.
Stizze von Herrnine Villinger.
Jn einer schönen Sommernacht,
Der Mond spiegelte fieh in dem-stille
fließenden Wasser, trieben zwei schwer
mit Frucht beladene Boote langsamJ
ftromaufwärts. Am Steuer des einen!
Schiffes stand ein Weib; drei Män-’
ner trieben den Kahn vorne mit dem
Bootshaten weiter. Lange schont
schaute die Frau dein schwer arbei
tenden Mann drüben im anderenl
Boote zu; der nur von einem zweiten
Sch« · r unterftützt,sein Boot trotz
dem m gleicher Linie mit dem ihrigen
hielt. Beide, Mann und Frau, wa
ren durch die hohe Fruchiladung von
den übrigen Männern getrennt. Au
fzer dem leisen Geplätscher des Waf
ers war nichts zu hören, als das
eitweilige Aufbellen der Hunde, die
mit löblichem Eifer immer wieder die
Länge ihrer Boote maßen, entweder
Ien Mond oder sich gegenseitig an
öellend Der auf dem Boote der Frau
Var ein gut gehaltener weißer Spitz,
Ier andere sah aus wie ein Hallunte
tnter den Vierfiißlern.
»Mutter," rief plötzlich eine helle
Knabenstimmr. »ich mag nicht schla
en — ich hör’ was singen —- ganz
ein, wie Engel im Himmel singen —
ausch’ einmal, Muttert« Der Bur
sche kam aus der Kajiite gelaufen in
Hemd und Höslein und schmiegte sich
an die Mutter an, mit erhobenem
Zeigefinger sie zum Ausmerken mah
nend. Sie that ihm den Willen, in
dem sie sich zu ihm niederiauerte, sei
1en blonden Fion gegen ihre Schulter
drückend. Nun vernahm auch sie’s,
sin leises, wunderfeines Singen.
»Wie die Englein —« sliisterte der
Knabe, und sie nickte.
,,Bede,« rief sie den Mann drüben
rn, »habt Jht ein Kind bei Euch?"
»Ja, ja," erwiderte er. den Boots
halen abstoßend
»Was Jhr sagt,« wunderte sich die;
Frau, »nie hab’ ich wag davon ge-i
sehen!« T
,,.5«i«ommt auch nur des Nachts her
Ius,« sagte der Manu.
»Ist s ein Junge?« :
Er schüttelte den Kopf. »Die Mut
ter hat ihm gefehlt, nun ist’s scheu
vie eine Wildente.«
,,(Euch geht’g wohl besonders
"chwer?«
»Faulheit macht trank.«
»Zu stramm taugt auch nicht«
Nach ein paar Minuten, denn er
zielt nicht einen Augenblick mit der
Urbeit inne, meinte er:
»Geht eben alles draus, seit die
krau todt verstehn’s nicht mit der
Drdnung der Bruder und ich.«
»Ja, ja, ledige YJtänner sind übel
)ran, erklärte die Frau
.(Fuch ist auch der Mann gestor
ern « tönte es herüber.
Sie nictte: »Unsereian weiß sich
besser zu helfen, zwar hat man seine
Noth mit den Leuten, aber meinen
Buben weiss ich doch lieber mit mir,
als mit dem Maria«
,,«J.ltöchtet Ihr nicht wieder heira—
vthen?" fragte er.
»Nicht um die Welt,« erwiderte sie.
,,Mich—- -— zum Beispiel?«
Sie schüttelte den stopi »Ich hab-J
setzt gut, viel besser als früher, mein
Mann hat mich schlecht behandelt.
Zwei Mal fällt einer nicht in dieselbe
Grube. Jch hattf schon vielmals wie
der heirathen können, auch einen Rei
then.«
Der drüben fühlte sich geschlagen;»
er warf noch einen kurzen betrübten
Blick·in die offen stehende Kajiite, aus
der ihm die trostloseste Unordnung
entgegen starrte, dann stiefz er seinen
Haken von Neuem ins Wasser.
Jn diesem Augenblick ertönte daz
feine Fiinderftirnmchen wieder hell in
die Nacht hinein, und sich rasch vor
beugend schaute de Frau eifrig aus-,
i mdie kleine Sängerin zu entdecken.
»Wollt ihr mir·5 nicht einsiial her
holen!« rief sie nach vergeblichein Su E
rhen dem Mann zu l
Er zuckte die Achseln und meinte
den Boote-baten hinlegend: ,,Wird
schwer halten. «
Alsdann ging er nach der andern
Seite des Bootes längs der Frachtl
hin· Als gedenke er eine Taube ein I
»zufangen, mit ausgestreckter Hand
und borgebeugtem Oberkörver näherte
er sich dem Kind, das aus dem Randei
des Kahne-H saß, die Fäßchen inss
Wasser hing und mit ein paar Korn l
ähren in die Luft schlug. Es hörtei
den Vater nicht, da es sang, und deri
i
l
l
l
griff fchnell zu und bielt’s nun hin
ten am Röckchen hoch in die Luft. So
brachte er den zappelnden Vogel her-«
bei und reichte ihn der Frau, ohne ein s
Wort zu sagen, hinüber. Sie fing
das Kind auf und der Mann ging:
wieder an die Arbeit s
Das laute Geschrei der Kleinen
weckte den Buben auf, der Sin kam
wie von Sinnen den Fruchtberg her
untergerast und bellte das ihm ims
höchsten Grade verdächtig erfcheinende
Geschöpf wüthend an; die Frau aber
ergriff den erften Lappen, dessen sie
habhaft werden konnte, tauchte ihn ins
Wasser und fuhr damit dem Kinde
einige Male kräftig über’s Gesicht.
Sauber waren nur. dessen rosiae Füß
chen, die offenbar allein des Vorzugs
s
genossen, mit dem Wasser in Berüh
rung zu kommen.
Drüben der Köter des anderen
Kahnes befand sich unterdessen im
Zustand vollkommener Rathlosigleit.
Seiner Seele war die Verantwortung
für das Schiff eingeprägt, nun ex
aber seinen kleinen Gefährten ins
Nachbarboot wandern sah, war sein
Jnneres so getheilt, daß er laut aus
beulend, bald die Vorderpfoten in’s
Wasser hing, bald sie wieder zurück
zog. Den Ausschlag gab das Betra
gen des Spitz; das Kind hatte sich von
den Armen der Frau frei gemacht,
und eh’ sich’s diese versah, hockte es
droben aus den Aehren. Spitz aber
verfolgte den Flüchtling mit wüthen
dem Gebell, und dieg vermochte der
Köter drüben nicht anzusehen. Er
sprang ins Wasser, schwamm hinüber
und kam gerade recht, um gegen den
Buben, der auch hinausgetlettert war,
seine ganze Wuth zu Lehren; denn
dies saubere, ordentlich gekleidete Kind
erschien dem an Lumpen und Schmutz
Gewohnten gerade so verdächtig, wie
dem Spitz das schmutzige Geschöpflein.
So war siir’5 Erste von da oben
weiter nichts zu hören als wüthendes
HundegebelL Die Frau stand mit
dem Rücken gegen das Steuer und
streckte sich ein wenig, um die kleinen
Gestalten im Auge zu behalten. End
lich brachte der Bube den aufgebrach
ten Spisz zuin Schweigen, stieß dann
das Mädchen, welches ihn mit großen
dunklen Augen anstarrte, ein wenig
mit dem Fuß und meinte: "
»Du, sag’ auch deinem Hund, er
soll still sein!«
Die Kleine schlang mit einer ener
gischen Geberde den Arm um das
Thier, und dieses senkte sofort, sanft
wie ein Lamm, die Schnauze.
»Das sieht man Euerm Kind an,
daß ihm die Mutter fehlt«, rief die
Frau zu dem Mann hinüber; »du
lieber Gott im Himmel!« —
»Wollt ihr?« fragte er schnell auf
blickend.
Sie gab ihm keine Antwort, fon
dern wandte wieder ihr Jnteresfe den
Kindern zu.
,,Sind meine Sternlein, die da in
mein Wasser fallen«, hörte sie das
lleine Mädchen mit seinem Silber
stimmchen behaupten.
»Aber das Wasser gehört ja dem
lieben Gott«, schrie der Bube.
»Nein, mir«, lautete die Entgeg
nung.
»Bist du dumm, wenn du nicht
einmal weißt, daß alles auf der Welt
dem lieben Gott gehört«, ereiferte sich
der Bursche, »tannft du denn nicht
beten?«
»Nein«, sagte es, »du?«
»O ja, und wenn du mir sagst, wie
man so singt, dann sag’ ich dir, wie
man zum lieben Gott betet, hernach
bist du nicht mehr dumm«
Der Mann und die Frau wechsel
ten einen kurzen Blick mit einander,
dann schaute sie ernsthaft in’5 Wasser,
wie jemand, der mit allerlei Gedan
ken zu Rathe geht.
Oben war es inzwischen ganz still
geworden, ein leiser Luftzug erhob sich,
vom Ufer verliindete eine Dorfglocke
Mitternacht Die Frau holte ein Tuch
aus der Kaiiite und stieg damit hinauf
zu den Kindern, die Beide in süßer
Ruhe lagen. Sie deckte siezu, traute
dem Kisten der knurrte, hinter den Oh
ren und strich dann das rothe wilde
Gelock aus des Mägdleins Stirne, um
es näher zu besehen. Seine unendliche
Zartheit sprach ihr mit Gewalt zum
Herzen, und iiber die Kinder gebeugt,
winkte sie dem Mann hinunter, und die
halblauten Worte trafen sein Ohr:
»Ich will, Bede,«
Er nickte, sein froh aufleuchtender
Blick streifte eine Selunde lang den
Sternenhimmel, dann schob er weiter,
denn es durfte nicht nachgelassen wer
den mit der Arbeit, wenn er Seite
an Seite mit dein Boot bleiben wollte,
das jetzt seine ganze Zukunft trug.
Aus ver hear-leichtste.
Jn der starlgfcbule durften die
Schüler ani Sonntag die Weste nur
mit drei Stnöpfen schließen, um das
Jabot breit heraus-stehen zu lassen;
in der Woche mufiten sie vier stuijpfe
an der Weste schließen. Die pu such
tigen unter den jungen Leuten nöpf
ten aber auch an den Schultagen nur
Drei zu und freuten sich iiber den
coeitausgelegteu Busenstreif Einst
wurde Schillng Nebenniann von dem
Vorgesetzten Offizier darüber Zurecht
gewiesen und entschuldigte sich mit
dem Vorgehen der Knopf sei zufällig
aufgesprungen An anderen Tage
war Sonntag; Schiller hatte gedichtet
nnd tarn unbekümmert um die inilis
tarische Regel init geschlossener Weste
II r Parade· Hauptmann Schweden
becher machte ein finsteres Gesicht.
«Schiller!« ( - »Herr Haitpttnaiin?'
-« »Was ist heut fiir ein Tag?«
s- Sonntag« »Mit wieviel
åenöpf ist das Gilet am Sonntag ge
schlossen?« »Hm -—— mit drei « —
,Wieviel hat Er zu? —- »Jch?- —
Eins -—— zwei —- drei -— vier« —
,Wie kommt dar-TM -,,Ah —- 's ischt
mir einer zugesprunge!«
—
Die Fleischpteise hätten sich die
Rassen als Muster nehmen sollen,
denn die rücken immer vor und be
haupten das Feld
Die sausen des Semeles-.
Die europäische Säule des Herku
les ist vielen modernen Menschenkin
dern bekannt. Hier halten die aller
meisten Postdampfer, die durch die
Straße von Gibraltar gehen, und so
haben die von New York nach Genua
oder von irgend einem englischen
oder deutschen Hasen nach Indien,
China oder Australien fahrenden Rei
senden Gelegenheit, den englischen s
IFels zu betrachten und sich in dem "
kleinen Park an seinem Fuße zu er
gehen. Weniger bekannt aber ist der
afrikanische Bruder des europäischen
Boraebirges, und von meinen Lesern
«werden wohl keine drei jemals in
Ceuta gewesen sein. Dabei ist es,
wenn man einmal in Gibraltar ist,
Hur nicht schwer, nach der anderen
Sejle biniiber zu kommen; denn jede
Stunde geht derDampser von Gibral
tar nach Algeciras, und jeden Tag
geht er von Algeciras nach Ceuta. Die
Fahrt von Europa nach Afrika dauert
etwa zwei Stunden, und man kann
ganz gut am nämlichen Abend wieder
nach Europa zurückkehren
Ich selbst bin auf einem Umwege
nach Ceuta gekommen, nämlich von
der Landseite her, nachdem ich beinahe
vierzehn Tage lang in Tetuan spa
zieren gegangen war und mit der Ein
richtung einer unverfälscht waurischen
Stadt gründliche Bekanntschaft ge
macht hatte. Von Tetuan kann man
bequem in einem Tage nach Ceuta
reiten; aber die Sache ist doch nicht
so einfach: Erstens muß man einen
Führer haben, weil es nichts gibt,
das einem Wege ähnlich sähe; zwei
tens muß man einen Soldaten mit
nehmen —nicht damit er uns durch
Waffengewalt gegen die Straßenräu
ber schütze, sondern weil nur die Ge
genwart eines Soldaten den Sultan
von Marotto zur Entschädigung ver
pflichtet, falls man angefallen und
ausgeraubt wird. Und eben weil die
Regierung andernfalls keine Verant
wortung hat, wird man beim Reisen
ohne militärische Bedeckung sicherlich
überfallen. Dieses Mal war mein-·
Beschützer ein noch nicht fünfzig Jahre
alter, munterer Bursche, der wahr
haft kriegerisch und furchterregend
aussah. Der Umstand, daß er nur
ein einziges Auge besaß, erhöhte noch
diesen Eindruck. Außerdem aber
hatte er eine über die Maßen lange
maurische Flinte, welche beim Reiten
durch die engen Gassen die Häuser aus
beiden Seiten streifte, quer vor sich
auf den Knieen liegen, und diese ent«
setzliche Waffe schien sehr geeignet,
etwaigen bösen Gelüste-n von Wegela
gerern ein schnelleg Ende zu machet-«
Zwar stat sie in einem tausendfach
ireuz und quer mit Bindfaden um
wundenen Futteral, so daß ihr schuß
fertigeg Heraus-wickeln sicherlkh eine
gute Viertelstunde gedauert hätte,
aber dag schadete um so weniger-, als
sie, wie ich mich überzeugte, eingela
den war.
Der Kriegsmann ritt an derspitze,
ich und die Rausmannsgüter nahmen
die Mitte ein, und mein Führer Mo
hammed bewachte die Nachhut. So
kamen wir nach einem ziemlich schar
fen Ritt von etwa sechs Stunden an
einen tleinen Bach, der an der Stelle,
wo er sich ins Meer ergießt und eine
tiefe Schlucht in die hohen Berge ge
wühlt hat, die Grenze zwischen dem
Kaiserreich und dem spanischen Besitz
bildet. Den Spaniern gehört nämlich
nicht nur ein einziger, streng vom
übrigen Lande abgeschnittener Felsen,
wie es mit der englischen Festung aus
der anderen Seite der Meerenge der
Fall ist, sondern außerhalb der Fest
ung Ceuta gehört noch ein nicht unbe
nächtliches-, obschon natürlich durch
aug werthloseg Stück Land zu ihrem
sogenannten Presidio Dieser spani
sche Besitz wird durch eine ganze Kette
fester Blockhäuser gekennzeichnet, die
sich überall aus den Hiihen zeigen und
denen die Mauren in löblichem Nach
ahmungstrieb ebensoviel Wachtthürtne
auf ihrer Seite gegenübergestellt ha
ben. Wie Gibraltar ist Ceuta ein
durchaus nur militärischer Besitz ohne
jede Bedeutung für den Handel seiner
Eigenthümer.
Wenn man von der Landseite in
die Festung Genta einriictt, sieht die
Sache weit gefährlicher ang, als wenn
man vom Bahnhof in die Stadt Metz
gebt. Da tommt man iiver drei oder
vier Gräben und Briielen, unter drei
oder vier dicken Wällen durch, und
der Weg geht immer zickzack nnd
trunnn in erstaunlichen Windungen
zwischen himmelbohen Mauern hin.
Es wird einem gani angst bei diesem
(5-«nzuge, und damit die Sache noch
lefssp wirke, wird man gleich bei dem
Thore des äußersten Walles von einer
Schaar bis an die Zähne bewaffnetcr
spanischer Soldaten angehalten und
um den Paß befragt. Dem mauris
schen Kriegsmann, den ich von Te
jtuan mitgebracht hatte, war schon an
idem Grenzbache sein gefährlicheg
lSchießgewehr abgenommen worden,
» damit er nicht am Ende in der Nacht
mit Hilfe dieses Wertzeugeg die Gar-«
nison von Ceuta überrumpele. Davon
abgesehen aber, verlangte man nichts
von ihm, und er sowohl alg auch
! mein Führer durften ungehindert ein
.ziehen, während man vvn mir einen
vom spanischen Konsul in Tanger vi
slrten Paß verlangte.
Bislang war ich der irrigen Ansicht
gewesen, Jnschriften auf öffentlichen
Gebäuden seien dazu da, Inn gelesen
zu werden. Das scheint aber ein rech
ter Ziviliftenirrthum zu sein, dessen
Thorheit tn einer militärischen Nie
derlassung wie Ceuta fchnell darge
than wird. Die Stadt Ceuta zieht
sich in einigen Häuserreihen am Hafen
hin, und etwa in der Mitte der Ha
fenprornenade hat man einen freien
Man mit einem Garten anaelegh
Mitten in diesem öffentlichen Garten
steht ein Denkmal für die im feldzug
von 1895X60 in Marokto e allenen
spanischen Soldaten, währen sich auf
der einen Seite des Platzes eine wohl
zweihundert Jahre-alte Kirche und
ihr gegenüber ein um hundert Jahre
älterer Thurm erhebt. Solche Alter
thiimer zu beschauen, hielt ich, nach
dem ich meinen Paß abgeliefert und
mich als ungefährlich ausgewiesen
hatte, für mein gutes Touristenrecht:
also trat ich an diesen Thurm heran
und entdeckte da eine lateinische Jn
schrift, welche besagte, daß irgend ein
spanischer Hidalgo aus irgend einem
Grunde hier in Ceuta irgend etwas
im Jahre 1574 gethan hat. Mehr als
diese Jahreszahl konnte ich mir nicht
merken, denn ehe ich mit dem Entzi -
fern der Jnschrift sehr weit gekommen
war, hörte ich ein lautes Schreien
hinter mir und bemerkte beim Um
schauen mit beträchtlichem Herzklo
pfen, daß zwei mit Schieß- und Stich
waffen vollständig ausgerüstete spani
sche Landsknechte eilenden Schrittes
auf mich loslanien Das Herz fiel
mir in die Hosen, meine Kniee schwi
terten. Aber nach einer halben Se
tunde gewann der mir eingeborene
Heldenmuth die Oberhand. Jch be
schloß, wie ein-Mann zu sterben, dem
Tode muthig ins Auge zu schauen,
und schritt den Kriegsleuten entgegen
wie ein Held.
Als die beiden meine Coura c be
merkten, mäßigten sie ihre S ritte,
und dadurch kühn gemacht, schleuderte
ich ihnen die vertoogene Frage ent
gegen: »Que hah?« zu deutsch: »Was
gibt’5?« Darauf erhielt ich die itz
sinnige und militärisch unverständli e
Antwort: »Na se puede mirar aquil"
»Hier darf nicht geguckt werden. « Jch
wiederholte diesen Befehl staunend
und fragend, und etwas barscher
wurde mir nochmals gesagt: »Aqui no
se mira!«
Also ging ich sinnend meines
Weges und grübelte darüber nach,
was in diesem alten Thurme vom
dfahre 1574, der mitten in der Stadt
Nicht und mit den Befestigung-en
nichts zu thun hat, wohl für Heim
lichteiten getrieben werden, und was
in den Stein, den man nicht betra -
ten darf, wohl fiir hochberrätheris e
Worte eingemeißelt sein mögen, die
niemand lesen darf. Von da an
wandle ich in Ceuta herum, ohne die
Augen aufzuschlagen, und selbst wenn
ich ein preußischer Generalstabsoffi
zier wäre, könnte ich über die Befesti
gungen von Ceuta weiter-keine An
deutung-en machen, als daß die schmale
Land-Junge welche den hohen und
steilen Felsenberg mit dem Festlande
verbindet, durch einen tiefen Graben
durchschnitten ist, so daß die Festung
zu einer künstlichen Insel geworden
ist. Von den Thoren, Brücken und
Wällen, die den Zugang auf der
Landseiie verwehren, habe ich oben
schon gesprochen. Sie sind so ver
wickelte-r Natur, daß der gute Onkel
Tobn Shandy und sein braver Kor
Poral Trim an ihnen ihre helle Freude
haben müßten.
Abgesehen von den Befestigungen,
ist Centa ein gewöhnliches südspani
icher Städtchen, das aber bei der An
kunft aus Marotto einen ganz be
sonders reinlichen und ordentlichen
Eindruck macht. Wean man aus dem
mittleren Europa nach Spanien
kommt, so meint Inan, engere,
schmutzigere und schlechter gepflasterte
Gassen, elendere Landstraßen und
mangelhaftere Bestellung des Landes
könne es überhaupt nicht geben. Jn
Marotto aber wird man eines ande
ren belehrt, und nach Maroito sieht
Spanien, das in Ceuta anfängt, seh-c
zivilisirt und tultivirt aus
Halt es schon schwer, nach Ceuta
zu kommen, so wird der Abschied aus
der Festung durchaus nicht leichter
gemacht Den Paß hat der Unter
ofsizier am Thore zurückbehalten.
Will man die Stadt verlassen, so muß
man auf die Fionnnandantur gehen,
seinenPasz fordern und um die Er
laubniß zur Abreise bitten. Man er
hält dann einen Zettel mit der ge
wünschten Erlaubniß, und diesen Zet
tel nebst Paß muß man wiederum
vorzeigen, wenn man das Billett zu
dem naehttllgeciras gehenden Dampfe-:
nimmt. Jm Geschäftgzimmer der
Dampsergesellschaft behält der Ange
stellte den Pasz neuerdings zurück,
nnd erst an Bord gibt der Kapitän
das Dotument endgültig heraus. Lau
ter Geschichten, die man in Frankreich
Shinoiserieg nennt, und deren Da
seingberechtigung mir völlig unklar ist.
Um so untlarer, als man in Gi
braltar nicht dag- geringste von all
diesen Scherereien spürt. Hier darf
man ohne Paß aus- und eingehen,
man darf alte Thiirme betrachten, so
viel man will; die Jnschiisten sind
angebracht, nm gelesen zu werden,
nnd wer die Besestigungen selbst be
sichtigen will, erhält ohne weiteres die
Erlaubniß dazu. Als- ich das letzte
mal in Gibraltar war, kam ich eben
von Ceuta, und der Unterscheid war
so gewaltig und wohlthuend, daß er
mich fast zum begeisterten Freunde der
Engländer gemacht hätte.
Wie es in Gibraltar aussieht, ist
schon so oft geschildert worden, daß
ielk meine Leser damit nicht erniiiden
trill· Nur sei noch als erfreulicher
Gegensatz zu der spanischen Geheim
nißträmerei in Ceuta erwähnt, daß
die Engländer ein ordentliches Ver
gnügen daran zu haben scheinen, die
Fremdlinge in ihren in den x ls e
hauenen Gallerien herumzufii ren, it
Batterien zu zeigen und die Riesen
lanonen bewundern zu lassen. Sie
sind mit Recht so von der Uneinnehrns
barkeit ihrer Felsenseste über eu t,
daß sie von dem Bekanntwerden Tiefes
Dinge nichts fürchten.
Karl Eugen Schmidt.