Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, June 23, 1905, Sweiter Theil., Image 14

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    Um der Mitgift willen.
Original-Roman von Arthur sapp.
» (5. Fortsetzung)
Am ärgerlichsten war es ihm, wenn
die leidende Elara am Abend
rllhzeitig niederlegte und er einsam
im Zimmer siyen mußte, gelan weilt.
unfähig, sich allein zu unter lten.
Die Einsamkeit bedrückte ihn und
machte ihn mselancholifch. Er war nicht
daran Wohnt und wußte nicht, was
beginnen-. Der Gesang erfreute ihn
nicht, wenn Niemand zuhörte. Für sich
allein zu lesen, war ihm ebenfalls lein
Vergnügen. Er war eine gefellige,
heitere Natur und brauchte Anregung
und Gesellschaft Da fiel ihm eines
Tages ein, daß gelegentlich eines Be
suches auf seinem Nachbargut Nitsch
dorf. das einem Rittmeister a· D.,
einem Herrn von Olten gehörte, die ;
Rede gewesen war von Zusammen- s
künften, die die Herren zwei- oderl
dreimal wöchentlich in der Kreisftadt ?
hätten. Da wurde gemüthlich geplan- i
deri, pokulirt und wohl auch ab und!
zu ein kleines Spielchen gemacht, ge- ?
rade wie es die Herren meist in der !
Garnifon zu thun aewohnt aewesen.i
Da hatte er ja gleich, was er
brauchte, Gesellschaft und Zerstreu
ung. Was frmmte seiner jungen
Frau sein Zuhausebleiben, wenn sie
im Schlaszimmer ruhte, während er
allein, iibellaunig, verdrießlich im
Wohnzimmer hockte?
Und so ließ er denn eines Spät
nachmittags anspannen und verab
schiedete sich von Clara heiter, froh
gekannt.
»Adiseu, Kind! Habe allerlei zu be
sorgen in der Stadt. Du wirst mich
ja nicht vermissen, gehst ja doch wohl
zeitig zu Bett. Und ——— beunruhige
«ch nicht, wenn ich etwas spät nach
Hause kommen sollte.«
Jrn Hotsel »K-rvnprinz" traf er in
einem fiir die Herren Gutsbesitzer und
einige Honorationen der Stadt refer
virten Hinterzimrner eine lustige Ge
sellschaft. Man empfing ihn mit un
geheucheltesr, biederer Herzlichkeit. Und
here von Olten, mit dem er als sei
nem nächsten Nachbar bereits etwas
vertrauter geworden, rief ihm mit
einem listigen Augenzwinkern und in
bumoristisch-spotten"dem Ton zu: »Na,
Düringshosen, endlich einmal Urlaub
erhalten? Dachte schon, wir würden
überhaupt auf das Vergnügen ver
zichten müssen, Sie an unserer lusti
gen Taselrunde im »Kranprinzen« be
grüßen zu können. Die gnädige Frau
fusbrFt wohl ein strenges Regiment,
M «
Die Anderen lachten laut und Aer
von Düringshosen biß sich irn Stillen
aus die Lippen. denn es ärgerte ihn,
daß man ihn siir einen Pantoffelbel
den zu halten schien. Doch er ließ sich
einen Verdruß nicht anmerten, son
rn nahm den Scherz mit guter
Miene hin und war bald einer der
Fröhlichsten Er verlebte einen heite
ren, gemütblichen Abendn. Es wurde
gar wacker gezecht, dazu wurde lebhagt
laudert, zumeist über landwirt
christliche Fragen. Zuletzt wurden
Reminiszenzen aus der Militärzeit
ausgekramt und lustige Schnurren er
iihlt, die. je weiter der Abend vor
kchritt desto gewagtere Pointen hat
ten. Es war schon zeanhr, als sich
set auf den Weg machte und erst um
itternacht langte er in Carlshagen
an.
-
Clara schien noch nicht ge schlafen zu I
haben ode·. sein Eintritt hatte sie ge I
weckt. Sie beqriißie ihn freundlichI
und fragte ihn ob er sich gut unter- I
halten habe Freilich, im Stillen
konnte sie sich eines unbehaglichen Ge: I
fühlst nicht erwehren, denn der Wein- :
und Tabalsdunst, den er mit ins
Schlaf-Zimmer brachte, war bei ihrem
leidenden Zustande Gift.
Von da ab fehlte Arel von Dil
ringshofen bei keinem der gewöhnlich
zwischen den Herren verabredeten
bende im »Kronprinzen«. Oft lam
er erst beim Morgengrauen nach
hause und schsleif dann lang in den
Tag hinein, so daß er des Vormit
tags nicht mehr nach dem Feld hinaus
kam. Wenn er erwachte, war er nicht
selten übler Laune. Der Kopf war
ihm wiist und benommen von dem
langen Gelage, und dazu kamen zu
weilen noch Verdruß und Aerger, den
ihm ein Verlust im Kartenspiel berei
tete. Es war dasselbe wie in der
Garnisom das Jeu war eine der;
hauptreize der geselligen Zusammen- «
fünfte. Und so geschah es, daß Aer
gerade ietzt, wo Clara der zartesten
Rücksicht bedurfte, häufig übellaunig,
kurz angebunden und aufbrausend
Mc.
Clara litt im Siillen, doch tain nie
eine Klage über ihre Lippen und nie
ein Vorwurf Sie war eine viel
vornehme Natur« als daß ie
je hatte merken lassen, wie
«. Meterle sie diese häufigen langen
shoesenheiten empfand. So oft er
s : g von ihr verabschiedete um nach
. « · Stadt zu fahren stets zeigte Je
B dieselbe gleichmiithige, freun -
M Tza es aber fühlte sie sich
. .- d und hinfällig Eine
Ums-!- sieckte ihr in allen
« nnd eine dumpfe angänlle
s s - it. W bend
toesianallwlleeM wurde ihr
l nun beisa
brach derDämmetung das Anspannen
befahl, konnte sie sich eines unwillkür
lich klagenden Ausrufes nicht erweh
ren.
»Was hast Du, Schatz?« fragte et
verwundert.
Mit Mühe drängte sie die Thränen
zurück, die ihr körperliches Leiden und
ihr-e seelische Erregung ihr in die Au
gen ttieben. ;
Könnt-est Du heute Yicht einmal
zu Haufe bleiben, Aer? fragte sie
zaghaft, in befcheidenern Ton.
Er runzelte die Stirn. Jhre bit
tende Frage kam «hm sehr ungele en.
»Gönnst Du mer das bischen er
gnügen nicht?« fragte er etwas rauh
zurück.
Sie sah ihn betreten an. und nun
konnte sie die Thränen doch nicht län
ger zurückhalten, die ihr unaufhalt
sam über die blossen Wangen rannen.
Aer von Düringshofen stand wie
aus Kohlen. Gerade heute durfte er
nicht fehlen. Er hatte das letzte Mal
eine größere Summe an Herrn von
Alten verloren. Der Rittmeifter hatte
ihm für heute Revanche versprochen,
und er selbst, er hatte ganz fest zuge
sagt zu kommen. Seine Abwesenheit
würde man gewiß boshaft glossiren,
ihn als Pantoffelhelden verspotten.
Ungeduldig stampfte er mit den
Füßen auf. Claras Thriinen machten
ihn vollends nervös.
· »Bitte, kein-e Szene!« stieß er ärger
lich hervor. »Thränen kann ich nun
gar nicht leiden. Jch bleibe ja nicht
lange-eine oder zwei Stunden. Ge
rade heute habe ich mich durch ein
Versprechen gebunden. Geh’ nur im
mer zu Bett! Das Mädchen kann ja
bei Dir aufbleiben. Adieu!«
Er küßte sie flüchtig auf die Wange
und eilte hinaus.
Aber gerade in dieser Nacht kam er
spät, sehr spät. Freilich hatte er die
Absicht, zeitig aufzubrechen, aber das
Spiel hatte ihn schließlich doch so stark
gefesselt, daß er alles Andere darüber
vergessen hatte. Er war einmal aus
nahmsweise start im Gewinn gewesen
und die Chance hatte er selbstver- .
ständlich wahrnehmen müssen. Alles«
was er ein paar Tage zuvor verloren,
hatte er zurückgewonnen, alles. an
bester Stimmung machte er sich auf
den Heimweg, mit den besten Vor
säßen. Jn der nächsten Zeit wollte er
gar nicht mehr ausfahren, bis Claras
schwere Stunde vorüber war.
Als er das Schlaszimmer betrat,
war noch Licht, obschon der Morgen
dämmerte. Die Borhänge waren dicht
zusammengezogen Und nun auf ein
mal, als er sich eben dem Bett seiner
Frau nähern wollte, ertönte ein dün
nes, kreischendes Stimmchen, wie er es
noch nie in seinem Leben vernommen.
Wie vom Donner rührt. stand er
einen Augenblick till. Und dann
stürzte er zu Clara hin. Todtenblaß
sah ihr Antlitz aus, fast so weiß wie
das Kissen, auf dem ihr Kon matt
ruhte. Groß und gespenstisch leuchte
ten ihre dunklen Augen in dem schmal
gewordenen Gesicht.
Wie zerschmettert sank der große,
starke Mann aus seine Kniee nieder
und wie scharfe, schneidende Messer
drangen die Selbstvorwürfe auf ihn
ein. Während sie litt, in nnsäglichen
Schmerzen sich wand, dem Tode nahe.
von Angstschauern durchrüttelt, hatte
er beim Wein und Kartenspiel geses
sen, getrunken, gelacht unter lärmen
den Freunden. Schmählich hatte esr
seine Pflicht mit Füßen getreten, rück
sichtslos, roh, brutal.
«Clara, liebste Clara!« stammelte
er zerknirscht, voll bitterer Reue,
»kannst Du mir verzeihen?«
Und sein Gesicht« von dem alle
Weinröthe geschwunden war, zuckte
vor tiefster Bewegun . Da traf ein
schaåferljslüsterhauch sein Ohr.
. xe .«
Mit einem Ruck war er in die Höhe
und beugte sich über sie. Von ihrem
bleichen Gesicht strahlte ihm Milde
und verzeihend-e Liebe entgegen.
»Es ist ein Knabe, Aer, einKnabe!«
flüsterte sie und stolze, freudigite Ge
nugthung verklärte ihr Dulderanllitz
wie ein Heiligenschein.
Mit einem Schauer des Entzückens
beugte er sich ganz auf sie hernieder
und küßte sie auf die Stirn. Und dann
nahm er das schneeweiße, mit Bän
dern und Spitzen verzierte Rechtss
sen, in dem das tleine, hilflose Men
schenkind ruhte, vorsichtig in feine
beiden Arme und betrachtete das
rothe, kleine Kinderantlitz, während
ihm die Augen überströmten, stau
nend, überglücklich.
Siebentes Kapitel.
Während hier ein junges Menschen
weien sich zum Licht des Lebens em
porrang, erlosch in der Ferne in Axels
Tfriiheret Garnisvn eine müde Seele
seit immer. Am Tage nach der Ge
burt von Iller und Clarckö Kinde
kam die telegraphifche Raxxchtt Kon
ful Rebfeld war einem laganfall
erlegen.
ZweiTase später nhttl el zur Be
erdigun. ngeo es, von-p
haftes grabn Wenn der Ber
ftprbene auch g ellschaftltche Bezieh
ungen während emer e ten Lebend
jahee nicht mehr unterha ten hatte, so
war er doch durch feine angesehene
geschäftliche Stellung nnd dur die
verschiedenen Ehrenäinter, die er une
gehabt, eine der angesehenstrn und be
kanntesten Persönlichkeiten der Stadt.
Axel reiste noch an demselben Abend
wieder ab. Er ließ sich nicht einmal
die Zeit, seine Kameraden vom Re i
ment im Kasino aufzusuchen il
dem Amtsrath Katienbusch, dem Gat
ten seiner Kousine, und mit dieser
selbst wechselte er nur während des
Begräbnisses ein paar Worte. Es zog
ihn zu Frau und Kind zurück. Beson
ders um Elara war er in Sorge und
das brennende Verlangen, durch liebe
volle, sorgfältigste Pflege wieder gut
zu machen, was er verschuldet, ließ
ihm keine Ruhe. Die Wochen und Mo
nate verstrichen in ruhigem, abwechse
lungsarmem aber löstlichem fried
lichem Siillleben. Clara hatte-Ich
vouig wieder erholt uno auch oer rieine
Reinhold — diesen Namen hatte der
kleine Weltbürger in der Taufe erhal
ten —- gedieh prächtig und erfüllte die
Raume des Herrenhauses von Caris
hagen mit seinems chmetternden Ge
schrei, Reinhold hatte vor Kurzem sein
erstes Lebensjahr vollendet, als eines
Tages eine Gestellungsordre vom Be
zirksiommando einlies. Der Reserve
leutnant, der vor seinem Avancement
zum Premier stand, wurde zu einer
achtwöchentlichen Uebung zu seinem
alten Regiment einberufen.
So glücklich sich auch Axel inCarls
hagen fühlte, die Einberufung« war
ihm doch nichts weniger als unange
nehm. Ein-e kleine Unterbrechung des
stillen eintönigen Landlebens konnte
sicherlich nicht schaden. Sein noch
jugendfrischer, lebhaften heitererSinn
sehnte sich nach ein wenig mehr Ab
wechslung und Aufregung. ch Ge
selligleit, Lärm und nach de trauten
Kreise lieber, fröhlicher Kameraden.
Clara freilich erschrak im Stillen,
»wenn sie es sich auch nicht anmerken
ließ. Aber die Ordre war da, dage
;gen war nichts zu machen. Außerdem
’freute sichsAxel auf das Avancement.
»Es blieb ihr nichts übrig, als sich mit
guter Miene in die Trennung n
fügen. Jhr blieb ja Reinhold, der ie
viel in Anspruch nahm und sie reich
lich beschäftigte Da würden ihr die
Wochen schnell genug vergehen. Aber »
der arme Axell Wie würde er die
Trennung von seinem kleinen Liebling
ertragen? E
Als sie ein paar Tage vor dem Ge-:
stellungstermin diesem Gedanken Aus
druck gab, zeigte Arel anfangs ein be
troffenes Gesicht und starrte eine Wei
le nachdenklich zu Boden. Plötzlich
aber leuchtete auf seinem Gesicht der
Wiederschein eines befreienden Ent
schlusses.
.Weißt Du. Schatz« rief er in sei
ner frischen, munteren Weise, »wir
trennen uns überhaupt nicht. Wir
bleiben alle drei hübsch beisammen.«
»Aber wenn Du doch fort mußt!«
»Freilich muß ich fort. Aber was
hindert Euch, mit mir zu kommen?
Tante Rehfelo wird unj schon siir die
acht Wochen Obdach geben. Meinst
Du nicht?«
Auch in Clara schlug anfangs die
Freude jäh auf.
»Ach ja! Wie schön! Gewiß, das
ist das Allerbeste!«
Aber wunderbar, je näher der Tag
heranrückte, da sie von dem stillen,
friedlichen, ihr so lieb gewordenen
Carlhagen scheiden sollte, desto mehr
verringerte sich ihre Freude und ihre
Luft. Jm Gegentheil, ganz sonder
bar unruhig und beklommen wurde
ihr zu Muthe. Eine unbestimmte
Furcht ergriff sie, wie die Ahnung von
allerlei Ungemach, das ihrer in der
fernen Stadt wartete. Wenn sie sich
nicht gescheut hätte, und wenn es ihr
nicht lieblos und rücksichtslos erschie
nen wäre, sie hätte Arel am liebsten
gebeten, sie und Reinhold zu Hause zu
lassen. s
Die Frau Konsul war mit Freuden i
aus Axeks Bitte eingegangen. Es;
war ihr sehr erwünscht, einmal die;
Einsamkeit von Ban « »Sorgensrei« ;
durch jüngeres Voll ein bischen belebt
zu sehen. Und so sidelte denn Arel
an einem schönen Herbsttage mit Cla
ra und dem tleinen Reinhold und in
Begleitung von zwei Dienstmädchen
nach seiner früheren Garnisonsstadt
iiber und nahm in Billa »Sorgensrei«
Jin der oberen Etage, die ihm mit sei
ner kleinen Familie ganz engeräumt
worden war, Quartier.
Während der ersten paar Tage
kam das junge Ehepaar kaum zur Be
sinnung. Da waren so viele Besuche
zu machen bei allen verheiratheten
Osfizieren in der Stadt und bei ei
nigen anderen Familien, die zu dem
Vertehrgtreise der Ossiziere gehör
ten. Fast Alles war noch heim Alten.
Jm Regiment waren wenig Verände
rungen geschehen, nur zwei oder drei
neue Herren waren da und zwei Ver
heirathungen hatten inzwischen statt
gefunden. Aber der gemiithliche ta
nieradschastliche Ton war noch der
alte und Axel fühlte sich vom ersten
Tage an so wohl und vertraut im
Ossizierstorps, als wäre er nie von
ihm geschieden und alt wäre ei noch
heute, was es ihm einst gewesen« die
Familie, die alles ersehtu Eltern und
Geschwister.
Auch sonst war in der Stadt wenig
von Neuerungen zu spüren, nur die
irma J C. Rehseld war in IT
ehseld und Kompagnie umgewandelt
und here Guntermann, der frühere
Prokurist, war als Wgn on in
W maeingetrethie anser ihm
ttwe und dein abwesend-en
Ecken des verstorbenen Konsuls ge
r .
Einer der ersten Besuche des jun
gen Ehepaares galt der Familie Kat
tenbusch. Das herz beö Landwir
thes freute sich in Aer, ais sie« aus
das Plantikowek Gebiet kamen. Es
mußte sür jeden Landwirth ein Ge
nuß sein« zu sehen, in wie musterhaf
tecn Zustande alles war, Aecker. Wie
sen, Forst, und zuletzt der Wirth
schaftshos mit seinen langen Scheu
nen und sauberen Ställen. Der
Amtsrath war als der beste Land
wirth der ganzen Provinz bekannt.
Außer Plantitow, einer großen Be
sitzung von sechstausend Morgen, über
deren Bewirthschaftung Herr Kutten
busch selbst die Oberaufsicht führte,
besaß er noch ein kleines Gut —- Lai
senfließ —- über das er einen Arnnini
strator gesetzt hatte.
Der Amtsratb empfing die Gäste
;nit der ihm eigenen derben Herziich
eit
»Ma, alter Junge," vegruszre er
Aer, der die. Ossiziers - Uniform
trug, ,,’rnal wieder ’n bischen Sol
dat spielen? Wurde Dir wohl hül
lisch langweilig auf Deiner Sand
büchse, dem Carlåhagem wie?« »
Und zu Clara gewandt, der er aus ?
dem Wagen half, setzte er lachend hin- :
zu: »Daß-en da wirklich ein Wunder
vollbracht, gnädige Frau. Begreife
wirklich nicht« wie Sie das Kunststück
fertig gebracht haben, den Bruder
Sausewind da an seine heimathliche
Schalle zu fesseln."
Frau Ada zuckte mit einer Miene
der Jndignation die Achseln, um an
zudeuten, daß sie der Derbheit des
Gatten nicht billige.
I Axel erstaunte, als er seiner Ku
lsine gegenüberstand Sie hatte sich
sin den letzten zwei Jahren aussallend
verändert. Die Ehe schien ihr ausge
zeichnet zu bekommen. Sie war stark
geworden, ihre Büste hatte sich präckp
tig gerundet und das kleine Enbon
hoint, das sich sichtbar martirte, gab
ihr etwas reizvoll Frauenhastes. Auch
in dem Ausdruck der Züge lag etwas
Reises-, Ernstes, das der jungen Frau
in den Augen dessen, der sie nur als
lustiges, übermüthiges, ausgelassenes
junges Mädchen gekannt hatte, einen
neuen Reiz verlieh. Wenn der Zug
um den Mund und der Blick der tier
väs flackernden Augen, in dem ein
Ausdruck von Unruhe, von geheimer
Erwartung und stiller Unzusriedenheit
lag, nicht gewesen wäre, die junge
Frau Amtsrath hätte als der Typus
der zufriedennen, musterhasten Haus
frau gelten können.
Arel reichte seiner Kusine galant
den Arm, während der Amtsrath mit
lara voranschritt.
»Ich mache Dir mein Kompliment,
Ada.« flüsterte Arel seiner Kusine mit
einem Blick aufrichtiger Bewunderung
zu, »Du bist schön geworden —- noch
schöner, wollte ich sagen. Wirklich,
als junges Mädchen warst Du anzie
hend. als junge Frau bist Du gera
dezu« —- er suchte nach einem Aus
druck — »geradezu herückend."
Sie lächelte; der verklärende Schein
inniger Genugthuung glitt über ihr
Gesicht.
.Geh’,«" sagte sie totett. »Ich bin
nicht mehr daran gewöhnt, Schmei
cheleien zu hören.«
»So? Und Dein Gatte, der Dich
anbetet!«
Die Linien um den Mund vertief
ten sich und gaben dem ganzen Gesicht
etwas Bitteres, Spöttisches.
»Seine Schmeicheleien würde ich
ihm gerne erlassen,« versetzte sie hart,
»Du kennst ihn ja. Seine Manieren
und selbst seine Artigkeiten haben alle
etwas -——,« sie stockte einen Moment;
in ihren Mienen trat ein Zug von Ge
ringschätzung hervor, »na, sagen wir:
sie haben alle etwas Rustikale5.«
Er sah ihr erstaunt in’ö Gesicht.
Sein Blick glitt unwillkürlich über
ihre vollen Wangen und über die run
den Konturen ihrer ganzen zur Behä
bigkeit neigenden Gestalt.
Sie guckte mit ihren Schultern und
wars die Lippen auf.
»Konntest Du das glauben?« Sie
deutete mit einer unnachahenlichen
Gebärde verstohlen nach dem ahnungs
los Vorausschreitenden, der eben die
Thür der Veranda öfsnete und seine
Begleiter-in eintreten ließ. «Ja, wenn
das Glück nur in dein guten Essen
und Trinken bestände und in dem
äußeren Luxus!«
· »So? Lebt Jhr denn nicht glück
t l
)
Jn Arel regte sich ein leises Unbe
»hagen. Und um deni Gespräch eine
landete Wenduna zu geben, fragte er:
»Ihr habt wohl viel Verlehr?«
l Sogleich löste ein ziiikiedeneg,
leichtsinniaes Lächeln den ernsten, dü
steren Ausdruck auf dem Gesicht der
Amtsrättpin ab·
»Das ist noch dag- Einzigr. Wenn
das nicht wär’ . . .!«
Sie waren oben auf der Veranda
angelangt und Das kurze, aber in
haltsoolle Gespräch nahm ein Ende-i
Es war eine Flucht von fünf neben-l
einanderliegenden Zimmern, die sichl
den Blicken der Eintretenden eröff
netr. Die Einrichtung war pracht-i
voll und gediegen und legte von demI
Uederfluß des Besitzers beredtes Zeug- Z
niß ab. Eine Erfcischung wurde auf
getragen, man stieß an und eine leb
hafte Unterhaltung war bald im
Gange. Axel jedoch konnte eine ge
wisse Zerstreuthett nicht besiegen.
Ada«i vertrauliche Mittheilungen gin
gen ihm tin Kon herum
Betstphlen beobachtete er das un
gleiche Ehepaar. Der Rastatt-, in
dessen Charakter es nicht la . sich viel
ist-ans aufzuerlegen und eine way-·
seen Gesinnungen und Gefühle zu ver
;bergen, war ohne Zweifel ein sehr
. örtlichen liebevoller Ehegattr. Man
Hfah feinen glänzenden, voll inniger
jGenugthuung strahlenden Augen an,
»daß er auf seine hübsche, junge Frau
stolz war, und daß er noch immer
verliebt in sie war wie ein Bräuti
gam. Freilich, fene Zärtlchleit äußerte
sich nicht immer in zarter Weise.
.Er faßte sene junge Frau plötzlich
zunter das Kinn oder er versetzte ihr
Hmit seiner flachen Hand einen lichtv
lsenden Schlag auf den Rücken. Dem
entsprachen die Namen, die er in über
lirömender Liebe seiner Frau gab,
und-die bald »mein MäusckkM und
Jnoch geschmackvoller bald »mein Nu
ckelchen« lautetm ·
) Wunderbar war, daß Ada das alles
jmit lächelnder Miene hinnahm und
ihrem Gatten freundlich zublinzelte
und zunickte, als wäre sie wer weiß wie
angenehm berührt und erfreut durch
seine ungenirten Liebesbeweisr. Jhr
Gebahren stand so ausfallend im Wi
derspruch mit ihren vorher geäußer
ten Worten, daß Axel innerlich nicht
aus dem Staunen heraustam und sich
irn Stillen den Kopf über die Frage
zerbrach: Heuchelte sie jetzt oder hatte
sie hoher geheucheM
»Na, Diiringshofen,« forderte der
Amtsrath nach einer Weile auf, »nun
lornm’ mal mit, nun lassen wir die
Damen ’n bischen allein. Jch will
Dir mal meine Ställe zeigen. Jch
habe mir ein paar neue Kutschen
pferde angeschafft, die werden Dich in
teressiren. Und auch das andere Vieh
zeug — na, da sollst Du mal etwas
sehen, alter Junge! . .«
»Wie findest Du meinen Mann?«
fragte Frau Ada, als sich die Thiir
hinter den Davongehenden schloß, und
heuchelte eine lächelnde, gutmüthige
Miene.
»Er fcheint rnir ein gerader, ehrli
cher, biederer Charakter«, versetzte Cla
ra, nicht nur aus Höflichleii.
»Ja, das ist er, ein guter, lieber
Kerl und er thut mir, was er mir an
den Augen absehen kann. Mein Gott,
findest Du nicht, die Männer sind im
Grunde so gut und so schwach, so
furchtbar schwer .'«« Sie lächelte leicht
sinnig, ein wenig sriool. »Man muß
nur verstehen, sie bei ihrer Schwäche
zu nehmen. Jch kann meinen Mann
um den lleinen Finger wichtan
(Fortsetzung folgt.)
---—--.-—-———
Unheimliche Erinnerung.
Der Giordana Brand-Bund plant
eine SchillersAngstellung im Biblio
thekgsaale des Berliner Rathhauses,"
welche, nach der außerordentlich regen
Theilnahme von osfiziellen Kreisen,
Korporationen und Privaten iu schlie- ;
ßen, ganz besonders reich und interes
sant ausfallen dürfte.
Neben Wolfgang stirchlsach ist auch
mir, so erzählt Viktor v. Neitzner in
der Täglichen Rundschau, die Leitung
irtsertragen und ich habe in erster Linie
in meiner eigenen Bibliothek Nach
shau gehalten. Bei dieser Gelegen
heit fiel mir ein Schiller-Album in
die Hände, welches Freunde des Dich
ters in der neuen Welt zur hundert
;«a·hrigen Wiederkehr von Schilleer
Geburtstag, iin Jahre 1589, bei
Schäfer ö: Koradi, Philadelphia, her
ausgegeben.
Ohne jedweden Zusammenhang be- »
siridet sich in diesem Bande von einein
Llnonhinus, der W..K. zeichnet, auch
eine Erinnerung an Lenau, die eigen
artig genug ist, um der Vergessenheit
entzogen zu werden. Laßt sich doch
sit-S ihr sogar mit einer gewissen Be
stimmtheit feststellen, daß des Dich
ters Geist schon während seines Aus
trthaltes in Amerika getrübt war.
W. K» der den Herausgebern wohl
als glaubwiirdig bekannt sein mußte,
da sie ja sonst seinen Beitrag, der
doch in einem Schiller geweihten Fest
Land nicht zu suchen hatte, gar nicht
gebracht hätten, schildert nun sein.Er
lebniß mit Lenau folgendermaßen:
Es war ein schöner, talter Herbst
inorgen im November 1832, an wel
ckem vier muthige Pferde mit dem
Postwagen aus dem Städtchen Fade
sick, in Maryland, aus der Straße
nach Hegerstown hintrabten. Indem
Postwagen saßen nur zwei Reisende;
der eine ein schmächtiger, mittelgroßer
Mann mit edlem, ossenern Gesichte,
einer seinen, schönen Stirn, unter
welcher ein feuriges Augenpaar her
rorblitztez der andere, der Schreiber
dieser Zeiten« damals ein neunzehn
iähriger Junge. Der schwarze
Schnurrbart des ersten und das hart
lose. rothwangige Gesicht der- letzteren
ließen deutlich ertennen, daß beide
Reisende Fremde, Neulinge im Lande
der Freiheit seien.
Ein gutes Frühstück, die frische
Ylorgenlust und der Wohlgeruch echter
Havannas Cigatren hatten den Humor
jener Reisenden so sehr gesteigert- dasz
sie in jovialern Ueberrnuthe jedes
Mädchengesicht, dessen sie aus der
Straße ansichtig wurden, ob ihrer
freundlichen Grüße erröthen machten.
So waren die Reisenden nur noch
wenig: Meilen von Frederick entfernt,
als r Wagen vor einem an der
Stra e stehenden einsamen hause
plötl halt machte.
Ein Weib von ungeheuren Dimen
sionen, mit sahtenn schwainrnigem Ge
sicht, trat aus der Thilr und watschelte
dem Pastwa en zu. Der Wo en
stöhnte ais e sich aus dein Mit el
» den sie mit ihrer hutschaehtel vol
lendi aussiillte, utnm und ohne
Guts uniederliek it kräftiger and
W
Exil-:- ges-» Wie-!- »
f Mit fragenden Blicken hatte i den
Dichter Lenau, denn er war der ·ltere
der beiden Reisenden, angeschaut, nnd
auch er schien sich über dieses Unge
heuer in Unterröcken zu entsexem
Endlich stieß er ein: ,,Monstrum or
ribile« aus, das ich mit einem: »Welch
ein Gräuel« erwiderte.
»Was sprecht Jhr dat» tnurrte
uns eine widerliche Stimmesam und
der Kopf der gemästetenGorgowandte
« sich uns zu
Lenau blies die Wolken seiner Ci
garre zum Wagensenster hinaus und
gab leine Antwort, und ich verhielt
»ich gleichfalls still, denn meinen ge
iinaen Vorrath von englischen Phrai
sen hatte das lnurrende Ungethiim m
vclliqe Unordnung gebracht.
»Ihr dürft hier nicht tauche-it·
herrschte uns plötzlich das fette Weib
auf Englisch an. Wir thaten, als ver
itiinden wir sie nicht« doch schnell fuhr
der halbe Leib des Kolosses zum Fen
ster hinaus, und »Halt, Kutscher!«
erllang es nun nach vorte.
Der Wagen hielt, der Kutscher
wollte wissen, was es gäbe, und die
fette Riesin teuchte ihm zu, daß wir
sie mit unserem Rauchen belästigten
nnd ihrem Befehle, die Cigarren weg
zuwerfem tein Gehör schenkten.
»Sie dürfen hier nicht rauchen,
wenn es die Dame belästigt,« —- er
schallte die Stimme vom Kutschon
und wir Armen sahen uns genöthigt,
die lieben Rauchstengel we zuwersen.
fSichtlich verdrossen warf ich Lenau
sin feine Wagenecke, während ich in
fder meinigen die Unholdin ver
wünschte, denn ihrer gelben Gesichts
:sarbe konnte der Tabatrauch unmög
lich Nachtheil bringen.
Wir waren so in tiefstem Schwei
aen wohl eine Viertelstunde weiterge
sahren, als mich Lenau lateinifch an
redete, und mir erllärte, daß er sich
nun verrückt stellen würde. Jch müßte
dem Weibe, falls es überhaupt Fra
gen an mich richtete, sagen, da er
wahnsinnig wäre und auf dem Wee
zum Jrrenhause sei. Jch begriff
zwar nicht sofort, was er damit be
;.vecte, ging aber ohne weiters auf den
Scherz ein«
Einige Minuten später begann Le
nau so eigenthiimlich mit der Zunge
zu fchnalzen, daß sich unsere Quäle
rin ganz verwundert umfah, und als
sie ihm in«g Gesicht blickte, schnitt er
ihr ein so fraßenhasteg Gesicht, daß
sie sich ebenso schnell wieder abwandte.
Ich that nun so, als ob ich ihn mit
ruhigem Wort besänftigte, er aber
schnalite nur um so lauter und pfiff
dazwischen in fo grellen Tönen, daß
sich sogar der Pferdebiindiger verwun
bert umschaute. Da nun aber das
Pfeifen im Postwagen nicht polizei
widrig ist, so ließ uns- unser Dio
inedes ungeschoren.
Trotz meiner gefliisterten Warnun
qen fing Lenau nach einer Weile von
Neuem an und stieß dabei ungariiche
Laute aus-, die selbst dem wilden
Schlachtrus der Jndianer alle Ehre
gemacht hätten.
Die Person auf dem Mittelsiß
wars sich mit einem Ruck auf den
Itiicksitz des Wagens und riß auch die
Entschachtel an sich. —-—— Jsch erinnere
mich nicht mehr, ob sie mich erst freiste.
was es mit dem fremden Herrn iit
eine Bewandtniß habe oder ob ich
ihr ungefragt Austunft ertheilte, je
denfalls fliifterte ich ihr zu, daß der
Lerr zuweilen solche Anfälle habe, die
ihn jedoch nicht im Gerin« ften gemein
gefiihrlich machten, was csie schon da
raus ersehen könne« da man ihn mir,
einem jungen Menschen anvertraute,
der ich ihn jetzt auch in’s Jsrrenhaus
brächte.
Lenau betleidete meine Erzählung
mit Händellatsckxn und Fratzen
scbneiden, wobei es der Frau immer
unheimlicher wurde. Als sie nun
vollends bestätigt sah, daß sie mit
einem Jrrsinniaen in einem Wa en
sei, ließ sie rasch das linle Fenster
herunter, schrie dem Kutscher zu, an
zuhalten, warf ihre Schachtel zur
ichnell aeöfsneten Thiir noch während
dir Fahrt hinaus und wälzte sich ihr,
sobald die Pferde zum Stehen ge
bracht waren, eilends nach.
Lenau ver-beugte sich gegen unseren
Plagegeist aus dem Wagen. grüßte
sie mit hosinännischer Grandezza,
nnd dann erscholl ein Gelächter aus
depPosttutiche, das den homerischen
Helden Freude gemacht hätte. «
Als wir uns umsaben, stand das
entsetzte und entsetzliche Weib mitten
»auf der Landstraße neben ihrer hat
Ischachtel, wir aber griffen nach Stahl
Inn-d Stein, und bald dampften zwei
s frisch angebrannte Cigarren zu beiden
Wagensenstern hinaus.
Zwölf Jahre später, wieder im
Monat November, erhielt ich einen
Brief vom alten Vaterland, in dem
man mir anzeigte, daß Lenau wirklich
wahnsinnig geworden sei und in eine
Jirenanstalt gebracht werden mußte.
Da- iiberlam mich ein tieer Grauen,
denn ich erinnerte mich jenes gemein
samen Abenteuers, und meine Ter
nen flossen fiir den theuren Freund,
dessen herrlicher Geist nun in Wabe
deit umnachtet war.
Wenn es sich damals nicht fchon in
Wirklichkeit um einen lleinen, vor
übergehenden Wahn nnsanfall ban
belte, so liat der Zu all jedenfalls ern
Zeltsames Spiel getr eben.
Manchct ist schon abgestumpft fe
gen den Tabel, aber noch immer ! -
lig für das Lob.
Oft
Ein treffliches Schau’n ist das Jn
Ichschau’n —
O daß eö doch nie unterbliebeL
Das beste Vertraun ist das Selbst
vett rau n,
Selbstlisbt U- schlechteste Liebs