Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, June 16, 1905, Sweiter Theil., Image 11

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    Wim- sklxteibebriek mT «
limi- Imckstkngei. J·
No. 159. —
Wie ich mit
Bällenz von
meine Kids
aus den Zer
kus komme sm
do hen ich so
uniesig gefühlt,
ecksäcktlic, als
wann noch
emol ebbes
hiippene sollt. Sie wisse doch- daß W
zwei Buwe unnig die Siets gekraw
welt ware un jetzt hot’s geherße for
die Buwe zu honte; awwer ei tell juh,
das is kein iesiger Schapp gewese.
Wie mir die Dohr eraus komme sin,
do hen ich osf Kohrs alle Deireckschen
verlore gehabt. Die Buwe, wo doch:
sonst alles ausfinne, die hen auch so
getanne, wie die Ochse. Nach langem;
Suche hot einer e Hohl in den Kön-;
wäß gesunne un hot gesagt, Ma dui
besser duhst emol do enei krahle uns
hallerscht for die Kids; bikahs dui
kannst besser hallern wie mir kenne.;
Jch sin auch in meine Herzensangst
inseit, was bei meine körperliche Kon- j
statuzionalität gar nit so iesig wart
un do is es so dunkle gewese, daß ichs
die Hand nit in Front von meines
Auge gesehn hen. Jch sin immer wei- !
ter getappt und dann sin ich an e;
Dohr komme; ich hen ufsgemacht uns
sin insett, awwer ei tell juh, ich henj
puttinier die Fig kriegt un ich kann;
heut noch nit den Riesen sehn, fort
warum ich nit reit dehr un denn for
Fiehr gestorwe sin. Denke Se nur
emol an, ich sin in den Pahrt von den
Zerkus komme, wo die Ellefants ge
wohnt Wi Wie die genohtißt hen.
daß en Strehnscher in ihren Stall
war, do hätte Se awwer emol en
haul etiewe könne. Wei es hot ge
saunt als wann e Bräßbtind von
siwwe Hunnert Pieses zu gleicher Zeit
ihre Instruments gestimmt hätt! ch
hen nit ausmache könne, ob se or
Mädnesz gehallert hen odder ob sich
die Ellefants gefreut hen, wie se mich
gesehn hen, awwer das hot mich auch
gar nicks ausgemacht. Jch hen mich
ganz klohs die Wahl lang gedrickt un
sin so schluckseziese an e annere Dohr
komme, wo ich enei geschluth sin. Do
is mich’s gewese, als ob ich den Phi
lipp, was mein Hosband is seine
Weus gehört hätt, awwer das war
en Mißtehk: ich sin in den Bahrn ge
wese wo die Kämmels ware! Denke
Se nur emol an, was mich do hätt
bassire könne. Die Viehcher hen so un
verschämt lange Bein, daß se von so
hoch erunner gar nit sehn könne, wo
se hin steppe duhn. Un mit ihre lange
höls könne se iwwerall hinrietsche.
Jch kann Jhne sage, ich sm mehr bei
die Kämmels geschiehrt gewese, als
bei die Cllesants Die Ennemells sin
so klohs zu mich komme, daß ich sor
lauter Schrecke en serchterliche Haller
von mich gewwe hen un do is en Fel
ler komme, wo mich gefragt hot, was
ich denn for Pittiesehks hier bei die
Kömmels suche deht. Jch hen gesagt,
ich deht meine zwei Buwe suche un
do hot der traurige Seckel gesagt: es
wiir immer gut, wann sich der Mensch
gleich an de richtige Platz wende deht,
wann er ebbes suche deht; ich sollt
mich emol e wenig umgucke, mehbie
ich deht meine Buwe hier sinne. Wisse
Se, wann ich an en differente Platz
gewese wiir un der Feller hätt mich so
insoltet, dann hätt ich ihn e gehöriges
Pies von mein Meind gewwe, awwer,
wiss wen-, do war met ganzes Be-·
strebe, so schnell wie möglich aus den
schreckliche Platz zu komme. Jch hen
den Feller gefragt, mich den Weg nach
die Autseit zu zeige. Er hot gesagt,
wann ich noch e wenig hier warte deht,
dann wär ich von selbst autseit, bikahs
der Zerkus deht jetzt erunner genomme
wer'n un die Bahrnö mit die Enimels
wär noch das einzige was stehn deht.
Schuhe genug is jetzt die Dohr usfge
macht worde un all die Biester sm
erausgebracht worde bis schließlich
bieseids mich kein einziges mehr da
war. Do hen ich widder besser ge
siihlt, awwer nur sür e Minntt Wo
wer’n sor Hewwens Sehts meine
Buwe sein? hen ich mich gesraat Jch
hen den ganze Graund abgesucht, aw
wet ich hen se nit sinne könne. Jn
meine größte Verzweiflung sin ich
heim gelaufe, awwer do is tein Mensch
gewese. Dann sen ich zu den Wer-es
weiler un hen mei Unglück ver-zählt
Der hot gesagt, o well, do sollt ich
mich nit weiter truwele, die Vuwe die
dehte widber komme; der Philipp wär
in den Saluhn un ich sollt’5 den ernol
sage. No, no, ben ich gesagt, der ders
nicts davon wisse, der duht mich sonst
sor alles blehme. Ich sin widder sort
gelause nach den Zerkusgraund, ow
wee do ig kein Mensch mehr gewese.
Well, ich hen e schreckliche Nacht ver
bracht; am Morgen do hot mich det
Behtee verzehlt, die Kidg wäre zu den
Mehwahk gonge un hätte in sein Haus
-.eschkose, weil se die Nacht wie se von
s otn Zerkut komme wäre, nit in unser
Deus gelonnt hätte. Den Se schon
emol so ebbet hört! Well, ich hen
hardkie warte k«nne, bis zum Odem-,
dass die Buwe teduhr komme sin; aw
toer Sie ksnne tmatschtnne, tote ich ge
flthkt pen, wie se heim sin komme un
die zwei Kleine, wo ich sot gesucht ge-«
habt hen, nit dabei waret Jetzt hen
ich osf Kohts e lliete Brest for den«
Philipp mache müsse. Der hot usi
schlecht angestellt! Er hot gesagt ich
sollt erscht noch emol die Buwe nach
zziihlq mehbie se wäre doch all bei-—
zsammr. Oss Kohsr hen ich do nit
jdtan gedenkt. Er hot en Kimmel ge
nomme un dann hot er gesagt: »Well,
was könne mer da mache? Jch muß;
Jhne sage, ich hen’s nit gewißt. Wie
mer noch so sin in unser Unglick dai
gesosse hen, is e Telegrämm gebracht!
lwo7cde, das hot gesagt, daß die Zee-’
Itusleut ungefähr zwei Hunnert Meilöl
von hier unsere zwei Buwe gesunne
hätte. Se wäre bei Missier mit an
die Trehn gelade wotde un es sollt Je-,
mand reiteweg komme un sollt se hole."
Well, do hen ich widder glücklich ge
fühlt un ich hen den Philipp mache
gleich mit die nächste Trehn fortzu-;
fahre un die zwei Kids zu hole. Ei«
tell fuh, un wann ich siwwe un zwan-«
zig Butoe hätt dann möcht ich doch
kein davon misse.
Mit beste Riegards
Yours
Lizzie HansstengeL
-——-·—.
Ergrünende und errötende Ge
wasser.
Jn den Frühlings- und Sommer
monaten wird schon mancher an
stehenden Gewtissern eine starke Grün
fiirbung beobachtet haben. Die Er
scheinung bleibt oft wochenlang be
stehen, verschwindet aber gewöhnlich
binnen wenigen Tagen. Wie man
festgestellt hat, rührt diese Ergrünung
in allen Fällen von einer ungeheuren
Vermehrung gewisser Lebewesen her,
die einzeln mit dem bloßen Auge ar
nicht wahrzunehmen sind. Meist feind
es Pflanzen aus der niederstenGrtthe
der Algen und vorzugsweise auch nur
eine bestimmte Art, die vorübergehend
in solcher Massenhaftigleit auftritt.
Es handelt sich hier nicht um die so
genannte Wasserbliithe, bei der sich die
Algen in unmittelbarer Nähe der
Oberfläche des Wassers zusammen
drängen, so daß sie eine rasenartige
Decke bilden. Die gleichförmige Er
griinung des Wassers wird durch an
dere Algenarten erzeugt, die sich durch
alle Schichten des Wassers, soweit das
Sonnenlicht hinabdringt, verbreiten.
Eine solche Alge ist die Chorella out
garis, die winzige Kügelchen darstellt
und in manchen Jahren eine so fabel
hafte Fortpflanzung entwickelt, daß
weit hinaus alle Teiche, Tümpel und
Lachen von ihr mit Beschlag belegt
und grün gefärbt werden. Die gleiche
Erscheinung wird zuweilen auch von
der Carteria rardiformis verursacht,
die durch schöne saftgriine Farbe und
durch den Besitz einer Geißel ausge
zeichnetisi. »
Gelegentlich, aber weit seltener
tritt aus gleichen Ursachen statt einer
Ergrünung eine Röthung des Ge
wässers durch winzige Lebewesen ein«
Sie wurde beispielsweise an einent
Fischleiche in Westsalen in solcher
Stätte beobachtet, daß das Gewässer
blutroth aussah. Die Ursache war in
diesem Falle das Vorhandensein eines
lleinen Geißelalge, die in ungez«iihlten
Milliarden das Wasser durch
schwärmtr. Jn schlecht gereinigten
Fischteichem aus deren Boden sich
Schwefelwasserstoff entwickelt, ver
mehrt sich in ähnlichen Mengen oft
ein balterienartiges Wesen, das
gleichfalls eine grellrothe Farbe lie
sert. Noch wundersame-r nimmt es
sich aus, wenn diese Rothfiirbung so
gar irn Winter unter dem Eis eintritt.
Auch im Ziiricher See ist ähnliches
beobachtet worden, und die Anwohner
bezeichnen das Wasser dann als Bur
gunderblut. Der See wird strecken
weise ganz dunkelroth, als ob große
Mengen Blut hineingeflossen wären.
Auch dort ist eine Alge für das Phä
nomen verantwortlich zu machen.
Japanifche Landschaften
Ein wie geniales Kundfchafteri
flthem die Japaner lange vor der
zeriege in Rußland eingerichtet hat
ten, geht aus einem eigenartige
Wiedersehen hervor, über welches des
ruisifche Arzt Dr.EPftein in einein
Warfchauer Blatt berichtet. SOLpr
ftein war bis zum Ausbruch des Krie
ges ein vielberühmter Arzt in Bialys
stot. Er ging dann freiwillig als
Arzt nach der Mandfchurei und ge
rieth bei Liaohang in japanische Ge
fangenschaft Er wurde dann mit
anderen Kriegsgefangenen nach Ja
pan geschickt und hatte sich am Lan
oungsplahe des Gefangenentrang
ports gerade ein wenig umgesehen, als
ein japanischer Offizier auf ihn zu
trat und thn mit den Worten: »Gu
ten Tag, Doltorl« die Hand entgegen
streckte. Dr. Epftein fchaute den Ja
paner verwundert an, da er sich nicht
entsinnen konnte, ihn jemals gesehen
zu haben. »Sie erkennen mich alfa
nicht?« fuhr der Japaner lächelnd
fort. »Nun, dann will ich Ihren
Gedächtniß etwas nachhelfen. ch war
vor anderthalb Jahren als »«eiden
lxändler« in Bialnftot und habe mich
damals von Ihnen behandeln lassen!«
Jetzt wußte der Arzt, woran er war,
und die alte Freundfchaft wurde bei
einem Glase Reiswein neu besiegelt.
Augengläfer für lurzsichtigeSchaus
fpieler hat in England ein unterneh
mender Optiker erfunden. Die Gla
fer haben so kleine Linsen undf sitzen
fo dicht am Au apfel, daßs te im
Theater laum fi tbar find höchstens
wenn das Rampenlicht anz hell
brennt. Das die beiden L gen ver
bindende Nasensiiicl oder die rücke ift
Idneätt einein fleifchfarbenen Stoff bi
Die beiden packen-.
tiovellette von J. H. R o s n y, Paris.
Autorisirte Unbersetzung von
Wilhelm Thal.
»Lieben Sie alte Porträts?« fragte
Clarence de Biorne »Ich liebe sie lei
denschaftlich, besonders die, die man
’n den alten Häusern der Provinz
indei! —- Wenn ich in irgend einem
verfallenen Schloß oder einem Fami
ienhause aus früheren Jahrhunder
en ein recht ausdrucksvolles Porträt
entdecke, so ist«-Yes mir, als beginne
sine Welt berllungener Dinge vor
sneinem Geiste aufzuleben. Diese Ma
aie — wenn ich so sagen darf —- hat
auch einmal Einfluß auf mein Schick
sal gehabt .....
Die Geschichte liegt um zehn Jahre
zurück. Jeh war damals Junggeselle,
freute mich meiner Freiheit, und wenn
Ich überhaupt an die Ehe dachte, fo
geschah das ganz verschwommen und
unklar, wie man etwa an das Alter
oder an den Tod denkt. Ein Freund,
den ich im Fechtsaal kennen gelernt
und der sich infolge eines Duells, bei
dem ich sein Zeuge gewesen war, an
mich angeschlossen hatte, nahm mich
im Sommer zu feinem Vater mit.
Der Stammsitz der Familie war ein
altes Schloß aus der Zeit Heinrichs
des Zweiter-. Es war noch solide,
sehr geräumig, ziemlich unbehaglich,
etwas feucht und dunkel. Man be
wohnte es übrigens nur im Sommer.
Aber auch dann mußte man heizen,
sobald der Himmel sich bewöllte.
Prachtvolle Wälder, wahre Urwälder
mit allerhand Quellen, Wasserfällen,
Bächen machten die Unannehmlichteit
der alten Behausung wieder wett.
i
Namentlich aber waren es zwei
junge Feen, die hier ihren Zauber
walten ließen. Es waren die Schwe
stern meines Freundes, zwei brünette,
junge Mädchen, die trotz der gleichen
Jäußeren Erscheinung doch ganz ver
" schieden von einander waren. Jn die
ser Einsamkeit wirkte ihr Zauber
lwahrhaft verführerisch. Jch weiß
nicht, welche die reizendere war. Jch
3 empfand in ihrer Nähe ein Gefühl des
Nausches, das nicht Liebe war, aber
doch eine große Aehnlichkeit damit
hatte. Und damals dachte ich zum er
sten Mal an die Ehe.
Und welche sollte ich wählen? Die
eine, die ältere, gefiel mir mehr in den
Stunden der Dämmerung, des Re
gens, des Sturmes. Sie hiesz Clo
tilde und war die dunklere von bei
den. Sie trug eine noch schwerere
Haarfiille, als die andere, ihre Augen
sleuchteten noch tiefer. Der Teint der
sanderen Jrene mit Namen, war zart
’und licht, wie die Oberfläche einer
Perle, und auf ihrem Gesicht spiegel
ten sich alle Eindrücke so rasch und
leicht wechselnd, daß sie beständig ein
neues Wesen zu werden schien.
Die Wochen vergingen. Man lief;
mich nicht fort. Jch war widerstands
los gegen den Zauber, der der Stim:
me, dem Lachen, dem Gange dieser
schönen jungen Mädchen entströmte
Der Gedanke an eine Heirath nahm
festere Gestalt an, doch die Schwie
rigkeit der Wahl erschien mir von Tag
zu Tag größer.
An einem regnerischen Vormittag
hatte ich mich in die Bibliothet bege
ben, wo ich die Bücher aus dem 1(«5.
und 17. Jahrhundert zu durchblättern
liebte. Auf dem Wege von dort ver
irrte ich mich in den weiten Korrido
ren des Schlosses und gerieth an eine
halb vermoderte Thür. Jch öffnete fie»
und sah in dem recht geräumigen Ge: I
mach zwei Porträts an der Wand, die s
meine Neugier reizten. Jch trat nä s
her, um sie zu betrachten und ....l
war wie vom Blitz getroffen Es wo
ren in Rahmen, die wenigstens zwei
Jahrhunderte alt waren, die Bild-r
meiner beiden Feen, zum Sprechen
ähnlich! Nur —- sie waren mindestens
jede fünfzig Jahre alt; die Haare irr
ren weiß, die Schläfen von ganz f«i
nen Runzeln durchzogen die Augen«
verschleiert nnd schmerniiitlsia. llxkll
doch, wie Verschieden war der tiiss
druck, den sie aus mich niacbteni Trotz
Alter und Runzeln besas; Elottlde
ich meine die auf dem Bilde » noli
immer eine Harmonie, eine Armuth
einen Zauber, dnsz sie mein Herz auch
so noch hätte hoher schlagen lass-w
wenn sie mir an einem jener Som
merabende begegnet wäre, die so nu«
zu ihrer jungen Schönheit paßten
Jrene dagegen erschien well, inbl
farblos, kläglich, verfallen, ein way
res menschliches Wract
Jch blieb wohl eine gute bei-e
Stunde in dem entlegenenMausske
und betrachtete das Bildniß jener es
sten Clotilde, die laut Ausschrist im
Jahre 1697 Enguerrande d’«Orciereg
hieß. Dann suchte ich den Weg in die
Bibliothek zurück und vertieste mich
in die alte Ausgabe Pascals.«
»Als ich die beiden Schwestern wie
der sah," fuhr Clarence fort, »erlann
te ich, wie sehr die beiden alten Bilder
zu meinem Herzen gesprochen hatten.
gerne, die mir am vorigen Tone
no ebenso verführerisch wie Clo
tilde erschienen war, war jetzt nur
noch ein hübsches und seines Geschöpf,
während mir ihre Schwester ' als die
Schsnheit und. der Seelenadel in
Person erschien. Schon nach einigen
Tagen ersitllte mich der Gedanke, ich
isnnte verurtheilt sein, fern von ihr
zu leben, mit Entsesen Doch gleich
zeitig drückte mich das Gefühl meiner
Unwiirdigteit zu Boden; es schien mir
fast als ein Verbrechen, daß ich es
wagte, ein so reizbegabtes Geschöpf zu
lieben. Jch wagte nicht, von meiner
Liebe zu ihr zu sprechen; ich hatte
thatsächlich die Empfindung, ich wür
de in ihrer Gegenwart häßlich, genau
wie ich mir dumm und kindisch vor
kam. Und ich fühlte mich erst dann
ein wenig ruhig und glücklich, wenn
ich mich zu dem alten Porträt im
Seitenflügel flüchtete —- was minde
stens täglich drei- bis viermal der
Fall war. Diese Besuche in dem ver
fallenen Zimmer führten übrigens
schließlich die Lösung meines Aben
teuers herbei.
Herr von Orcieres, dessen Arbeits
zimmet auf dem Wege lag, den ich
zurückzulegen hatte, bemerkte schließ
lich meine Wanderungen; eines
Abends, als wir, Clotilde und ich,
gerade frische Luft auf der Terrasse
schöpften, während mein Freund und
Jrene im Salon ein Musikstück spiel
ten, sagte der alte Herr plötzlich mit
liebenswürdige-m Lächeln:
»Ich glaube, unser verehrter Gast
hat unseren Schatz entdeckt Jch
sehe Sie Morgens und Abends in den
Sand ziehen, durch die Korridore
irren ..... «
Wir saßen im Dunkeln. Nur die
ferne Lampe im Salon und die
Sterne des Sommerabends verbreite
ten ein schwaches, milchweißes Licht.
»Es ift wahr,« sagte ich mit einiger
Anstrengung, »ich habe einen Schatz
entdeckt . . . . oder doch wenigstens das
Abbild eines Schatzes und ich
werde nicht müde, es zu betrachten.«
Jch zögerte, ob ich fortfahren sollte;
Clotildes Gesicht hatte sich mir zuge
wendet; mein Herz klopfte so heftig,
daß ich glaubte, man müsse es hören.
,,Nämlich?« fragte mein Wirth.
»Ein Porträt!« versetzte ich und
nahm meinen ganzen Muth zufam
men, um einen möglichst harmlosen
Ton anzuschlagen. »Das Porträt
einer Jhrer Ahnen, Madame Enguer
rande d’Orcieres Hätte ich zu
ihrer Zeit gelebt, ich bin überzeugt, ich
hätte sie wahnsinnig geliebt, und»
nichts hätte mich darüber trösten tön-J
nen, wäre es mir nicht vergönnt,"
meine Tage mit ihr zusammen ver
bringen zu dürfen?«
»So, wirklich?« fragte mein Wirth
mit freundlichem Erstaunen, während
Clotilde den Kopf fenlte.
Es herrschte ein ziemlich langes
Schweigen.
Herr von Orcieres hatte sich erho
ben. Er wandelte auf und ab. Man
fah ihn abwechselnd im Schatten der
hundertjährigen Ulmen verschwinden
oder unter dem freien Himmel auf
tauchen· .
Jn dem Augenblicke, wo er sich am »
anderen Ende der Terrasse eine Ci
sgarre anziindete, fragte mich Clotilde:
»Ist das wahr, was Sie eben mei
nem Vater gesagt haben?«
»So wahr ich Sie vor mir sehe!«
versetzte ich, während ich vor Erwar
tung zitterte.
Ueber ihre Lippen huschte ein Lä
cheln, in dem sich Güte und Schel
merei vereinte; dann fuhr sie fort:
»Es thut Ihnen also fehr leid, daß
Sie nicht iin siebzehnten Jahrhundert
gelebt haben?«
,,Nein,« versetzte ich ganz leise, »ich
bedaure nichts denn ich glaube,
Enguerrande d’Orcieres hätte mich
nicht geliebt und mein Leben wäre
dann nur ein langes Elend gewor
den . .«
»Und ich,« entgegnete sie mit ihrer
frischen Stimme, die mich immer an
das Klingen eines Springbrunnens
erinnerte, »ich glaube gerade das Ge
gentheil!«
Unsere Blicke begegneten sich. Ein
klares nnd fanftes Licht stand in Clo
tildens schönen, dunklen Augen, und
ich las in ihnen, daß die silberfchini
niernde Landschaft, die weiten dunkel
blauen Wälder, die Teiche, das alte
Schloß die erste Stunde eines großen
Glückes meines Schicksals verkünde
.,.1.«
Die Säuletliite.
Eine allerliebste Aneldote macht zur
Zeit die Runde durch die reichgländi
las-en Blätter. Graf chwnski. der
neue streigdirettor des lothringischen
Kreises Bolchen, machte eine Wagen
fahrt durch den Ranton Faltenberg
in Begleitung seines Setretärs. Ein
kleiner Zwischenfall zwang den Kut
scher, die Fahrt siir kurze Zeit zu un
terbrechen. Diese benutzte der Kreis
dir-stor, um in einer nahegele enen
Wirthschaft einen «.»'"4rlungs chluck
zu sich zu nehmen. Er .":stellt zwei
Glas Kirfch ,,vom guten«. Aber die
edle Wirthin bringt nur ein Glas,
stellt es vor den Begleiter des Herrn
Kreigdirettors, den Sekretär, und
bringt die Flasche wortlos an ihren
Platz zurück. »Warum werde ich nicht
bedient?« fragt Herr v. Rzewnski.
»Sie kennen mich wahrscheinlich
nicht« —- ,,-O ja,« ent egnete die
Brave, »ich weiß sehr wo l, wer Sie
sind, aber ich werde mich schwer hüten,
inir eine Strafe zuzuziehen.« Wäh
renddessen öffnete sie eine Schublade
und zog die beriichtiqte Liste der Säu
ser hervor, denen die Wirthe nichts
verabreichen dürfen. Unterfchrieben
war sie vom Kreiödireltor. »Sehen
Sie wohl, daß Sie daran stehen."—
Es kostete einige Mühe, die Frau von
ihrem Jrrthum zu überzeugen.
Pruukschkssc.
So geräumig und elegant auch
viele unserer jetzigen Dampf- und
Segelschiffe sind, so stehen sie
; doch vielleicht an Reichthum und Größe
l den Riesenfchiffen des Alterthnms
Inoch nach. So ließ Ptolemäus Phi
lipatsor, König vonsEgyptem ein Schiff
ngauem das 420 Fuß Länge, 56 Fuß
E reite und 80 Fuß Höhe hatte. Hm
:ten und vorne befanden fich als Zier
srath Figuren von Thieren, die nicht
f weniger als 18 Fuß hoch waren. Die
sMannfchaft bestand aus 40W Rude
rern, 400 Sklaven und 2820 Maiw
fen, war also bedeutend zahlreicher
als auf einem unserer größten Schiffe.
Ein anderes Schiff von minder rie
sigen Dimensionen, Thalamegos ge
nannt und ebenfalls von Ptolemäus
erbaut, war 820 Fuß lang und 45 F.
breit; fein-e Höhe betrug mit Inbe
griff des auf dem Berdeck erbauten
Zeltes 90 Fuß. Es war ein flaches
Schiff für das seichte Gewäffer des
Nils bestimmt und hatte eine majeftä
tifches Ansehen. Das Hinterthseiljvar
mit Zierrathen von außerordentlicher
Schönheit geschmückt; In der Mitte
des Schiffes befanden sich Spersesale
und Zimmer, die mit allem versehen
waren, was der Reichthum nur ersin
nen kann, um die Launen eines uppr
gen Hofes zu befriedigen. « Langs der
Seiten und des Hintertherls lief eine
Gallerie mit zwei Stockwerlem die
untere Gallerie war eine Saulenhalle,
das obere Stockwerk glich einer indi
schen Veranda. In die erste trat man
1durch einen mit Elfenbein und köstli
chem Holze ausgelegten Borsaal, der
mit Säulen umgebene große Saal
war mit Purpursofas versehen und
mit Cedern- Und Cypressenholz geta
felt. Seine 20 Thüren waren mit
Elfenbein eingelegt; die Querbalken
waren vergoldet und der Architrav war
mit den herrlichsten Basreliefs bedeckt;
die Decke von Cedernholz war mit
Gold verziert. Aus den Frauenge
mächern, zu denen ein ebenso prächti
ger Speisesaal gehörte, führte eine
Wendeltreppe zu einer Kapelle der Ve
nus, in welcher eine schöne Marmor
statue dieser Göttin stand. Der Ban
lettsaal wurde von Pseilern von fein
stem indischen Marmor getragen. Se
gel und Tauweri waren purpurrvth
gefärbt.
König Hiero der Zweite von Sym
kus, der viele prächtige Tempel und
andere Gebäude erbauen ließ, besaß
auch großen Geschmack für die Schiffs
bautunst, verband aber das Nützliche
mit dem Greßariigen, denn die mei
sten seiner ungeheuren Schiffe dienten
dem Getreide - Transport. Eines
dieser Schisse wurde unter Leitung des
Archimedes von dem Baumeister Ura
chias von Corinth erbaut. Der Bau
ohne die innere Einrichtung dauerte
ein Jahr. Das Holz, welches dazu
aus den Wäldern des Aetna genom
men wurde, hätte hingereicht, um 80
Galeeren der damals üblichenGröfze zu
bauen. Das Schiff hatte drei Stock
werle; alle Zimmer im mittleren Stock
werke hatten Fußboden, die mit Mo
saittafeln ansgelegt waren, welche aus
kleinen farbigen Steinen bestanden
und Scenen aus der Jliade Homers
darstellten. Jn demselben Stockwerk
befand sich ein Uebungsplatz und Gär
ten mit Pflanzungen, und Lauben aus
Epheu und Weinreben. Zu diesem
Zweck war der Fußboden mit Blei
und irdenen Platten belegt und dann
mit Erde iiberschiittet worden. Sehr
schön war das der Venus geweihte Ge
mach: hier bestand der Fußboden aus
Achat und anderen schönen Steinen;
die Wände und die Decken aus Erwies
senholz, die Thüren aus Elsenbein und
einer wohlriechenden Holzari. Das
ganze Gemach war mit Gemälden,
Bildsäulen u. s. w. kostbar geschmückt
Jn der Bibliothet waren Wände und
Thüren von Buchsbaum; an der Decke
war ein astronomisches Instrument
angebracht, auch an einem Bade fehlte
es nicht; es enthielt u. a. drei Dampf
bäder.
Auf jeder Seite der Wände befan
den sich zehn Pserdestiille. Am Vor
dertheil war ein Wasserbehälter, der
2000 Metreten Trinkwafser enthielt.
Daneben befand sich ein Fischbehälter
mit Sseewasser, um Seesische darin le:
bendig aufzubewahren Auf beiden
Seiten ragten aus den Wänden des
Schiffes Balken hervor, auf welchen
das Holz, das Küchengeriith, die
Miihlen u. s. w. ruhten. Das Schiff
umgaben 8 befestiate Thiirme, 2 auf
dem intertheil und 2 auf jeder Seite.
Jn je em derselben waren zwei Wurf
maschinen und daneben Schieleöcher
angebracht, um auf die feindlichen
Schiffe Steine werfen zu können.
Die Thürme waren mit Steinen
und Wurfaeschossen angefüllt. Auf
dem Verdeck stand eine nach Angabe
des Archimedes versertigte Katapulte,
d. h. ein-e Art ungeheure Armbrust,
welche anderthalb Centner schwere
Steine und 8 Meter lange Ballen in
die Entfernung eines Studiums schoß.
Außerdem gingen, um das Entern zu
erschweren, eiserne Palisaden rings
um das Schiff. Dieser kolossale Bau
hieß anfangs Shratusa; da aber nur
wenig sizilianische Häfen geräumig
genug waren, das Schiff auszuneh
men, so schenkte es Hiero dem König
Ptolemäus Philadelphus von Aegyp
ten und legte ihm den Namen Alexan
dria bei.
Ein anderes Prunkkschiff- von dem
uns Giustina Marchial, die sogenann
te letzte Venetianerin, eine vortreffliche
Beschreibung hinterlassen hat, war der
Bucentoro, das Staatsschiff der Re
publik Venedig und stammte ans den
ersten Zeiten derselben. Dieses reich
veegoldete Schiff diente nicht nur, wie
man oft glaubte, zur Fahrt bei der be
rühmten Ceremonie der Vermählung
mit dem Meere, sondern auch zu ande
ren großen Festlichleiten. Sollte die
Gemahlin eines Dogen feierlich als
Dogaressa getrönt werden, so fuhr sie
aus dem Bucentoro bis zur Vrezza di
S. Marco. Kam ein fremder Gast
nach Venedig und nahm die Gast
freundfchaft derRepublil in Anspruch,
so wurde er mit dem Bucentoro einge
holt, und wenn der Doge jährlich das
Marienfest durch seine Gegenwart ver
herrlichte, so geschah es anfangs mit
dem Bucentoro
Die Gestalt des Schiffes mag- mit
der Zeit gewechselt haben. Urspriing
lich, als noch jeder neue Doge sein Ga
laschiff aus eigenen Mitteln bauen
ließ, dürfte es sich wohl kaum von den
vergoldeten Barten oder Kactoni un
terschieden haben, die später den Do
gen und sein Gefolge bei weniger fei
erlichen Gelegenheiten trugen. Seit
1298 aber, wo die Republik zum er
sten Male verfügte, der Vucentoro sol
le auf Staatskoften gebaut werden,
wurde das Pruntschiff des obersten
Leiters der Republit von S. Marco
mit dem größten Glanz ausgestattet,
und besonders der letzte Bucentoro,
der 1722 aus dem Arsenal hervorging,
galt nach einstimmiger Aussage aller
Augenzeugen als das prachtvollfte
Schiff, das je irgendwo gebaut wur
de. Ueber sechs Jahre hatte der Bau
aedauert.
Nach der vortrefflichen Schilderung,
die uns Giuftina Marchial hinterlas
sen hat, war er 100 Fuß lang, 21
Fuß breit und hatte zwei Verdecke.
Das untere in Form einer Gallerie
mit 26 Rudern an jeder Seite war zur
Aufnahme der Ruderer bestimmt, die
je vier und vier an einem Ruder saßen
und an den beiden Enden des Schifer
zwei Stuben hatten, in denen sie Be
kleidungsstücke ablegen konnten. Au
ßer den Ruderern befanden sich noch
60 andere zur Aushiilfe und 40 Ma
trosen in dem unteren Raum. Das
obere Verdeck bildete einen großen
Saal, der durch eine doppelte Reihe
von Sesseln der Länge nach getheilt
war, sich nach dem Hintertheil des
Schiffes zu, wo das Kabinett des
Dogen mit dem Throne war, noch er
höhte und ein Dach von larmoisinro
them Sammet mit goldenen Fransen,
Tressen und Quasten hatte, das von
einem Ende des Schiffes bis zum an
deren reichte.
Achtunddreißig Fenster gestatteten
zu beiden Seiten des Schiffes freien
Ausblick, und von den fünf Fenstern,
die im Vordertheil des Schiffes ange
bracht waren, diente das mittelste dem
Dogen dazu, den Ring ins Meer zu
werfen. Sämmtliche Fenster waren
mit Vorhängen von karmoisinrother
Seide verziert und hatten anstatt der
Pfosten Karyatiden. Ein langer
Vorhang von tarmoisinrother Seide
mit dem aoldenen gestickten Wappen
der Republit hing auch am Hintertheil
des Schiffes vom Dach des Kabinetts
herab und ließ sein Ende in den Wel
len des Meeres schleppen. Der Doge
selbst saß auf einem sehr reich verzier
ten Stuhl, der im Kabinett am Vor
dertheil des Siffes auf einer Estrade
stand. Ueber ihm schwebte eine von
zwei Liebesaöttern gehaltene hohe
Muschel als Baldachin, und zu beiden
Seiten befanden sich die Statuen der
Stärke und Vorsicht. Nach dem Stuh
le standen die gleichfalls reich verzier
ten Sessel für den Patriarchen, die
Gesandten, die Signvris und die ein
aeladenen vornehmen Fremden, und
zwar so, daß diese die Aussicht auf den
Saal bis zum Vordertheil des Schif
fes hatten, wo sich der Ammiragliv
dell’ Arsenale, der Admiral des Arse
nals, welcher die Fahrt leitete, nebst
den übrigen Admiralen und den
Schildträgern. Trompetern und Kom
niandatoren des Dogen aufhielten.
Die Wände des Kabinetts wie des
Saales waren mit Trophäen, halber
habenen Figuren ans allerlei Schnitz
werk aescbmiiett, welche die Lieblings
beschäftigungen der Venetianer frühe
rer Zeit darstellten. Auf dem Vorder
theil des Schiffes zog die Kolos
salstatue der Gerechtigkeit aller Blicke
auf sich und unter ihr ragten zwei
Schiffsfelmabel hervor, wovon der
obere etwa 14 Fuß lang in einen ge
flügelten Löwen auslief, der untere
kürzere aber das Land sinnbildlich
darstellte und zu beiden Seiten zwei
Grotten zeigte, in denen man die Fi
guren des Po und der Etsch, den bei
den Hauptströmen des venetianischen
Gebietes, erblickte. An den Seiten des
Schiffes stiegen- geflügelte Sirenen
gleichfalls aus dem Meere empor, als
ob sie die wunderbar schön geschni ten
Ruder halten wollten, Und am in
tertheile erblickte man eine nautische
Siegesgöttin und ihre Trophäen. So
onhl von innen wie von außen wa
«ren alle Figuren und Skulpturen bis
aus die 30 Fuß langen Ruder reich
vergoldet, sodaß das ganze Schiff
funkelte, als wäre es aus reinem
Golde.
Kein Wunder, daß der Anblick die
ses Bucentoro die beutegierigen Sol
daten der französischen Republik ver
lockte, sich des Goldes zu bemächti en.
Sie brachten das Schiff aus demälv
fenal an die Jnsel San Giorgio, zo
gen es an’s Land und steckten es, da
sie die Bergoldungen nicht so leicht
ablösen konnten, in Brand.
Dr. A. Setbtn.
» Wenn uns dte Geduld ausgeht,
Wicht uns die Vernunft aus. "