Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, June 02, 1905, Sweiter Theil., Image 12

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    » « Dei-Galgenvogel.
» Damm-re m nur-in nöka
»Dekl- ein prachtvolles Thier!«j
I bewundernd der junge Doktori
M vor dem großen, blanten
Mgetenbauer des Justizraths Be-;
Ist, den et bei guter Laune erhalten
l
sollte, weil er die Absicht hatte, ihn
in nächster Zeit um die Hand seiner
Tochter zu bitten. Denn die beiden
Möbel des Alten galten als gute Par
tien; die dunkle Sage von einer kürz
lich verstorbenen steinreichen Erbtante
konnte nicht so einfach aus der Lust
gegriffen sein.
Und die Belagerung war im besten
Fortgangr. Das Resultat war zwei
elsolxne eine vollständige Kapitala
tion. Ah, Gott sei Dant, dann wur
de er nicht nur die Schulden los, die
ihm ein etwas allzu flottes Studen
tenleben nach und nach ausgehalst hat
te; dann konnte er auch ein bequeme
res, genußfreudigeres Dasein füh
ren.
«Wittlich, ein ganz famoses Exem
plar von einein Papagei!« wiederholte
er.
»Gut mich auch ein Heidengeld ge
tosiet«, erwiderte trocken der Justiz
rath, in dessen vielgefälteten Augen
winteln ein immer sprungbereiter Hu
mor zu lauern schien.
»Was Sie sagen!" bemerkte interess
sitt der junge Arzt. »Aber es läßt sich
denken . . . Spricht er?"
«L-eider mehr, als gut ist, oder we
nigstens rva r!« lachte mit einem
Stich ins Bittere der Alte. ,,Sonst
gär- er mir nicht so theuer gewor
n «
WWw-s—- —-»-»-. --,..- -.-—-.».
Der Doktor sah oerftändnißlos zu
ihm hinüber.
»Ja, das begreifen Sie nicht, obnr
daß ich Jhnen die Geschichte erzähle,
die dazu gehört. Jch darf sie Jhnen
aber nicht erzählen, weit . . . bin . . .
die Weiber sind nun mal so . . . Als
W die Schädigteit einer schrulligen
atten Schachtel eine Schande für die
Väte, die den Schaden davon gehabt
haben!«
Doktor Angerstein horchte betroffen
auf. Was meinte der Justizrath mit
diesen offenbar aus dem Groll und
der Enttäuschung geborenen Wor
ten?
»Gut! nicht so dumm!'« schnarrte
ihn plötzlich eine Stimme an. Er
schrak zusammen, lachte dann aber
) laut aus. Der Papagei hatte es ihm
zugerufen· Und gleich danach kam-Z
hinterher gepoltert: »Vorwärts, vor
wärts, druckse nicht lange!« Und
wieder nach einer Weile: »Na, denn
nicht, altes Heupferd!«
»Das ist ja ein ganz gelungener
Patron!« rief der Doktor. »Wer bat »
ihm denn dieses herrliche Repertoir
beigebracht?«
»Leider wir selbst!« seufzte der Ju
stizratb.
«Leider? Jch finde es riesig amti
fant, bester Herr Justizratb.«
»Ja, Sie! . . . . anen tostet es auch »
ais-ist« brummte der Alte.
Das scheint eine hochinteressante»
Geschichte zu sein« I
»Don-» ja, aber ich fürchte-, Sies
Mundes-us aus. Und dann tätne ichs
in des Teufels Küche bei meiner At-:
tm', sagte zögernd der Justizrath. «
·,,Jch«wiirde mir eher die Zunge ab-’
»Ebrmwort?«
»Ehrenwort !«
»Na, dann passen Sie aus! . . . .
Wir hatten da in der Familie eine
alte Tante, reich, schwerreich sogar,
deren nächste Erben wir waren. Und
obgleich sie sich immer ein bißchen
schrullig hatte, dacht sie selbft wohl
auch nicht anders, als daß wir ihren
geliebten Mammon eines schönen, das
«- heißt traurigen Tages, weil sie ja dann
gestorben war, einsacken würden. Alle
Jahre war sie zu Besuch bei uns und
ließ sich wie eine richtige Erbtante
ver-wähnen Es war ja ganz na
türlich. Das Geld der Tante war
ja unsere Zukunft. Und in sicherer Er
wartung der sich von Jahr zu Jahr
häusenden Moneten lebten wir ziemlich
z sorglos in den Tag hinein. Wozu
i auch sparen? Es war reichlich fiir uns
gesorgt, wenn Tante Malwine einmal
s abdampste· Und über die Sechzig war
sie ja schon gewesen, wie wir heirathe
ten. Sie wurde indessen siebzig und
siinsundsiebzig und blieb rüstig wie
ein Wieselchen. Weiß der Himmel, daß
- ich’s ihr gegönnt habe! Wir hatten ja
keine Noth .....
Als sie ziemlich achtzig ist, spürt sie
M, daß das Alter sich langsam gel
ten-echt Und der Doktor schickt sie
nach Wiesbaden, wo sie sich erholen
soll. Unsere Jüngste muß mit, damit
sie Gesellschaft hat« und ihren Papa
, Nisus sie uns, ,stweil die weite Reise
Zu um ändlich mit einem
j« sZ —Weu Begleiter gewesen wäre.
Wer Papagei war ihr Liebling
« sz W ihr einmal das Leben geret
-- · Messe sie behauptete, und wurde
Will wie ihr Aukapsel von ihr ge
-u Mal-thesi hatte ee einmal
» das Haus alareniet, als sich
eiggeschlichen hatte Immer
es eine tleine heldenthat,
strenan s- «
, W unse
sz Weg-M Odems-meet
W
lange er unser Pensionlir war. Bald
schmeckten ihm die selniisse nicht;
bald ließ er die Wert-Tales in(
Brörkchen auf den Käfigboden fallen; s
bald verschmähte er die Maiökörner,;
»die sein Hauptfutter sein sollten. Da
zu sträubte er das Gefieder und
tauchte alle an, die sich ihm näherten.
Eines Tages, jedenfalls um uns sein
Mißfallen und seine Verachtung bis
zur Eviden zu zeigen, wurde er fo
gar ernstli krank.
»Das Alter,« sagte der Thierarzt.
«Bielleicht auch die ungewohnte Um- l
gebung oder Sehnsucht nach der alten
Dame.« (
Und als ob er’s verstanden hätte»
schnarrte der Papgei verdrießlich, wie
das feine Mode war: »Guten Mor
gen, Tante Malwine!« blin elte uns
noch einmal an und glitt facht von
seiner Stange. Er war todt.
Das war ein schöner Schreck, kann I
ich Jhnen lagen! Das durften wir der l
Tante unmöglich schreiben, die sichj
tagtäglich nach dem Wohlbefinden :
ihres »geliebten Lorchens« erkundigte.
Wir berichteten ihr daher nach wies
dor, wie fidel sich ihr alter Freund
zeige und wie wohl er sich bei uns
fühle; ich aber machte mich mit meiner
Frau auf und fuhr nach Bremen, um
einen Ersahmann für den Verblichei
nen zu schaffen.
Für hundert Mark ließen wir uns-.
de n auch glücklich ein ziemlich ähn
liches Vieh aufhö»ngen, ein unbe-(
fchriebenes Blatt, das überhaupt noch j
nichts sprechen konnte, nach der Ver- l
sichetung des Händlers aber von gu :
tem Auffassungsvermögen sein solltet
Den setzten wir in das leergewordene I
Bauer, behandelten ihn beinahe noch1
aufmerksamer und liehenswürdiger .
wie seinen Vorgänger und pappeltem
ihm mit Geduld. Deutlichkeit und I
Vertrauen aus seine Intelligenz von(
sriih bis spät die süßen Worte oor:;
«Guten Morgen, Tante Maltoine!« j
Besonders ich hatte mich zu seinem ;
Lehrmeister ausgeworfen. Aber ders
Vogel «war ein Stocksisch Er saß!
auf seiner Stange, knabberte Haelq
niisse und gloyte mich halb dämlickH
halb boshaft von der Seite an. —;
Seben Sie, Herr Doktor, so, wie jetzt j
iben wieder. Jst das nun Dummheit l
oder Tücke? Ein vernünftiger Lautl
kam nicht ans seinem Schnabel. Ra- (
tiirlich brachte mich das schließlich in I
den harnrsch Meine Gedirld gings
trotz aller guten Vorsiitze zum Teufel, ;
Und im Zorn sing ich manchmal an,s
ihn auszuschelten »Gott nickt so .
dumms« schkic ich ihn au. »Vorwärts« l
vorwärts, druckse nicht lange! ..·l
Ein-ten Mor-—gen, Ton-te Mal-«
wi—ne!« Und wie ich immer und
immer wieder vergeblich aus das Er- s
wachen seines Auffassungsvermögenös
wartete, ohne je etwas davon zu spü- j
ren, ging ich wohl mit einem kräfti- j
»den «Na, denn nicht, altes Heupferd!'«
loiitbend davon. s
»So-ten Mor—gen, Tau-te
Mal—wi—ne!« schnarrte der Papa
gei in diesem Augenblicke, und es:
klang um so höhnischen als er mit viel
tieferer Stimme hinterdrein schickte:
»Ho! dich der Teufel, altes Biest."
Sehen Sie, lieber Doktor. das war
cuch eine von meinen desperaten Ne- s
densartem die der Halunke damals;
zu hören bekommen hat, ohne zu
modern ’
Als unsere Tante endlich von «
Wiesbaden zurückkam, hatte er noch
reine menschliche Silbe hören lassen,z
so daß wir des Glaubens waren, er
sei taubstumm oder idiotisch.
. Jbre erste Frage natürlich, als sie
aus dem Coupe war. betras Lorchen.
»Frau er sich sehr, daß ich wieder
«komme?" strebt-sie aufgeregt Denn
sie hielt ihr Lorchen sur ein oernunsrs
begabtes Wesen.
»Er ist sehr schweigsarn geworden
in der letzten Zeit,« gab ich dorsichtig
Auskunft
»Ihr habt ihn wohl schlecht behan
delt?« erkundigte sie sich mißtrauiich
woraus ihr meine Frau jedoch die be
ruhigendstcn Versicherungen gab.
« »Es ist wohl die lange Trennung,
die ihn melancholisch gemacht hat,«
weinte Tante Malwine schließlich
»Paßt nur aus, sobald er mich wie
. Versteht, thaut er auch wieder aus und
i redet!«
1»Da kannst du lange warten, liebe
I«,«Tante murmelte ich in den Bart;
jdenn ich wußte nur zu gut, was sür
ein alter Trappist dieser eingeschobene
iBursche war. Aber laut sagte ich
»Wir wollens hossen,
Tantchen!«
; Ein paar Minuten später standen
wir hier im Zimmer. Die Tante hattte
weder Hut noch Reiseamntel abgele
Ihre Erwartung war zu groß. Ztn
bangem Schweigen beobachteten wir
·hre Mienen, um zu merken ob sie den
Betrug entdecken würde oder nicht
[ Ihr Gesicht verrieth nichts von unlieb
samem Erstaunen. Ossenbar hatten
wir einen täuschend ähnlichen Stell
vertreter eingehandelt. Und erlöst
athmeten wir aus.
«Lorchen, mein Liebling, hast du
denn gar kein Willkommen siir Tante
Malwine7« klagte die alte Dame und
zwinkerte den garstigen Vogel halb
wehmüthich halb lächelnd dabei an.
Da «- ich glaubte, mich müsse der
Schlag rühren in dem Moment —- da
that doch der nichtswürdige litnke
wahrhaftig seinen krummen chnabel
aus und sagte, natürlich gern-W in mei
nim TonfallH nicht sodu trunk«
»Aber Lorrheu!"«I schrie die Tante
entsekt und wich natiirljch einen
tt zur lich
IÆMUD vorwärt-, druckse nicht
S« tm STIM- MinÆxgäesKeeE
gMTWMW M Ja i
istva3weiw M«
s ers-: m schien m Schrei-gemer
Iein Einsehen zu haben und Umw
sbeit wieder gutmachen zu wo en. .Cu
ten Mut-gen, Tau-te Mal-wi
ne!" brachte er mit viel Betonung
«l·,ervor, woraus Tante Malwine das
Taschentuch wieder sinken ließ und sich
dem Bauer aufs Neue näherte.
»Hei . er besinnt sicht« sagte sie
cusat end.
Aber da schnarrte er die Tante auch
schon wieder mit einem anderm mei
ner pödagogischen Begleitworte an.
»Ho! dich der Teufel, altes Biest!'·
schrie er mit vorzüglicher Wieder abe
meiner jeweiligen Wuth iiber eine
Bearisssstutzigkeit, und wieder nach
einer Weile, als Tante Malwine ge
rade ntriistet: »Schäme dich, Lora!'«
gesagt hatte: bemerkte er» kurz ange
bunden wie sein ganz an edonnerter
Lehrmeister es öfter aeöu ert batte:
»Na, denn nicht, altes Heurserd!«
Ich hätte ihm den bunten Hals um
drehen können, diesem Satan. »Aber
ich mußte lächeln, kranwsbast lächeln,
um Tante Malwine geaenüber mög
lchst unbefangen Zu erscheinen.
»Sie haben ihm ja schöne Dinge
iseiaebracht!« erklärte sie empört und
sah mich .nit einem Blick an, der mir
das Mart in den Knochen erstarren
n.achte. Weiter keine Silbe.
Alle Versuche, die schreckliche Ge
schichte aufzuklären. schnitt sie kurzer
band ab. Sie wollte nichts mehr von
ans wissen. Noch am selben Tage
seiste sie ab, ohne sich versöhnen zu
lassen, ohne von mir auch nur Abs
sckied genommen zu haben.
Ich schrieb ihr in einem langen
Briefe die ganze Wahrheit Aber sie
glaubte tein Wort davon. Bald da
rnuf starb sie. Jm Testament war
meine Frau als Grbin eingeseßt...
»Ab, also doch!' meinte, horbar er- —
leichte-et, Doktor Angerstein, dem ganz
schwül zu Mutbe geworden war bei
der seltsamen Geschichte.
»Ja, aber mit einer Klar-seh die die
Erbschaft vielleicht illusorisch macht,«
fuhr der Justizrath sort und sah den
Doktor mit einem langen prüfenden
Blick an. »Die Nutznießung des ge
sammten Vermögens ist nämlich aus
vie Dauer von zehn Tahren dem
Thierschutzverein überwie en. Und erst,
wenn wir Loka, die bunte Bestie dort,
während dieser Zeit treulich gebe t
.md gepflegt haben, so daß sie ni t
zu Grunde gebt, gelangen wir in den
Besitz der Hinterlassenschast... Zehn
Jahre sind eine lange Zeit, mein lieber
herr Dottor..· Jch habe mir schon
ein halbes Dutzend Werte über i apa
aeienpflege kommen lassen-« s ist
schauderhast zu lesen, woran so«’n
Krummschnabel alles sterben tann...
Na, und wird aus der angetuschten
Kräbe auch nur einen einzigen Tag
vor dem festgesetzten Termin ein Pa
radiesvogel —- so sind wir so gut und
mischen uns den Mund... Jst das
nun ein iheuerer Vogel oder nicht?«
,,Eine ganz scheußliche Geschichte!«
murmelte Doktor Angerstein. »Zehn
Jahre!«
»Nicht wahrs« Das ist rassinirt!
Wo man ihm am liebsten aus der
« telle den Hals umdrehen möchte!«
stöhnte der Justizrath und wars einen
sinsteren Blick nach dem Vogel hin
nber, der nach einem bösen Lachen sein
.Bortviirtö, vorwärts, druckse nicht
lange!« erschallen ließ, um nach einer
turzen Pause: »Na, denn nicht, altes
Oeupserd!« hinzuzufügen
»Niederträchtig! Ganz niedertriich
trai« sagte topsschiittelnd Doktor An
gerstein und ergriff die nächste Gele
genheit, um sich zu empfehlen.
» Beim Abschied legte der Justizrath
»den Zeigesinger an den Mund. »Sie
« wissen doch . . . ?« mahnte er dabei.
,,Jch reoe hier zu teinem Menschen
darüber.«
»Gut, gut, lieber Freund!... Und
; kommen Sie bald wieder!« —
i Als sich die Thijr hinter ihm ge
ischlossen äffnete sich von der anderen
s Seite die Vortiere, und bie Frau Ju
istizrath erschien aus der Schwelle.
s »Aber Justu5!« rief sie halblaut
and in ziemlich vorwursgoollem Tone.
»Was hast du da sür eine Räuber
geschichte erzählt?«
,,Gar keine Räubergeschichte. Wenn
da aehorcht hast, weißt du ganz ge
nau, daß liis auf das Testament alles
stimmt. Nur die Klausel habe ich er
funden. Wenn der aute Doktor jetzt
wieder kommt, mag die Martha ihn
heirathen Ich aber sage dir, er läßt
sich nicht mehr blicken. Er ist ein
Mitaistjäaer, nichts weiter-i«
»Es wäre traurig, wenn du recht
hättest, Jiistus.«
»Aber ich habe rechts« erklärte er.
»Du wirst iehen!« . .·
Doktor Angerstein blieb in der
That aus. Er war »sehr beschästi «.
Außerdem nahmen ihn vie Töchtergdeö
Herrn Rentierö Grobecker beim Lawn
Tennis und Croauet, so oft es nur
anging, in Anspruch Grobecker war
nämlich ein reichgewordenee Binsen
spekulant.
Schließlich fragte er den Justizrath
manchmal aus der Straße im Bor
iibersebem »Seht ver Galgenvogel
noch « und freute sich, daß er so klug
wesen war, damals dem Alten vie
otale Geschichte zu entlocken».
Erst als Marthu Mr einen ar
men OhmnasiabProsesor heirathete,
isnb der-Alte dem jun Paare eine
ganz köstliche kleine illa als roch
Zitigabe kaufte, kamen ihm a erlei
ehe-ken. - -
Bettviinsehti Da war ee selbst der
Dumme gewesen und nicht der Justiz
rath . . .
Seit ver t fragte er nicht mehr
l v l«.
Wäsdksi . ist-« » »ich i« »
n’ckrt r W ren, da Anna
Giesbeekerth W Doktor Unger
itein gespart-m tvar nnd mit der an
zen Kraft und Mittsichtslosigtrit i res
vorn Bat-er erworbenen Raturells den
Pantossel iiber ihm schwang.
Das Duell.
Novellette von Guh de Teramond.
Das schönste Bin-at unter dem Kai
serreich war das auf der Jnsel Lobau
im Jahre 1809· Zweihunderttausend
Mann. die die Donau auf drei drei
fachen Brücken überschritten,s waren
hier versammelt. Nie war die »grande
Arme-« so vollständigt vereinit ge
wesen. Zum ersten Male seit rco-la.
den Phramiden und Marengo sanden
sich ganze Regimenter wieder. Die
Kantinen wurden von tapferen Sol
daten überfluthet, die sich seit Jahren
aus den Augen verloren hatten und
nun fröhlich aus die unvorhergesehene
Begegnung anstießen. Seit einem
Monat arbeitete die Armee den gan
zen Tag an den Festungswerten der
Jnsel unter der Leitung der Genie
offizietr.
Einer von ihnen bemertte aus einer
Jnspettionsrunde, daß die Gertra
diere sich häufiger ausruhiem als es
ihnen zukam, und machte ihnen dar
über lebhaste Vorwürfe. Diese wie
der hatten nichts Eiliqeres zu thun,
als sich bei ihrem Hauptmann wegen
dieser Vorhaltungen, die sie für un
gerecht hielten, zu beschweren.
Die Jnfanterieoffiziere machten
nicht viel Aufhebens von ihren Kame
raden vom Genietorvsz sie nannten sie
mit einer gewissen Verachtung die
»Herren Problem«; die alten Haude
gen, die sich ihren Rang mühsam auf
den Schlachtfeldern erobert, trugen
für diese GrünscbnabeL die frisch aus
der Polytechnifchen Schule tamen
und sich mit Kompafsen und Karten
herumschlugen. die größte Verachtung
zur Schau·
Der Grenadier - Hauptmann war
also entzückt, daß sich ihm diese Gele
genheit bot, einem Genieofsizier eine
Lettion zu ertheilen, der sich heraus
nahm. seine Leute augzuzanlenx er
lief ihm nach, packte ihm beim Aermel
und rief ihm zorngliihend zu:
»Mein herr. haben Sie sich zu be
haupten erlaubt, meine Soldaten ar
beiten nichts« s
»Mein Herr.« versetzte der andere
tiihL »ich have nur die Wahrheit ge
svrochen.«
«Tausenddonnertwetter, das ist ein
sehr untluges Wort von Ihrer Seite
. . · wissen Sie, daß ich bei Lobi am
Berge That-or, bei Gylau und bei
Friedtand verwundet worden, und ich
jeder Wunde einen Gaan verdante2«
»Das beweist, mein Herr. daß Sie
tapfer find, aber das beweist absolut
nicht« daß Jhre Leute arbeiten!««
»Sie wollen mich verspotten, mein
Herr, nehmen Sie sich in Acht, das-, ich
Jhnen Jhre Scherze nicht in die Kehle
bohre· Doch vorher werde ich Jhnen
zeigen. mit wem Sie es zu thun ha
ben, Sie Retrut.«
Der Hauptmann gab einem Manne
ein Zeichen. der aus feinen Spaten
gelehnt, die Pfeife im Munde, 20
Schritt von ihnen entfernt, die Szene
beobachtete.
»Achtung!'·
Der Grenadier nahm mit kurzer
Bewegung die militärische Stellung
ein.
»Behalte mal Deine Pfeife im
Munde. Drehe Dich nach rechts.
Kopf hoch! Sieh auf diesen Punkt
dort. Jetzt rühr« Dich nicht me r."
Er nahm seine Pistole, zielte einen
Augenblick und schoß dem Raucher die
Pfeife aus dem Munde.
»Bitte, mein herr.«
»Mein herr, ich werde morgen um
8 Uhr zu Jhren Befehlen stehen."
Diese ironische Ruhe brachte den
Kapitiin außer sich; er schäumte vor
Wuth und ries. während ihm die Au
gen aus dem Kopfe traten:
«Mor en, verdammter Geldschna
bel, wi Du todt sein. Um diese
Stunde werde ich bereits Dein herz
verzehrt und Dein Gewissen verdaut
haben. Dann wirft Du sa sehen, wie
meine Geenadiere freudig arbeiten,
wenn sie Dich unter diesen verteu
felten Zestungswällen begraben«
Der Genieosfizier wollte antworten,
als der Sturm, der seit dem Morgen
Sollte, pl« lich zum Anspruch lam.
I war ene wahre Sintfluth, die
von allen Seiten lospeitschte
Diese Douche beschwichtigte den
Zorn des Kapitiini, er war ein
tapferer Mann, aber im Grunde sei
nes Herzens auch ein braver Mann.
»Mein Herr,« sagte er. »Sie kön
nen hier nicht bleiben. Treten Sie in
mein Zelt, dort sind Sie geschützt
Dann können Sie ja gehen.«
»Gut, mein Herr-, ich nehme an.
Aber das wird uns nicht hindern,
uns morgen zu schlagen.«
»hiitte ich Ihnen sonst Obdach an
geboten?« i
Sie flüchteten sich also unter das
Zelt. hier gab es« kaltes Geflügel
und Wein, und beide thaten dem im-(
provisirten Mahle Ehre an. Beim
Essen unterhielten sie sich von Politik
von Strategie und galanten Aben-»
teuern; man hätte sie fitr die bestens
Freunde der Welt halten können. ’
JndeiJen hatte der Regen innige-I
härt, sie erhoben sich und gingen hin-l
aus
«Ej ist it, daß ich in mein BJ
wak zurück ehre,« erklärte der jungei
D zier. «Adieu, mein --herr, undä
an morgen. Doch Sie sollen sich nichts
etwa einbilden« das Sie ei mit einem
W
Ihrer unwiirdigen Gegner zu, ibun
haben « ·
Den Baden mit ihren raschen Flü
geln streifenb, flog eine Schwalbe
vorüber. Er nahm sein Pistol und
lnallie sie mit einem Schusse herunter.
»hm,« sagte der Kapitän, »das ist
recht gut geschossen. Auf morgen,
mein Herr.«
Am nächsten Tage fanden sich die
beiden Männer mit ihren Zeugenan
dem Kampfplatze ein.
»Mein Herr,« sagte der Grenadier
Hauptmann, »lommt Zeit, lonnni
Rath. Ich habe mit eben überlegt,
daß die Pariie zwischen uns nicht
gleich ist«
»Wiefo, mein Herr?«
»Nun, Sie sind llein nnd mager,
ich bin groß und dick. So lange ich
mich für einen besseren Schützen als
Sie hielt, waren die Chancen gleich.
Jetzt da ich Ihnen mit gleichen Wa -
ten eine größere Zielscheibe biete als
Sie mit, liegt die Sache nders. Das
iii nicht kierechi.'«
»Sie haben Recht, aber in welcher
Weile· . .
»Ich habe deshalb daran gedacht,
Abhilfe zu schaffen. Jch werde mich
an diesen Stammhaum lehnen, der
ziemlich dict ist, den wie Sie sehen,
lönnen ihn taurn drei Mann mit
ihren Armen umschlingen. Einer
Ihrer Zeugen wird mit einem Stiiel
Kreide meine Gestalt genau darauf
abzeichnen. Dann werden Sie sich
während unseres Duells vor den
Baum stellen. Wenn meine Kugel
Sie verfehlt und die so marlirte
Oberfläche berührt, so werden Sie sich
als getroffen betrachten.«
Der Vorschlag war in so ernsthf
tern Tone gemacht worden, da der
sklenieosfizier sich nicht ent lten
konnte, in lautes Lachen auszubre
chen, und die vier Zeugen thaten des
gleichen.
Sein Groll war mit einem Male
entschwunden; er war entwasfnet. Er
ging einen Schritt aus seinen Gegner
zu und reichte ihm die hand.
»Morgen,« sagte er, »werden viel
leicht die Kanonen donnern; wir ha
de-! Besseres zu thun, als uns nas
los zu tödten, der Kaiser bedarf un
ser, wollen wir diesen thörichten
Streit vergessen, mein Heuc«
Bewegt trat der alte Kanitiin eben
falls einen Schritt nor, umarmte sei
nen Kameraden und sagte:
»Meinetweg-en; und wenn wir ihn
noch nicht ganz vergessen haben, so
können wir uns ja nach dem Feldzuge
immer noch daran erinnern; derjenige
ron uns, der aus der nächsten
Schlacht mit den wenigsten Wunden
iuriicktornmL wird den anderen urn
Verzeihunr ditten.«
Acht Tage darauf war die Schlacht
le Wagrarn Unter dem Kaiser
lichen Adler stürzten Sachan und
Polen Badenser nnd Spanier Ma
melucken nnd Jtaliener aus den Feind
los-, wie ein riesenhafter Thurm von
Babel, der sich hinter der dreifarbigen
Fahne in Bewegung gesetzt
Doch von den beiden Osfizieren
lam keiner zurück.
—
- P
Eine glückliche Verwechslung.
Geheimrath Anguite war tief nn
gliicilich Den sie tannte von der
Liebt bis jetzt nur das Hangen und
Bangen in ichwebender Pein, das Zu
Todeibetriibt fein, und ihre Seele
hätte doch so gerne himmelhoch ge
jauchzt. Und an diesem Zustand war
einzig und allein der schrnucke Korpo
ral von den Jägern schuld. Er hatte
es ihr mit seiner schneidigen Figur
und seinem stramnien Schnurrlart
angethan, und im Wachen wie im
Träumen war er der Gegenstand
ihrer heißen Sehnsucht· Aber, acht die
Sache hatte einen großen Haient
Denn obwohl Auguste das nettefte,
adretteste Mädchen in der ganzen
Straße war, so blieb der hübsche
Korporal gegen ihre Reize volllom
men unempfindlich Auguste hatte er
gewisz an Aufmunterungen jeder Art
nicht fehlen lassen; aber der Korporal
hatte leine Augen dafür. Als letzte
Zuflucht hatte Auguste einen Liebes
briessteller erwählt und ihrem unifor
mirten Jdeal daraus einen so zärtli
chen und liebegliihenden Brief ges
schrieben, dass selbst ein erloschener
Bullan hätte wieder Feuer sangen
müssen. Aber vergebens. Acht Tage
waren bereits vergangen und der Kor
poral ließ nichts von sich hören. Aber
trotz alledem gab Auguste die Hoff
nung nicht auf. Noch war ihr heimlich
Geliebter ja frei, und einmal mußte
er sein umpanzertes Herz doch der-,
schenlen. Und warum sollte sie die
Glückliche nicht sein? Eine echte Sol
datenbraut muß sich ihren Schatz eben
erobern.
Sie nahm daher eines Morgens ei
nen zweiten rosafarbigen Briesbogen
und suchte aus dem Briefsteller die
Episiel «fiir fabesonders hartnäckige
·lle«. Gewissenhaft malte sie Wort
iir Wort nach und hatte den Brief
bereits ur Hälfte zu Papier gebracht,
als sie raufzen Schritte vernahm.
Die Gniidigek
Rasch packte sie« Brief und Briefstels
ler und toars beides in die Tisch
chublade, doch tonnte sie nicht verhin
rn, dass das scharfe Auge der Ge
heiånräthin ihre Berlegenheit wahr
na ni.
«Was ist nur mit Dir, August-i«
ziirnte diese· »Du hast in der« lenten
Zeit ein so zerfaheenei Wesen. daß
gar nichts mehr mit Dir anzufangen
Si ist bereits halb zehn Uhr nnd
u sitt hier und legsi die Hände in
»den Schuh Was haben wie denn
"heuiei«
Angnsie fuhr rntt dem spen
ipfel iiber die Augen und na rn den
enittalender vom Küchenregab Die
Gnädige schlug ihn auf nnd siudirte
darin.
»Es isi gut.« sagte sie dann und
legte das geöffnete Buch auf Angi
siens Tisch. »Seht-ne je t, daß n
vorwärts kommst, sonst sen wir zu
Mittag ohne Essen « dat« Damit
rauschte sie wieder hinaus.
Auguste aber letzte sich wieder auf
ihren Platz, holte den angefangenen
Brief hervor und riisiete sich von
Neuem zum Schreiben. «
»Fertig muß der Brief werden und
wenns mich den Kopf tostet!« mur
melte sie. Sei es nun aber, weil sie in
heller Angst schwebte, dieGnädige tön
ne sie zum zweitenmal überraichen,
oder weil ihr Gemüth im allgemeinen
schrecklich bedrückt war und ihre Ge
danken überhaupt nicht in der Küche,
sondern in der Kaierne weilten, lurz,
sie mertte nicht, daß sie anstatt aus
dem Briefsteller aus dem Menülalen
der abichrieh und ihr zärtlicher Brief
folgenden sonderbaren Schluß bekam:
heute:
Schintentnödelsuppr. Gebratene
Blutwurst mit Kraut. Gespickte
Kalbsbrust. Gunst-raten
Womit ich fin ewig verbleibe
Jhnen bis in den Tod liebende
Augustr.
Dann versiegelte sie den Brief und
trug ihn zur Post.
Am selben Abend war der Korporus
da.
W
Ein schlauer Gedanke.
Eine Chinese, so schreibt man aus
Schanghai, hatte eine Frau, oor der er
in beständiger Angst lebte, weil sie die
unangenehme Gewohnheit besaß, je
des mal, wenn ihr Unwille erregt wor
den war, einen Selbstmordversuch zu
machen. Nun wird manch ein ge
miithsroher abendländischer Leser den
ten: Ja, weshalb läßt er sie denn nicht
gewähren, damit er sie los wird? Da
iommen jedoch die eigenartigen, iiber
den Selbstmord im Reiche der Mitte
herrschenden Ansichten in’s Spiel:
hierzulande tann einer deswegen in
die langwierigsten Processe verwickelt
werden und darüber schließlich sein
ganzes Vermögen verlieren. So sehr
also der betreffende Mann auch heim
lich wünschen mochte, seine tkhehiilfte
möge einmal mit ihren Versuchen Er
folg haben, so wagte er diesen Gedan
ien doch gar nicht auszudentem weil
er fürchten mußte, die Verwandten der
Frau würden ihn bei den Mandarinen
sofort anklagen. daß er sie durch fort
dauernd schlechte Behandlung in den
Tod getrieben habe. Er beeilte sich
also jedesmal, seine Frau wieder aus
dem Wasser heranszuholem
Da lam ihm nun eines Tages ein
jüngerer Bruder, der einen einschlägi
gen Kopf hatte, zur Hilfe-. Als seine
Schwägerin es sich wieder einmal bei
tommen ließ, in den Dorfbrunnen zu
springen, in der Hoffnung« sofort wie
der emporgezogen zu werden, toars er
ihr zwar ein Tau hinunter, aber als
er sie dann beinahe bis an den Brun
nenrand herausgezogen hatte, lies; er
sie wie aus Versehen wieder fallen, s
daß ihr das Wasser über dem Raps
zusammenschlug Dies wiederholte sich
mehrmals, wobei sie eine gute Portion
der keineswegs einladenden Flüssigkeit
schlucken mußte, bis sie endlich auf's
Trockene kommen darste. Die Kur
hat geholfen, denn seitdem hat die
Frau die Vorliebe sür den Brunan
völlig verloren.
W«.--—-—
,-sthabaebertompott«.
Der »Franks. Zig.« wird geschrie
ben: Wenn ich den Rhabarber, diese
köstliche Frühlingsgabe, in den Laden
und aus dem Markte sehe, denke ich
immer an ein fröhliches Erlebnisz aus
den achtziger Jahren. Wir saßen näm
lich an einem Aprilabend am Stamm
tisrts einer lleinen Stadt, und mangels
anderen Gesprächstoises gerieth dieUns
terhaltung endlich aus das auch bei
Männern nicht so ganz unbeliebte
Thema der kulinarischen Genüsse.
»Na, meine herren", meinte der erst
kürzlich in die Stadt versetzte Assessor,
»etwas Köstlicheres als frisches Rho
barbertomnott giebt es doch gar
nicht.«
»Was«, rief da der alte pensionirte
Obersiirsier, »Ist-senden von Rhabar
ber! Das habe ich in meinem Leben
noch nicht gehört. Das musz ich zu
hause sagen, dasz es meine Weibsleute
einmal machen. Wir haben ja ein hal
bes Dutzend Stauden im Garten·«
Nach einigen Tagen trafen wir uns
wieder-. Der Qbersörster sah etwas
bleich drein, und als der Assessor ein
tras. fuhr er aus ihn los
,,her«r. der Deibel hole Ihr Kom
pottt Wir sind gelauseni —- Einer
gab immer dem andern die Thltr in
die hand!« »
«Wie!" ries der so Begrüszir. »wie
ist das möglich? Solches habe ich nie
von den Stengeln . . .«
»Was, Stengel?!«, ries der erboste
Forstmann, »wir haben ja die Wur
zeln gegessentj
Gruppe —
W-s.--·--—.
sorflchtim
»Ich denke. herr Professor hatten
»vor» einen öffentlichen Vortrag gegen
die Schleppe zu halteni«
»Jetzt noch nicht...diesen Sons
tner« wenn meine, Frau oereeist ist.!«
, « y. .