Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, May 26, 1905, Sweiter Theil., Image 9

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    g J « Frühling im Kerzen.
I ’"’ « v
k.
HW
» Wie ist’i so herrlich doeWiInLebem
Wenn noch die Rose blüht —
« Und der hossnung Morgenroth
Um den Lebensweg erglüht
·-«Wenn das herz noch thausrisch ist,
Vom Reise nicht berührt —
Wie selig ist doch diese Zeit,
Wo man noch Jugend spürt.
Man nimmt das Leben dann so leicht,
An Unglück glaubt man kaum —
O währte doch die ganze Zeit
Der herriich süße Traum.
O-—
Der Besuch.
Humoreste von O l g a M a t t i.
Frau Mertens hatte Frau Krause
mitgetheilt, das-, sie die Absicht habe,
sie zubesuchen. Auf einer Durchreise
begriffen, wolle sie nicht verfehlen, auch
ihrer lieben Freundin, Frau Krause,
einen Besuch abzustatten. Sie würde
ain Sonnabend Nachmittag in A. an
kommen und ihre Reise am nächsten
Tage fortsetzen.
»Am Sonnabend? Und heute ist
schon Dienstag. Das paßt mir sehr
schlecht, denn der Tapezierer wird vor ;
einer Woche nicht kommen können, er;
ist« immer so besetzt,« sagte Frau’
Krause, etn wenig aufgeregt.
,,(Lrwartet Frau Mertens benTapes
zierer hier bei uns anzutreffen?«s
fragte Herr Krause, der in Bezug auf
hauswirthschaftliche Dinge nicht sehr
scharfsinnig war und darum den Zu
sammenhang nicht sogleich zu erfassen
vermochte.
»Wenn Du doch nur nicht immer so
sinnlos fragen möchtest!« erwiderte
seine Gattin mit einem Ansluge von
Gereiztheit. »Er soll das Sosa in der
kleinen grünen Stube neu beziehen.
Der Bezug sieht schon recht schiibig
aus.«
Die kleine grüne Stube gehörte zu
jenen abseits gelegenen überflüssig-in
Räumen, welche, mit Ausnahme der
Reinmachesrau, selten ein menschlicher
Fuß zu betreten pflegte; daher kam es,
daß Herr Krause nicht wußte, wie das
Sosa in jener Stube beschaffen war,
oder ob überhaupt eins darin stand.
»Vielleicht bekommt Frau Mertens
die kleine grüne Stube garnicht zu se
hen, dann ist es ganz gleichgültig, ob
das Sosa schäbig ist oder nicht«, sagte
er, in den Gedankengang seiner Frau
eintretend.
»So bist Du nun immer! Wenn
man Besuch bei sich ausnimmt, muß
auch Alles in Ordnung sein. Jch wer
de wenigstens versuchen, ob ich den
Tapezierer nicht noch vor Sonnabend
bekommen tann.«
Frau Krause ging daraus zu Stadt,
um einen neuen Teppich siir die gute
Stube, so wie eine Tischdecte stir ihres
Mannes Zimmerzu tausen. Auch ein
Kronleuchter wurde angeschafft, denn
»heutzutage hat schon jede Familie ei
nen «Kronleuchter«, und Frau Mer
tens sollte nicht sagen, dasz Krauses
die Einzigen wären, die teinen hätten.
Daraus machte sie umsassende Ein
käuse in Porzellan und erstand eine
silberne Kasseekanne, denn Frau Mer
tenö hatte, wie Frau Krause sehr ge
nau wußte, zu Hause auch eine silberne
Kasseekanne und sollte nicht gezwun
gen werden, bei Krauseö aus einer
porzellanenen zutrinlem Für die Kin
der wurden verschiedene neue Klei
dungsstiicke angeschafft, damit Frau
Mertens nicht etwa zu der Ansicht
käme, daß die Krause’schen Kinder
«wie Bettler« einhergingen. Was den
Tapezierer anbelangt, so hatte er ver
sprochen, so bald zu kommen, wie es
ihm irgend möglich wäre.
»Eigentlich müßten alle unsereStu
ben, sowie die Küche und der Flur neu
gestrichen werden, ehe die Mertenö
tommt,« sagte Frau Krause mit je
ner gelinden Ausgeregiheit, welche sie
nicht mehr verließ, seit sie die Antäu
digung des Besuches empfangen hatte.
Herr Krause stiesz einen Laut des
Entsetzens aus«
»Aber wegen der Kürze del-Zeit läßt
sich das leider nicht mehr machen.«
Herr Krause beruhigte sich wieder.
»Aus jeden Fall muß ich die Gardi
nen waschen lassen«, auch miissen die
Fensterrghmen einmal wieder gründ
lich abgeseist werden", sprach Frau
Krause mehr zu sich selbst, als zu ih
rem Manne.
Als Herr Krause am Mittag des
nächsten Tages nach Hause lam, er
warteten ihn einige Ueberraschungen.
Vor dem Zaun-des Vorgartens stand
ein Maler, der diesen Zaun neu mit
Oelsarbe anstrich; aus dem Flur bess
merkte er ein Chaos von allerlei Sa-;
chen, die sonst im Jnnern der Räumej
vertheilt zu sein pflegen. HerrKrause
war zufällig ein guter Turner, und eg «
gelang ihm infolgedessen, glücklich
iiber Wassereimer, Besen, Oelgemiilde,;
Stühle, Gardinensiangen, Teppich-s
Rollen, Schirmitiinder und andere
Gebrauchsaegenitiinde hinweg das Jn
nere der Wohnstube zu erreichen. Da
selbst sand er seine Frau aus einer
Trittleiter stehend. beschästigt, den
Staub von dem Thürsimä zu waschen.
Eine Arbeitsstein hob die Fenster aus
ihren Angeln. Das Sosa stand mitten
.
l
—
Yeöraska
Staats-Meig« Und Yerold
f J P. Windolph, Herausqcbet Grund Island. Nebr» 26 Mui1905 HwectelemU Jahrgang2p No JS
in der Stube, die Spinden waren von
der Wand abgeriiclt, und es roch sehr
start nach Seife. Jm Nebenzimmer
befand sich ein fremder junger Mann,
der das Klavier neu aufpolirte und
von Herrn Krause nicht die mindeste
Notiz nahm. Jn der Kinderstuhe saß
die Schneiderin und machte ein neues
Kleid für Frau Krause. Herr Krause
begab sich darauf in sein eigenes Zim
mer, wo gerade die Dienstmagd mit
einem langen Besen den Staub von
detk Wänden fegte. Auch hier standen
alle Möbel an einem ungewöhnlichen
Platze.
»Da möchte man sich ja alle Haare
ausreißen«, murrte der Gatte der un
ternehmenden Hausfrau und versügte
sich in den Garten. Zu Mittag gab es
Kartoffeln und mangelhaft durchge
bratene Karbonade, nach welcherHerrn
Krause übel wurde.
Auch die nächstfolgenden Tage wur
de fieberhaft im Hause herumgewirth
schaftet. Die Hausfrau arbeitete mit
Aufbietung aller ihrer Kräfte, die
Dienstmagd glich einer Maschine, wel
che sich durch Nichts aufhalten läßt.
Sie hatte nicht einmal Zeit, ihre
Mahl-seiten in Ruhe einzunehmen
Nur die Arbeitssrau regte sich nicht
aus; der Umstand, daß die Familie
Besuch erwartete, beschleunigte ihr
Tempo nicht im Geringsten.
Das ganze Haus von oben bis un
ten wurde einer gründlichen Säubei
tung unterzogen. Es wurde Alles ge
scheiter-i, was eine Fläche darbot. Bald
hörte man das Schrubben im Keller,
bald aus dem Boden, und der Seifen
geruch erfüllte allmählich das ganze
Haus.
»Aber liebe Minna,« sagte Herr
Krause am Donnerstag Mittag, als
seine Frau sich mit einem Stöhnen
der Ermüdung auf ihren Stuhl nie
derließ, »Du wirst Dich trank ma
chen. Wozu nur dieser ganze Aus
stand?«
»Wozu? Jch bin der Meinung,
wenn man ein Haus hat, so muß man
es auch reinhalten."
»Allerdings, aber wäre es nicht
besser, das in aller Ruhe zu thun,
Eins nach dem Andern, und sichgebös
rig Zeit dabei zu lassen. Warum denn
Alles in ein paar Tagen? Frau Mer
tens ist doch, soviel ich weiß, eine ge
miithliche verständige Frau, die nicht
jeden Winkel unserer Wohnung un
tersuchen wird." ;
»Wenn man Besuch bekommt, so«
muß man ihn auch ordentlich aufneh
men. Du an meiner Stelle würdest
natürlich gar keine Vorkehrungen
tressen,« Frau Krause sprach mit ner
böser Gereiztheit, sah infolge der über-«
mäßigen Arbeit fast so weiß aug, wie
das Tischtuch und zeigte zwischen den
Brauen jene scharfen Falten, die mehr
noch die körperliche als die geistige
Ueberanstrengung dort eingräbt.
»Ich wiirde mich begnügen, den Be
such satt zu machen, ihm ein freund
liches Gesicht zu zeigen und ihn so
gut zu unterhalten, wie ich es vermag
Wer damit nicht zufrieden ist, mag
wegbleiben,« sagte Herr Krause, der
in Sachen der Hauswirthschaft leicht
fertiger dachte, als es sich siir einen
ikhemann ziemt.
»Das sieht Dir ähnlich,« erwiderte
seine Gemahlin in einem Ton, als
hätte ihr Mann soeben ein schwerli
ches, aber wohlgetrofsened Portrait
seines inneren Menschen entworfen.
»Ich aber muß Dir sagen, ich liebe es
nicht, wenn mein Besuch bei mir über
Schmußhausen hinwegsteigen muß.«
,.Ueber Schmußhaufen hinwegstei
gen mußt« wiederholte Herr Krause
und sah sich entsetzt um. Er war im
mer der Ansicht gewesen, daß in sei
nem Hause zu viel reingemacht wurde,
daß das Neinrnachen im Leben seiner
Frau eine zu große Rolle spielte, und
nun war er täglich iiber Schmußhau
sen hinweggestiegen, ohne das Ge
rinaste davon zu bemerten.
»Jch will nicht, daß es bei uns
aussehen soll wie bei Ketten-. Als wir
das lehte Mal bei ihnen waren, starr
ten die Fensterscheiben von Schmutz,
und die Stubendieien hatten in den
Ecken wahre Schmutzriinder. Aus so
etwas achtest Du natürlich nicht.«
»Das habe ich in der That nicht
gesehen,« murmelte Herr Krause be
schämt. Es beängstigte ihn, daß ihm
die Fähigkeit abging, so starke An
samnilungen von Schmutz wahrzu
nehmen, wie sie in seiner nnd in Kel
lers Wohnung beständig vorhanden
sein sollten.
»Darum also sprachst Du kein
Wort, während wir bei Kellers wa
ren! Du dachtest immer an die Fen
sterscheiben und Stube-Jedem und ich
glaubte schon, Dein Zahnreißen wäre
wiedergeiommen.«
Als Herr Krause am reitag Mit
tag sein Heim betrat, and er die
Ihäuslichen Angelegenheiten so ver
wickelt wie möglich vor. Die Dienst-Si
magd war in ihrer Eilsertigteit vckns
der Treppe gestürzt und hatte sich den
Fuß verstaucht. Sie war vorläufig
arbeitsunfähig Auch hatte sieertlärt,«
daß sie Von all der Arbeit lranl wäre
und den Dienst verlassen wolle; denn
sie hätte keine Lust, sich Krauses we
gen todtzuarbeiten. Die beiden Kin
der standen weinend in der Ecke. Lis
beth war von der Mutter unsanst bei
seite gestoßen worden, weil sie ihr im
Wege stand, und Arthur hatte Prügel
ommen, da seine Hosen einen Ab
druck von dem sris n Anstrich des
Zaunes zeigten. «
I Frau Krause war sehr böse. Sie
kvertlagte die Kinder beim Vater. »Zu
sallem Uebrigen hat man auch noch die
sPlage mit den Kindern. US ist zum
Verzweifeln!«
i »Warum läßt Du den Zaun neu
Istreichen, das war ganz unnöthig,«
antwortete Herr Krause, der, für ge
wöhnlich friedfertig, mittler-weile auch
nervös zu werden begann. »Dann
hätte sich Arthur nicht sie Hosen ver
dorben. Und wasLisbet anbetrisst, so
muß sie sich doch irgendwo aushalten;
man kann sich-hier ja hinstellen, wo
man will, man steht überall im Wege.
Zum Donnerwetter, wenn dieserWirr
warr nicht bald ein Ende nimmt,dann
werse ich mich in den nächsten Fluß!
Jst denn unser Haus siir gewöhnlich
in einer so liederlichen Verfassung,
daß es ganz und gar umgekehrt wer
den muß, wenn ein Besuch kommt?
Kein Fremder dars mir wieder in’s
Haus-, wenn jedesmal ein solcher Tu
mult vorher nöthig ist!« Dabei schlug
er mit der Faust aus den Tisch, daß
die Teller klirrten.
Frau Krause wollte in einen
Weintrampf verfallen, aber das Be
wußtsein, daß sie dazu absolut keine
Zeit habe, hielt sie davon zurück. Die
Kinder standen zitternd in ihrem
Winkel und ernpsanden die Schwere
des Daseins. Wenn die Eltern sich
zanken, verhüllt der Engel des Kindes
sein Angesicht. «
Als Herr Krause am Sonnabend
Mittag nach Hause kam, liefen ihm
die Kinder entgehen, um ihm mitzu
theilen, daß die Mama aus dem Sosa
sitze und sich nicht rühren könne. Frau
Krause bestätigte mit schwacher Stim
me, daß sie bei jeder, auch der leisesten «
Bewegung, einen furchtbaren Schmerz
im Rücken fühle.
»Das kommt von der wahnsinnigen
Ueberanstrengung«, sagte HerrKrause,
mehr geärgert als mitleidig.
»Es mußte sein«, lispelte seine
Frau, das Gesicht schmerzlich verzie
hend.
»Nein, es mußte nicht sein« wider
sprach er mit großer Bestimmtheit.
»Das ist nicht Ordnungsliebe, das ist
Prahlerei. Du denkst nicht daran, es
Deinem Besuch behaglich zu machen,
sonst könntest Du Alles so lassen, wie
es ist, Du willst nur, daß es heißen
soll: was ist die Frau Krause siir
eine tüchtige Hausfrau! Jedes Win
kelchen in ihrem Hause blinkt vor
Sauberkeit! Das willst Du und weis-— «"
ter Nichts. Du suchst nicht das Beha
gen des Gastes, Du suchst Deinen ei
genen Ruhm.n
Seine Frau wollte etwas erwidern,
aber das Sprechen wurde ihr schwer,
da jedertiesere Athemzug den Schmerz
in Brust und Rücken verstärkte. Sie
begnügte sich deshalb damit, schwach
den Kopf zu schütteln.
Herr Krause brachte seine Frau da
raus zu Bett, was unter große Mühe
seinerseits und großem Weh und Ach
ihrerseits bewerkstelligt wurde. Als
er aus dem Schlafzimmer trat, meldete
die Arbeitssrau, daß jetzt der Tatze-sie
rer gekommen sei, der hier ein Sosa
neu beziehen wolle. Es wäre ihm nicht
möglich gewesen, früher zu kommen.
iHerr Krause schickte ihn ohne Weiteres
z wieder fort.
i Darauf setzte er sich mit den Kin f
dern zum Mittagessen nieder. Jetzt
» herrschte Ruhe im Hause Seine Frau »
Und die Dienstmagd, diese beidenj
? Hauptruhestörer, lagen sicher in ihreni
Betten es wurde nirgends mehr ge
ifchkubbh die Fenster waren überallI
wieder eingesetzt, und die Arbeitsfrau
sorgte ruhig und geräufchlos fiir Al
les, was nöthig war.
»Es könnte jetzt ganz leidlich fein«..
dachte Herr Krauie, »wenn es nm
nicht so nach Seife riiche. « Denn de
Seifengeeuch hatte sich immer noch
nicht verloren.
Am Nachmittag kaum Frau Mer
tens an und vernahm zu ihrem Be
dauern, daß ihre liebe Frau Krausel
krank zu Bett läge. Ohne-den Kron
leuchter, den Teppich, die Fenster-schei
ben und Stubenecken im Geringsten
zu beachten, begab sie sich an das
Schmerzenslager ihrer Freundin. Die
se streckte ihr die Hand entgegen, zog
sie jedoch unter Aechzen sogleich wieder
zurück.
«Wahrscheinlich eine Erlältung,«
sagte Frau Mertens.
»Hm«, machte Herr Krause, wäh
rend seine Frau schwieg.
Unter diesen Umständen beschloß
Frau Mertens, mit dem nächsten Zuge
weiter zu reisen. Beim Abschiede über
reichte sie den Kindern eineKuchentiite.
Arthur zeigte ihr alsGegenerkenntlich
teit die Oelfarbenflecke aus seinen Ho-«
sen. Jetzt, nachdem er die Strafe auf
geladen, schien es ihm ganz unterhal
tend weiße Oelfarbenflecke aus den
Anieen zu haben. Keiner seiner Kame
raden hatte dergleichen, und er lief die
Straße auf und ab, damit recht viele
Leute sich an dem Anblick erfreuen
könnten.
Als Herr Krause Frau Mertens zur
Bahn begleitete, war er den ganzen
Weg iiber sehr schweigsam und nach
denklich, wie Jemand, der etwas auf
dem Herzen hat. Endlich sagte er:
»Darf ich Sie um eine Gefälligkeit
bitten?«
Frau Mertens war bereit.
»Wenn Sie uns einmal wieder be-»
suchen sollten, so kommen Sie unan-:
gemeldet in die Thür, als gäbe es we
der Post noch Telegraph.«
Frau Mertens war etwas erstaunt,i
versprach jedoch seine Bitte zu erfül
len.
Herr Krause lehrte darauf in seinl
gescheuertes, geputztes, gekehrtes, ab
gestäubtes und aufgeräumtes Heim
zurück, das aber momentan, da Frau
und Dienerin krank daniederlagen,
nicht zu den behaglichsten gehörte, die
nian sich vorstellen kann
Frau Krause, die sich bald soweit
erholte, um das Bett verlassen zu tön
nen, fühlte noch Wochen nachher eine
unnatürliche Steifheit und Schwächel
l
der Glieder, doch hoffte sie, bis zum
nächsten größeren Reinmachen wieder
völlig auf dem Posten zu sein.
. Die erste cuftballonfahrt in
Deutschland.
Von Marim Trapp. l
Jn deutschen Landen, und zwar ins
der herrlichen Kaiserstadt Frankfurt
am Main, fand im Oktober des Jah
res 1785, nachdem ein Versuch ims
September desselben Jahres geschei- (
tert war, die überhaupt erste Luftbal- »
lonfahrt statt.
Es war zur Zeit der Herbstmesse»
178-), als Blanchard seine fünfzehnte
Lustfahrt und die erste in Deutschland
hier zu Frankfurt zu unternehmen sie-s
dachte. Es hatten sich zu diesem»
cchauspiele so viele Menschen einge
funden, daß alle Gasthäuser und fast
sämmtliche Privattvohnungen von
Fremden besetzt waren, und man toar
so begierig, den kühnen Luftschifser
nahebei zu sehen, daß, obgleich der erste
Platz im Innern des Verschlags 11
Gulden und der letzte 11 Franken
(also damals sehr viel Geld) kostete,
an dem bestimmten Tage fast der gan
ze Raum mit Zuschauern besetzt war.
Außerdem schätzte man die Menge des
außerhalb versammelten Volkes auf
nahe an —100,00s) Köpfe. Der Erb
prinz von Darmstadt und ein franzö
sischer Offizier, Namens Schweizer,
wollten mitfahren. Der letztere Um
stand scheint indeß einige Freunde des
hessifchen Hofes bewogen zu haben, die
ganze Festliehkeit zu stören, um von
dem Haupte des Prinzen die Gefahr,
in die er sich begeben wollte, abzu-«
halten ·
Als am Dienstag, einem 27. Sep
tember, alles zur Aufsahrt bereit mar
und der Print nebst dem Offizier und»
Blanchard schon in dem Gondeltorbe
saßen, wurde aus verborgenem Hin-.
terhalt mit einer Windbüchse in den
Ballon geschossen, so daß er einen Riß
erhielt, das Gas augströmte und der
majestiitische Ballon plötzlich in sich
zusammenfiel Blanchard war stumm
vor Staunen und Schrecken und das
in seiner Erwartung schmählich ge
täuschte Publikum wollte sich des un
glücklichen Lustschisfers bemächtigen.
Blanchard aber wurde Unter militä
rischer Bedeckung in dem Wagen des
Fürsten von Weilburg in die Stadt
zurückgebracht, wo er sich alsbald mit
der Ausbesserung seines Ballons be
schäftigte Kaum war er damit zu
Ende gekommen, so versprach er —
diesmal allein sitt seine Person —
eine erneute Ausfahrt.
Diese fand dann am Vormittag des
3. Oktober 1785, um 1Xz11 Uhr, statt.
Das Volk jubelte und llatschte ent
zückt und hingerissen in die Hände, als
der Ballon sich leicht und majestätisch
erhob. Blanchard trat auf die Gallerie
der Gondel, schwenkte eine weiße Fah
ne zum Dank und Gruß und ent
schwand, von einem heftigen Südwind
nach Norden getrieben, mit seinem
Ballon den Blicken der trunkenenMen
ge. ,,Ueber derBockenheimerWarte an
.gekommen«, heißt es in der Chronik,
I,,ließ er in einem Fallschirm seinen
Hund zurErde und fuhr dann in einer
Höhe von 6000 Fuß mit solcherSchnel
ligteit von dannen, daß er in 39 Mi
nuten 14 volle Stunden zurücklegte.«
Blanchard ließ sich in der Gegend von
Weilburg nieder, nachdem er zweimal
die Unannehmlichteit gehabt hatte, daß
der ausgeworfene Anker von unwissen
den Personen in der besten Meinung
losgemacht wurde. Von Weilburg
wurde der tiihne Kapitän in einems
herrschaftlichen Wagen nach Frankfurt l
zurückgesahren, wo er Abends anlangte s
und größere Ehre genoß, als man ge- ;
genwärtig selbst einer fürstlichen Per-;
son zu Theil werden läßt. Der Rathl
der Stadt ging ihm entgegen und be
willlommnete ihn. Jm Theater wurde
er mit einem Tusch von Pauken und
Trompeten empfangen. Die Schau
spieler grüßten ihn mit einem franzö
sischen Gedichte von der Bühne herab
und belränzten seine Büste im Thea
ter mit Lorbeerkränzen. Der russische
Gesandte und andere vornehme Per
sonen machten sich die Ehre, ihn zu’
bewirthen, einander streitig. Man
spannte die Pferde aus, wenn er durch
die Straßen fahren wollte, und warf,
ihn zu belustigen, wie bei Kaiserser
nungen, Geld unter das ihn stets um
wogende Voll. Von dem Senate
Frankfurts wurde er in feierlicher Ver
sammlung empfangen, ihm 50 dop
pelte Krönungsdnkaten überreicht und
dabei die Versicherung gegeben, daß
alle Kosten seiner Auffahrt von der
Stadt getragen werden sollten. So
große Gunst und Ehre genoß vor nun
mehr bald 120 Jahren der erste Luft
schiffer in unserem Vaterlande.
Der Reiz der Neuheit ist seitdem
geschwunden, da äronautische Unter-·
nehmungen jeder Art etwas Alltiigli-1
ches geworden sind. Mit Interesse blickt .
die Welt heute auf die Experimente
des Brasilianers Santoö Dumont und
vielleicht mit noch mehr Spannung auf l
die Versuche des deutschen Graf von
Zeppelin mit seinem lenkbaren Luft
lchlff
Beinahe 20 Jahre später lam 24.
August 1804) unternahm der Italie
ner Francesco Zambeccari zu Bologna
eine Auffahrt, deren Verlauf überaus
betrübend war. Am 21. August 1804
lündigten gegen Mitternacht die Kano
nenschläge den Beginn des Unterneh
mens an oder vielmehr die Vorberei
tungen dazu·
Jn den hohen Gewölben der KircheT
Della’ Acque war der Ballon gefertigt
worden, weil kein anderer Raum Bo
lognas zu dem Werke groß und dien
lich genug gefunden worden war. Ge
gen 3 Uhr Morgens waren die Vorbe
reitungen, welche Zambeccari selbst
mit aller Genauigkeit, Kenntniß und
Vorsicht leitete, soweit vollendet, daß
man mit der Füllung beginnen konnte
Als um 6 Uhr Morgens abermals drei
über die Stadt hindonnernde Kano
nenschläge der Menge den nahenden
Beginn des Hauptschlachtspiels kund
thaten, da gestatteten kaum die Thore
das Hinaugfluthen der Massen. Die
gezogenen Schranken füllten sich mit
allen Ständen, Hoch und Gering war
vertreten, das Volk dehnte sich in un-:
absehbaren Kreisen aus. Gegen I,(»-11
Uhr Vormittags bestiegen Zambeccari
und sein Gefährte Andreoli die Gons
del. Jetzt wurden acht Flämmchen
der».SnirituSlampe entzündet, das
«Seil losgelassen und der Ballon stieg.
Der Donner der Kanonen empfing auf
der Höhe von Sankt Michele die lith
nen Schiffer im Luftraume. Als der
Ballon sodann sich wieder der Erde
näherte, schwebte er über einem mo
rastischen Striche, welcher, in der Vo
aelperspektive gesehen, den Luftschis:
fern ein ,,nass-eS Reisfeld« zu sein
schien. Schon toar der Anker ausar
worfen und saß ziemlich fest an einer
alteinstehenden Ulme. Die Zuschauer
liefen jauchzend herbei und schossen
Gewehr-e aus Freude ab. Kaum aber
hatte der Anker Halt gefaßt, als sicli
« das Tau verwickelte und die Gondel
leinen heftigen Ston erlitt. Der bren
lncsxde Spiritug lief über und zu al
s lem Ungliick in die Lanive. Die plötz
lich vom Feuer urnaebenen, in Todes
angst schusebenden Lustschifser schrieen,
man solle das Tau anziehen Kleider,
Netz, alles brannte. Andreoli rettete
sich, indem er am Anlerseile hinabglitt;
der Ballon stieg mit reißender Ge;
schtoindigleit in die Höhe. Solange
man Zatnbeccari mit den Augen sol
aen konnt-e, sal) man ihn beschäsigt,
sich das Feuer von den Kleidern zu
streichen und alles brennende, das ihn
umgab, zu löschen oder hinabzuwer
sen; Bald indessen verlor man des
rapid stei den Salt-in aus den Wu
en. am ccaris Fahrzeug wurde ern
as eer getrieben und gin
fu Grunde, während der Luftfchisxän
chwer verletzt, von Fisches-n n d
Hofpital gebracht wurde.
Ein« weiterer Aufstieg Zambeccaris,
noch im gleichen Jahre, ebenfalls zu
Bologna, kostete dem kühnen Fahrer
das Leben. Zambeccari stürzte aus
der lichterloh brennenden Gondel
herab und wurde zu Deiner unsörm
lichen Masse zerschmettert. Zambeccari
war am 14. November 1752 geboren.
Das sind die ersten und bedeutend
sten Lustschiffer in Deutschland und
In Italien gewesen, von welchen uns
; die Chronik berichtet. Lange Zeit hör
sten wir nichts von neuen Luftballon
ausstiegen in Deutschland —- erst am
Freitag, den 13. August 1847 kommt
der berühmte Kapitän Green nach dem
Kontinent, und wieder ist es die Stadt
Frankfurt a. M» von welcher aus er
seinen Aufstieg unternimmt. Greens
landete damals glücklich im Taunus.
Das Heimweh.
Jm Allgemeinen scheinen die Be
wohner gebirgiger Gegenden und
Nordländer weit mehr dem Heimweh
unterworfen zu sein, als die Bevölke
rung warmer Erdstriche und des fla
chen Landes. Daher ist auch nächst
den Schweizern wohl tein Volk so seh-r
dem Heimweh unterworfen, wie die
Lappen.
Die Geschichte jenes Lappen dürfte
wenig bekannt fein, der unter Gustav
Adolph von Schweden im Dreißigjäh
eigen Kriege tapfer gelämpft und es
bis zum Rittmeister gebracht hatte.
Nach Jahren überfiel ihn das Heim
weh mit solcher Macht, daß er Rang
und Würden aufgab und nach Lapp
land in sein Filzzelt zurückkehrte, um
unt-er seinen Rennthieren sein Leben
zu beschließen. Auch Rousseau schil- ·
dert in einer seiner Dichtungen einen
hottentottischen Pflegesohn des hollän
dischen Gouverneurs vom Kap der Gu
ten Hoffnung, der das herrlichste Le
ben und die liebevollste Behandlung
aufgab und nach seinem schmutzigen
Kraal zurücklief.
Der König Oskar II. von Schwe
den schickte im Jahre 1878 mehrere
Rennthiere unter Aufsicht einiger Lap
pen an den König Alfons XIL von
Spanien. So lange die Thiere lebten,
befanden sich auch die Lappen in Ma
drid ganz wohl. Nachdem die Thiere
aber gestorben waren, erzeugte der
Verlust des Anblicks derselben bei den
Nordliindern tiefe Schwermuth und
schließlich eine derartige Sehnsucht
nach der Heimath, daß sie schleunigst
zurückgebracht werden mußten.
Jm Jahre 1779 waren eine Anzahl
Schweizer nach Paris gezogen, wo eine
Schweizersennerei angelegt werden
sollte. Solange die Leute mit ihren
Obliegenheiten beschäftigt waren, em
pfunden sie kein Heimweh, doch als sie
mit ihren Arbeiten in’s Stocken ge
riethen und aus Langeweile auf ihren
Musikinstrumenten die heimisch-en Me
lodien erklingen ließen, brachen viele
von ihnen in Thränen aus und litten
so stark unter dem Heimweh, daß sie
erkrankten. Fast das Gleiche wider
fuhr einigen Grönländerm die im
Jahre 1636 nach Kopenhagen gebracht
morden waren. Das Heimweh setzte
ihnen so zu, daß sie auf ihren Kojats
heimlich die Flucht ergriffen und dabei
ihn der Nordsee ihren Untergang fan
ren.
Ein glänzend-es Beispiel von
Geiitcsgegenwarh
das wirklich bekannt zu werden ver
dient, haben neulich die Jiisassen eines
Jnstitutg für taubstuinme Knaben in
England abgelegt Einer der Lehrer
erwachte gegen 2 Uhr Morgens und
stellte fest, daß der Schulraunr im
Erdgeschosz in Flammen stand. Er
Ioeckte die Knaben und telephonirte
nach der Feuerwehr. Einige der klei
neren Jungen geriethen natürlich in
Furcht aber es trat keine Panik ein,
und die Lehrer vermochten sie gut zu-»
samnienzuhalten, bis Mittel zur Ret
tung gegeben waren. Einer der Leh
rer ließ sich zunächst durch ein Fenster
an zusammengebundenen Handtiichern
herab, und ein Knabe kletterte an ei
.ner Dachrinne herunter. Dann wur
;den Leitern gebracht, und die Knaben
stiegen einer nach dem anderen her
unter. zn einem der Schlaszimnier
befand sich eine Anzahl lleiner Bur
schen die nicht anders gerettet werden
konnten, als daß sie durch die Fenster
und längs des Daches nach einem an
sdereu Zimmer kletterten, von dem sie
aus dann herabsteigen konnten Es
kam aber nicht ein einziger zu Scha
iden DaJ Feuer wurde unterdrückt,
saber erst, nachdem es beträchtliche Be
schiidigmigen verursacht hatte. Wenn
man bedenkt, dafi die taubstunirnen
Minder nicht durch das gesprochene
Wort gelenkt und zur Ruhe gebracht
werden tonuten sondern nur durch
Mienen-— oder Fingersprache oder al
lensallg durch das Ablesen von den
Lippen, so verdient ihre Haltung gro
sze Anerkennung
f --
Peinliches Gefühl.
»Nun, wie behagen Jhnen die gro
ßen Soireen Ihrer Frau?
»Gar nicht! . . . Jch habe immer
das Gefühl: wenn ich nicht der Mann
wäre, so wär’ ich sicher nicht eingeladen
worden!«
Der Katzenbuckel ist der Höcker des
Charakters-.