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About Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918 | View Entire Issue (May 12, 1905)
fäislärenloses Gut. Roman von Oäkle Bernhard. (32. Fortsetzung und Schluß.) »Das Mitleid allein hätt’ es bei Bill Cottas Wahl einer Gattin nie . mais gethan!« unterbricht er sie mit einein halben Lächeln. Gleich darauf wird er sehr ernst. »Sieh, ich weiß, ich hab’ viele Fehler —- ob ich sie des halb werde ablegen können, weil ich sie zugestehe, das tann ich nicht sagen —- ich mag nichts versprechen, was ich vielleicht nicht halten könnte! Mein Lebtag bin ich ein trasser Egoist ge wesen, blindwiithig vor Hestigteit und rücksichtslos und selbstherrlich —- o, wir sind sicher noch nicht zu Ende mit dem Sündenregisterl Eines aber hab’ ich nie gekannt, weder als Kind, noch als Jiingling, noch als Mann: zu ei ner offenbaren Lüge hab’ ich mich nie . . . und glaubst du, ich könnte hier zu dir, angesichts dieser Gräber, ein un wahres Wort reden?" Sie verneinte stumm. »Nun also! Das, was du soeben von Gewissen und von Mitleid sagtest, ist zum Theil wahr gewesen — hättest du mir nicht persönlich wohlgefallen, hätt’ ich nicht in deinem anmuthigen Aeußern den lebendigen, strebsamen Geist, das seine und reiche Seelchen geahnt —- ich würde nicht um dich ge worden haben! Bemerkst du — ich sag’ es dir ehrlich: ich habe deinen in nern Reichthum geahnt — nicht ge kannt! Du gesielst mir —- ich wußte, du« warst mir gut — es war mir ein lieber Gedanke, das Abbild meiner ar men Hildegard immer um mich zu has bere —- so sind wir zusammengetom men. Wie du dann zu deinem Pflege vater gegangen bist...ich tann dir-Z nicht schildern, Mausi, wie ich dich da entbehrt habe, wie es mir öde und ein sam gewesen ist und unleidlich ohne dich· Nicht die Arbeit hat mich ge freut, nicht die Kunst, das Studium, die Freunde —- ich hab’ dich entbehrt täglich und stündlich, es ist eine Un rast gewesen in mir, die beständig wuchs und wuchs —- aber reden zu dir mocht’ ich darüber nicht, denn nie war ich doch mit dir allein, wenn ich dich sah! Jmmer war dein Pflegevater da — und außerdem —- außerdem hab’ ich mich geschämt; ich hab’ dem Ding keinen rechten Namen geben können, ich fühlte nur: es geht so nicht länger! Du mußt deine Mausi wieder haben, du brauchst sie wie deine rechte Hand, wie dein Augenlicht! Und als ich er fuhr, daß du fort warst, ganz fort, und ich dachte, ich hätte dich verlo ren —« Cotta sprach nicht weiter. Er faßte Hanna in beide Arme und preßte sie an sich, fester, immer fester, als ob er sie aufs neue zu verlieren fürchtete. . »Willsried!« Sie weiß es, was er ihr jetzt sagen wird, sie liest es ihm an den Augen ab, fühlt es am raschen, starken Schlag seines Herzen! Aber doch will sie es hören, das eine schöne, köstliche Sestiindniß, so selbstverständlich bei der Werbung des Liebenden um die Braut —- und ihr noch bisher schul dig geblieben vom Schicksal! Sie sieht durch Thränen zu ihm auf, und ihre Augen bitten ihn. Da thut er ihr den Willen, er sagt die Worte, die Will Eotta schon oft in seinem Leben ge sprochen, aber noch nie so wie heute, sie jetzt, da sie seinem Weibe gelten: «Jch liebe dich!« »So wie Hildegard?« Sein Blick fliegt zu dem Grabe her «« « they das die Tafel mit ihrem Namen W. Mit einem leisen Lächeln schüt telt er den Kopf. »Ganz anders-, Kind! Meine drei undzwanzig Jahre — die kommen mir nicht wieder, und nicht meine goldene Unetfahrenheit, mein jugendliches uer. Zwanzig Jahre sind eine lange «t —- sie zählen doppelt, sie find Kriegsjahre im Leben eines Künst lers, der die Welt durchstreift hat nach allen Richtungen Aber ’s ist darum doch ietn Stückwerk, Hanna, was ich dir biete: Du haft den ganzen Men schen — alles, was ich bin und habe, Das ift dein, das verlangt nach dir, sehnt sich nach deinem lieben, holden, klugen Jch...genug geredet! Sieh mit ins Gesi t, und dann fag’ mir, wo fest noch Mitleid und brüderliches Wohlgefallen für dich ist!« «Sehen Sie, sehen Sie, wie ich tacht gehabt hab’! Da geht sie vorbei m Arm von dem großen Herrn, der er vor ’ner Weil' hergekommen is. stimmen Sie mir doch wohl bei, das das ’ne junge Frau ist« »Kann ja auch ’ne Braut fein!" » »F wo — kein Gedanke! Haben stehenn nicht bemerkt« luschtatim ; sie der sie angesehen hat, n, wie er j ganz nahe bei mir vorbeiging?« verlieht...aber auch so verliebt ·.nein. nein, solche Augen machen Kny"I«p-eiitstigamt nich, die machen bloß . Marien wenn sie noch ganz I . hin sind von ihre junge Frauen! Undl bei dieser lohnt sich das auch —- das is was Rates, sag’ ich Jhnen3« J II s Maximilian Rode an Baumeister Ri chard Cotta. Rom, den 28. Februar 1899. »Mein lieber Cottal Heute komme ich als Bittsteller zu Jhnen —- um es kurz zu machen: Sie sollen sich um mein neuestes Bild be tiimmern, das ich dieser Tage nach München zur großen Aussicllung schicke. Die Hänge - Kommission in allen Ehren! Jch habe ein paar Be kannte unter denHerren, und ich weiß, sie würden mir, da ich ja nachgerade keiner von den allerschlechtesten neue ren Malern bin, einen allensalls leid lichen Platz geben. Jch aber will nicht bloß einen leidlichen, ich will einen sehr guten Plan siir mein opus ha ben, und dazu sollen Sie mir verhel fen, mit Jhrem guten Namen, Jhrem Einfluß, Jhrer Freundschaft, Jhrer Beredsamkeit — mit allen Mitteln. die Sie nur irgend aus Lager haben! Nun denken Sie nur nicht, ich sei dem Größenwahn verfallen und bil dete mir ein, seit Rassaels Tagen wär’ so etwas, wie mein Gemiilde, snoch nicht aus der Welt gewesen! Ganz so schlimm ist«-s- nicht! Freilich bild’ ich mir, bildkich gesprochen, aus dies Bild einiges ein, aber das gilt .oiel mehr dem Objekt, als meinem zMachwerL Um Sie nicht länger auf Edie Folter zu spannen ich habe Jhre jliebe Schwiigerin, die holde Hanna, lgemalt, mit des gestrengen Gemahls lBewilligung, und ich hoffe, nun sehen jSie es ein, wenn ich Jhnen wieder- J ’hole: dies Bild verdient und bean- ( ! sprucht einen exzeptionell guten Platz! I H Zum Dank siir Jhre Gefälligkeit, Ilieber Eotta, will ich Jhnen auch Ih Iren letzten lieben Brief mit seinen vie- « s I ) Wort über das Bild. l l len Fragen —- er dotierte, glaube ich, H von Anfang Dezember! —- vernünf tig beantworten . . . eine Handlungs weise, die ich mir nur in äußerst sel tenen Fällen gestatte! Zuvor aber noch ein erllärendes «Madarne unter dem Alazienbautn hab’ ich es betitelt, und zwar aus ausdrücklichen Wunsch und Willen des I »Meisters« wie ich Jhren Bruder im- 1 mer noch zu nennen liebe. Ers wünschte, es solle just eine Atazie sein — muß sich wohl eine besondere Er innerung daran knüpfen, denn er und Frau Hanna tauschten einen Blick miteinander, während dieser Verab redungen, der eine derartige Vermu tung nahe legte. Jch habe dann das Bild —- Lebensgröße bis zum Knie, bläulich getönter Hintergrund —- im Freien gemalt und die Atazie, die ich in Rom nicht auszutreiben vermochte, aus dem Gedächtnis hinzugefügt, übrigens sehr zur Zufriedenheit des Meisters, wie ich freudig betenne. Frau hanna hat sehr brav gesessen, der bambino, Paul Oswald, hat meistens geschlafen, von der weichen, sonnigen Luft müde gemacht —- wir haben ein Wetter jetzt hier, wie es in Deutschland zur besten Zeit im Juli ist. Wenn aber der ragazzino gele gentlich seine wunderschönen blauen Augen —- ganz die seiner Mutter!— aufgeschlagen hat, dann hab’ ich mich doppelt eifrig über das Malen herge tnachi. Er sitzt aus den Knien seiner Mutter, schön und rosig, wie ein jun ger Cherub —- aber mit ihr kann er’s doch nicht ausnehmen! Dies Glück in dem süßen Gesicht —- dies Lächeln dieser tiefe, stille Blick, der so unend lich vieles zugleich verheißt und ver schließt . . . es ist einfach nicht zum Sagen! Für mich gibt es keine zweite solche Frau aus der ganzen Welt! Der Meister sagt das auch « dass heißt —- er saat es nicht eigentlich-— aher das bedarf er auch nicht tun — man merlt es ihm auch so an! »Cotta und sein sprichwörtliches Glück« heißt es setzt wieder vielfach in unsern Kreisen hier in Rom. Sie haben eine entzückende Häuslichteit, die beiden, fsehen viel Besuch bei sich, gehen aber nicht häufig in Gesellschaft Wozu auch? Wer so viel Liebe, Glück, Ar ; beit, Anregung daheim sindet . . . wag ssoll der eigentlich noch auswärts su lchenZ Jn der Zeit, als Paul Oswald lerwartet wurde, verbot sich das Aus ygehen von selbst, jetzt ist es dabei ge blieben. Gastsrei ist das schöne Haus« in der Via Margutta sehr — ich gehe snicht nur zum ossiziellen »Jour,« der Tallemal riesig belebt und interessant ;ist, hin, sondern auch sonst noch ost l-— es vlaudert sich herrlich mit Cottas iiiber Kunst und Künstler; Frau Ihanna ist mitten drin, ganz in ihrem ;Element, sie wirkt tolossal anregend, sum meisten freilich aus ihren Mann. »Jetzt hat er einen Mars geschossen in der ganzen modernen Plastik gibt et nicht seinesgleichen! »Schlank und leicht, wie aus dem Nichts gesprun , steht das Bild vor dem entzück en Blick sagt Schiller. Jeder Zoll ein Krieger und ein Gott! Es ist eine Lust, zu then, wie die hiesigen wich-u n ca stpiz smv qui ihr-us Cotta, wie sie ihn oergiittern —- ich,l versteht sich, obenan! —- Die Pshche steht übrigens im Atelier, er will sie durchaus sticht vertausen, troh verlo ckendster Angebote —- es ist eben auch eine Erinnerung siir das Ehepaar! Sie reden nicht darüber —- Frau anna sagt kaum jemals ein Wort über ihr Glück —- vielleicht sürchtet sie, es zu »berusen,« aber sie geht ein her, wie getragen von schmeichelnd-m spielenden Wellen, die sie hoch heben über die Alltiiglichkeit. Ich werde poetisch ——-— nicht wahr? Nun —- die Sache roilks eben! Die »Psyche« ist unsaabar schön! Sie versprach schon damals in Mun chen sehr viel — Sie wissen! —- aber seitdem ist einiges hinzugekommen, was sich freilich schwer mit Worten schildern läßt: vor allem ein unbe schreiblich reizvoller Ausdruck, ein Lä cheln, süß und geheimniszvoll —- es ist wunderbar, wie Cotta das herausre-v lommen hat! Einmal sagte er: »Das war, als ich sie mir von neuem erobern mußte!« Ein andermal: »Unser rich tiger Brautstand kam erst im Ehestand, das tönnte die Pflicht da bezeugen!« Aber Frau Hanna liebt solche Andeu tungen nicht, sie sieht ihren Mann ei nen Augenblick an und schüttelt leise abmahnend den Kopf; dann lacht er wohl, aber er schweigt sosort. Un glaublich, wie sie ihn am Fädchen hält! Früher dachte ich. sie sei verliebter. als er aber jetzt ist es umgekehrt, das merkt jeder, der den beiden näher steht! Noch immer liebt Jhr Bruder es außerordentlich seine Gattin, ganz nach seinem individuellen Geschmack, schön und «stimmungsrsoll« zu kleiden —- er wird nur ärgerlich, wenn jemand diese eigenartigen, von ihm entworfe nen Toiletten nachahmt. Als ihm neu lich ein spanischer Maler ziemlich deut liche Komplimente über seine schöne Frau machte, suhr er ihn rauh an: »Denken Sie, ich wüßte das nicht? Die Leute sehen ja nur das-, was um sie ber ist! Wie schön, wie seelenschön sie ist -—- das weiß nur ich!« Er war den ganzen Abend neben Hanna, wie ein Geizhals, der seinen Schatz behüten muß -——- das Ehepaar ging auch sriiber sort, als die anderen! Wer das unserm Meister Cotta ge sagte hätte, daß er noch einmal auf seine eigene Frau eifersüchtig sein würdet Soeben kamen die Photographien meiner »Madonna unter dem Akaziens baum« an —— ich suche die beste für Jhre liebenswürdige Gemahlin aus und lege sie bei, mit vielen Gräben — freue mich herzlich, daß es Frau Kitth und den beiden prächtiaen Buben so wohl ergeht! Daß Ihre alte eFreundin, Frau Alwine Erdmann, so rasch von dieser heimtüctischen Jnfluenza hinge rafft worden ist, war sür Cottas ein wirklicher Schmerz. Sie hatten im mer noch gehofft, die brave Frau ein paar Monate in Rom als ihren Gast zu sehen. Wenn die heiße Jahreszeit kommt, gehe ich wohl mit Cotta in’s Albanergebirae, an den Nemi See oder noch höher hinauf. München sieht mich schwerlich so bald wieder. Rom bleibt Rom, und Menschen wie Cottas finde ich auch nirgends sonst auf der ganzen Welt! Meine Schwester Elly, nach der Sie so freundlich fragen, schreibt tleine humoristiscke Episieln aus Jngolstadt, wohin ihr Rudi seit dem letzten Herbst versetzt worden ist. Ellhs und mein brieflicher Verkehr beschränkt sich zu meist aus Ansichtsdostkarten, auch an Frau Hanna schreibt sie nur selten. Es scheint ja, daß sie mit ihrem fide len Gatten zufrieden ist. Der Storch ist bereits zweimal dort eingelehrt, nicht ganz nach Ellys Wunsch, weil sie dadurch sehr am geselligen Vertehr ge hindert wiid. Onkel Meding zahlt ge wissenhast seine Zulage und sendet zu allen Geburtstagen ansehnliche Geld geschente. Endlich wünschen Sie noch zu wis sen, lieber (sotta, ob denn Jhres Bru ders alte Freundin, die politische Grä sin, mit der er auch in München so intim verlebrte, nicht wieder einmal in Rom ausgetaucht sei. Sie sagen, Frau Kitth habe Jhre liebenswürdige Schwiigerin hanna bereits mehrmals brieslich ob dieser Sache interpellirt, trotzdem Frau Cotta eine eifrige und gute Korrespondentin sei. Ja, lieber Freund « irgend etwas " ist da nicht richtig mit dieser polni schen Gräsin, so viel steht fest! That sache ist, das3 sie während der letzten Jahre nicht in Rom in die Erscheinung getreten, daß sie aber auch noch nicht inzwischen mit Tode abgegangen ist. Schon diese beiden Fatta, nebeneinan der gehalten, geben zu denken, denn in früheren Jahren konnte die Eos-alo biedsla thatsizchlich nicht anders als in unmittelbarer Nähe Jhres Bruders, lieber Cotta, existiren, das wußte halb Roms Nun, sie soll jetzt abwechselnd, bald in Lemberg, bald in Kralau, bald in Warschau ihr Wesen treiben, wie einer meiner Bekannten versichert, der in Polen eine verheirathete Schwester befest. Jch habe, offen gesagt, für diese exotische Pflanze nie besonders viel übri gehabt ——— meinetwegen tann sie ihr Haterland und dessen angren zende Landstriche fernerhin unsicher machen, ich glaube, hier vermißt sie niemand. Sie soll übrigens heillos alt und abgetatelt aussehen, trat oder vielleicht wegen der extravaganten kostbaren Toiletten, die fietriigt. Es ist allemal schlimm, wenn eine Frau es nicht versteht. endlich mal mit An stand alt zu werden! s Mit meinen-Meister Cotta und des sen reizender Gattin rnu die Gräfin wohl ganz zerfallen ein nie nennt einer von den sbeiden ihre Na tnen, und als ich es neulich einmal that und direkt nach ihr fragte — da entstand zuerst eine lleine Stille, dann legte mir Jhr Bruder die nd aus die Schulter und sagte: .Lie r Maxi, wir, Danna und ich, wissen nicht, wo die Gräsin lebt und wie es ihr geht, wir wollen es auch nicht wissen, und dazu haben wir unsere Gründe! Zu unserem Glück bedürfen wir dieier Frau nicht — ich hab’ sie lange Jahre hindurch iiir meine beste Freundin ge halten, und die Beweise des Gegen theils waren mir kein erfreuliches Er lebniß. Fragen Sie uns nie wieder nach der Gräsirh und wenn es Ihnen möglich ist, o veranlassen Sie auch andere. uns mit ihren Ertundigungen zu verschonen. Hanna nnd ich sind ser tig mit ihr, wir weinen ihr teine Thräne nach —- was, mein herrenloses Gut?« So nennt Cotta sonderbarerweise seine Frau. Was er damit meint, weiß ich nicht, und er verweigert jede Erklä rung. »Dijrsen denn zwei Eheteute nicht ihr eigenes Geheimnisz haben?« fragt er lachend. Wennein Geheimniß zwei tjheleute so glücklich macht, wie diese eg sind, dann — in Gottes Namen —- behaltet es für euch! Male-, lieber Freund! Immer der Jhrige Maximilian Rode.« Berühmte Narren. Während der Kreuzziige fanden die abendländischen Fürsten Gelegenheit, an den orientalischen Höfen zwerghaste und mißgestaltete Menschen zu sehen. aus welche die Pfeile der Spott: lust abgeschossen wurden. Nach der Rückkehr in die Heimath beeil ten sich die Herren, diesen Brauch auch an ihren Hösen einzuführen. Die seinempsindenden Franzosen wählten zu ihren Zeitvertreibern aber nicht wie die morgenliindischen Fürsten Dumm töpse« die als Zielscheibe des Spottes dienten, sondern Personen, die sich als geistreiche Erzähler wie überhaupt durch bedeutendes Unterhaltunggtas lent auszeichneten So wurden z. V. die französischen Hosnarren Bruigquet und Angeli als seine Hosmänner welt lcriihmt. Anders- in Deutschland. Die deutschen Fürsten halten in ihrer Nähe am liebsten lustige Leute« welche sie nach den Regierungsgeschästen durch ihre, wenn auch oft recht derben Späße ergöyten Trotzdem war auch in so manchem deutschen Hosnarren Scherz und Ernst gepaart, wie denn nicht wenige von ihnen einst würdigere S:ellungen betleidet hatten. Eo zum Beispiel waren verschiedene ehemalige Minnesiinger, die, als das Leben auf den Burgen nüchterner wurde, aus Noth an die Fürstenhöse gingen, um als Lustigmacher ihr Brot zu verdienen. Die höfischen Dichter wurden zu Jodelnarren, Hofgecken, Hosthorem Schaltgnarrem Tischra then, lurzweiligen und lustigen Rä then und wer weiß, welche Titel sie noch erhielten. » Zuerst soll des lustigen Rathes Ma- ; xirnilians des Ersten, Kunz von Ro send, gedacht werden. Der Kaiser» hatte sich an den witzigen Kopf so ge- ; wohnt, daß er nicht ohne ihn zu leben: vermochte, wie denn auch Kunz nach dec- Kaiserg Tode hinsiechte und bald darauf starb. Die Anhänglichkeit des Narren an feinen taiserlichen Herrn war so groß, daß er selbst sein Leben für ihn einsetzte. Als Maximilian von den Niederlanden aus Frankreich betärnpste. hatte er betanntlich auch ei nen schweren Stand gegen seine aus riihrerischen Unterthanen, die ihn durch List in die Stadt Brügge lock ten und ihn daselbst drei Monate lang gefangen hielten. Trotzdem ver schiedene Getreue, die den Kaiser be freien wollten, ihr lühnes Vorhaben mit dem Tode biiszen mußten, erbot sich Kunz von Rosen doch, seinen Deren zu retten. Der Plan scheiterte; übri gens wurde Maximilian bald daraus durch einen Heereszug seines Vaters Kaiser Friedrich des Dritten und deri deutschen Fürsten befreit. Die treue Hingebung Kunzens aber verband ihn zeitlebean- mit seinem herrn auss Jn- - nigste. Als dieser Kaiser geworden war und seinem lustigen Rath die stete ; Ebbe in seiner Kasse klagte, meintel dieser: »Wenn du nicht bei Kasse bist,« lieber Max, io mache mich zu einem Amtmann. Dieser wird von lauter Bestechungen reich und stiehlt noch die Hälfte von dem, was dir gehört, da zu!« Diese Anwort machte den Kai ser stutzig, und viele seiner Beamt n mußten ihre Stellung aufgeben, a ihre Untreue erwiesen wurde. Die Kurfiirsten von Sachsen hatten ihren groben Klaus von Ranstädt, den sogenannten Klaus Narren. Er lebte zuerst am Hofe Friedrichs des Weisen und war auf sonderbare Weise dahin gekommen. Als der Kurfiirst mit sei nem Gefolge einst das Dorf Ranstädt bei Meißen passirte, war Klaus, eines armen Bauern Sohn, auf der Gänse toeide. Er hätte den iurfiirstlichen Troß gar zu gern gesehen, mochte aber auch seine Gänse nicht im Stich las sen. Kurzerhand griff er eine nach der anderen und steckte sie mit dem halse durch seinen Gürtel. Lässig auf den Stab gelehnt, ließ er den Zug her ankommen. Den Kurfiirsten amiisirte der Bauerubub höchlichst, und er erbat sich ihn von seinem Vater. Da Klaus auch sonst nur Verlehrtheiten machte, willigte dieser gern ein, um so mehr, als ihm der Kurfiirft für die erwürg ten Gänse 20 Gulden schenkte. Von dtefem Klaus werden unzählige Scherze erzählt, und wie hoch man ihn f fchiihte, geht di- -s hervor; daß er bei der Theilung dachtens mit 80, 000 Thaler angerechnet wurde. - ; Der beriihmteste oder besser bekann teste Hofnarr war jedenfalls der Zwerg Perteo am Hofe des Kurfiirften Karl Philipp von der Pfalz, dessen hölzernes Standbild noch heute im Keller des Heidelberger Schlosses zu frhen ist. Perleo, im Durste riesen groß, soll täglich nicht nur zwölf Flaschen Wein vertilgt haben, sondern auch sonst ein abfchrectendes Beispiel der Völlerei gewefen sein; das galt ihm »als That der Selbstbefreiung aus des Daseins nicht’gen Schranken« Unter die Hofnarren rechnet man auch Taubmann, Gundling und Knau. Friedrich Taubmann, in Franken als Sohn eines Schufters geboren, war Professor der Wittenberger Universi tät. Was ihn in den Augen seiner Mitwelt zum Hofnarren machte, war der Umstand, daß ihn der Fiurfürst öfters zu Gaste lud, damit er in seiner witzigen Weise zur Unterhaltung der Gäste beitrug. Er war von heiterer Natur, auch wenn es ihm nicht son-» dcrlich gut ging. So meinte er u· a.: i »Ich habe genug, denn ich habe so viel, als ich vonnöthen habe. Gibt mir Gott keinen Frankenwein, so giebt er l,essischen Wein; giebt er auch denj nicht, so giebt er Tifchwein; giebt erl teinen Tifchroein, so giebt er Kuckucki sein wittenbergisch Bier); giebt er tei- ; nen Kuckuck, so giebt er Tifchbier; ist4 Lein Tifchbier da, so ist — Gottlob! »s-- noch Wasser in der Elbe; das ist mein gewisser Trank. Dieses Fisch kier ist mein täglich Tischbier.« Jakob Paul Gundling war im An fange des 18. Jahrhunderts Professor Tier Rechtswissenschaft und Geschichte an der Adelsatademie zu Berlin. 1718 rrnannte ihn Friedrich Wilhelm der crrste mit dem Titel eines Hofrathes » zu feinem Zeitungsreferenten und Hi l storiographenz doch glich die Rolle, die ! er am Hofe spielte, da er sich im Ta sbatstollegium in der Trunkenheit zu vielen rohen Scherzen mißbrauchen ; ließ, mehr der eines Hofnarrm Um den Gelehrtenstand zu verhöhnen, er nannte ihn der König zum Präsidenten der thademie der Wissenschaften, übertrug ihm hohe Hos- und Staat-s ämter und erhob ihn in den Freiherrn staiid. Er starb 1831 in Potedain nnd wurde zu Bornstedt in einem Weinfaß begraben. Knau, ein Schlesier, tämvste unter dein Großen Kurfürsten und seinem Sohn. Wegen eines Duells schied er aus dem lurbrandenburgischen Kriegsdienste und folgte seinem Gön ner, dem Feldinarschall von Schöning nach Sachsen, wo er durch seinen Witz und seine lustigen Streiche die Gunst Augiifts des Starten gewann und rasch General wurde. Er starb als Kommandant des Känigsteins 1733. Ein gerader Charakter, haßte er alle Schmeichelei und rügte begangene Fehler mit größter Freirniithi leit; am meisten ließ er indessen die ißel seines derben Witzes die adelstolzen Häflinge fühlen. Obwohl er dem gan zen Hofe zur Belustigung diente, ver stand er doch sein moralisches Anse hen zu behaupten. Diese tleine Auslese zeigt zur Ge nüge, daß viele der Hosnarren gelehrte itin tüchtige Männer waren, und gar mancher von ihnen hat sich in der Li teratur einen Dentftein gesetzt oder wurde doch ehrenvoll erwähnt, so Kunz von Rosen im «Theuerdant« und »Weißtunig«. Gundling hat das Leben seines Gönner-i Friedrich des Ersten geschildert und weitschweifige Werte über die brandenburgisch-preu szische und europäische Geschichte ge schrieben usw. Nur einer ließ für sich schreiben und hat in der That einen vorzüglichen Biographen gefunden in dem feuchtsriihlichen Scheffel, und das war der Zwerg Perteo, am Heidelber get Faß. -———--.-.--——-— Bauernetend tn Russland. Etwa 80 Procent der rufsischen Be völkerung gehören dem Bauernstande an. Und die russischen Bauern lei den am Nothwendigften Mangel, sie hungern geradezu, wie die Nowosti in einem Artikel, der zum schleunigen Friedensfchlusse mahnt, hervorgehen Das unfä liche Elend, das seit Jahr zehnten chon auf dem russischen »Landvolk lastet, und das durch den »unseligen Krieg seinen Höhepunkt er reicht hat, ist die Ursache der Bauern iunruhem die immer mehr an Umfang -zunehmen und die den Staat, dessen «Grundsesten längst schon erschüttert »sind, in den Abgrund der wildesten « Anatehie zu stürzen drohen. Jm Hin ! blick aus diese furchtbare Gefahr, die Idem russischen Staatswesen roht, ist i der nachfolgende Artikel eine genauen jKenners der rusfischen Verhältnisse ; von besonderem Interesse: Russland hat seit dem letzten rus ssischmirkischen Krieg beständig und ; mit Ersol an der Erweiterung seiner täußeren acht gearbeitet; im Jnnern lsind die Zustände immer trüber ge ; worden« Das Geld hat man aus dem IPause nach Ostasien geschleppt, indes s en derjenige Theil der Bevöllerung, jin dem man die eigentliche Kraft des lZarenreiches sah, an den Bettelstab ge ikieux Niemand gibt sich noch Müh-, ’dieö in Abrede »Hu stellen. Bis zur Mitte der neunztger Jahre des ver gangenen Jagihunderts galt es stir eine Art von aterlandsberrath, wenn man itber den Verfall der russtschen Landwirthschast prach, man erkannte allenfalls einen otstand an, aber einen fortschreitenden unaushaltsamen ingeren Verfall wollte man nicht zu ,ge en. . ; Graf Leo Tolstoi gehörte zu den er ;ften, welche die ver wetfelte La e der Landwirthschast öffentlich sch lderten und dem Wahne ein Ende machten. als handle es sich um ein voriibergehendei Mißgeschick Mit allem Freimuth be tonte der alte Bauernsreund, daß der Niedergang des russischen Ackerbaues der geistigen und sittlichen Versumdf und und Verlumpung des Adels- und Bauernstandes zuzuschreiben sei, daß die Schuld an den Menschen und nicht an der Schelle liege. Jetzt finden sich auch in der national - russischen Presse häufig Schilderungen, die rückhaltlos das Elend der beiden Stände darlegen Es ist dabei schwer zu entscheiden, wen die größere Schuld trifft. Um verarmten Edelleuten aus den Gouver nements Smolensk, Rjäsan und Ssimbirst wirthschaftlich aufzuhelsm. wies die Regierung im Jahre 1848 169 adligen Familien je dreißig Deß jatinen Land an und unterstützte sie auch mit barem Gelde. Sie hat mit ihrem guten Willen wenig Glück ge habt. Ein Beamter des landwithschaft lichen Ministeriums, der mit der Re vision dieser Majorate beauftragt war, schildert, was aus ihnen bereits nach siinfzig Jahren unter der zweiten Ge neration geworden ist. Als er sich zu diesen Majoraten be gab, durchfuhr er zuerst in trefflicher Kultur stehende Bauernländereien mit mehr oder weniger blühenden Dörsern. Kaum hatte er aber adeliges Land be treten, so änderte sich das Bild mit ei nem Schlage. Die Felder waren völ lig verwahrlost, die Häuser im Zu stande des Versalls und die Menschen selbst abgerissen und verelendet. Mit der Landwirthschast nur wenig oder gar nicht vertraut, trieb sich die über wiegende Mehrheit der Edelleute auf den Gütern herum, die sie verpachtet hatten. ohne von der Pacht leben zu können. Von 169 Majoraten werden gegen wärtig nur noch 58 von ihren Besitzern selbst verwaltet. Die Armuth —- so fügt das amtliche Organ des Mini steriums dem Berichte zu ——- ist mit Verwiiderung gepaart. Viele der Majoratsberren sind Analphabeten; sittliche Vertomnienheit, Trunksucht, Spielwutb, Proeeßfucht sind an der Tagesordnung Sehr oft kommt es vor, daß sie ibr Land aleichzeitig an mehrere Personen bewachten — nur um zunächst ein doppelte-s Handgeld herauszuholeni Und das sind —«— so rust da- Blatt aus — Handlungen von Nachkommen der berühmtesten Geschlechter, die einst im Rate der Baiaren den Oerrfchern Rußlands nahestanden. Ebenso traurig ift es mit dem Beu ernftand bestellt. Wo der Bauer Päch ter ist und für sich selbst wirthschastet, ist er noch einigermaßen obenaufx wo er aber unter dem leidigen Kommu nalstlstem stebt, wo das Land der Ge meinde gehört, steht er in ganz Nuß land am Rande des Abgrundeg und führt ein jammervolles Leben. Unlängft hat ein früherer Adelsmar schall namens Bechlejero ein weisellos mit Sachlenntnisz und Getoi enbafti - teit geschriebenes Buch über die wirt - schastlichen Verhältnisse Rußlands Herausgegeben Er beweist darin zif fernmäßig den Niederaang des Land baues. Niederschrnetternd ist das Bild, das er vom rufiischen Bauern entwirft. Der zeitgeniissische Bauernhos in den zentralen Gegenden Ruszlands —- sagt der Verfasser —- hat ein sehr trübes Aussehen: eine kleine, meist verlorn mene Hütte, in der die infolge schlech ter und nicht ausreichender Nahrung degenerirte Bauernsamilie nicht lebt, sondern oegetirt, eingehiillt in schlechte, dünne sitztleioerz ein Halbpelz und ein paar Filzstiesel miissen für die ganze Familie herholten. Als Bett stelle dient eine nackte Bank, das Kopf tissen ersetzt ein zusammengerollter Rock oder Zitziacle, eine Decke, die marr sich unterlegen, oder mit der man sich zudecken tönnte, fehlt. Ein Absud von Wasser mit einer geringen Bei gabe vonSauertohl, Kartoffeln, hirsess brei und Schwarzbrot bildet die ge iziöhnliebe Nahrung der Bauern. als wertanr hat er eine unappetitnche Ern siiuerung von Roggenmehl in Wasser, angeblich ein Schutz-nistet gegen Stor but. An p leisch, Fett und Hansök tann der auer nur drei- oder vier mal im Jahre an großen Festtagen denten. Abends brennt in der hütie eine Petroleumlampe. meist ohne Cy linder. Das haus eriith ist äußerst dürftig und bis ausl einen verschwin denden Bruchtheil zusammengeschmal zen. Kein Wunder, wenn die Bei-Zitter ung unter solchen Umständen degene ritt und wenn die statistischen Angaben des Kriegsministeriums über die Er gebnisse der Retrutenaushebunaen im mer unerfreulicher werden. Die Bau ern haben, um ihre Steuern bezahlen zu tönnen, ihr Eigenthum hingegeben und alles verkauft, was sie nur irgend verlaufen konnten. Jeht ist bei ihnen nicht-H mehr zu holen, und wenn ein mal ein paar Kopeten eint-rufen, so werden sie schleun st vertrunlen, da mit sie nicht dem teuereintreiber irr die Hände fallen. Eine Berschlimmerung der Vermö ensverbiiltnifse der Bauern ist nach ehlejetv nicht mehr dentbar. Das wissen die Leute, und sie sind deshalb leichaültig geworden gegen Mißernte, Zagelschlag und selbst argen die lan desüblichen Feuersbrünste Was sie erlibrigen könnten, würde ihnen abge äomåienh trterdembtunäie vosr dlembedireti n er ungern ie n te is r be MU.