Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, May 12, 1905, Sweiter Theil., Image 14

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    fäislärenloses Gut.
Roman von Oäkle Bernhard.
(32. Fortsetzung und Schluß.)
»Das Mitleid allein hätt’ es bei
Bill Cottas Wahl einer Gattin nie
. mais gethan!« unterbricht er sie mit
einein halben Lächeln. Gleich darauf
wird er sehr ernst. »Sieh, ich weiß,
ich hab’ viele Fehler —- ob ich sie des
halb werde ablegen können, weil ich
sie zugestehe, das tann ich nicht sagen
—- ich mag nichts versprechen, was ich
vielleicht nicht halten könnte! Mein
Lebtag bin ich ein trasser Egoist ge
wesen, blindwiithig vor Hestigteit und
rücksichtslos und selbstherrlich —- o,
wir sind sicher noch nicht zu Ende mit
dem Sündenregisterl Eines aber hab’
ich nie gekannt, weder als Kind, noch
als Jiingling, noch als Mann: zu ei
ner offenbaren Lüge hab’ ich mich nie
. . . und glaubst du, ich könnte hier zu
dir, angesichts dieser Gräber, ein un
wahres Wort reden?"
Sie verneinte stumm.
»Nun also! Das, was du soeben
von Gewissen und von Mitleid sagtest,
ist zum Theil wahr gewesen — hättest
du mir nicht persönlich wohlgefallen,
hätt’ ich nicht in deinem anmuthigen
Aeußern den lebendigen, strebsamen
Geist, das seine und reiche Seelchen
geahnt —- ich würde nicht um dich ge
worden haben! Bemerkst du — ich
sag’ es dir ehrlich: ich habe deinen in
nern Reichthum geahnt — nicht ge
kannt! Du gesielst mir —- ich wußte,
du« warst mir gut — es war mir ein
lieber Gedanke, das Abbild meiner ar
men Hildegard immer um mich zu has
bere —- so sind wir zusammengetom
men. Wie du dann zu deinem Pflege
vater gegangen bist...ich tann dir-Z
nicht schildern, Mausi, wie ich dich da
entbehrt habe, wie es mir öde und ein
sam gewesen ist und unleidlich ohne
dich· Nicht die Arbeit hat mich ge
freut, nicht die Kunst, das Studium,
die Freunde —- ich hab’ dich entbehrt
täglich und stündlich, es ist eine Un
rast gewesen in mir, die beständig
wuchs und wuchs —- aber reden zu dir
mocht’ ich darüber nicht, denn nie war
ich doch mit dir allein, wenn ich dich
sah! Jmmer war dein Pflegevater da
— und außerdem —- außerdem hab’
ich mich geschämt; ich hab’ dem Ding
keinen rechten Namen geben können,
ich fühlte nur: es geht so nicht länger!
Du mußt deine Mausi wieder haben,
du brauchst sie wie deine rechte Hand,
wie dein Augenlicht! Und als ich er
fuhr, daß du fort warst, ganz fort,
und ich dachte, ich hätte dich verlo
ren —«
Cotta sprach nicht weiter. Er faßte
Hanna in beide Arme und preßte sie
an sich, fester, immer fester, als ob er
sie aufs neue zu verlieren fürchtete.
. »Willsried!«
Sie weiß es, was er ihr jetzt sagen
wird, sie liest es ihm an den Augen
ab, fühlt es am raschen, starken
Schlag seines Herzen! Aber doch will
sie es hören, das eine schöne, köstliche
Sestiindniß, so selbstverständlich bei
der Werbung des Liebenden um die
Braut —- und ihr noch bisher schul
dig geblieben vom Schicksal! Sie sieht
durch Thränen zu ihm auf, und ihre
Augen bitten ihn. Da thut er ihr den
Willen, er sagt die Worte, die Will
Eotta schon oft in seinem Leben ge
sprochen, aber noch nie so wie heute,
sie jetzt, da sie seinem Weibe gelten:
«Jch liebe dich!«
»So wie Hildegard?«
Sein Blick fliegt zu dem Grabe her
«« « they das die Tafel mit ihrem Namen
W. Mit einem leisen Lächeln schüt
telt er den Kopf.
»Ganz anders-, Kind! Meine drei
undzwanzig Jahre — die kommen mir
nicht wieder, und nicht meine goldene
Unetfahrenheit, mein jugendliches
uer. Zwanzig Jahre sind eine lange
«t —- sie zählen doppelt, sie find
Kriegsjahre im Leben eines Künst
lers, der die Welt durchstreift hat nach
allen Richtungen Aber ’s ist darum
doch ietn Stückwerk, Hanna, was ich
dir biete: Du haft den ganzen Men
schen — alles, was ich bin und habe,
Das ift dein, das verlangt nach dir,
sehnt sich nach deinem lieben, holden,
klugen Jch...genug geredet! Sieh
mit ins Gesi t, und dann fag’ mir,
wo fest noch Mitleid und brüderliches
Wohlgefallen für dich ist!«
«Sehen Sie, sehen Sie, wie ich
tacht gehabt hab’! Da geht sie vorbei
m Arm von dem großen Herrn, der
er vor ’ner Weil' hergekommen is.
stimmen Sie mir doch wohl bei,
das das ’ne junge Frau ist«
»Kann ja auch ’ne Braut fein!"
» »F wo — kein Gedanke! Haben
stehenn nicht bemerkt« luschtatim
; sie der sie angesehen hat, n, wie er
j ganz nahe bei mir vorbeiging?«
verlieht...aber auch so verliebt
·.nein. nein, solche Augen machen
Kny"I«p-eiitstigamt nich, die machen bloß
. Marien wenn sie noch ganz
I
. hin sind von ihre junge Frauen! Undl
bei dieser lohnt sich das auch —- das
is was Rates, sag’ ich Jhnen3«
J II s
Maximilian Rode an Baumeister Ri
chard Cotta.
Rom, den 28. Februar 1899.
»Mein lieber Cottal
Heute komme ich als Bittsteller zu
Jhnen —- um es kurz zu machen: Sie
sollen sich um mein neuestes Bild be
tiimmern, das ich dieser Tage nach
München zur großen Aussicllung
schicke. Die Hänge - Kommission in
allen Ehren! Jch habe ein paar Be
kannte unter denHerren, und ich weiß,
sie würden mir, da ich ja nachgerade
keiner von den allerschlechtesten neue
ren Malern bin, einen allensalls leid
lichen Platz geben. Jch aber will nicht
bloß einen leidlichen, ich will einen
sehr guten Plan siir mein opus ha
ben, und dazu sollen Sie mir verhel
fen, mit Jhrem guten Namen, Jhrem
Einfluß, Jhrer Freundschaft, Jhrer
Beredsamkeit — mit allen Mitteln.
die Sie nur irgend aus Lager haben!
Nun denken Sie nur nicht, ich sei
dem Größenwahn verfallen und bil
dete mir ein, seit Rassaels Tagen
wär’ so etwas, wie mein Gemiilde,
snoch nicht aus der Welt gewesen!
Ganz so schlimm ist«-s- nicht! Freilich
bild’ ich mir, bildkich gesprochen, aus
dies Bild einiges ein, aber das gilt
.oiel mehr dem Objekt, als meinem
zMachwerL Um Sie nicht länger auf
Edie Folter zu spannen ich habe Jhre
jliebe Schwiigerin, die holde Hanna,
lgemalt, mit des gestrengen Gemahls
lBewilligung, und ich hoffe, nun sehen
jSie es ein, wenn ich Jhnen wieder- J
’hole: dies Bild verdient und bean- (
! sprucht einen exzeptionell guten Platz! I
H Zum Dank siir Jhre Gefälligkeit,
Ilieber Eotta, will ich Jhnen auch Ih
Iren letzten lieben Brief mit seinen vie- «
s
I
)
Wort über das Bild.
l
l
len Fragen —- er dotierte, glaube ich, H
von Anfang Dezember! —- vernünf
tig beantworten . . . eine Handlungs
weise, die ich mir nur in äußerst sel
tenen Fällen gestatte!
Zuvor aber noch ein erllärendes
«Madarne unter dem Alazienbautn
hab’ ich es betitelt, und zwar aus
ausdrücklichen Wunsch und Willen des I
»Meisters« wie ich Jhren Bruder im- 1
mer noch zu nennen liebe. Ers
wünschte, es solle just eine Atazie sein
— muß sich wohl eine besondere Er
innerung daran knüpfen, denn er und
Frau Hanna tauschten einen Blick
miteinander, während dieser Verab
redungen, der eine derartige Vermu
tung nahe legte. Jch habe dann das
Bild —- Lebensgröße bis zum Knie,
bläulich getönter Hintergrund —- im
Freien gemalt und die Atazie, die ich
in Rom nicht auszutreiben vermochte,
aus dem Gedächtnis hinzugefügt,
übrigens sehr zur Zufriedenheit des
Meisters, wie ich freudig betenne.
Frau hanna hat sehr brav gesessen,
der bambino, Paul Oswald, hat
meistens geschlafen, von der weichen,
sonnigen Luft müde gemacht —- wir
haben ein Wetter jetzt hier, wie es in
Deutschland zur besten Zeit im Juli
ist. Wenn aber der ragazzino gele
gentlich seine wunderschönen blauen
Augen —- ganz die seiner Mutter!—
aufgeschlagen hat, dann hab’ ich mich
doppelt eifrig über das Malen herge
tnachi. Er sitzt aus den Knien seiner
Mutter, schön und rosig, wie ein jun
ger Cherub —- aber mit ihr kann er’s
doch nicht ausnehmen! Dies Glück in
dem süßen Gesicht —- dies Lächeln
dieser tiefe, stille Blick, der so unend
lich vieles zugleich verheißt und ver
schließt . . . es ist einfach nicht zum
Sagen! Für mich gibt es keine zweite
solche Frau aus der ganzen Welt!
Der Meister sagt das auch « dass
heißt —- er saat es nicht eigentlich-—
aher das bedarf er auch nicht tun —
man merlt es ihm auch so an! »Cotta
und sein sprichwörtliches Glück«
heißt es setzt wieder vielfach in unsern
Kreisen hier in Rom. Sie haben eine
entzückende Häuslichteit, die beiden,
fsehen viel Besuch bei sich, gehen aber
nicht häufig in Gesellschaft Wozu
auch? Wer so viel Liebe, Glück, Ar
; beit, Anregung daheim sindet . . . wag
ssoll der eigentlich noch auswärts su
lchenZ Jn der Zeit, als Paul Oswald
lerwartet wurde, verbot sich das Aus
ygehen von selbst, jetzt ist es dabei ge
blieben. Gastsrei ist das schöne Haus«
in der Via Margutta sehr — ich gehe
snicht nur zum ossiziellen »Jour,« der
Tallemal riesig belebt und interessant
;ist, hin, sondern auch sonst noch ost
l-— es vlaudert sich herrlich mit Cottas
iiiber Kunst und Künstler; Frau
Ihanna ist mitten drin, ganz in ihrem
;Element, sie wirkt tolossal anregend,
sum meisten freilich aus ihren Mann.
»Jetzt hat er einen Mars geschossen
in der ganzen modernen Plastik gibt
et nicht seinesgleichen! »Schlank und
leicht, wie aus dem Nichts gesprun
, steht das Bild vor dem entzück
en Blick sagt Schiller. Jeder Zoll
ein Krieger und ein Gott! Es ist
eine Lust, zu then, wie die hiesigen
wich-u n ca stpiz smv qui ihr-us
Cotta, wie sie ihn oergiittern —- ich,l
versteht sich, obenan! —- Die Pshche
steht übrigens im Atelier, er will sie
durchaus sticht vertausen, troh verlo
ckendster Angebote —- es ist eben auch
eine Erinnerung siir das Ehepaar!
Sie reden nicht darüber —- Frau
anna sagt kaum jemals ein Wort
über ihr Glück —- vielleicht sürchtet
sie, es zu »berusen,« aber sie geht ein
her, wie getragen von schmeichelnd-m
spielenden Wellen, die sie hoch heben
über die Alltiiglichkeit.
Ich werde poetisch ——-— nicht wahr?
Nun —- die Sache roilks eben!
Die »Psyche« ist unsaabar schön!
Sie versprach schon damals in Mun
chen sehr viel — Sie wissen! —- aber
seitdem ist einiges hinzugekommen,
was sich freilich schwer mit Worten
schildern läßt: vor allem ein unbe
schreiblich reizvoller Ausdruck, ein Lä
cheln, süß und geheimniszvoll —- es ist
wunderbar, wie Cotta das herausre-v
lommen hat! Einmal sagte er: »Das
war, als ich sie mir von neuem erobern
mußte!« Ein andermal: »Unser rich
tiger Brautstand kam erst im Ehestand,
das tönnte die Pflicht da bezeugen!«
Aber Frau Hanna liebt solche Andeu
tungen nicht, sie sieht ihren Mann ei
nen Augenblick an und schüttelt leise
abmahnend den Kopf; dann lacht er
wohl, aber er schweigt sosort. Un
glaublich, wie sie ihn am Fädchen hält!
Früher dachte ich. sie sei verliebter.
als er aber jetzt ist es umgekehrt,
das merkt jeder, der den beiden näher
steht! Noch immer liebt Jhr Bruder
es außerordentlich seine Gattin, ganz
nach seinem individuellen Geschmack,
schön und «stimmungsrsoll« zu kleiden
—- er wird nur ärgerlich, wenn jemand
diese eigenartigen, von ihm entworfe
nen Toiletten nachahmt. Als ihm neu
lich ein spanischer Maler ziemlich deut
liche Komplimente über seine schöne
Frau machte, suhr er ihn rauh an:
»Denken Sie, ich wüßte das nicht?
Die Leute sehen ja nur das-, was um
sie ber ist! Wie schön, wie seelenschön
sie ist -—- das weiß nur ich!«
Er war den ganzen Abend neben
Hanna, wie ein Geizhals, der seinen
Schatz behüten muß -——- das Ehepaar
ging auch sriiber sort, als die anderen!
Wer das unserm Meister Cotta ge
sagte hätte, daß er noch einmal auf
seine eigene Frau eifersüchtig sein
würdet
Soeben kamen die Photographien
meiner »Madonna unter dem Akaziens
baum« an —— ich suche die beste für
Jhre liebenswürdige Gemahlin aus
und lege sie bei, mit vielen Gräben —
freue mich herzlich, daß es Frau Kitth
und den beiden prächtiaen Buben so
wohl ergeht! Daß Ihre alte eFreundin,
Frau Alwine Erdmann, so rasch von
dieser heimtüctischen Jnfluenza hinge
rafft worden ist, war sür Cottas ein
wirklicher Schmerz. Sie hatten im
mer noch gehofft, die brave Frau ein
paar Monate in Rom als ihren Gast
zu sehen. Wenn die heiße Jahreszeit
kommt, gehe ich wohl mit Cotta in’s
Albanergebirae, an den Nemi See
oder noch höher hinauf. München sieht
mich schwerlich so bald wieder. Rom
bleibt Rom, und Menschen wie Cottas
finde ich auch nirgends sonst auf der
ganzen Welt!
Meine Schwester Elly, nach der Sie
so freundlich fragen, schreibt tleine
humoristiscke Episieln aus Jngolstadt,
wohin ihr Rudi seit dem letzten Herbst
versetzt worden ist. Ellhs und mein
brieflicher Verkehr beschränkt sich zu
meist aus Ansichtsdostkarten, auch an
Frau Hanna schreibt sie nur selten.
Es scheint ja, daß sie mit ihrem fide
len Gatten zufrieden ist. Der Storch
ist bereits zweimal dort eingelehrt,
nicht ganz nach Ellys Wunsch, weil sie
dadurch sehr am geselligen Vertehr ge
hindert wiid. Onkel Meding zahlt ge
wissenhast seine Zulage und sendet zu
allen Geburtstagen ansehnliche Geld
geschente.
Endlich wünschen Sie noch zu wis
sen, lieber (sotta, ob denn Jhres Bru
ders alte Freundin, die politische Grä
sin, mit der er auch in München so
intim verlebrte, nicht wieder einmal in
Rom ausgetaucht sei. Sie sagen, Frau
Kitth habe Jhre liebenswürdige
Schwiigerin hanna bereits mehrmals
brieslich ob dieser Sache interpellirt,
trotzdem Frau Cotta eine eifrige und
gute Korrespondentin sei.
Ja, lieber Freund « irgend etwas "
ist da nicht richtig mit dieser polni
schen Gräsin, so viel steht fest! That
sache ist, das3 sie während der letzten
Jahre nicht in Rom in die Erscheinung
getreten, daß sie aber auch noch nicht
inzwischen mit Tode abgegangen ist.
Schon diese beiden Fatta, nebeneinan
der gehalten, geben zu denken, denn in
früheren Jahren konnte die Eos-alo
biedsla thatsizchlich nicht anders als in
unmittelbarer Nähe Jhres Bruders,
lieber Cotta, existiren, das wußte halb
Roms Nun, sie soll jetzt abwechselnd,
bald in Lemberg, bald in Kralau, bald
in Warschau ihr Wesen treiben, wie
einer meiner Bekannten versichert, der
in Polen eine verheirathete Schwester
befest. Jch habe, offen gesagt, für
diese exotische Pflanze nie besonders
viel übri gehabt ——— meinetwegen tann
sie ihr Haterland und dessen angren
zende Landstriche fernerhin unsicher
machen, ich glaube, hier vermißt sie
niemand. Sie soll übrigens heillos alt
und abgetatelt aussehen, trat oder
vielleicht wegen der extravaganten
kostbaren Toiletten, die fietriigt. Es
ist allemal schlimm, wenn eine Frau
es nicht versteht. endlich mal mit An
stand alt zu werden! s
Mit meinen-Meister Cotta und des
sen reizender Gattin rnu die Gräfin
wohl ganz zerfallen ein nie
nennt einer von den sbeiden ihre Na
tnen, und als ich es neulich einmal
that und direkt nach ihr fragte — da
entstand zuerst eine lleine Stille, dann
legte mir Jhr Bruder die nd aus
die Schulter und sagte: .Lie r Maxi,
wir, Danna und ich, wissen nicht, wo
die Gräsin lebt und wie es ihr geht,
wir wollen es auch nicht wissen, und
dazu haben wir unsere Gründe! Zu
unserem Glück bedürfen wir dieier
Frau nicht — ich hab’ sie lange Jahre
hindurch iiir meine beste Freundin ge
halten, und die Beweise des Gegen
theils waren mir kein erfreuliches Er
lebniß. Fragen Sie uns nie wieder
nach der Gräsirh und wenn es Ihnen
möglich ist, o veranlassen Sie auch
andere. uns mit ihren Ertundigungen
zu verschonen. Hanna nnd ich sind ser
tig mit ihr, wir weinen ihr teine
Thräne nach —- was, mein herrenloses
Gut?«
So nennt Cotta sonderbarerweise
seine Frau. Was er damit meint, weiß
ich nicht, und er verweigert jede Erklä
rung. »Dijrsen denn zwei Eheteute
nicht ihr eigenes Geheimnisz haben?«
fragt er lachend.
Wennein Geheimniß zwei tjheleute
so glücklich macht, wie diese eg sind,
dann — in Gottes Namen —- behaltet
es für euch!
Male-, lieber Freund!
Immer der Jhrige
Maximilian Rode.«
Berühmte Narren.
Während der Kreuzziige fanden die
abendländischen Fürsten Gelegenheit,
an den orientalischen Höfen zwerghaste
und mißgestaltete Menschen zu sehen.
aus welche die Pfeile der Spott:
lust abgeschossen wurden. Nach
der Rückkehr in die Heimath beeil
ten sich die Herren, diesen Brauch
auch an ihren Hösen einzuführen. Die
seinempsindenden Franzosen wählten
zu ihren Zeitvertreibern aber nicht wie
die morgenliindischen Fürsten Dumm
töpse« die als Zielscheibe des Spottes
dienten, sondern Personen, die sich als
geistreiche Erzähler wie überhaupt
durch bedeutendes Unterhaltunggtas
lent auszeichneten So wurden z. V.
die französischen Hosnarren Bruigquet
und Angeli als seine Hosmänner welt
lcriihmt. Anders- in Deutschland.
Die deutschen Fürsten halten in ihrer
Nähe am liebsten lustige Leute« welche
sie nach den Regierungsgeschästen
durch ihre, wenn auch oft recht derben
Späße ergöyten Trotzdem war auch
in so manchem deutschen Hosnarren
Scherz und Ernst gepaart, wie denn
nicht wenige von ihnen einst würdigere
S:ellungen betleidet hatten.
Eo zum Beispiel waren verschiedene
ehemalige Minnesiinger, die, als das
Leben auf den Burgen nüchterner
wurde, aus Noth an die Fürstenhöse
gingen, um als Lustigmacher ihr Brot
zu verdienen. Die höfischen Dichter
wurden zu Jodelnarren, Hofgecken,
Hosthorem Schaltgnarrem Tischra
then, lurzweiligen und lustigen Rä
then und wer weiß, welche Titel sie
noch erhielten. »
Zuerst soll des lustigen Rathes Ma- ;
xirnilians des Ersten, Kunz von Ro
send, gedacht werden. Der Kaiser»
hatte sich an den witzigen Kopf so ge- ;
wohnt, daß er nicht ohne ihn zu leben:
vermochte, wie denn auch Kunz nach
dec- Kaiserg Tode hinsiechte und bald
darauf starb. Die Anhänglichkeit des
Narren an feinen taiserlichen Herrn
war so groß, daß er selbst sein Leben
für ihn einsetzte. Als Maximilian
von den Niederlanden aus Frankreich
betärnpste. hatte er betanntlich auch ei
nen schweren Stand gegen seine aus
riihrerischen Unterthanen, die ihn
durch List in die Stadt Brügge lock
ten und ihn daselbst drei Monate
lang gefangen hielten. Trotzdem ver
schiedene Getreue, die den Kaiser be
freien wollten, ihr lühnes Vorhaben
mit dem Tode biiszen mußten, erbot
sich Kunz von Rosen doch, seinen Deren
zu retten. Der Plan scheiterte; übri
gens wurde Maximilian bald daraus
durch einen Heereszug seines Vaters
Kaiser Friedrich des Dritten und deri
deutschen Fürsten befreit. Die treue
Hingebung Kunzens aber verband ihn
zeitlebean- mit seinem herrn auss Jn- -
nigste. Als dieser Kaiser geworden
war und seinem lustigen Rath die stete ;
Ebbe in seiner Kasse klagte, meintel
dieser: »Wenn du nicht bei Kasse bist,«
lieber Max, io mache mich zu einem
Amtmann. Dieser wird von lauter
Bestechungen reich und stiehlt noch die
Hälfte von dem, was dir gehört, da
zu!« Diese Anwort machte den Kai
ser stutzig, und viele seiner Beamt n
mußten ihre Stellung aufgeben, a
ihre Untreue erwiesen wurde.
Die Kurfiirsten von Sachsen hatten
ihren groben Klaus von Ranstädt, den
sogenannten Klaus Narren. Er lebte
zuerst am Hofe Friedrichs des Weisen
und war auf sonderbare Weise dahin
gekommen. Als der Kurfiirst mit sei
nem Gefolge einst das Dorf Ranstädt
bei Meißen passirte, war Klaus, eines
armen Bauern Sohn, auf der Gänse
toeide. Er hätte den iurfiirstlichen
Troß gar zu gern gesehen, mochte aber
auch seine Gänse nicht im Stich las
sen. Kurzerhand griff er eine nach
der anderen und steckte sie mit dem
halse durch seinen Gürtel. Lässig auf
den Stab gelehnt, ließ er den Zug her
ankommen. Den Kurfiirsten amiisirte
der Bauerubub höchlichst, und er erbat
sich ihn von seinem Vater. Da Klaus
auch sonst nur Verlehrtheiten machte,
willigte dieser gern ein, um so mehr,
als ihm der Kurfiirft für die erwürg
ten Gänse 20 Gulden schenkte. Von
dtefem Klaus werden unzählige
Scherze erzählt, und wie hoch man ihn
f
fchiihte, geht di- -s hervor; daß er
bei der Theilung dachtens mit 80,
000 Thaler angerechnet wurde. - ;
Der beriihmteste oder besser bekann
teste Hofnarr war jedenfalls der
Zwerg Perteo am Hofe des Kurfiirften
Karl Philipp von der Pfalz, dessen
hölzernes Standbild noch heute im
Keller des Heidelberger Schlosses zu
frhen ist. Perleo, im Durste riesen
groß, soll täglich nicht nur zwölf
Flaschen Wein vertilgt haben, sondern
auch sonst ein abfchrectendes Beispiel
der Völlerei gewefen sein; das galt
ihm »als That der Selbstbefreiung
aus des Daseins nicht’gen Schranken«
Unter die Hofnarren rechnet man
auch Taubmann, Gundling und Knau.
Friedrich Taubmann, in Franken als
Sohn eines Schufters geboren, war
Professor der Wittenberger Universi
tät. Was ihn in den Augen seiner
Mitwelt zum Hofnarren machte, war
der Umstand, daß ihn der Fiurfürst
öfters zu Gaste lud, damit er in seiner
witzigen Weise zur Unterhaltung der
Gäste beitrug. Er war von heiterer
Natur, auch wenn es ihm nicht son-»
dcrlich gut ging. So meinte er u· a.: i
»Ich habe genug, denn ich habe so viel,
als ich vonnöthen habe. Gibt mir
Gott keinen Frankenwein, so giebt er
l,essischen Wein; giebt er auch denj
nicht, so giebt er Tifchwein; giebt erl
teinen Tifchroein, so giebt er Kuckucki
sein wittenbergisch Bier); giebt er tei- ;
nen Kuckuck, so giebt er Tifchbier; ist4
Lein Tifchbier da, so ist — Gottlob!
»s-- noch Wasser in der Elbe; das ist
mein gewisser Trank. Dieses Fisch
kier ist mein täglich Tischbier.«
Jakob Paul Gundling war im An
fange des 18. Jahrhunderts Professor
Tier Rechtswissenschaft und Geschichte
an der Adelsatademie zu Berlin. 1718
rrnannte ihn Friedrich Wilhelm der
crrste mit dem Titel eines Hofrathes
» zu feinem Zeitungsreferenten und Hi
l storiographenz doch glich die Rolle, die
! er am Hofe spielte, da er sich im Ta
sbatstollegium in der Trunkenheit zu
vielen rohen Scherzen mißbrauchen
; ließ, mehr der eines Hofnarrm Um
den Gelehrtenstand zu verhöhnen, er
nannte ihn der König zum Präsidenten
der thademie der Wissenschaften,
übertrug ihm hohe Hos- und Staat-s
ämter und erhob ihn in den Freiherrn
staiid. Er starb 1831 in Potedain
nnd wurde zu Bornstedt in einem
Weinfaß begraben.
Knau, ein Schlesier, tämvste unter
dein Großen Kurfürsten und seinem
Sohn. Wegen eines Duells schied er
aus dem lurbrandenburgischen
Kriegsdienste und folgte seinem Gön
ner, dem Feldinarschall von Schöning
nach Sachsen, wo er durch seinen Witz
und seine lustigen Streiche die Gunst
Augiifts des Starten gewann und
rasch General wurde. Er starb als
Kommandant des Känigsteins 1733.
Ein gerader Charakter, haßte er alle
Schmeichelei und rügte begangene
Fehler mit größter Freirniithi leit;
am meisten ließ er indessen die ißel
seines derben Witzes die adelstolzen
Häflinge fühlen. Obwohl er dem gan
zen Hofe zur Belustigung diente, ver
stand er doch sein moralisches Anse
hen zu behaupten.
Diese tleine Auslese zeigt zur Ge
nüge, daß viele der Hosnarren gelehrte
itin tüchtige Männer waren, und gar
mancher von ihnen hat sich in der Li
teratur einen Dentftein gesetzt oder
wurde doch ehrenvoll erwähnt, so
Kunz von Rosen im «Theuerdant«
und »Weißtunig«. Gundling hat das
Leben seines Gönner-i Friedrich des
Ersten geschildert und weitschweifige
Werte über die brandenburgisch-preu
szische und europäische Geschichte ge
schrieben usw. Nur einer ließ für sich
schreiben und hat in der That einen
vorzüglichen Biographen gefunden in
dem feuchtsriihlichen Scheffel, und das
war der Zwerg Perteo, am Heidelber
get Faß.
-———--.-.--——-—
Bauernetend tn Russland.
Etwa 80 Procent der rufsischen Be
völkerung gehören dem Bauernstande
an. Und die russischen Bauern lei
den am Nothwendigften Mangel, sie
hungern geradezu, wie die Nowosti in
einem Artikel, der zum schleunigen
Friedensfchlusse mahnt, hervorgehen
Das unfä liche Elend, das seit Jahr
zehnten chon auf dem russischen
»Landvolk lastet, und das durch den
»unseligen Krieg seinen Höhepunkt er
reicht hat, ist die Ursache der Bauern
iunruhem die immer mehr an Umfang
-zunehmen und die den Staat, dessen
«Grundsesten längst schon erschüttert
»sind, in den Abgrund der wildesten
« Anatehie zu stürzen drohen. Jm Hin
! blick aus diese furchtbare Gefahr, die
Idem russischen Staatswesen roht, ist
i der nachfolgende Artikel eine genauen
jKenners der rusfischen Verhältnisse
; von besonderem Interesse:
Russland hat seit dem letzten rus
ssischmirkischen Krieg beständig und
; mit Ersol an der Erweiterung seiner
täußeren acht gearbeitet; im Jnnern
lsind die Zustände immer trüber ge
; worden« Das Geld hat man aus dem
IPause nach Ostasien geschleppt, indes
s en derjenige Theil der Bevöllerung,
jin dem man die eigentliche Kraft des
lZarenreiches sah, an den Bettelstab ge
ikieux Niemand gibt sich noch Müh-,
’dieö in Abrede »Hu stellen. Bis zur
Mitte der neunztger Jahre des ver
gangenen Jagihunderts galt es stir
eine Art von aterlandsberrath, wenn
man itber den Verfall der russtschen
Landwirthschast prach, man erkannte
allenfalls einen otstand an, aber
einen fortschreitenden unaushaltsamen
ingeren Verfall wollte man nicht zu
,ge en. .
; Graf Leo Tolstoi gehörte zu den er
;ften, welche die ver wetfelte La e der
Landwirthschast öffentlich sch lderten
und dem Wahne ein Ende machten. als
handle es sich um ein voriibergehendei
Mißgeschick Mit allem Freimuth be
tonte der alte Bauernsreund, daß der
Niedergang des russischen Ackerbaues
der geistigen und sittlichen Versumdf
und und Verlumpung des Adels- und
Bauernstandes zuzuschreiben sei, daß
die Schuld an den Menschen und nicht
an der Schelle liege. Jetzt finden sich
auch in der national - russischen Presse
häufig Schilderungen, die rückhaltlos
das Elend der beiden Stände darlegen
Es ist dabei schwer zu entscheiden,
wen die größere Schuld trifft. Um
verarmten Edelleuten aus den Gouver
nements Smolensk, Rjäsan und
Ssimbirst wirthschaftlich aufzuhelsm.
wies die Regierung im Jahre 1848
169 adligen Familien je dreißig Deß
jatinen Land an und unterstützte sie
auch mit barem Gelde. Sie hat mit
ihrem guten Willen wenig Glück ge
habt. Ein Beamter des landwithschaft
lichen Ministeriums, der mit der Re
vision dieser Majorate beauftragt war,
schildert, was aus ihnen bereits nach
siinfzig Jahren unter der zweiten Ge
neration geworden ist.
Als er sich zu diesen Majoraten be
gab, durchfuhr er zuerst in trefflicher
Kultur stehende Bauernländereien mit
mehr oder weniger blühenden Dörsern.
Kaum hatte er aber adeliges Land be
treten, so änderte sich das Bild mit ei
nem Schlage. Die Felder waren völ
lig verwahrlost, die Häuser im Zu
stande des Versalls und die Menschen
selbst abgerissen und verelendet. Mit
der Landwirthschast nur wenig oder
gar nicht vertraut, trieb sich die über
wiegende Mehrheit der Edelleute auf
den Gütern herum, die sie verpachtet
hatten. ohne von der Pacht leben zu
können.
Von 169 Majoraten werden gegen
wärtig nur noch 58 von ihren Besitzern
selbst verwaltet. Die Armuth —- so
fügt das amtliche Organ des Mini
steriums dem Berichte zu ——- ist mit
Verwiiderung gepaart. Viele der
Majoratsberren sind Analphabeten;
sittliche Vertomnienheit, Trunksucht,
Spielwutb, Proeeßfucht sind an der
Tagesordnung Sehr oft kommt es
vor, daß sie ibr Land aleichzeitig an
mehrere Personen bewachten — nur
um zunächst ein doppelte-s Handgeld
herauszuholeni Und das sind —«— so
rust da- Blatt aus — Handlungen
von Nachkommen der berühmtesten
Geschlechter, die einst im Rate der
Baiaren den Oerrfchern Rußlands
nahestanden.
Ebenso traurig ift es mit dem Beu
ernftand bestellt. Wo der Bauer Päch
ter ist und für sich selbst wirthschastet,
ist er noch einigermaßen obenaufx wo
er aber unter dem leidigen Kommu
nalstlstem stebt, wo das Land der Ge
meinde gehört, steht er in ganz Nuß
land am Rande des Abgrundeg und
führt ein jammervolles Leben.
Unlängft hat ein früherer Adelsmar
schall namens Bechlejero ein weisellos
mit Sachlenntnisz und Getoi enbafti -
teit geschriebenes Buch über die wirt -
schastlichen Verhältnisse Rußlands
Herausgegeben Er beweist darin zif
fernmäßig den Niederaang des Land
baues. Niederschrnetternd ist das
Bild, das er vom rufiischen Bauern
entwirft.
Der zeitgeniissische Bauernhos in den
zentralen Gegenden Ruszlands —- sagt
der Verfasser —- hat ein sehr trübes
Aussehen: eine kleine, meist verlorn
mene Hütte, in der die infolge schlech
ter und nicht ausreichender Nahrung
degenerirte Bauernsamilie nicht lebt,
sondern oegetirt, eingehiillt in schlechte,
dünne sitztleioerz ein Halbpelz und
ein paar Filzstiesel miissen für die
ganze Familie herholten. Als Bett
stelle dient eine nackte Bank, das Kopf
tissen ersetzt ein zusammengerollter
Rock oder Zitziacle, eine Decke, die marr
sich unterlegen, oder mit der man sich
zudecken tönnte, fehlt. Ein Absud
von Wasser mit einer geringen Bei
gabe vonSauertohl, Kartoffeln, hirsess
brei und Schwarzbrot bildet die ge
iziöhnliebe Nahrung der Bauern. als
wertanr hat er eine unappetitnche Ern
siiuerung von Roggenmehl in Wasser,
angeblich ein Schutz-nistet gegen Stor
but. An p leisch, Fett und Hansök
tann der auer nur drei- oder vier
mal im Jahre an großen Festtagen
denten. Abends brennt in der hütie
eine Petroleumlampe. meist ohne Cy
linder. Das haus eriith ist äußerst
dürftig und bis ausl einen verschwin
denden Bruchtheil zusammengeschmal
zen.
Kein Wunder, wenn die Bei-Zitter
ung unter solchen Umständen degene
ritt und wenn die statistischen Angaben
des Kriegsministeriums über die Er
gebnisse der Retrutenaushebunaen im
mer unerfreulicher werden. Die Bau
ern haben, um ihre Steuern bezahlen
zu tönnen, ihr Eigenthum hingegeben
und alles verkauft, was sie nur irgend
verlaufen konnten. Jeht ist bei ihnen
nicht-H mehr zu holen, und wenn ein
mal ein paar Kopeten eint-rufen, so
werden sie schleun st vertrunlen, da
mit sie nicht dem teuereintreiber irr
die Hände fallen.
Eine Berschlimmerung der Vermö
ensverbiiltnifse der Bauern ist nach
ehlejetv nicht mehr dentbar. Das
wissen die Leute, und sie sind deshalb
leichaültig geworden gegen Mißernte,
Zagelschlag und selbst argen die lan
desüblichen Feuersbrünste Was sie
erlibrigen könnten, würde ihnen abge
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