Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, May 12, 1905, Sweiter Theil., Image 13

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    —
,,Heda, Wirthschaft l«
Dumoreöte von M. W. S o p h a r.
»Tief mitten im Walde liegt die
tonigtich preußische Obersorsterei
Foiiteriy. .
Wenn casfige Göule scharf aus
holen, schaffen sie’s in fünfzig Minu
ten von der nächsten Bahnstation, der
Kreigstadt M.
Aber ein Motorrad, «a das braucht
taum 10 Minuten. Doch muß der
Fahrer Weg und Steg kennen.
Der praktische Arzt Dr. Paul Wer
ner, der sich seit acht Wochen in M.
, niedergelassen hat und dessen Warte
zimmer einstweilen noch als Motiv
zu einem «Stillleben« gelten kann, ist
ein Neuling in der schöneiiilmgegend,
und so tommt es denn, daß er trotz
seines Kompasses erst nach halbstijn
diger Irrfahrt auf den hartgesrore
nen, mit glitzerndeni Schnee beoeclten
Wegen eine menschliche Ansiedelung
entdeckt.
Es ist die Oberförsterei, die sich ihm
ais ein langgestreckteg, zweistöckiges
Gebäude schmuck und einladend dar
stellt. Troß des Schnees sind im
weiten Vorgarten deutlich die Spuren
drn Landen und Sitzen ertennbar, an
denen, wie der Doktor vermuthet, sich
an schönen Sommertagen die Spa
iergänger aus M. an Kassee und
em —- natiirlich — mitgebrachten
Kuchen erlaben·
Durch den Garten führt ein brei
ter, sreigeschauselter Weg zum Hause,
an dem sich zu beiden Seiten der
mächtigen, geschlossenen Doppelthiir
zwar über-dachte, aber nach dein Gar
ten zu sreigelassene Terrassen hin
prägt
r Doktor ist abgestiegen und
sithrt seine Maschine an der Hand.
Er will das aus nicht betreten,
sondern auf der « errasse eine Kleinig
teit enieszen und sich vor allem nach
den gen ertnndigen.
Es herrscht eine unheimliche Stille
ringsherum. Nicht einmal ein Hund
bat angeschlagen. llnd doch hat die
Stille wiederum etwas Feierlichcs an
diesem Sonntaginorgen.
Sowohl dac— Geländer als einige
Stiible nnd Tische sind vom Schnee
l-esreit. Hier müssen doch unlangst
Menschen gewesen sein« sagt sich der
Doktor, der schon an etwas wie ein
verwunschenes Schloß gedacht hat.
Er geht ungeduldig eine Weile auf
und ab, ver,eblich den Knopf mit der
Inschrift «23edieniing« suchend.
»Vorsintfluthlich und doch ——- seu
dal," murmelte er, mit einem Blick
tie langen Fensterreitxn musternd.
Noch immer läßt sich niemand sehen
noch hören. Er schlägt mit einem
Stuhle einige Male gegen das Gelän
ter und ruft aus voller Stehle:
«Heda, Wirthschast!«
Da hat er plötzlich die Empfindung,
als stände schon jemand hinter ihm.
Er wendet sich um.
Der abermals erhobeneStuhl bleibt
mitten im Schtounge stecken; dann
fintt der Arm wie kraftlos hinab.
Das Wort erstirbt . ..
Jst das eine Erscheinung aus dem
klaren, blauen, sonnigen Winterhim
rnel gerade heruntergesallenik
Stände hinter dem süßen. lieben
Engelstinde nicht eine Glagthiir offen,
die der Dottor siir ein Fenster gehal;
ten hat, er würde noch länger an et
was Ueberirdisches glauben.
Die überraschten Mienen des
Fremden, die seltsame Bewegung des
erst so wuchtig gefaßten Stuhles, der
daraus so sanft wieder zum Boden
gelangt, dann aber auch die unver
hohlene Bewunderung, die in den
Blicken und Geberden des see Anstat
renden liegt — das alles läßt das
junge Mädchen einen Moment die
Au en senten.
tzt aber faßt sie sich, und mit einer
hol en Stimme, die ganz ihrem Wesen
entspricht, und mit einer leichten Ver
beugung, die graziös ist und doch an
die noch nicht vergessene Tanzstunde
erinnert, fragt sie:
»Sie wünschen, mein F rr?«
Das eine Kellnerin ——«s:igt sich der
Doktor —»— unmöglich!
»Wer eihen Sie den Lärm, mein
grä— Fräulein. Ich glaubte, hier sei
alles ausgestorbem — « « «
»Ach netn," sagt sie schelmnch ta
chelnd und denkt an zwei neugierige
Menschenkinder ihres Schlage-Z, die
dicht an der Thür hinter ihr, von der
Gardine verdeckt, hocken und sich wohl
set-on im nächsten Augenblicke durch
sichern verrathen werden.
Es entsteht eine kleine Pause.
Der Doktor ist aus«s Neue in stum
me, andachtsvolle, eithrende Betrach
turzs versunken.
elch' ein Mädchen!
Zierlich gewachsen und doch schlank,
ein Gesichtchen wie Milch und Blut,
tiese blaue Augen, blondeg Haar, bes
sen Laekensülle die weiße, reine Stirn
halb verdeckt, und ein Mündchen —
a, bin ich denn von Sinnen, sragt
er ich. Und da steht sie vor ihm und
wartet noch immer aus dies —Bestel
lang
Sie schlägt die Augen zu ihm aus
und sentt fie abermals.
Dann kommt es leiser von ihren
Lippen:
»Sie wünschen mein been-«
Es klingt Muse-mässig und doch
meint der höret, daßer daraus nicht
anders antworten könne als mit einem
»Rich, dich aus iinmerdar!'«
Aber er bessinnt sich.
Nur, um ie weiter sprechen zu hö
ren, sra t er: »Was können Sie mir
denn ge ni«
»Was Sk- wollen,« lautet die rasche
Antwort, und durch einen Blick
des Fremden abermals sast um ihre
Fassung gebracht, siihlt sie, wie eine
Bluttoelle sich in ihr jäh ins Gesicht
treibt.
Der Doktor hat Mitleid mit ihr.
»Bitte. geben Sie mir eine halbe
Flasche guten Rothwein, aber zwei
Gläser; Sie miissen mir Bescheid
thun —ss
Dieses Mal bleibt ihm das gnädige
Fräulein in der Kehle stecken.
Sie ist wie der Blitz verschwunden.
Es ist ihm trotz der weißen, fast ko
ketten Schürze doch nicht entgangen,
daß sie ein zwar einfaches, aber höchst
geschmackvolleg Kleid trägt.
Nach ernstlichem Erwägen kommt
ihm endlich die Lösung des Röthselg:
,,Des Hauses liedreizendes Töch
terlein.«
Und da er nun auch die Einbleme
der Waidmannstunst gewahrt, setzt
et nicht ohne große Beruhigung hin
zu: »Förstertochter«.
Seine Gedanken lschweifen in eine
nahe, unendlich glückliche Zukunft .. .
Da erscheint sie wieder.
Die Flasche ist aufgezogen.
Er schenkt in beide Gläser.
»Wir pflegen das nicht zu thun,«
sagt sie, langsam das Glas ergrei
fend. Er hat sie darum melr mit
Blicken als mit Worten gebeten.
Und nun begegnen sich die Gläser
und auch zwei Augenpaare, nnd dem
Doktor wird es ums Herz, wie noch
nie in seinem ganzen Leben·
Er hat sich aber energisch vorge
nommen, sie nicht in Verlegenheit zu
bringen, schon aus Furcht, sie möge
ihm davon schlupfen.
Beide stehen sie an das Geländer
gelehnt und unterhalten sich wie zwei
Menschen, die sich seit Jahren kennen.
Der Doktor ist der Fragende, und
sie ertheilt ihm liebevoll Auskunft.
Aber so komdlizirt sind die Wege
nicht —- daH Thema ist endlich er
schöpr
Auch das Von dem Besuch und der
Frequenz in Sommerszeit. und so
heißt es endlich Abschied nehmen.
»Was darf ich zahlen, mein gnädi
ges Fräulein?«
»Nicht. —--«
»Nein, wir nehmen kein Geld.«
»Ja, Sie können doch aber nicht je
den fremden Menschen mit Rothwein
regaliren.«
»Das thun wir auch nicht«
»Aber, bitte, erklären Sie mir
doch . . . .«
»Hier ist ja kein Gastha11s3."
»Ja, aber um Gottesivillen, was
denn?« -—-—
»Das ist die königliche Lbersörstei"
reit«
»Ihr Herr Vater ---«
»Ach, nein!«
Es ist wohl etwas wie eine kleine
Enitäuschung iiber seine Mienen ge
huscht. ;
Wie merkwürdig gut sie das Gesicht
»Nichts?" fragt er verwundert
l
l
sl
zu lesen versteht! Schnell fiigt sie hin
zu: »Ich bin hier in Pension?«
»Ach —. Ja, aber bei wem kann
ich mich denn bedanken?«
»Bei mir. Jch werde es Herrn und
Frau Forstmeister schon bestellen. Sie
sind zur Kirche gesahren. Wir haben
die Weisung, Fremde, die sich hierher
verirren, zu bedienen. Allerdings
mit dein Stuhle -——— aber es ist auch
nicht immer so still hier.«
Etwas verlegen antwortet er:
»Ich dars mich Ihnen vorstellen,
gnädiges Fräulein? Paul Werner,
Dr. ined.; ich habe mich seit Oktober
in M...niederaelassen «
Sie hat hell ausgelacht lind nun
ist sie wieder puterroth geworden.
»Ja, weshalb lachen Sie denn nun
eigentlich?« Und als ob er sie stra
sen wolle: »Denken Sie vielleicht an·
den Wachtmeister in »Minna von
Barnhelm«, meinen braven Namens
vetter, und an---·-«
»Ach nein, ach nein,« tust sie be
lchwörend. »Verzeihen Sie nur mein
Lachen. Es ist doch zu komisch! Jch
heiße auch Werner, Trade Werner.«
»Das ist ja reizend,« jauchzt der
Doktor förmlich.
Und nun werden die Stammbiiume
derer aus dem gut bürgerlichen Hause
Werner sorgfältig und eingehend ge
prüft. Es gelingt dem Doktor aber
trotzdem nicht, auch nur die geringste
Verwandtschaft zwischen seiner aus
Stettin und ihrer aus Westfalen
stammenden Familie herzustellen.
Gern hätte er noch stundenlang mit
ihr geplaudert, er hat aber am Mit
tag einen Krankenbesuch zu machen,
seinen einzigen, und den darf er doch
nicht verfehlen.
Er hinterläßt seine Karte für herrn
und Frau Oberförster in der dunklen
Hoffnung auf eine Einladung, und
sie schiirft ihm noch einmal ein, links
am Bache entlang zu fahren, dann
komme man gleich auf die Chaussee.
Er schwenkt unzählige Male den
Hut, und was er in ihrer Nähe nicht
gewagt hat, aus der Ferne wirft er
ihn, ganz langsam fahrend, Kußhände
zu.
Und sie ist nicht beleidigt
Sie schtoentt noch immer ihr kleines
Tüchlein
Weiß auch sie, daß an diesem
Sonntagmorgen ihr Schicksal ent
schieden hat?...
Nach wenigen Minuten gelangt der
Doktor an eine tleine Brücke.
Jenseits des Baches steht eine
Mühle und daneben ein große-, wei- «
ßes Schild mit der bekannten
»Hand«: Zum Wirthshaus!
Er überschreitet die Brücke und
lehrt im »Wirthgh haus Fönleritz« ein.
Hier antwortet ihm die behäbige
Wirthin auf seine unzähligen Fragen
über die Oberförsterei mit sichtlichem
Behagen und ausfiihrlicher Breite.
Er erfährt, daß »sechs junge Fräu
leins, eines hübscher als das andere,«
bei der Frau Oberförsterin die Wirth
schaft erlernen »und ordentlich ran
müssen« und seien doch alle aus fei
nen, vornehmen Familien. ———
Wochen vergehen
Vergeblich sehnt sich der Doltor
rach·—einem Lebenszeichen aus« dem
Forsthause.
Hat man doch erwartet, daß er fei
nen Besuch abstattett
Vorsichtigt erkundigt er sich im
Kreise seiner Patienten, der fich, wie
er freudig feststellen tann, allmählig
erweitert —-—-— ,,Forstmeisters sind höl
lisch reservirt« ,,Vertehren nur in
allerbesten Kreisen« —-— ,,.L)ochmijthig«
--— ,,Majorsrang« so lauten die wenig
ermuthigenden Antworten. -——
Doch der kleine pfeitlundige Gott
hat noch nie versagt.
Die dicke- Dörthe, ein altes treues
Inventar in Fönteritz, hat sich beim
Holzzerlleinern die Art in den Fuß
getrieben —- ,,Den Teufel auch," hat
der Herr Oberförster gewettert, »das
sollen doch die Jungens thun -« und
Friedrich, der Kutscher, der den Sa
nitätsrath Rispe nicht zu Hause ge
troffen, hat auf eigenes Risiko den
Doktor Paul Werner ausgesucht, weil
alle Heilmittel zur Stockung des Blu
tes bei der Dörthe versagten.
So kommt, trotzdem der Sanitäts
rath seit 36 Jahren Haugarzt auf
Fönkeritz ist, Paul Werner auf die
Oberförsterei.
Und der Herr Oberförster findet
Gefallen an ihm. Das will viel sa
gen!
Liebevoller ist die alte Dörthe noch
in ihrem ganzen Leben nicht behandelt
worden.
Und wie gerade dacs Fräulein Wer
ner sich um sie bekümmert hats! Nein,
solch’ eine Seele von Mädchen!
Jst sie auch.
Wenn es sich hier am Ende doch
mehr um ein Wiedersehen handelt —
davon weiß Dörthe nicht5.
Doktor Werner erhält, als- er zum
zweiten Male in seiner Eigenschaft
als Arzt aus die Obersörsterei kommt,
die längst erhosfte Aufforderung, sich
als Gast einzusinden
Wer von meinen schönen Le-serin
nen wettet mit mir, das-, aus Fräulein
Trude Werner nicht sehr bald eine
Frau Paul Werner wird?
Sie hat schon, ehe Dörthe wieder
gehen kann, eine Stiderei begonnen,
deren Zweck sich nicht so leicht eilen
nen läßt, aber die Perlen reiben sich
zu Buchstaben und Worten: ,,Heda,
Wirthschast!« ·
-
Gegen Brunnenaetahr.
Ost geschieht es, daß Leute, welche
in Brunnen hinabsteigen, dort von
Gasen übermannt werden. Und doch
giebt eg zwei einfache Mittel, uni die
giftigen Gase ans Brunnenschächten
zu vertreiben; sie scheinen aber den
Brunnenbauern immer noch nicht be
tannt zu sein. Das erste besteht da
rin, daß man möglichst viel heißes
Wasser an den Brunnenidiinden her
unter gießt; die aufsteiaenden Waf
serdiimpfe reißen die schlechten Gase
mit empor, und so ist nach kurzer Zeit
der Brunnenschacht hinreichend gelüs
tet, daß sich Menschen angebunden in
ihm hinbewegen können. Wenn tein
heißes Wasser zur Stelle ist, tommt
idas zweite Mittel in Betracht, dessen
Anwendung, weil eiJ äußerst einfach
ist, sich auch sonst fiir alle Fälle em
psiehlt. Man läßt an einein hinrei:
chend starken Band einen ausgespann.
ten Regenschirm, mit der Spitze nach
.unten, in den Brunnen hinab; zieht
man ihn an dem Bande mehrere Male
schnell empor, so läßt sich auch damit
ein Brunnenschacht lüften. Freilich.
manche Brunnenschächte sind durch den
Pumpenpsosten und dessen Haltehök
zer so verbaut, daß ein Schirm nicht
hinuntergelassen werden kann, da
,bleibt neben dem heißen Wasser noch
die Feuetsprihe, und eine solche giebt
les wohl auch schon in jedem Dorfe.
iSie kann bekanntlich auch als Luft
pumpe benutzt werden. Man braucht
»nur den Schlauch bis auf den Boden
des Brunnens zu führen und tann fo
idurch den Schlauch frifche Luft etwai
zgen Verungliickten unmittelbar znfijh
ren solange Retter sich noch nicht hin
Hinter wagen dürfen·
i »Im Bauten-«
Mutter Hassen, die auf den Dörfern
»die Botengänge besorgte, wurde von
dem des Weges dahertonmiendenBauer
Buner aufgefordert auf feinem Heu
wagen eine Strecke mite entlang zu fah
ren. Die gute Alte, die einem träfti
gen Trunk nicht abgeneigt ift war
bald friedlich auf ihrem weichen Sitz
entfchlummert und fo merkte sie es
auch nicht daß sie allmählich von dem
Heu heruntergerutfcht war und sich
nun inmitten des Chausseegrabens be
fand. Da tam ein anderes Bäuerlein
des Weges daher, und mitleidigen Her
zens wandte es sich an dasMiitterchent
»,He Mutter Hassen, will fe ot n Enn
mit lang foar n?«
»Vielen Dant, Bur,« erwiderte
fchlaftrunten die Alte, »aber ick foar
all mit Bunfen.'«
W-—»-——.. —-..., .-— - . . —- ...-- - .
Ves Todten Rache.
Von Guh de Teramond Autorisirte
Ueberschung von Wilh. Thal.
Der Vater Baudruche war ein
lustiger Geselle, der das Leben leicht
nahm, ohne sich übermäßig auszure
gen; er xvar stets vergnugt und ve
folgte den Grundsatz des guten Mei
sters Rabelais, daß das Lachen die
beste Medizin ist. Zahllos waren
die Leute, die er gefoppt und sein
stapital an losen Streichen uner
schöpflich; auf zwanzig Meilen in der
Runde stand sein Ruf fest begründet,
und wenn man von dem Spaßvogel
von Vater Baudruche gesprochen, so
hatte man alles gesagt
Daher paßte man auch scharf auf,
wenn man ihm irgendwo begegnete,
namentlich in derSchenle, die er taum
noch verließ; der gute Mann ver
wickelte jeden in eine Mystisilation,
legte einen in eine Falle, aus der man
nur unter allgemeinem Gelächter her
auslam, was für die empfindliche
Eigenliebe immer sehr verletzend ig.
»Vate: Baudruche, wenn der od
an Eure Thüre klopft, Ihr findet am
Ende noch ein Mittel, um ihn umzu
werfen.«
Der Vater Baudruche der
Greis von neunzig Jahren und dabei
kräftig wie ein Eichvaum war, steckte -
sich eine tüchtige Prise Schnupftabat
in die Nase, wischte sie sich dann mit
dem Handriicten ab und versetzte:
,,Mag er doch tommen dieser ver
dammte Kerl, wir wollen doch sehen,
ob ich ihm nicht die Lust benehme, auf
längere steit wieder vor mir zu er
scheinen!«
Die Sache hatte sich in der ganzen
Gegend verbreitet.
»Der Vater Baudruche«, sagte
man, »wird uns nach seinem Tode
einen Streich spielen!«
Und die Legende hatte so festen
Boden gefunden, das-, niemand bei der
Leiche wachen wollte, als der große
YJiäher den Greis bat, ihm in das dü
ftere Land zu folgen, ,oon des Bezirk
lein Wanderer wiedertehrt. «
.siidessen war in der Toriherberge
ein Student abgestiegen, ein Medizi
ein :
ner, der hier übernachten wollte. Am
nächsten Morgen wollte er den Quint
lzus benutzen, der ihn zu einer seiner
Tanten bringen sollte, die einige Mei
len weiter wohnte. Er hörte natürlich
auch von dein Vater Baudruche, nnd
wie sich die Nachbarn vor seiner Leiche
öngstigten. Er war ein starker Geist,
zudte iiber die Leichtgläubigteit der
Bauern die Achseln und erbot sich
prahlerisch, bis zum Tagesanbruch bei
der Leiche zu bleiben.
»Ich habe keine Furcht vor Todten;
ich habe zu viele in meinem Leben ge
sehen und an ihnen gearbeitet, um
richt zu wissen, wag an ihnen ist;
euer Vater Baudruche mag noch so
tolleg Zeug mit mir anstellen, es
wird nicht im entferntesten an dag
heranreichen, wag die Studenten in
den Sezirsälen zuweilen anrichten.« ..
Man ging auf den Vorschlag utit
Begeisterung ein nnd siihrte denStu
denten in die kleine-Hütte die derVer
ätorbene am Ende des Dorfer tesessen
atte.
Der Vater Baudruebe lag auf sei
n.-m Bett und schlief den letzten
Schlummer unter dem Leichentuch;
auf dem Tische. neben dem von dem
Pfarrer geliehenen Kruzifix, wars eine
rauchige Kerze ihren fahlen, zittern
den Schein in das Zimmer.
Der Mediziner näherte sich der
Leiche und hob die Decke hoch; der
Vater Baudruche war wahr und
wahrhaftig todt: der»Leichnam war
lalt und die Verwesung begann bes
reits ihr Werk.
,,Gute Nachtt« sagten die Bauern,
die ängstlich aus der Schwelle stehen
geglichen waren, und czogen sieh zu
ru .
»Besten Dant, meine Freunde, und
schlast wohlt«
Im tiefsten Herzen jubelten sie;
denn sie waren sest überzeugt, der
Vater Baudruche wiirde schon ein
Mittel finden, diesem Grünschnabel
sivn Pariser eine Lettion zu ertheilen,
tser klüger als sie ein wollte, und
dessen beträchtlicher Oteptizismus sich
itber ihre Fahnensliichtigteit lußig
machte.
,,Nur Geduld,« sagte einer von
ihnen, der der allgemeinen Ansicht
Ausdruck gab, »noeh ist nicht aller
Tage Abend; warten wir bis mor
aen!«
Jndessen legte derStudent, der sich
entschlossen hatte, die Nacht bei der
Leiche zu verbringen, seine Bücher in
einen Winkel und zündete die kleine
Lampe an, die man ihm geliehen
hatte.
Doch bevor er sich fetztc, öffnete er
das Fenster und lebnte sich hinaus.
Der Abend war warm: Tausende
oon goldenen Sternen glitzerten an
der blauen Wölbung des Firmamen
tes:ein Stern hufchte von Zeit zu
Zeit durch; er tauchte aus dem gro
ßen, unbekannten Etwas auf, um
wieder in die Unendlichkeit zu versin
ken.
Das war das Bild des Lebens.
Wo kommt man her? Wo geht man
kin? Niemand weis; es, ein jeder be
schreibt seinen Kreis im weiten Raum
und verschwindet fast sofort wieder,
ohne daß in der Unendlichkeit der Zeit
auch nur das geringste von ihm zu
rückbleibt.
Und im Schweigen der tiefen Nacht,
neben diesem der Verwesung geweih
ten Leichnam, der ihn an die Ver
gänglichkeit alles Jsrdischen erinnerte,
dachte der junge Mann an das alles,
bis er, des Träumene miide, wieder
zu seinen Büchern zurückkehrte
Plöylich bemerkte ek. daß das Lei
chentuch sich leicht bewegte; das war
jedenfalls der Wind; dabei aber hatte
die Flamme der Kerze sich nicht ge
rührt; vielleicht hatte er auch nur
falsch gesehen.
Doch mehrmals hintereinander er
ecgnete sich dasselbe Phänomen. !
»Das ist merkwürdig,« sagte er,
ging an das Fenster und schloß es.
Indessen schien sich das Leichentuch
des Vater Baudruche immer lebhafter
zu bewegen; bald !;-ob sich die diinne
Leinwand wie unter einem Atl;em,
bald schien eine Kugel iiber seinen
Körper zu rollen. l
»Ich träume doch nicht,« sagte sich
der Student und suhr sich mit der
Hand über die Stirn, »dieser Mann
ist wirklich todt, dagu nterliegt keinem
Ztvefel; ich brauche leine Furcht zu
haben «-— das ist ja lächerlich!«
Doch trotzdem mußte er unwillkür
lich an die Angst denken, die ein jeder
vor dem Vater Baudruche hatte, und
dieser Gedanke quälte ihn am meisten.
Endlich beschlon er, sich Klarheit
zu verschaffen; doch alles hatte wieder
die Unbeweglichleit der Bernichtung
angenommen. l
»Ich habe mich von einer Sinnes- ’
täuschung ängstigen lassen; diese Leute
sind ja toll mit ihrer dummen Leicht
gläubigkeit; schließlich hätte ich auch
geglaubt, ihr Vater Baudruche wolle
mir einen Streich spielen!«
Doch er hatte noch nicht seinen Ses
sel erreicht, als das Tuch sich von
Neuem zu bewegen begann. «
Wieder ging er zu dem Todten.
Dies-mal war kein Zweifel möglich;
seine Augen hatten ihn nicht getäuscht:
unter dem Leichentuch bewegte sich et
was. Er packte mit fester Hand zu,
während er mit der anderen das Lin
nen hiochhob
Doch in demselben Augenblick stieß
er einen lauten Schrei ang; eine
schwarze Masse sprang ihm mit ei
nem Satz in’S Gesicht und Verursachte
ryrn einen heftigen Schmerz. Ver ner
vertheidigenden Bewegung, die er
machte, warf er den Tisch und die
Kerze um, verlor dann selbst das
Gleichgewicht, als er sie im Fallen fas
sen wollte, und stürzte auf die tleine
Lampe die ebenfalls niederfiel und
das Zimmer in tiefer Dunkelheit be-!
grub, während das unbekannte Thier,
wie eine Kugel hin- und herspringend,
durch das Zimmer raste und wie toll
sauchend Stuhle und Teller herunter
riß . . . .
Als am nächsten Morgen die Leute
mit dem Sorge kamen, fanden sie den ;
Studenten der Länge nach auf demi
Fußboden unter den urngerifsenenl
Möbeln mit zertratztem Gesicht, wäh: j
Irend auf dem Fenstersimss die kleine.
Katze des Verstorbenen saf)v und sich in ;
der Sonne vergnügt die Bitten lectte. I
W
Seltsame Gewände.
Jm Jahre 1794 war in Frankreich «
allgemein das Gerücht verbreitet, eg
existire in Meudon ein «Mens chenger
berei«. Man behauptete-, Robegpierrei
ließe die Leichen der Enthauptetenl
dorthin überführen, ihnen die Haut!
abziehen und diese gerben, damit die«
Bürger sich daraus Hosen machen las
sen könnten. Robegspierre drotestirte
durch ein öffentliches Plalat dage
gen, während der Urheber deg Ge
rüchtee, ein gewisser Galetti, ein Re
dakteur des »Journal dec- Lois«,
durch ein anderes Platat darauf ant
wortete. Er erbot sich, Allen, die sich
dafiir interessirten, ein Eremsnr deri
Verfassung vom Jahre 1793 zu zeigen, i
das in Elltenfcheuhaut gebunden war."
Der Band existirte in der That, und er ;
existirt noch heute: man taun ihn in
Paris im Museum Caritabalet sehen.
Er gehörte dem Marquis Turgot, der
dem Tetelblatt eine tleinc Notiz bei
gefügt hat, die auf den Ursprung die
ses Werte-« hinweist. Man zeigt fer
ner in Versaillek, im dortigen Mu
seum, ein Paar zierliche Pantoffelchen,
die aus der feinen Haut eine- jungen
Mädchen-Z hergestellt find.
—
l
t
l
Vor-tschi beim Gebrauche von
Bletftifteu.
Vor einiger Zeit starb der 18 Jahre l
alte Runstschlosser Robert «.Il. Er«
lsutte einen Bleistist angespitzt, sieht
dabei in den Finger geschnitten, und
es war dabei von dein adgeschabten
0-raphit etwas in die Wunde getom
men. A beachtete dies nicht weiter,
jedoch bereits am nächsten Tage stellte
sich eine schmerzliche Entziindung des-i
verletzten Fingers ein, die sich bald
auf den ganzen Arm erstreckte. Erst
als die Vergiftung bereite aus die
linke Brustseite und Schulter überge
gangen war, wurde ärztliche Hilfe an
gerufen, leider zu spät Möchte die
se: Vorfall besonders den Schulkin
dern mitgetheilt werden und ihnen
zur Warnung dienen! Ferner be
richtete man aus Leipzig daß bei ei
nein langwierigen, chronisch gewor
denen Darmtatarrh eines jungen
Mannes der Arzt keine andere Ursache
fiir das hartnäckige Leiden finden
konnte als die Gewohnheit des betref
fendes Mannes-, den Bleistift im
Munde anzufeuchten, welche Gewohn
l«.cit die Lehrer und Eltern also auch
energisch bekämpfen möchten, um so
mehr, als sich derartige Folgeleidess
schier unbemerkt einniften.
———-—-.-— - —
Beim Buchbiindler.
»Wiirden Sie mir nicht die; Kr et, ;
buch gegen ein anderes unnaziilien i
Aus dem schmeckt meinem Manns
nichts-« s
Im Hasel.
Gast (der eine Beschwerde eingetra
gen hai): Waben die Beschwerden
überhaupt eine Zwech«
Kellnm »O ja. Die schönsten uns
originellstcn werden jedes Jahr het
ausgesncht . . . Und gedruckt!«
Nachhilfe-.
Prinzipal: »Im wollte Sie etwas
fragen, Herr Lehmann, kann mich
aber absolut nicht besinnen . . .«
Kommis: »Sie wollten mich viel
leicht fragen, ob mir mit einer«anage
gedient wäre?«
Zeitnewiich AnzcinC
Die geschätzte-i Einwohner der Um
gegend bitte ich dringend, sich gegen
Unfall bersichern zu lassen, da ich mir
ein Anioinobil angeschafft habe-. Aloii
Benziol, Versiel)erung5-agent.
sm«rchtwrifnim.
Hausherr: »Sie schau’n ja noch
ganz riistig ang, arbeiten Sie doch!«
Bettler: »Entschnldigen Sie, aber
ich habe Sie doch nicht unt einen Rath
gebeten, sondern um ein Alinosen!«
Jn der Küche.
Das neue Dienstmädchen: »Heni’
war auch der Schuster mit der Rech
nung hier, ich habe das Geld ausge
egt!«
Madame (iirgerlich): »Mein Gott«
der konnte noch warten, die vier Mark
hätten Sie lieber mir leihen sollen!«
Aug Schreck
A.: »Denkst Du denn gar nicht an
Deine Frau, Maier, wenn Du bis
Mitternacht in der Fineipe sitzt?«
B.: »Gewiß, aber da krieg’ ich je
des mal einen Schreck, und aus den
Schreck muß ich dann jedesmal ein
Glas- trinken.«
Belohnung.
Junge Frau tbeim Mittagessen et
zählend): » . . . Zuerst hab’ ich der ar
men Frau zwei Teller Suppe gegeben,
und dann hat sie noch fünfzig Pfen
nig bekommen!«
Mann: »Die hatte sie auch ver
dient!«
Ein Menschenfrennd
Hausherr tin seinemHauHhaltuugBo
buch nachsehend): »Jetzt, da schau’ het,
zwei Jahr lang hab’ ich die Partei is
dritten Stock nimmer g’steigett! . . «
Jch bin doch a’ recht guter Menschl«
Busch-tappt
Richter: »Sie sind beschuldigt,
Pantschelbauer, in die zum Verkauf
gelangte Milch Wasser gegossen zu ho
ben »s— Und noch dazu schmutzige5,
schlechtes Wasserk«
Pantschelbaner: »Oho, Herr Rich
ter, unser Brunnentvasser ist ausgo
zeichnett «
Stolz.
Neue-r Kuhlsirt tder, an Stelle seines
in den Ruhestand getretenen Vorgän
gers, zum ersten Mal seines Amtes
waltet, zu der Kuh des Bürgermei
stets-: »Machst d daf; d’ außi kirnmst
aus m Kleeaeter - bei mir giebt s la
Protektionl«
Trost.
»Mein ausrichtigsteg Beiteid, gnä
dige Frau! . .. Aber wag bat denn
Jbrem seligen Herrn Gemahl eigent
lich gefehlt?«
»Ach, eine schwere Lungeneniziin
dung, Herr Ellkedizinalrath!«
»Na, na, ’L-« wird nicht so schlimm
gewesen sein!«
Unerwurtete Wtrlnng.
Alte lKotette: »Mit den heutigen
Männern ist’8«s wirklich ein Gesrettl
Neulich bab’ ich einen bitt-schen jungen
Mann absichtlich iiberradeltl . . . .
und was war? . . . Aus Schmer
zensgeld hat mich der Feigling ver
klagt!« ,
-
Hinandaeqebem
»Aber kriegst Du e’ Platte!«
»Bist De mer neidig umk- Geld«
was ich spat« beim Friseur?!«
·Iiiickichlnfz
Aeltliches Fräulein: »Die Van ges
hört gewiß einem Jiinggesellen?«
Gärtner: ,,Watum?«,
Fräulein. »Weil an der Weste des
Voqelfcheuche dort ein Knon fehli.«
Abqkblils;.
»Ach, ich bin in monienianet Geld
vetlegenheill Könnte-n Sie mir niQi
zehn Mark leihen?«
»So, in momentaner Geldverlegeus
heim. Do find Sie ja noch viel
besser d’mn, ivie ich!«
Dovpellinnigk Zustiniisiiiim.
Student: »Warum lächeln Sie übei
meine Worte-, mein Herr? Sehen Si
mich vielleicht nicht für voll an?«
Hei-et »Mir sehr voll sogar!« ·
Verbots-meet Vermiscng
»Nein, eine ssolsiie Unverschiimlheix
jetzt helle ffle die Rlitljin vorn Lasset
lriinzchen zool-kaut und nun ist sie deu
nuch geletzt-nen«
. Hohn.
Wildnisan (»einen ebemalgen Au
mit Etii Bindi-how ireffend): »Ah«
Tis. its-h- bses Heh- TNIitotx Sie hi
. sich roohl selbst ver«)eidigt?«
(x-·