Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, May 05, 1905, Sweiter Theil., Image 10

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    Das Räthfel von Elvershdh.
Roman von Yeinhocd Ertmanw
000000000000000000000000000000
IIIUII SOLO-quNDRqu
(13. Fortsetzung)
«Sise haben recht," slusterte er zu
rii(t, »ich muß fort. Aber nicht au
lange! Jch have Jhnen noch viel,
unendlich viel zu sagen. Sie können
ja nicht ahnen, was dieser Abend sür
mich bedeutet.« ,
Er hatte noch mehr hinzufügen wol
len, aber der Nachtwind bewegte einen
schlecht verwahrten Fenstersliigel in
ihrer-Nähe, und das schwache knar
rende Geräusch reichte hin, Prosper
mit tödtlichem Schrecken zu erfüllen.
»Gute Nacht-vergessen Sie mich
nicht!« rannte er ihr noch zu; dann
war er lautlos, wie er vorhin aufge
taucht war, wieder in der Dunkelheit
verschwunden.
Käthe aber hatte es noch gar nicht
eilig, das Fenster zu schließen. Sie
sah zu den Funkelnden Sternen empor,
als wollte te in ihnen die Antwort
lesen auf eine geheimnißvolle Frage
oder die Lösung eines dunklen Rath
seis, mit dessen Ergründung sich ihr
scharfer Verstand vesgebens abmühte.
Die Minuten verrannen und die kühle
Nachtlust machte sie erschauern, ohne
daß sie es auch nur bemerkt hätte. Erst
als gerade über ihr eine Sternschuppe
in leuchtendem Bogen am Himmel
dahinschosz, fuhr sie aus ihren grü
belnden Träumen auf.
»Wenn es doch inErsiillung ginge!«
mutmelte sie. »Ein Jahr-ein ganzes
Jahr neben diesem Sterbenden! Ent
setzlichl Und doch. um solchen Preis-P
Erst jetzt spürte sie die unbehagliche
Zähle. Sie schloß das Fenster und
ließ die Vorhänge herab. Ein Blick
aisf die Uhr belehrte sie, daß Mitter
nacht bereits vorüber war, und sie
enttleidete sich rasch. Bald verriethen
ihre tiefen Athemziige, daß sie ent
schlumrnert sei. Aber es konnte kein
ruhiger und erquickenoer Schlaf sein,
der sie umfing. Wie von körperlichen
Schmerzen oder von beängstigenden
Vorstellungen gepeinigt, warf sie sich
von »Dein-en Seite aus die andere,
bald ti aufstöhnend, bald hastige,
unverständliche Worte murmelnd.
Und dann fuhr sie plötzlich mit einem
angsterpreßten Schrei aus den Kissen
empor: »Nein, Rudolph — geh noch
nicht! Bleib, hör mich an! Jch will es
Fa thun, ich will Dir ja folgen —- nur
s darfst Du nicht —nu·r das nicht!
Ich will es nicht auf meinem Gewissen
Sie saß aufrecht im Bett, mit weit
geöffnetem wirren Augen. Minuten
vergingen, ehe sie wieder mit voller
Klarheit zwischen Traum und Wirt
lichieit zu unterscheiden vermochte,
aber auch jetzt noch lastete die Erinne
run an den entsetzlichen Traum wie
ein lp auf ihrer Brust.
Sechzehntes Kapitel.
Sänger als eine halbe Stunde hatte
Doktor harmsen wieder bei dem Pa
tienten verweilt, dessen Schicksal ihm
wohl ungleich mehr als das seiner
Ihrigen Kranken am Herzen lixåen
mußte, da er ihm einen so gro en
Theil seiner knapp bemessenen it
widmete. Nun trat er aus der ge
schmcklos auffgeputzten »gutenStube««
welche die op erwilligen Wirthe ihrem
Miether seit seiner Erkrankung einge
räumt hatten, mit weniger ernster
Miene, als es nach seinen Besuchen
während der voraufgegangenen vier
Tagen der Fall gewesen war.
«Seien Sie guten Muthes, wir
werden ihn durchbringenl Er hat
die Natur eines Riesen, und die ner
bösen Erscheinungen, die anfangs so
bedrohlich in den Vordergrund tra
ten, hatten mich verführt, den ganzen
Unfall fiir viel schwerer zu halten, als
er es glücklicherweise in Wahrheit zu
fein scheint. Auch die Theilnahm
losigkeit, die Sie jetzt noch beunruhigt,
wird bald verschwinden, und ist erst
die Regsamkeit des Geistes wiederge
kehrt, wird auch die Hebung der kör
perlichen Kräfte nicht mehr lange auf
sich warten lassen.«
Diese tröstlichen Worte waren an
eine junge Dame gerichtet, die mit
dem Arzte aus dem Krankenzimmer
stammen war und deren große blaue
ugen jetzt mit stummer Frage die
seinigen gesucht hatten. Mon konnte
dem Gesicht des Doktors unschwer
die reude ansehen, die er darüber
emp and, ihr eine so gute Auskunft
geben zu dürfen, und am Ende war
es auch gar nicht schwer zu begreifen,
daß ihm das beglückteAufleuchten die
ser klaren Augen und der dankbare
. Druck der kleinen weichen-Hand, die
sieh ihm unbefangen entgegengestreckt
te, als ein sehr annehmbares ärzt
I Exirahonorar erschienen.
»Ich habe niemals die Hoffnung
verloren, daß er genesen würde,« ant
Mtete ihm eine weiche, volltönende
»Man-e in sehierlosem Deutsch, doch
fereein eigenthümlichen fremdar
TonsaiL der sich so sehr in das
; M hökers sclxneicheln kann,
»Um er aus dem Mund eines holden
Mgn eng kommt; »aber Sie
" sehe viel dazu beigesta
ottor, daß er sich schon
Be eten wendet und ich ·
da Be von herme
, « liebes Fräulein, es ist wirk
W der Rede werth, was ich
sssssssssssssssvsissssssstssssvs
dazu thun lonnte, auch wollen wir
noch nicht zu früh triumphiren. Die
Genesung wird unter allen Umstän
den sehr langsam fortschreiten, und
bei der Natur der Krankheit ist die
Möglichkeit neuer Komplilationen in
ihrem Verlaufe keineswegs ganz aus
zuschlossen. Nur die äußersie Vor
sicht und Sorgfalt in der Wartung
des Kranken wird ihn glücklich an
diesen gefährlichen Klippen vorüber
siihren, und ich würde Viel weniger
zur-ersichtlich sein, wenn er nicht Sie
und seine bewunderungswiirdige
Mutter zu Pslegerinnen hätte.«
Ein anmuthiges Lächeln erschien
aus dem schönen, blühenden Antlitz
der jungen Fremden. »Darf denn
ein Arzt auch schmeicheln, Herr Dot
tor? Sie sollten uns vielmehr tüchtig
schelten, wennwir irgend etwas ver
sehen; denn mir ist’s immer, als ob
wir uns noch viel zu viel Bequemlich
leit oergönnten.«
»Nun, mein Fräulein, wenn jemals
ein Selbstvorwurf unberechtigt war,
so ist es dieser.«
»Welche Uebertreibung! Bei mei
ner Jugend ist es nichts Besonderes,
den Schlaf einiger Nächte zu entbeh
ren. Müßte ich mich nicht schämen,
darin hinter einer Frau zurück-luste
ben, die um sechsunddreißig Fahre
älter ist als ich?« Frau Ha agcr
ist seine Mutter, und in Bezug aus
das, was Mutter-liebe zu leisten ver
mag, habe ich mir in meiner ärztlirkken
Praxis schon längst das Staunen ab
gewöhnt."
»und eine Schwester, meinen Sie,
sollte weniger opferwillig sein dür
fen? Es wäre traurig, wenn die
Erfahrung Sie zu diesem Schluß
geführt hätte, Herr Doktor!«
Er fah sie aufmerksam an, nnd
ruhig ertrug sie den prüfend-en Blick
seiner klugen, wohlwollenden Augen.
»Meine Erfahrungen über die Jn
nigteit geschwifterlicher Verhältnisse
waren sehr verschiedener Art, Jst-än
lein Thyra Aber sie kommen für
unseren Fall ja auch eigentlich gar
nicht in Frage, denn Sie sind doch
nicht Herrn Hallager’5 leibliche
Schwester, nicht wahr?«
Es war ihm, als ob ihre Wangen
sich etwas höher gefärbt hätten; aber
das kannte recht wohl auch eine Täu
schung fein; denn ihre Stimme hatte
ganz den alten unbefangenen Klang,
als sie erwiderte: »Nein, feine leibli
che Schwester bin ich nicht. Aber wir
sind als Geschwister aufgewachsen,
und foweit meine Erinnerungen in
die Kindheit zurückreichen, sind sie mit ;
ihm verknüpft. Daß wir nicht Muts-»
verwandt sind, hat daneben doch wohl
nichts zu bedeuten.«
»Nicht fiir Sie, mein liebes Fräu
lein, wie ich ja mit immer neuer Be
wunderung tagtäglich sehen kann.
Aber wenn Jhnen diefer junge Herr
da drinnen jemals vergessen könnte,
was Sie jetzt für ihn thun, dann
müßte er der undankbarfteMensch auf
der Erde feint«
Sie lächelten beide und drückten
sich noch einmal wie gute alte Freun
de die Winde
»Ich muß heute leider ziemlich weit
über Land,« fügte der Doktor, Isich
zum letzten Mal verabschiedend, hin
zu, »aber der Eintritt irgend eines
bedrohlichen Zwischenfalls steht glück
licherweife nicht zu befürchten, und
fawie ich zurücktomrne, spreche ich;
natürlich wieder bor. Jm übrigen
thun Sie auch weiter, was Jhnen als
das Zweckmäßigfte erscheint, nnd es
wird« sicherlich das Zweckmäßigfte
ein.
Er ging, um seinen Wagen zu
besteigen; Thhra aber kehrte in das
Krankenzimmer zurück, durch dessen
halbgeöfsnete Fenster die winzige
Sommerluft hereinströrnte. Das Bett
stand an der gegenüberliegenden
Wand, und Erik Hallagers Haupt
ruhte bleich auf dem weichen Kissen.
Mit seinen schlossen, verfallenen Zü
gen und seinen geschlossenen Augen
mußte er denen, die ihn über alles
liebten und die ihn vor einer kurzen
Reihe von Monaten in der Fülle der
Kraft und Gesundheit hatten schei
den sehen, wohl einen unsiiglich trau
rigen Anblick gewähren. Aber diese
beiden Frauen hatten die heldenmii
thige Tapferkeit, ihre bangen Be
fürchtungen hinter ruhige-n, beinahe
heiterm Mienen zu verstecken, damit
eines dem anderen die herbe Prü
fungszeit nicht ohne Noth noch schwe
rer und grausamer mache.
Frau Hallager saß in der Nähe
des Fensters, doch so, daß ihr teine
Bewegung des Kranken und keine
Veränderung in seinem Aussehen
entgehen konnte. Sie war eine große,
stattliche Frau in der Mitte der
Fünszig, mit reichem, nur an den
Schläfen leicht ergrautem Haar nnd
einem regelmäßigen noch frischen
Gesicht,dessen Züge ebensooiel Energie
als Herzensgtite widerspiegelt-D
Weins sieTfTochier eines Bauern
war, wie Crit mit freudigem Stolze
hegen Editha geäußert, fo hatte sie
wahrscheinlich keine Ursache, sich die
see ihrer Abstammung zu schämen.
Nicht nur ein kraftvollen sondern auch
ein prächtiger und edler Menschen
schlag mußte es sein, aus dein sie her
vorgegangen war, denn ihre ganze
HErscheinung trug das Gepräge einer
natürlichen Bornehmheit und Würde.
i
i
L
i
i
»Du haft Dich draußen mit dem
Arzt unterhalten, Thora?« fragte sie
halblaut in norwegischer Sprache.
»Er hat meine Vermuthung bestätigt,
nicht wahr? Auch er findet, daß es
besser geht?«
»Ja, liebe Mutter! Er sagt, daß
wir guten Muthes sein dürfen, denn
er glaubt nicht mehr an eine ernste
Gcfahr.«
»Ich wußte es,'« war Frau Hal
lagers ruhige Entgegnung »Und in
dieser Nacht werde ich allein wachen.
Es ist genug, daß ich Dich werte,
wenn ich Deiner bedarf.«
Es war offenbar nicht Brauch zwi
schen ihnen, viele Redensarten zu ma
chen, denn das junge Mädchen neigte
ebenso freundlich zustimmend das
»Haupt, wie sie es ohne Zweifel ge
than haben würde, wenn ihr die
Nachtwache zugetheilt worden wäre.
i Mit unhörbaren Schritten ging sie an
sdas Lager des Kranken, strich ihm
Idas etwas verfchobene Kissen zurecht
sunb netzte seine Lippen mit einem
sTrante, den sie vollkommen getäusch
Hlos aus den auf dem Nachttischchen
stehenden Gläsern gemischt hatte. Als
isie ihre weiche Hand sanft unter sei
; nen sion schob, um ihn ein wenig zu
serhebem öffnete Erit Hallager lang
s sam die Augen. Aber es war ein lee
Trer, ausdrucksvoller Blick, der- über
die holde Pflegerin hinitreifte, und
schon in der nächsten Selijnde hatten
sich die schweren Lider wieder geschlos
» sen.
» »Willst Du ihn fragen, Thyra, ob
ier Dich lennt?·'
. »Nein, Mutter. Der Arzt sagt,
Jdaß wir ihm vor allem Ruhe gön
nen müssen, und darin hat er gewiß
recht. Auch glaube ich sicher, daß
zcsrit uns schon gestern-erkannt hat«
als- er zum ersten Mal aus seiner lan
» gen Bewußtlosialeit erwachte. Er ist
trohl nur noch zu schwach um sich
irgend welche Gedanken darüber zu
machen.«
Sie war »in Fee-»in Hallo-net getre:
ten, die vorsichtig ali- l.sclte sie äus
sierst zerbrechlidii Fiostiarteit in den
Händen, die Blätter eines Elizzetp
buches timwenteken
»Siel1,das linke ich heute gefun
den. Er wijrke uns aswifz erlauben,
es anzusehen, trrnn er gesund wär-.
Es machte ihm ja immer so große
Freude, uns seini- Studien und Ent
wiirse zu zeigen. Wie fleiszig er ge
wesen sein muß! Tag nahezu vollen
dete Geniälde oa drinnen —- und die
se Unmenae ron Stinen.«
Thyra sah ibr über die Schulter,
doch erst nach einein tieinen Zaudern,
als fürchte sie trotz der beruhigenden
Worte ihrer Pflegeniuttm eine Jn
diåtretion zu begehen. Nun aber war
ihre Aufmerksamkeit sehr schnell ge
fesselt.
»Wenn ein wunderschönes Gesicht!
Und da ist es noch einmal — und
dort? Wie viele Freude musz Crit
daran gehabt haben, diesen schönen
Kopf so ost zeichnen zu diirsent«
»Wak:rhaftig, drei-, vier-, fünf
mal! Und hier die ganze Figur, eine
Dame im Reittleide neben ihrem
Pferde. Etwas Vornehmes also! —
Aber findest Du es nicht seltsam,
Thyra, daß eine vornehme Dame sich
ron ihm so häufig als Modell hat
benutzen lassen?«
»Aber wenn Eril sie darum gebeten
bat, lieiste Mutter! Wer ein so schö
nes Gesicht hat, wie dies junge Mäd
chen, wiirde sehr unrecht daran thun,
einem Maler solche Bitten abzuschn
gen.«
»So? Meinst Du das-? Auch
Du würdest also jedem ersten besten
wiidsreniden Künstler dazu stillhal
ten, daß er Dich nach seinem Belieben
ein halbes Dutzend Mal portriitirt,
nur weil er Dir sagt, daß er Dich
schön sit-det?«
Mit einein holden Kinderliicheln
schüttelte Thhra das blonde Köpf
chen· ssJch bin wohl sicher davor,
daß mir dergleichen geschieht. Außer
dem aber wissen wir gar nicht, ob
Crit sitt die schöne vornehme Dame
nur ein witdstemder Künstler gewesen
ist. Er hat uns in den vier Mona
ten so wenig über seinen Umgang
und seine Lebensweise geschrieben —«
»Ja, ganz gegen seine frühere Ge
wohnheit. Aber wenn etwa diese hier
zu seinem Umgang gehört haben soll
te. so würde ich mich sehr wenig da
tiiber sreuent«
»Wie? Isinbeit Du sie denn nicht
auch bewundekungcswürbig schön?«
»Sie hat ein stolzes, hochmüthigeb
Gesicht, das wenig Herz verräth —«
Sie unterbrach sich, denn eben
pochte es leise an vie Tbür des Kran
kenzimmer-T und eine behutsam ge
diimpfte Stimme wisperte durch den
Spalt: »Das gnädige Fräulein von
Elvershöh ist unten und fragt, ob sie
nicht eine von den Damen sprechen
könne. Sie möchte gern von Ihnen
selber hören, wie es dem Herrn Ma
ler geht«
Thyra warf einen fragenden Blick
auf Frau Hallager. »Ein gnädigeö
Fräulein von Elveröhöbit Ich kenne
sie nicht; aber da sie so freundlich ist,
lich nach Eril zu erinnbigen, muß ich
doch wohl hinuntergehem ihr Aus
kunft zu geben-«
»Gewiß, mein Kind, ich bitte Dich
darum. Denn ich —- Du weißt es ja
-— kann mich mit der deutschen Spra
che noch gar zu schlecht behelfen.'«
n dem niederen, dumpfen Raum
zu ebener Erde, der dem wackeren
Ehepaar Hennig als Wohn- und
Schlasgemach diente, stand Editha
wartend am Tische, die königliche Ge
stalt in ein einfaches schwarzes
Trauettleid gehüllt. ’
Sobald Thhra auf der Schwelle
erschien, ging sie ihr lebhaft um zwei
Schritte entgegen. »Ich danke Ih
nen, mein Fräulein, daß Sie meine
Bitte erfüllt haben. Jch konnte mich
nicht länger auf die dürftigen Nach
richten beschränten lassen, die mir
durch Dottor Harmsen zutamem Es
ließ mir teine Ruhe — doch ich Ver
gaß, daß Sie mich ja noch gar nicht
kennen. Jch heiße Editha v. Linde
« rode. Und Sie sind Fräulein Thyra
Jensen —- Herrn Hallagers Pflege
schwester, nicht wahr?«
Mit dem ersten Blick hatte Thyra
in der schönen, vornehmen Fremden
das Original der Porträtzeichnun
gen ertannt, die sie soeben in Erits
Slizzenbuche bewundert. Und sie
wußte nicht, wie es lam, daß diese»
Entdeckung ihr ein eigenthiimlich be-«
ltemmendes Gefühl verursachte, und.
daß auch sie in dem tlassisch regel-i
mäßigen Antlitz fitr einen Moment;
einen kalten, grausamen Zug zu se-i
ben glaubte. Aber es war in der
That nur für einen Moment. Jn der
selben Selunde schon hatte ihre ge
sunde Natur die thörichte Auwand
lung überwunden, und in voller Un
befangenheit legte sie iltre Rechte in
die dargebotene Hand der Besucheriml
»Ja, ich bin es,'« sagte sie einfach
,,Wußten Sie denn etwas von mei
» ner Existenz?«
i »Wer könnte mit Hallager befreun
Idet sein, ohne etwas von Jhnen zu
; missen! Ich habe wohl keine Stunde
jin seiner Gesellschaft zugebracht, in
? der er mir nicht von seinem goldhaa
riaen Schwesterchen Timra vorne
f idttrsijrmt hätte-. lfr bat Sie so lieb,
Tdasz Sie stolz darauf sein dürfen,
; Hin Frästlein!«
T Sie beobachtete die jun-Je Notwe
acrin sebr tat-Its während sie iu dem
» !irkrnLtD-·«irligsten Tone Ists its-r sprach,
nnd dass srsrudiar isiuflexuistcte des rei-!
» fcnden lksesicclclxeng lot-site ihr daruml
; ticjvt entgehen
Aber sie hatte doch vielleicht eine
andere Antwort ertrssrtet ais sie ihr
Jst tbseil trink-O Js« Thzsra erwi
Tcrte Dime set-is ".·!:«.· essen irr-n Ver:
Ins-innern to me man etwa-J ganz
xseldftverständlichez kseiiatiatt Ja,
:·..-ir baten nan iclsr lied. Auch da
lseirn am Hintanafjord versieht keine
» Stunde, wo die Mutter nnd ich nicht
von ihm sprachen«
»Und Sie boten meinen Namen
heute zum erstenman tirit hat Ih
nen nie von mir atfchrieben7«
» »Nein ——— niemal5.« erklärte Tim
ra aufrichtig »Aber dass ist nicht
wunderbar. Seine Briefe kamen zu
letzt nur in langen Zwifchenriinmen
und waren sehr kurz. Die Arbeit liesz
ihm nicht Zeit, uns Viel von seinem
Leben zu erzählen.«
’ »So muß Ihnen mein Besuch
J allerdings etwas befremdlich Vor
; kommen, und ich bin ein wenig in
T Verlegenheit, wie ich Ihnen meine
JBeziehungen zu Herrn Halle-get er
lilären soll, ohne mich der Gefahr
leines Mißverständnisses auszutetzein
; Durch seinen Aufenthalt in Eichfelde
Irr-arm wir gewissermaßen Nachbarn
; geworden, denn die Besitzung Ell-ers
H höh, zu der auch dies Dorf hier ge
; hort, ist das Eigenthum meiner Fa
zmilir. Ich machte durch einen Zu
jfall bei einem Spazierritt die Be
« lanntfchaft Jhres Werk-, als er in
unserem Walde malte, und —«
« »Und da zeichnete er Sie mit Ih
um Pferd-, nicht wahr-—- Jch ich
»das Bild vorhin in feinem Stiegen
bieche mit all’ den anderen Porträts,
die er von Jhnen gemacht hat, und ich
habe Sie nttiirlich sogleich erkannt.
Jch brauchte alfo gar nicht erft Ih
ren Namen zu kennen, um z -,«»wifsen,
daß Sie mit ihm befreien seien.«
Das klang alles fo Erglos und
offen, daß Editha an ihren erstenBers
muihungen wieder irre wurde. «Diese
Kleine ist entweder ein Gänschen oder
eine Schlange,« dachte sie, »denn daß
sie selber nur schwesten e-«’"Cmpfin
. du fiir ihn hegen s « , glaube ich
ni" " hr.« Laut aber sagte sie
mit jenem gewinnenden Lächeln, das
eeade auf ihrem stolzen, kalten Ge
sicht von so besonderer Wi ng war:
.«Umso besser füs mich. F rchtete ich
doch, dasz Sie mi « für recht auf
Jdringli « lten ten. Und nun,
zwein l B Fräulein, lasseii Sie mich
Idor allein nier wie es Ihrem
:Bruder geht« Die Nachricht von sei
«ner Erkrankung traf mich so über
. raschend und erschreckend wie ein
IBriy aus heitere-a Himmer Hatten
anich nicht schweres persönliches Leid
Hund heilige Pflichten aus Elvershöh
szuriickgehaltem so wäre ich auf der
s Stelle hierhergeeilt. Nun aber lese ich
s zu meiner Freude auf Ihrem Gesicht,
J daß es nicht so schlecht um ihn ste
, hen kann, wie Doktor Harmsenjnich
» nag) vor wenigen Tagen siirchien
! lie .«
s Die warme Theilnahme dieser vor
s nehmen jungen Dame für ihren Pfle
ssgebruder schien noch immer »- ichis
iAuffallendes oder BefremM für
I Thhra zu haben, ja, es ma . r so
igar unverkennbar Freude, iiber den
iheuren Kranken wir ein-m Menschen
sprechen zu dürfen, der sich iiber die
giinftige Wendung in seinem Befinden
nicht minder beglückt zeigte, als sie
selbft es war. Mit immer gleicher
Freundlichkeit antwortete sie auf die
» zahlreichen Fragen Ediihas, und bald
s war die Baronesse über alle die klei
nen Ereignisse und Wechselfiille dieser
sorgenvolle letzten Tage so genau un
z terrichtet, als habe sie selber an Crit
! Hallagers Krankenbett gesessen.
l Zögernd uuk schickte sie sich nach
, Verlauf einer rasch verflogenen halben
Stunde an, ihren Besuch zu beenden.
»Ich wiirde glücklich sein, mein lie
les Fräulein, wenn ich Sie und Jhre
Mutter recht bald auf Schloß Eli-ers
1höh willkommen heißen dürfte. Aber
I ich weiß nicht ein-nur ob ich es Ihnen
Izumuthen durf, denn unser Haus ist
gegenwärtig ein Haus der Trauer,
und Sie werden sich überdies vorerst
wohl nur schwer entschließen, Jhren
geliebten Patienten auf längere Zeit
zu verlassen.«
»Nein, daran ist fiir die nächsten
Tage und Wochen gewiß nicht zu den
len,« bestätigte Thyra in ihrer ehrli
chen Weise. ,,Gestatten Sie mir also,
Jhnen fiir die angebotene Gastsreund
schaft zu danlen, wie wenn wir sie
wirklich genossen hätten. Sobald es
mir das Besinden meines Bruders ge
stattet, werde ich ihm erzählen, wie
viel freundliche Theilnahme Sie ihm
heute erwiesen.«
»Nein,s«friiulein Jensen, gerade das
dürfen Sie unter keinen Umstän
den thun. Jch habe meine besonderen
Gründe, Sie auf das herzlichste um
Verschwiegenheit Herrn Hallager ge
genüber zu bitten. Jch werde mit
Jlirer Erlaubniß roch öfter wieder
kommen, mich nach ieinemBefinden zu
erlundigen, aber er soll davon ebenso
wenig etwas erfahren als von meinem
heutigen Besuche. Ja, ich erbitte noch
mehr von Jhnen als dies. Jch bitte
Sie, niemals meinen Namen in seiner
Gegenwart zu nennen und alles zu
vermeiden, was ihn an mich erinnern
könnte. Jn feinem Interesse viel mehr
als in dem nseinigen geschieht es.wenn
ich ein so sonderbar erscheinendessVer
langen an Sie richte. Später, mein
liebes Fräulein, sollen Sie natürlich
auch die Gründe lennen lernen, die
mich dazu bestimmen. Für jetzt mits
sen Sie mir versprechen auch ohne
solche Kenntniß meinen Wunsch zu er
füllen«
»Es ist setbsiversiändiich das-, ich
thun merk-e, was Sie mir vorschrei
ben,« sagte Thora, ohne ihre Verwun
derung zu reitergenx »aber ich glaub
te, daß es Crit nnr Freude machen
könnte, von Ihrem Interesse für ihn
zu hören.«
»Auch die Freude ist einem Kran
ten nicht immer nützlich liebes-Fräu
lein. Und ich wiederhole, daß Sie
meine Bitte begreifen werden« wenn
ich Jhnen eines Tages alles austtiiren
darf. Jetzt muß ich fort, da auch mich
daheim ein Kranler erwartet. Jch
nie Jhnen fiir den freundlichen
.mpfang und hoffe, Sie bald wie
derzusehen. Leben Sie wohl!'«
Sie drückte der jungen Norwege
rin die hand, nickte ihr noch einmal
liebenswürdig lächelnd zu und ging.
Thhra stand eine tieine Weile unbe
wsiich wic Jemand, der ein großes
E bnifz in seinem Herzen anstim
gen läßt. Dann stieg sie langsam die
steile, tnarrende Treppe empor und-I
trat mit unhörbarem Schritt über die
Schwelle der Kranienstubr. Frau
Hallager hielt noch immer das Sitz
zenbuch ihres Sohnes in der hand
und betrachtete die Bildnisse der Un
betannten, deren Gesicht ihr trotz sei
ner Schönheit so wenig hatte gefallen
wollen.
Thhra neigte sich zu ihr herab und
flüsterte, indem sie aus eines der Por
triits deutete: »Sie war eben hier!
Und sie ist noch viel schöner, als Crit
sie gezeichnet hat. Aber wir dürfen
ihm nichts davon verrathen, daß sie
hier gewesen ist. Jch mußte es ihr
versprechen.«
Frau hallager blickte aus. For
schend ruhten ihre tlaren Augen aus
dem Gesicht des jungen Mädchens-,
darin sie noch immer hatte lesen tön
ncn wie in einem offenenBuche. »Was
soll diese Heimlichteit bedeuten? Jn
welchen Beziehungen hat sie zu ihm
gestanden, daß ihm jetzt ihre Theil
nahme verbargen bleiben müßte?« «
»Wie hätte ich sie danach fragen
dürfen, Mutter! Aber ich glaube, baß
sie Eril sehr gut ist. Und es geschah
sicherlich nicht bloß aus Höflichkeit,
daß sie kamwdie bange Sorge um
ibn hatte sie hergetrieben.«
Sie zagte das vollloinmen ruhig —
nur da ihr Antlitz vielleicht ein wenig
ernxer war als gewöhnlich Frau
Ha ager hatte teine weitere Frage,
aber es war ihr anzusehen, daß Fe
nicht zufrieden war mit dem, was te
rernommen hatte. Noch einmal ver
tleste sie sich minutenlang in die Be
trachtung der mit liebevoller Sorg
falt ausgeiihrten Porträtstizenz
Dann schlukzzie das Buch zu und-ag«
mit einer sntschiebenheit, die ogar
einen kleinen Anklang von harte
hatte: »Wenn sie wiederkommt, werde
ich selbst sie empfangen. Es verlangt
mich danach, sie kennen zu lernen.«
SiebzehntesKapiteL
Zum zweitenmal innerhalb eines
Zeitraums von wenig Wochen hatte
das Herrenhaus von Elvershiih bat
düstere Gepräge eines Leichenbegiin -
nisses gesehen. und saht-either noch a I
bei der Bestattung des alten Baroni
—
P
nat das zur Beisetzung feines in
prangender Jugendbliithe dahinge
rafften Entels erschienene Trauergee
folge gewesen. Mit allen militiiris en
Ehren hatte man den Leutnant r
win v. Linderode zu feiner lekten
Ruhestötte geleitet, undes war ehr
ausgefallen, daß der Majoratsherr,
Profper v. Linderode, bei den Trauer
feierlichleiten fehlte. Keiner von allen
Gästen hatte ihn zu Gesicht bekommen
nnd Prosper mußte in der That sehr
tranl sein. wenn er nicht einmal
einer so unabweislichen Pflicht der
Pietiit, wie es die Theilnahme an der
Beftattung seines unglücklichen Vet
ters war, zu genügen vermochte. Zwar
hieß es, sein Leiden sei an und für
skch keineswegs bedenklich, und der
Arzt hätte ihm das- Verlassen feines
Zunmers wie den Empfang von Be- «
suchern nur mit Rücksicht auf seine
Durch die letztenEreignisse etwas über
reizten Nerven verboten. Aber es fehlte
nicht an geheimnißvollen Andeutun
aen, die viel Schlimmeres vermuthen
ließen, und man begriff den fassnngs
losen Schmerz der bedauernswerthen
Baronin viel besser, seitdem man sich
überzeugt hielt, daß ihre Thränen
nicht so sehr dem Schicksal des todten
Neffen als dem des tranlen Sohnes
galten.
Jn der That ftandes um Prosper
schlecht. Er hatte sich trotz feines an
fänglichen Widerstrean entschließen
müssen, dem Drangen der Schwester
nachzugehen und den Besuch des Dol
trr Harmsen zu empfangen, der fehr
lange bei ihm verweilte und ihn auf
das Gründlichste untersucht hatte. Die
Ansicht, die der Arzt alsdann mit
voller Offenheit der Baroneffe gegen
iiber ausgesprochen war dahin gegan
aen, daß für das Leben des Patien
ten eine unmittelbare Gefahr nicht
vorhanden ie,i das aver ieiii we
niiithszustand die sorgsaltigste Scho
nung und das ängstlichste Fernhalten
aller neuen Ausregungen gebieterisch
erheischte. Namentlich iniiss e Hkredi
Erinnerung an den gewaltsamen od
seines Vetters nach Möglichkeit ver
iniieden werden, da veriniithlich gerade
iiii der tie sen seelischen Erichiitterung,
iioeiche dies schreckliche Ereigniß her
borgeriisen, die Ursache seiner neidis
ien Ueberreizung zu sucien sei. So
. ergab es sich denn von selbst, daß
iProsper weder den Iraiierseierlichteis
ten beiiiohnen, noch die Beileidgbeieus
aungen der zur Beitat tiing erschiene
nen Gäste entgegennehiiien durfte ob
aleich er nach dein Maße seiner tör
rerlichen Kräfte sehr irohl dazu im
Stande aeweseii wäre.
(Fortset3ung folgt.)
-
Preise für Haisischa
Die Seebebörde zu Triest hat einen
Erlaß herausgegeben, der die Jagd
nach haisischen fördern solt, indem
»zugleich Preise sur die Beute ausge
setzt werden. Jn dein Erlasse heißt
« es unter anderem: Für jeden Haisisch, "
welcher Art immer satte-genommen die
genießbaren) —- es giebt ein halbes
.Dutzend verschiedener im Mittelländi
Iichen Meer, wie der cternhai. der ei
.gentlich ziemlich harnitos ist der
Hundhai Dornhai, Schiveinshai.
Katzenhai u a s—— wird eine Beloh
nung ausgesetzt, und zwar bis zu 1,5()
Meter 10 K» über diese Länge 20 K.;
für besonders große Hais werden 50
K. bezahlt. Für die Erlegung des
menschenfressenden Hais werden Be
lohnungen von 40 bis 1000 K. siir
das Stück ausgesetzt. Die aus die
Preise Anspruch erhebenden Fischer
-.haben die erbeuteten Stücke dein näch
sten Hasenamte vorzuweisen.
Die Menschenfresser unter denhaien
zei « « sich bekanntlich erst seit den letz
«ten hrzehiiten im Mittelnieer; man
nimmt an, daß sie durch den Suez
Canal aus den wärmeren iiidlichen
Meeren eingewandert sind. Sie schei
nen sich im Mittelmeer auch zu ver
mehren, die Lebensbedingungen sagen
ihnen dort also zu. Schon mehrfach
find größere haie Bat-enden gefährlich
geworden. Neben vielen Bädern sind
deshalb sogenannte Haisisch-Wacht
; thürine errichtet, von denen aus Wäch
ter die Badenden warnen, sobald sie
idie Rückenslosse eines Haies in der
; Ferne aus dein Wasser ragen sehen.
i Andh Carnegie hielt in Northumb
ton Mass. .. eine Ansprache, in der er
das Tanzen als ein schönes und ern
psehlenöwerthes Vergnügen bezeichne
t-. Er selber tanzt nicht; dagegen Bat
er aber ost das Vergnügen gehat »
zuzusehein wenn viele andere Leute
nach seiner Pseise tanzten
I O I
Zweierlei niinrnt ein echter Ju
seiner Mutter ernstlich übel: wenn
ihn um Einmhmen von Nieinus- Oel
nöthigt oder cheihn zwingt, sich die Hän
dezu wasche
rika
Fo, alte Liebe kostet nicht,
Da fehli’s nicht on Beweisen —
Doch zählt man oft, bis man sich
lrie l,
Selbst schon zum allen Eiern
O sc sit
»Alle Sie wollen bei mir auf bet
Form eintreten? Versichen Sie denn
etwas von L ndwiethixchaft und Vieh
zucht?« «A er gewi .« »Nun, wenn
Sie eine Kuh mellen sollen, an welche
Seile von ihr setzen Sie sich tmqu
fän« der Außenfeite, selbstverständ
1 .
sit
Von seinem Wissen lonn man nicht
kon so gut leben wie von seinem
onnen.