Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, April 21, 1905, Sweiter Theil., Image 12

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    »Fieken« Fröhlich.
Humoreste von K a r l B u s s e.
l.
Hans Heinrich Randow und Otto(
Meyer waren Freunde. «
Wahrscheinlich hätten ihre Wege sich
niesgetreuzt, wären sie nicht gleichzeik
tig beim vierten Garderegiment als
E njäbrig - Freiwillige eingetreten.
Freud und Leid der Militärzert tru
gen sie gemeinsam, und als sie den
bunten Rock auszogen, beschlossen fre,
den angebahnten Verkehr weiter zu
pflegen. Es geschah dadurch, daß ne
ßch jeden Samstag in einem Cafe
trafen, dort ein paar Stunden ge
miitblich plauderten und sich nach Mit
ternacht fiir eine Woche trennten.
Bei jeder Zusammentunft fast
pflegte der elegante Hang Heinrich
Nandow zu sagen:
«Eigentlich bist Du ja kein Mensch,
lieber Freund. Und ich begreife mich
selbst nicht, daß ich mit Dir verkehre.
Erstens: wie kann man Meyer heißen?
Zweitens: Du trägst genähte Kranich
tent Das legt sich auf die Nerven. Und
drittens sind Deine Manschetten nicht
direkt am Oberhand, sondern es sind
Stulpen. Stulpen im 20. Ja thun
dertt Jch tann als gebildeter ensch
eigentlich nicht mit Dir umgehen.
Nimm mir’s nicht übel, aber es ist so.«
Otto Meyer lächelte nur.
»Ja, lieber Hang. . ."
»He-ins Heinrich, bitte. Jch finde, die
beiden Namen tlingen menschenroiit
diget.«
»Bist Du so getauft?«
« »Das thut nichts zur Sache. Mein
Vater hatte teinen Geschmack, so nett
er sonst war.«
»,,Aha! Nun gut, lieber Hans Hein- "
rich. Du haft Nerven, ich nicht. Ich
taan mir nicht helfen, ich hab’ eben
keine. Und im übrigen bist Du reich, ;
ich nicht. Und im übrigen bist Du ein !
Stück Künstlernatur, und ich ein
Kaufmann. Reiteft Du auf einem !
Pferde, und ich auf dem Kontorbock. E
Wenn man Dich hört, glaubt man . .«« ;
»·Lassen tvir das Thema fallen,«
etwtderte Hans Heinrich achselzu
elend· »Du bist ein guter Kerl, so un
möglich Du sonst bist.«
Jn mannigfachen Variationen
ward dieses Gespräch fast jeden Sam
stag geführt.
Nun geschah es, daß die beiden
Freunde sich im Winter ganz unver
muthet auf dem Ball trafen. Otto
Meyer war abkommandirt, die Fami
lie des Chefs zu begleiten, der eine
keißrathssiihige sehr schöne Tochter be
Mitten im Saal stießen beide zu
samtnen Die Freude war groß
Joar seufzte Hans Heinrich über sei
nes Freundes Toilette, aber er ließ
sich dem Chef und der Tochter vorstel
len. Der Chef hieß Gustav Fröhlich.
Es war ein einfacher, tüchtiger Mann
Seine Tochter rief er »Fiesken"
Fieken Fröhlich war groß, blond,
eine ruhige Schönheit Hans Hein
rich plauderte den ganzen Abend mit
ihr. Kurz vor dem Aufbruch sagte er
Iu seinem Freunde:
»Sie ist vornehm bis auf den Na
men. Wenn ich sie heirathe, werde ich
sie »Friede« nennen ooer »Jnge«.
Freien ist ebenso unmöglich wie Frie
derikr. Jhr Vater hat kein Gefühl
dafiirz aber sie selbst hat es — verlass’
darauf «
»Was willst Du?'« fragte Otto
Meyer erstaunt.
»Daß man Euch alles zweimal sa
Oen musi« seufzte Hans Heinrich
»Nun Vornamen ändern, wenn ich
sie heitathe.«
»Es ist keine Frau für Dich,« er
widerte der andere nach einer Pause.
Er war unruhig.
Aber Hans Heinrich lächelte nur.
Einige Wochen daraus oerlobte er sich
mit Fieten Fröhlich.
2.
Als er eines Vormittags seine
" staut besuchte, schrieb sie eifrig.
»Deine Dir nur, «sprach sie, »welch’
W uns passirt Gestern totan ich
besiegen nach Haus und stell’ den
Schirm zum Trocknen im Korridor
I anf. Nun hat heut’ Morgen wohl
Papa seine Cigarre aus Die Spiegel
toilette im Korridor gelegt und sie ist
gerade in den Schirm gefallen —- kurz
und gut, es riecht brenzlich, und als
ich raustomme, seh’ ich diese Beschw
rung
Sie spannte den Schirm aus. Ein
handiellergroßes Loch war in den Be
zug gebrannt
Er bedauerte lächelnd.
»Einn! Augenblick,« sagte er dann,
»ich will nur noch den Brief an den
- Ugenten beendigen.«
An den Agenten?«
»Ja. Wir sind in der Feuerm
.--— Hanstsi Heinrich sah sie groß an.
«-M— vetsi ehe ehenoch immer nicht, Lieb
Sie schrieb schon Und ohne die
W abzusetzen, sagte sie lachend:
seh« nicht ein, weßhalb ich mir
Schirm nicht ersetzen lassen soll,
M man schon einmal das theure
M bezahlt«
»M- so! in der Schirm so
Wir irr-«
»Ist nicht Seit ich einen seide
» . III-»Im steh-v ließ schaff ich mir
""Mganz bill ige an.«
If schwieg. Am nächsten Iice-ge
« Eh seine staut als er hinkam,
W Sinnb- niii dem sgenteih
« III Daraus arbeitete sie an
M
der schriftlichen Darstellung des Fal
les, die der Direktion eingereicht wer
den sollte.
Arn vierten Tage sagte sie trium
phirend:
»Man ist geneigt· mir den Schirm
zum vollen Werthe zu ersetzen.«
Am fünften Tag war sie in Hut
und Mantel.
»Es ist ärgerlich,« sagte sie, »du
soll ich noch einmal selber aufs Bu
reau. Es sind noch einige Formali
täten zu erfüllen. Jch soll auch
gleich die Quittung unterzeichnen.
Wenn es Dir recht ist, begleite mich.«'
Hans Heinrich war Kavalier. Als
er neben ihr ging, hatte er jedoch di
rekte Schiner en. Ihr Mantel pei
nigte ihn. Ls war ein unmöglicher
Mantel stir seine Begriffe. Vor drei
Jahren waren diese Ungethiirne mo
dern gewesen« Heute trug sie lein
Mensch mehr.
So blieb er, als sie an einem gro
ßen Geschäfte vorbeikamen, stehen
und wies aus die ausgestellten Mo
delle. .
»Wenn Du erst meine Frau bist,
Liebste, holen wir uns hier einen
Mantel. Jch lann Dich in Deinem.
den Du anhaft, gar nicht seh-en. Was
meinst Du, wenn Du mir gleich eine
Freude machtest?«
Sie lachte. »Es ist wahr, meins
Mantel hat bald ausgedient· Nach-i
sten Winter müßt’ ich ihn reinigenz
und ausbiigeln lassen. Aber jetztj
schon ein neuer — wo denkst Du hin? s
Das wäre wahrhaftig Verschwen- s
dung.«'
»Pah, solche Kirchenmäuse sind wird
doch.nicht, Liebste. Dazu haben wir’s
d .«
»Aber Geld bleibt Gew. Es ists
besser, wenn’s in der Sparkasse steckt’
als irn Mantel.« i
Sie gingen weiter. Hans Heinrichs
fuhr sich mit dem seidenen Taschentuch s
über die Stirn.
»Willst Du mit hinauf?« fragte sie,
als sie vor dem Bureau der Feuerba
sicherung standen.
»Mit Deiner giitigen Erlaubniß
. . ich möchte doch wohl lieber hier
unten warten.«
c)
Jrn März hatte der Chef des Hau
ses Gustav Fröhlich Geburtstag.
Und zur Feier des Tages war be
schlossen worden, einen Ausflug nach
einem idyllisch gelegenen Vorort zu
machen und sich schließlich in einem
größeren Restaurant an Kafiee ·und
Kuchen zu erfreuen.
Hans- Heinrich mußte rnit. »Hier,«
sagte Fieten, »wer essen will, muß
auch arbeiten. Du trägst den Ku
chens «
Er wich zurück.
,,Könnten wir den Kuchen nicht
vielleicht in dem Restaurant bestellen,
liebes Kind?«
»Nein, da taugt er doch nichts.«
Und Hans Heinrich schritt gebeug
ten Hauptes-, eine mächtige Nil-knick
rolle in der Hand, neben Vater und
Tochter her.
»Jetzt giebt es eine Ueberraschung,
Papa,« lächelte Fieten verschmißt, als
sie glücklich in dem großen und wenig
besetzten Restaurant angekommen wa
ren, das von vornherein als Ziel der
Wanderung festgesetzt war.
»Kellner . . . !«
Aber ehe das Geburtstagtind noch
die Bestellung machen konnte, sagte
Fietem
»Ich weiß, daß Du ungern andern
Kassee trintft. Papa . . . ich hab’ des
halb hier zwei Loth mitgebracht. Das
langt siir uns drei wohl und wir trie
gen einen guten Tropfen. Man darf
hier doch wohl Kassee kochen, Kellneri
Wo ist die Küche? Jch brauch’ nur
heißes Wasser und einen Teller fiir
den Kuchen.«
Dann begann sie die Pianickrolle
auszupacken
Hans Heinrich stand der Schweiß
aus der Stirn.
»Fe,hlt Dir ’wa3, mein JungeHP
fragte der alte Fröhlich lustig, wäh
rend seine schöne Tochter mit dem
Rellner verhandelte.
»O nein, nichts,« ftotterte er, »eine
lleine Unpäßlichkeit . . . bitte einen
Augenblick um Entschuldigung.«
Wie der Blitz war er zur Thür
hinaus-.
Es dauerte eine Viertelstunde, ehe
er zurückkam. Seine Braut brachte
gerade die Kaffeelanne aus der Kü
che, während der Kellner mit einem
Tablett folgte, auf dem Tassen, Zu
cker, Milch und ein Teller fiir den
Kuchen standen.
Als er sich entfernt hatte, sagte
Fielem »Es ist theuer genug! Der
halbe Liter heißes Wasser, die paar
Zuckerftiicke und die Milch toften eine
Mari. Nun, der Kaffee wird dafür
gut schmecken. So ’was ift doch riesig
gemiithlich Wenn wir erft verheira
thet find, müssen wir das öfter ma
chen.
Sie fühlte sich fo wohl, daß sie
scherzte, lachte, mit den beiden herren
anfiieß. Ueberhaupt: es wurde recht
lustig. »Wenn ein Fröhlich Geburts
tag hat.« meinte der Vater, »muß er
seinem Namen Ehre machen.« i
Die Lampen brannten bereits, alöi
man ausbrach. Das Geburtstagökindx
bezahlte. Fieken fchniirte die Prcknich
rolle zusammen.
«·Vetrje.« rief sie splötlich »betnah’
hätt’ ich den Inder ver essen.«- «
Auf res- tlntertasse agen noch fsnf
bis sechs Eises-. - ’ ·
Der Kellner lächelte leise.
»Für meine Bögelchen,« sagte ie
len Fröhlich und wickelte die St cke
ein.
Hans heinrich sprach kein Wort
Sein Gesicht war über und über roth.
hast Du denn Vögel?" fragte
er raußen.
»Ich? Nein. Aber ich werd’ doch
den Zucker nicht liegen fassen. Er ist
ja bezahlt.»«
»Gewiß, gewiß!« sagte Hans Hein
rich. »Soll ich auch wieder die Piet
nickrolle tragen?«
»Bitte.«
Es folgte eine lulstige Heimsahtt.
»Du bist so still, Söhnchen,« sagte
der Alte.
»Ja. Jch had’ Schmerzen.«
4
Hans Heinrich Randow saß in sci
nem Arbeitszimmer.
Er schrieb gerade an einem Briefe.
Sein Briespapier war höchst vornehm.
Ost seufzte er schwer wxzcend des
Schreibens. Endlich setzte er den Na
men darunter. Dann las er die
Epistel rasch durch, als mass ihm
eine Qual. Sie lautete:
»Hochverehrtes, gnädiges Fräulein!
»Woh! wollte die Hand nach lieber
Gewohnheit auch iiber diese Zeilen
»Liebste Friede« setzen, aber es paßt
nicht mehr über einem Briefe, in dem
ich mich dieses Rechtes freiwillig be
sehen will. Es sind meinem jetzigen
ntschlusse so lange Kämpfe vorange
gangen, daß ich nun kurz sein kann
bitte, unser Verlöbniß als ausge
ben zu betrachten. Ein näher-er
Verkehr, so sehr er meine Achtung und
Verehrung gesteigert hat, ließ mich
doch erkennen, das; unüberbtiiclbare
Gefühlstliifte zwischen uns bestehen,
die sich einem reinen ehrlichen Glück
hindernd in den Weg gestellt hätten.
Alle Schuld liegt dabei auf meine
Seite. Jch spreche das hier aus. um
jede Mißdeutung zu vermeiden. Wie
schwer mir der Schritt fällt, den ich
thue, wie sehr es mich Jhretwegen
quält« daß der Affront nicht vermie
den werden saan, das läßt sich nicht
sagen. Jch kann nur das Eine thun,
aus Berlin zu verschwinden -und Sie
zu autorisiren, von Ihrer Seite rne
Verlobung aufzuheben und Jhnen
jeden genehm diintenden Grund, so
sehr r mich auch belaste-n mag, ohne
Rückrcht anzugeben.
Vielleicht vergeben Sie mir einst,
hochoerehrtes gnädigeg Fräulein. wenn
Sie ein reineres und mehr Dauer ver
sprechendeg Glliick an der Seite eines
Mannes gesundeen haben, der Ihrer
würdiger ist alg
Jhr ergebener
Hans Heinrich Randotv.«
Er selbst trug den Brief zum
Kasten.
Am nächsten Tage tlingelte es
heftig '
Und im nächsten Moment stand.
Otto Meyer vor Hans Heinrich. «
»Verzeih’, daß ich Dich so überfalle.
Aber ist denn as wahr, daß Deine
Verlobung zurückgegangen ist? Jst
denn das die Möglichkeit? Und wa
rum, weßhalb — so red’ roch.
Mensch!«
Hans Heinrich matt-te erst Ans
sliichte. Dann jedoch schien es ihm
selbst willkommen, sich einem Bekann
ten gegenüber augsprechen zu können.
»Siehst Du,« sagte er, »Meher Zu
heißen, genähte Kravatten und noch
Stulpen zu tragen. ist ein Unglück.
Aber man kommt über vieles hinweg.
Wenn man jedoch zur Feuerversiche
rung zehn mal hinläust, um sich drei
Mart siir ein Loch im Schirm ersetzen
zu lassen, wenn man Kuchen in Pic
nickrollen packt, im Restaurant Kassee
kocht, sich den Zucker nachher einsteckt
sitt sdie «Bögelchen«. und das alles,
trohdem man’s nicht nöthig hat —
das ist mehr als Menschenworte aus
zudrücken vermögen.«
Er erzählte ihm die beiden Szenen.
Dann suhr er fort:
»Du verstehst das nicht. Aber viel
leicht kennst Du das Märchen von der
Prinzessin aus der Erbse, die die
Erbse durch sieben Matrahen fühlte,
wo andere sie nicht durch eine fühlten.
Es giebt Dickhäuter. dazu gehörst Du.
Und es giebt Menschen, die in solchen
Fleinigjeiten — sehr· empfindlich sind,
sUtto Meyer, sjkeunochem Au deutet-n
es ja auch nicht! Aber so wahr ich
ein ehrlicher Kerl bin, mir ist der
Brief elend schwer geworden! Nicht
nur, weil Du weißt, daß fiir mich ein l
Affront das schrecklichste ist, was esf
giebt. Nein — auch Friedes wegen! (
Aber lieber ein rascher Schritt alö ein
ewiges Leiden. Umlrempeln würde
ich meine ..... Braut nicht aetonnt;
haben. Dazu ist sie zu selbstständig
Und vor allem: das ist ja reine Ge
fühlssachr. Schluß. Du siehst, ich
packe und reise«. I
Otto Meyer nickte und besah seine;
Fin rn« el.
»Ja, Fans Heinrich —- wenn es so
ist, dann tann ich Dir wobl gra
tuliren. Oder eigentlich Euch beiden.
Wann kommst Du wieder?«
»Jn einem halben Jahr vielleichi.«
5.
Das halbe Jahr war verflossen.
Hans heinrich war wieder in der Re
sidenz. Er sah sonnen-gebrannt aus,
aber sanft elezsint wie immer.
An Otto eyer hatte er gleich am
zweiten Tage nach seiner Ankunft ge
schrieben, ob sie sich am Samstag wie
der in dem alten Cafe treffen wollten.
«Diesen Samstag geht ei nicht,«
W die Antwort.
«Leider Hebt es diefen Samstag
auch nicht, war der auptsah des
Brief«-, der eine Woche piiter eintraf.
« Nun war der dritte Samstag bek
angekommen. Diesmal hatte Otto
Meyer fest zugesagt.
« Hans heinrich stand fertig zum
Ausgehen in seinem Zimmer als es
klingeltr. Es war tein anderer als
sein Freund.
»Ah —- das ist r nett von Dir,
daß Du mich soga abholst! La Dich
’mal anschau’n — —- natiirli ganz
der Alte!«
Otto Meyer war verlegen.
»Weißt Du,'« sagte er, »ich komme
nämlich eigentlich, weil es diesen
Samstag auch nicht geht.«
Er schluutr. »Es geht überhaupt
nicht mehr, Hans inricb.«
»Nanu?« Lang am zog er den
Handschuh wieder von den schlanken
Fin ern. , ·
» , nämlich . .. da ist doch Deine
Verlobungsgeschsichtr. Du hast nnr
viel er ählt von Deinem Gefühl, und
wenn Du auch manchmal tomisch bist,
so viel weiß ich doch, daß Du nicht
lügst und daß Wahres d’ran ist. Jch
verstehf das nicht so, weil ich eben an
ders fühle. Und das Sonderbareist,
mir hat gerade riesig gefallen, was Du
mir von Inten- von FräuleinFröh
lich erzählt hast. Jch bin nicht reich
wie Du, bin ein Kaufmann und dachte
mit: solche Frau mußt Du haben, mit
der tommst Du vorwärts. Jst das
nicht seltsam?«
,..bm,« machte Hans Heinrich.
»Kurz und gut: ich bin ja schon
lange Proturist beim Alten, und kürz
lich hat er auch eine Andeutung fallen
lassen, als ob ich ganz in das Geschäft
eintreten solle... als sein Kompag
non, verstehst Du. Jch hatte Fieten
schon lange gern. Aber ich dachte: was
iii sie, und was bist Du? Und hab’
also nur die Zähne zusammengebissem
als Du Dich mit ihr verlobiest Dann
tam die Aufhebung der Verlobung,
und jetzt -—·— -——«
»Bist du glücklicher Bräutigam,«
vollendete Hans Heinrich.
Otto Meyer ward roth. -
»Ganz so schnell wie bei Dir geht
das nicht. Allerdings sind wir einig.
Aber wir wollen noch einige Zeit war
ten, bis über die vorige, unangenehme
Geschichte Gras-gewachsen ist«
»Da rriegn Du eine gute und;
schöne Frau. Otto. Gratulire ehrlich.« l
»Dann sehr, dante. Aber nimm;
mir’s nicht übel. Du begreifst, daßz
die Samstag-Adende aufhören müs-?
sen. Es thut mir aufrichtig leid, doch s
wie die Verhältnisse liegen —— ——«
«Natiirlich,« nictte Hans Heinrich,
»das seh ich vollständig -:in. Laß es
Dir recht gut geh’n!«
Als er allein war. nahm er einen
Handschuh auf und ließ ihn spielend
wieder fallen. Es tränkte ihn doch,
daß Fieten Fröhlich so schnell sich
hatte von ihm zu diesem ....... die
sem Herrn Meyer rrenden lönnen
»Frau Meyer«, brummte er, »der
Name ist eine Unmöglichkeit Aberi
was tann man von einem Menschen
verlangen, der —- na ja «
Nach einer Weile fügte er hinzu:
»Sie passen zu einander und wer
den glücklich werden.
-·-—
»De- oikginhof.«
Erzählung von lsmma Kinzlr.
Jm blendend weißen Winterge
wande lag der Virgilihof. Die Stalle
und Scheunen. der langgestreckte Gar
ten, die daran angrenzenden Wiesen
und Felder, sie alle zeigten das reine,
köstliche Weiß. Kein Laut, tein Ton
tvar hörbar, und es schien, als hätte
die Schneedecte alles Geräusch in·fich
aufgesogen. Ein Schwarm Kralzen
strich arn Horizont des tiefhängenden
grauen Winterhimmels entlang, und
verlor sich im Gehölz. Auf leisen Soh
len schlich die schwarz und gelbbraun
getigerte Haustaize über den Dachfirst
des niedern Wohnhauses, und blin-»
zelte lüstern nach einem dun rigens
Spätzleim das, vorwitzig nach frecher
Spatzenart an den in Büscheln gebun- (
denen Hagebutten naschte, die aneiner s
Stange zum Trocknen in der offenen
Dachlucke hingen· —
Jedt Wie sich mit lautem Knar
ren die Hausthür; zwei Männer tra
ten heraus, denen die Virgilibiiuerin
bis unter die Schwelle das Geleite
l
ab.
g »Ist ut im Stand der Hos- alles
was wa ist! Wird Dir schon recht
leid sein, das schöne Unwesen verlas
sen zu miissen, Bäuerin!« sagte deri
Jüngere und es la unverkennbar ern
chadenfroher, hämi cher M um seme
eingetmsfenen, bartlosen ndwinleL
,,Hm, die Lene wird halt wieders
Kappenböden sticken, wie ehedem, und
ihr Brot schon finden. Jst recht nö
thig, denn der neuen Kappensticketin
Kunst ist nicht weit her, wie man
hört,'· meinte vermittelnd der Aeltete
von den beiden. Das june Weib
schien geflissentlich beider ede zu
überhören, und nur das Zucken der
Nasenfliigel, das Lodern der großen
dunkeln Augen, straste die Ruhe,
welche aus dem schönen, jungen Ge
sicht lag, Lügen.
»B’hüt Gott! Komm gut nach
Musi« sagte sie eingn Tones, und
treuzte die Arme in stolzer Abwehr
unter der Brust, um zu zeigen, daß sie
zu einem Händedruck nicht entschlos
sen sei.
»B’hiit Gott, Virgilibäuerin!« lä
chelte spöttisch der junge Bauer und
knurrte im Weiterscheeiten Worte wie
»Bettelstolz« und «Bettelprinzesz« vor
sich hin. Das ·unge Weil-Ließ seine
Blicke über die schöne, sriedvolle Win
terlondschast schweifen. Abschied mik
mendl Die Augen wollten und konn
ten nicht loskommen Jeder Baum,
jeder Strauch hatte siir sie eine Ge
—- —
Ischichte. Die bis zum Wald sich der-i
nenden Wiesen hatte die Bäuerin
dur schritten zu allen Jahreszeiten
Jm rühling, wenn aus den sprießen
den Halmen sunielnder Thau lag, im
Sommer, wenn iöstlicher Heuduft die
Sinne umschmeichelte, im Herbste,
wenn schimmernde Marienfiiden den
Wanderspinnen Brücken bauten, im
Winter, wenn der Fuß über einen
weichen, weißglitzernden Teppich
schritt —- nie allein »- immer zu
zweien war sie gewesen. Mit dem heiß
geliebten Mann, der sie, das arme
Mädchen, das sein Brod miihsam
durch Sticken verdiente, in seinen rei
chen Besitz eingeführt, als sein ehelich,
viellirbes Weib. Süße Bilder der
Vergangenheit stiegen auf, zauberten
aus das blasse, verhärmte Antlitz Ro
sengluthen, und um die herabgeschlols
sseuen Lippen ein Lächeln der Liebe.
i
i
sit O O
; Der Virgilihof war ein uralter, von
IGeneration zu Generation ange
stammter Besitz. Der Erbauer dessel
ben, so hieß es, sei ein großer Verehrer
des Bis oss und Heidenbelehrers
(Vikgilius gewesen, und habe dem
Hofe den Namen ,,Virgili« gegeben.
Aus den 27. November, den Virgili
tag, wurde regelmäßig in seierlicher
Weise der Hof, vom ins Altentheil
ghenden Vater dem Sohne übergeben.
ie Besitzer des Hofes-, und es waren
deren schon viele gewesen, handelten
niach Traditionen, wie sie starrer und
eingesleischter der blaubliitigste Arile
trat nicht haben tonnte· —- Sollte der
Zoll eintreten, daß ein Ehepaar keinen
csohn bekam, ererbte die Tochter den
Hof; waren aber keine Leibeserben
vorhanden, siel das Anwesen an den
nächsten männlichen Anverwandten
Die Flosteln waren bis heute unnö
thig gewesen; der jüngste Besitzer
hatte, als allerdings einziger Sohn,
vor kurzem den Hof geerbt, und nach
des Vaters Tode verwaltet· —- Dieser
letzte Virgilihtlier, nach dem Schutz
patron des Hauses benannt, war ern
heißbliithiger, ein wenig leichtlebiger
Mann gegesen. Hatte zwar tüchtig
gewirthschastet, dag große Anwesen
musterhaft geführt, auch einige Neue-A
rungen, uver vie ieine, im rittrniyeit
hausende Mutter, init scharfen Worten
hergesahren, eingeführt, hatte aber
auch ab und zu recht gern den Herrn
gespielt. »Leben und leben lassen,«
war sein Grundsatz gewesen. Aus dem
letzten Häuschen des Dorfes, darin die
Kappenstickers Barbara mit ihrer
schönen Tochter sehr zurückgezogen
lebte, hatte sich Virgil seine Braut ge
holt. Zum Entsetzen deg- ganzen
Dorfes.
»Das ärmst’ Möbel nimmt er, too
et bei der reichsten antlopfen tönntl«
hieß ej voll Empörung. Virgil küm
merte sich nicht darum. Er lachte sie
alle aus, und als seine Mutter, die
stolze und geldgierige Bäuerin vor
Wuth und Zorn schreiend, ihm drohte,
ihn unter Kuratel stellen zu lassen,
nahm er sein Bräutchen in den Arm
und ließ die Alte toben.
Arn Hochzeitstage saf-, seine Mutter
mit süßsaurem Lächeln beim Mahl,
und schwor sich im Stillen, dem jun
gen Weibe nicht viele gute Stunden
zu bereiten. Lene aber, die schöne,
anmuthige Rappensticterim ioar eine
tüchtige, einsichtige Bäuerin, und sah
ihrem Mann, den sie sehr liebte, alles
an den Augen ab. Ein und ein halb
Jahr lebte das Paar in ungetrübtem
Glliick. Da, eines Morgens, brachten
vier Waldarbeiter aus einer Bahre den
jungen Virgilibauer. -—— Fröhlich pfei
send war er fortgegangen —- stumm
und talt kam er wieder. Erschlagen,
von einem fallenden Baum. Der Bäu
rin Schmerz war nicht laut und lar
niend. wie nach der Dörsler Sitte, und
die Anverwandten nannten ihr stilles,
gesaßtes Wesen herzlosz aber ie litt
heimlich Qualen der Sehnsucht und
des Heimweh’s nach deni Geliebten.
Erst nach Monaten ·roard ihr ganz
verstörter Geist llarer, ihr Gewiss
crgebener. Nur ein Wunsch lebte n
in ihr-die Stätte, an der sie solch
schönes, herrliches Glück genossen, ni t
verlassen zu dürfen, ihre ganze Kra t
einzuseäem den Los zu halten« aus sei
ner hö , ihn zu pslegen, u.betreuen,
als heiligstes Bermiichtnis
Gestern nun waren die beiden An
verwandten ihres seligen Mannes -
lvmmen. »Sie hätten sie nicht drii en
wollen, ihr Zeit lassen wollen, wären
nun aber da, den has anzuschauen,
der, wie sie ja wissen müsse, da keine
Leibeserben vorhanden seien« an den
Vetter Serva falle. —,—Am Tage nach
Bis-gilt eden e der Vetter einzuzie en.
Er wer ihr an Feldsriichten, ar
tensriichten etc. etc. gerne jeden herbst
einen Theil ablassen, da sie nicht
Noth u leiden brau . s junge
»Weib and, wie vorn nner gerührt.
»Weißt,« hatte der Vetter gesagt,
o
i—
»ich hab' einen onotaten gefragt, zur f
iVorsicht, der hat mir gesagt, es hat
insofern feine Richtigkeit, als dein se
Iliaer Mann kein eitament hinter
J lassen. Wenn ein Testament da wäe’,
; hat er gesagt, tönnt’ ich nichts machen,
siveil das neu-e Gesetzbuch k loskeln ent
!hä1i, nach denen du den of behalten
!diirfiest, wenn ihn dir dein Mann
Its-»macht hatt-. Weißt, hat hatt schlecht
»für dich gesorgt dein Mann! Jst
nicht meine Schuld, und ich besteh’
auf meinem Recht!«
Am Virgititag war Lene zur Kirche
g-wandelt. Hatte gebetet und eweint,
Isnd wieder gebeten Jhrem ott ge
danit fiir das schöne, urze Glück, das
er ihr geschenkt, in an efteht, ier
Trost zu senden, e zu täeken sitt
den schweren Schritt, den sie vor hatte
Wunderbsr erquickt nnd gehoben war
sie heimgegangen. — Zwischen den
Doppelsenstern lag frisches Moos und
Tannengriin, das want-De zu einem
Kranz, um ihn am Na mittag aus
Virgils Grab u legen-—- u seinem
Namenstage. ann holte te aus der
Kommode eine längliche Votibtasel,
zündete zwei Kerzen an, um für den
geliebten Todten u beten.
»Zum ewigen ndenlen an meinen
biellieben Mann, Virgilius Moos
brucker, geboren den Is. Mai 18..,
gestorben in seinem 82. Lebensjahre.
Gott gebe ihm die ewige Ruhe!«
»Und die Liebe hört ni t aus«
Des jungen Weibes hei e Schmer
zenszähren tropsten auf die Ta el und
triibten das Glas, rieelten il r die
unzähligen Namen der schon früher
verstorbenen Moosbrucker Namens
Birgilius, aber alle mit hohen Alters
zahlen. — Da entsuhr ein eller
Schrei Lenens Lippen. Jhre ugen
hatten ein Pergament entdeckt, das
zwischen Glas und Rahmen steckte.
Ihre zitternden Finger zogen es vol
lends hervor.
»Noch meinem Tode meiner lieben
Frau zu Händen.«
»J-ndem mich eine große Unruhe er
saßt hat, die ich mir nicht zu deuten
weiß, als mir Kranlheit und Tod
drohten, habe ich einen Anwalt ge
fragt, weil wir. mein liebes Weib und
ich, noch keine Leibes-erben be Itzen, und
ich- unerwartet von dieser lt abge
rusen würde, hat mir der Advokat den
Rath gegeben, das jede andere Flostel,
neuem Gesetzbuch zu Folge, entlriistet.
Ich vermache meinem lieben, guten
Weibe den Hos, mit angrenzenden
Wiesen und Feldern, mit Inventar,
zu schranlenloser Verwaltung« und
weiß, daß dadurch mein väterliches
Besitzthum in leine treuere Hut ge
langen kann. etc. etc.
gez. Pfarrer Ludwig.
Lehrer Reichert.
»Eine Abschrift liegt zu Händen des
Potars Bühler in der KreisftadL tsu
bssnen am Tage nach Virgili.)«
Lene sasz still in sich versunken. Zu
groß war der Umschwung gewesen.
Noch war sie sich nicht bewußt, welch
Glück ihr diese Stunde gebracht. Erst
nach einiger Zeit trafen ihre Augen
durchs-Fenster die schimmernd-Schnee
landschaft.
.,Sein VermöchtnißL --— Zu ihm,
dem tbeuren Todten. An feinem
Grabe Danlesthränen weinen!« flü
sterte sie, und nahm den Kranz aus
Moos und Tannengriin zur Hand.
Verervung von Wißt-swamp
Die Thatfache, daß viele Mißbils
dungen vererbt werden können, d. h.
in einer Reihe von Generationen aus
treten, ist längst bekannt. So erben
sich Mäler, abnormer, starker Haar
wuchs u. s. w. fort, von Mißbildun
gen sind die bekanntesten die übergab
ligen Finger nnd Zehen, sowie die
Hafenscharte und der Wolfsrachen, die
gespaltene Lippe und der gespaltene
Gaumen. Tie Vererbung lann so
stark zum Ausdruck kommen, daß
manchmal alle Kinder einer Familie
mit der Mißbildung behaftet lilur
Welt kommen. Eiacntliiimlich ist,
daß die Vererbung oft eine oder meh
rere Generationen überspringt, bei
den späteren aber umso kräftiger
zum Ausdruck kommt. Verwandten
ehen erhöhen die Neigung zu Mißbil
dungen bei den Kindern; in einem ab
geschlossenen Dorfe im Departement
de l'Jsere waren fast alle Einwohner
infolge wiederholter Verwandtenehen
mit überzähligen Fingern behaftet,
und die Mißbildungen schwanden erst
dann, als die Mischheirathen zunah
men. Noch nicht geklärt ist die Frage,
ob auch erworbene Mißbildunaen ver
erbt werden können. Die Möglichkeit
hierzu ist nicht von der Hand zu wei
sen, da auch gewisse Formen des
Brustkorbes, sowie die Kurzsichtigkeit
vererbt werden können, welche einen
erworbenen, aber erblich gewordenen
Zustand darstellen. Am besten lassen
sich die Gesetze der Vererbung bei ei
ner der häufigften Mißbildung, der
hasenscharte, erkennen. Jn der Tü
binger chirurgischen Klinit konnte Dr.
haug unter 555 Fällen dieser Miß
bildung 66 Mal, also in 12 Procent,
die Erblichkeit nachweisen. Die Ha
fenscharten fanden sich nicht nur bei
den Eltern der Kinder, sondern oft
auch in den Seitenlinien. Viel bäu
siger litten die Geschwister der operirs
ten Kinder an der Hasenscharte, 32
Mal waren 2 Kinder betroffen, ein
Mal 3 Kinder, 8 Mal sogar 4 Kin
der derselben Farnilie Man kann
demnach von ausgesprochenen Hasen
schatensamilien.sptechen. Der Cha
rakter und die Ausdehnung der Miß
bildung ändert sich natürlich des öste
ren im Laufe der Vererbung.
Wer keine Feinde hat, der ist zu be
mitten-en
Es giebt viel mehr Leute, die logisch
denken als logisch handeln.
Eine der schönften Tugenden ist
Muth, einer der größten Fehler Ueber
math.
Auch das Schwerste ist leicht, wenn
man es kann, und dasLeichteste schwer,
wenn man es nicht kann.
Stoßseufzer
EZ ist einfach zum Rasendwerden.
Immer biefe horrenden Ausgaben für
den Pan und die Totletten meiner
Fran! Wenn sie zum Beispiel einen
neuen hut un Kon har, ruht sie nicht
eher, bis sie ihn auf dfem Kopfe hatt