Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, March 17, 1905, Sweiter Theil., Image 9

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    Nebraska
Ztaats-3nzejger Und THMUL
J. P. Windolph, Herausgeber Grund Island. Nein-» 17. Min 1905 ( Zweiter Tlicil.) Jahrgang 25 No. 29.
W
P « « Im Meer des Leben-.
Wenn du im Meer des Daseins
fteuersi
Mit einem fchwergelad’nen Boot,
Mußt Manches über Bord du werfen,
Was du geliebt in Sturm und Noth;
Und oft am gaftlichen Gestade,
Wo friedlicher die Wellen rauschen,
Wirst du in freundlichem Verkehr
Die Schätze deines Lebens tauschen.
Doch was du still für dich bewahrteft
Von dem, was du zu tragen hast,
Das dient im Wellenschlag des lHer
zeng
Unendlich mehr dir als Ballast.
-.——--.
Frühling im Winter-.
Novelette von C. G e r h a r d·
Sie saßen einander gegenüber in
dem altdeutschen Trintstiibchen, das
s Feuer prasselte im Kamin, der Raum
thaler funkelte in den Römern.
,,Dies ist doch ein samoser Raum!«
ries Heinz von Schober behaglich. »Je
des Stück goldecht, von der Urväter
Zeiten her! Eine andere Welt spricht
hier zu unseren Sinnen. Das traute
Stiible liebe ich am meisten von Jhrem
seudalen Besitz. Welch ein Glück, lie
ber Rauten, daß er Jhnen zusielt«
»Wäre nur der Anlaß nicht ein so
trauriger gewesen!" seufzte Hans Det
lev. »Der eine meiner Vettern fällt
bei Ocatumba, der andere stürzt mit
dem Pferde und bricht das Genick!«
»Vergeblich warnten wir ihn, so
wilde Pferde zu reiten. Er hat es bri
szen müssen!"
»Noch mehr bellage ich seine Braut.
Es muß hart sein, mitten im Glück zu
stehen und dann plötzlich zu entsagen.
Der Gedanke an sie nimmt mir die
Freude an dem Majorat."
»Das wird sich geben. Fortuna war
Ihnen eine Gabe schuldig. Ofsizier
sein mit einem alten Namen und knap
pen Geldheutel —- das heißt aus Dor
nenwegen schreiten.«
»Und doch war es mir schwer, aus
dem Regiment zutreten.« .
»Glaub’s wohl, das Regiment war
Jhre Familie und hier sind Sie ein
sam. Müssen Jhre Heirathsscheu aus
geben, lieber Rauten!«
»Wiißte nicht, daß ich sie besessen.
Die Verhältnisse ließen mich aus Ehe
gliick verzichten. Und nun’—— bin ich
40 Jahre alt!«
»Das ist gerade das beste Alter.
Und ein Mann wie Sie, stattlich, lie
lenswiirdig, Besitzer von Rautenburg
s— der tann überall antlopsen!«
»Es gelüstet mich nicht danach-"
»Doch, es ist Ihre Pflicht, zu heira
then. Soll Jhr Erbe nach Jhrem
Tode der Seitenlinie zusallen? Was
wird dann aus den armen Wittwen
und Waisen aus Ihrem Hause, die
»von den Eintiinsten des Majorats er
halten werden?«
»Weisz Gott, Sie haben Recht, aber
deshalb meine Freiheit opfern? Auch
lenne ich wenige Damen —«
»Bah, in unserem Kreise giebt’s
genug edle Weiblichteit.«
»Da stillt mir ein — holla! ich weiß
ein samoses Mädel sür Sie! Es ist
hübsch, jung, munter, aber arm. Ver
leihen Sie ihrer Schönheit den rechten
Rahmen, und lassen sich von ihr zum.
, Dank die Grillen verscheuchen und den
Majoratserben schenken. Das Fräu
lein stammt aus dem alten Geschlecht
von Redtwitz.«
»Von Nedtwitz?« ries Hang Detlev
erregt.
»Ja, Erica von Meortvitz."
Miide sank der Majoratsherr zu
rück, seine Augen scheuten nach innen,
cr hörte kaum, was der Andere er
zählte.
»Die Kleine ist noch ein bissel wild,
uber in der Ehe wird sie ein echte-«
Weib werden. Jeh stelle sie Jhnen
morgen aus dem Hosball vor, das ver
pflichtet zu nichts. Doch nun leben
Sie wohl und aus Wiedersehen aus
dem Siegesfelde!«
Die Glocken seines Schlittens ver
hallten. Hans Detlev stand am Fen
ster, aber er sah nicht in die im Lichte
des Vollmondeg märchenhast schöne
Winterlandschast, die Welt um ihn her
versank. Er war nicht der Majorats
herr, nein, der junge Leutnant in der
kleinen Garnison. Walzermelodien
ertönen, in einem wenig eleganten
Raume drehen sich die Ossiziere mit
ihren Damen im Tanz. Auch er! und
sein Arm umkehließt die Schönste von
Allen, seines Obersten Nichte, Fräu
lein von Reinin Wie der Name vor-«
hin ihn trschrecktei Doch sie, die er
kannte, hieß Elisabethi Seine Augen
feuchten sich. Wie eine fremde Wun
derblume war sie ihm erschienen; nicht
die Farben und Formen machten ihre
Schönheit, sondern der beseelte Aus
druck ihres tzlntlitzes, der Adel ihrer
Gestalt. Sie sehen und ihr unrettbar
verfallen sein« war eins bei ihm. Und
der zündende Funte siel auch in ihr
Herz; unbewußt liebten sie sich vom er
sten Tage. Jedes Beifammensein ließ
den Wunsch in ihnen wachsen, sich an
zugehören bis zum Tode.
Doeh der Feierstunde ihres Lebens,
in der ihre Lippen gestanden, was ihr
Jnneres erfüllte, folgte herbster
Schmerz.
»Sie konnten zu einander nicht kom
men,
Das Wasser war viel zu ties!«
Die Verhältnisse verboten etne het
rath. Elisabeth'i Vater war ebenso
inittellos, wie Hans Detlev; sie muß
ten scheiden! Von den Schmerzen sei
ner Liebe genas er allmählich, sie aber
ruhte im Heiligenschrein seines Her
zens und nie bewarb er sich um eine
Andere. Noch einmal stürmte es in
ihm, als er hörte, Elisabeth habe ei
nem Staatsanwalt die Hand gereicht.
Doch äußere Einflüsse mochten sie he
stimmt haben. Und nun sollte auch er
eine Konvienenzehe schließen? Wohl
an! —— auch der Besitz verpflichtet.
si- ik si
Der Ballsaal des herzoglichen
Schlosses in der mitteldeutschen Resi
denz erstrahlte im Licht. Die Elite
von Stadt und Umgegend, das Offi
zierkorps waren anwesend; höchster
Glanz sollte die Worte eines erhabenen
Gastes, der W. »Klein-Berlin« ge
nannt, wahrmachen. Der Herzog
hatte Cereie gehalten und nahm nun
in einem Kabinett den Thee ein, lo
ckende Weisen luden zum Tanze.
Das Jnteresse der Damen konzen
irirte sich auf den neuen Majorats
herrn von Rautenburg, den Hoheit mit
einer Anrede ausgezeichnet Das Ur
theil war einstimmig: er sieht brillant
aus! Und in der That, Hans Detlev
wäre auch ohne den Nimbns seiner»
Stellung nicht ungeachtet geblieben«
Seiner hohen Gestalt war noch die’
Elastizität der Jugend eigen, der Aus
»druck seines von blondem Vollbarte
umwallten Gesichtes deutete auf einen
. Mann von hohem JntellelL
Gutwillig ließ er es über sich erge
hen, daß die alten Damen ihn prote
girten, die jungen mit ihm iotettirten.
« Mit des Freundes Gattin tanzte er die
Quadrille, ihnen gegenüber Erica von
»Redtwitz und Leutnant von Vogler.
sTie Kleine war wirklich sehr hübsch!
Unter dem trausen blonden Haar blitz
; ten schöne Augen in hellster Lebensluft
T sind die Lippen lachten so herzenssroh,
H als hätte noch nie ein Leid ihre Besitze
; tin gestreift.
(- P-t,
l »Mein guauigev grau-ein« uurk ru«
bitten?«
Wie sie ihn überrascht ansah, nnd
dabei erröthete erschien sie ihm sehr
hold, wie ein Maientag. Und unbe
fangen sprach sie von ihren kleinen
Mädchensveuden, und wie sie viel lie
ber ein Mann wäre, einOsfizier, durch
Feld Und Wald ritte aus starkem Roß.
,,,,Das letztere ist ja auch Dameni
nicht verwehrt « erwiderte er amiisirt. !
»Manchmal doch s— wenn nämlichi
der mütterliche Geldbeutel zu schmal
ist, doch —- trotz manches Versagtem
lieb’ ich das Leben! Es ist wie ein
lachender Rosengarten!«
»Der aber auch seine Dornen hat!«
»O, sagen Sie es nicht! Jch will
nichts Trübes, nichts Häßliches sehen,
noch davon hören!«
»Wird dann ein Unglück, wenn es
über Sie käme, Sie nicht zerschmet
tern?«
I »O, es kommt nicht, ich bin ein
Ssonntaggtind!« rief sie übermiithig
Ein lieber, heiterer Lebenstamerad
würde sie sein, sagte sich Hang Detlev,
und ihm tönte noch ihr silbernes La
chen in den Ohren, als er heimwärts
fuhr
Ost brachte ihn das gesellige Leben
nun mit Erica von Redtwitz in Berüh
rung; ihr ungetiinstelteg Wesen unter
schied sie vortheilhast von den anderen
jungen Damen, die in ihm nur den
Majoratsherrm nicht den Menschen
sahen.
Und doch -—— was gaW Gemeinsa
:nes zwischen ihr und ihm? Sie war
dem gautelnden Falter gleich, die
Freude war ihr Element; er wollte
arbeiten zum Besten der Seinen, des
Vaterlandes, große Ziele hatte er sich
gesteckt, ernste Gedanken bewegten ihn,
—— wiirde sie je daran theil nehmen?
Paßte sie nicht besser zu jenem Leut
nant, der ihr so feurig huldigte?
Freilich, wenn sie sich zu ihm
wandte. wurde ihm warm und er
dachte es sich schön, sie aus der Enge
ihres Lebens in reiche Verhältnisse zu
verpflanzen. Wochenlang lämpste er
mit sich, doch immer geringer ward
sein Widerstand. Ericag Geplauder
umrauschte ihn wie ein munterer
Quell, wie der Gesang eines Waldvo
gels tönte es an sein Ohr.
Nicht in sein Zerz, das blieb geseit.
Aber war es ni genug, glücklich zu·
machen? So sei es denn! —
An einem klaren Wintermorgen
fuhr er zur Stadt. Den Schlitten ließ
er beim Hotel und ging nach der Vil
lenvorstadt. Aber je mehr er sich dem
Häuschen näherte, in dem Frau von
Redtwitz mit ihrer Tochter wohnte,
desto zögernder wurde sein Schritt,
desto thörichter erschien ihm seine Ab
sicht«
Plishlich stockte sein Fuß Aus dem
häuschen ertönte eine herrlicheFrauen
stimme.
»Aus der Jugendzeit, ans der Jugend
zeit
Klingt ein Lied mir immerdar,
O, wie liegt so weit,
Was mein einst war!«
Verhaltene Schwermuth bebte in
den Tönen, die dem Lauscher ans Herz
i griffen. Diese Stimme, —- o, wie sie
liener geliebten Stimme glich, die er
nie vergessen, Elisabeths Stimme!
War sie es, die hier bei Verwandten
weilte? Nie hatte er Erica nach ihr
zu fragen vermocht.
Eine Gestalt trat an das Fenster.
Sie war es! ElisabethI Sein Herz
schlug mächtig. Und er fühlte, daß er
nur sie liebte, die Eine, Einzige, die
Geliebte feiner Jugend!
Die Andere, — ach, was ging ihn
die Andere an? Wenn Elisabeth frei
wäre ——
Erregt eilte er vorwärts und dann
wieder zurück; da sah er zwei Gestal
ten vor sich, die eine hoch und stolz, wie
eine Königin, daneben die Kleine, die
ihre Schlittschuhe schwenkte. Jhre
frohe Stimme drang zu ihm.
,,Koinmst Du mit auf die Eisbahn,
Zchwefterherz?«
Jhre Schwester! Daß er daran nie
gedacht.
»Nein, Liebling, ich will die alte
Marie besuchen.«
»O. Du Pflichtgetreue! So mache
Deinen Samaritergang, ich aber will
auf blitzender Fläche zur Sottne flie
gen —-- mit Gerd Vogler —- leider nur
fiir eine Stunde!«
»Du holdes Kind, ich will sorgen,
daß es für immer ist!« gelobte sich
Hang Detlev, dann eilte er Elisabeth
nach. Doch mit welchem Namen sie
anredenZ — O, wie sein Herz sie
nannte: Elisabeth!
Sie wandte sich taum, ein Staunen
malte sich auf ihrem immer noch schö
nen Antlitz.
»Endlich ein Wiedersehen,« stam
melte er.
»Es weckt der Jugend Tage wieder
auf,« sagte sie leise.
»Wie vergingen Jhnen die langen
Jahres-«
,,»Sie waren inhaltsreich. Theil-J
brachte ich sie daheim zu, theils im
Dienste des Rothen Kreuzes als Kran
tenpslegerin.«
»Sie sind nicht vermählt, fanden
lein neues Glück-«
»Wie hätte ich’g können? Doch ern
ste Arbeit söhnt immer mit dem Leben
ans.«
»Auch ich empfand es. Als Fortuna
mich dann mit guten Gaben überschüt
tete, erschrak ich fast, doch nun hoffe
ich, es war noch nicht zu spät.«
Ohne Verabredung traten sie in den
Schloßpart. Ranhreif glänzte an den
Bäumen, der Schnee knirschte unter
ihren Tritten, die Sonne hüllte sie in
lauter Licht. '
»Elisabeth,« begann er weich, »heute
wollte ich Thor mir Ersatz für versag
trg Glück erringen, da hörte ich Sie
singen und meine Jugend erwachte,
meine Jugend und meine unvergessene
Liebe. Elisabeth ich habe ein stolzes
Schloß, doch ich bin einsam darin. Oft
in meinen Träumen sah ich durch seine
Räume eine Frau schreiten, deren
Schönheit der Spiegel ihrer adligen
Seele ist, eine Frau die ein Herz hat
»für alle, die leiden, eine Frau, die ich
liebe, von ganzem Gemüth. Elisabeth,
laß meine Träume Wahrheit werden,
sei endlich meint«
s »Ich will, Hans Detlev!« sagte sie
jeinfach, und in ihren Augen strahlte
die Liebe Da zog er sie an sich und
i tiißte sie heiß. Ein seliges Freuen hub
an in ihnen, es war Frühling in ihren
Herzen, Frühling im Winter!
--«--.
T Das ,,Kamehl«.
. Die Tragödie eines Namens Von T e o
, v o n T o r n.
Nachdem Frau Dr. Hennh Werten
thin sich halb todt gesucht, blieb ihr
, nichts anderes übrig, als zu llingeln.
Sie that das nicht gern. Einmal,
weil sie eine sehr selbständige kleine
Frau war, zum andern, weil es ihr
so vorschwebte, als wenn sie die bei
den Handlosser schon in der Pastet
droschte nicht mehr gesehen hätte, und
lzurn dritten, weil der Steward ihr
gräulich unsympathisch war.
Selbst llein und zierlich wie ein
lauen flügge gewordener Backfifch,
hatte sie eine starke Abneigung gegen
alle ungewöhnlich großen Menschen.
Ohne daß sie es sich eingestand, hatte
sie Furcht vor ihnen. Auch etwas
Neid mischte sieb- in diesen. Instinkt.
Sie betrachtete es als einen gegen sie
gespitzten Architettenscherz des lieben
Herrgotts, daß er vier- und fünsstö
aige Menschen baute, während er in
ihr eine Miniatur geschaffen, die zeit
iebeng verurtheilt schien, als Tochter
ihres Gatten und halberwachsene
Schwester ihres eigenen Babys zu
gelten. Als sie vor zwei Stunden
aus dein Ozeandampfer sich einge
schifft, war ihr das wieder begegnet
——— ihr, der reifen, starkgeistigen Frau,
die es über sich gewonnen, ihren Gat
ten nach kaum einjähriger Ehe in die
Tropen zu entlassen und nun gar die
Courage hatte, ihm mit Kam-Bahn
zu folgen. Der-neue Stations-Chef
von Kiwi, der die Ueberfahrt mit
machte, und dessen Obhut sie unnö
thigerweise empfohlen war, hatte’
nach der ersten flüchtigen Begriißungs
sich erstaunt umgesehen und gefragt: !
»Ja, wo ist denn nun eigentlich Jhre
Frau Mama, mein gnädiges Fräu
; lein?«
Yhalb todt gesucht, bis ihr nichts an
chcht nur die Liebe, sondern auch
der Zorn macht blind —- und so hatte
Frau Dr Hennh Werkenthin sich
deres übrig blieb, als zu klingeln. z
Sie hatte den Knopf des elektri-s
schen Läutewertes kaum berührt, als
es klopfte und die Riesengestalt des
Stewards sich durch die enge Thür
in die Kabine schob.
Allerdings — dieser Enaissohn
schien eher als Bierfahrer oder in ei
ner Kruppschen Esse am Platze. Auf
einem aigantischen Obertörper, dessen
breite Brust die blanken Knöpse der
leinenen Jacke zu sprengen drohte, saß
ein Stiernaclen und auf diesem der
kleine charakteristische Kopf des Ath
leten. Arme und Beine waren wert
lich zu lang fiir ihre Bekleidung. Na
mentlich die kolossalen Pranlen hin
gen weit aus den Aermeln heraus. Jn
seiner dienstfertigen Haltung machte
der Setward den Eindruck, als hätte
er im nächsten Moment etwas unge
heuer Schweres anzuheben oder je
mand l)inausznwerfen.
Die kleine Frau hatte sich unwill
kürlich in die äußerste Ecke der Ka
bine ziiriictgezogen Diese Flucht
suchte sie jedoch durch ein energisches
Auftreten wettzuinachen. Durch zwei
Rohrplattenkoffer derart gedeckt, daß
sie kaum mit dem Näschen über die.
iBeerrikade hinwegragte, herrschte sie:
)
i
l
den Hünen an:
»Sie haben mein Gepäcl hierher be
sorgt?« l
»Seht wohl, gnädige Frau« Ers
saate das ruhig, bescheiden und ge
diimpft. Dennoch klang es so tief
als wenn sämmtliche, zu einer Waa
ner:-Oper benöthigten Kontrabässe ge
stimmt würden
»Ich vermisse zwei große Handw
icljen -—s«
Der Steward schaute aus den lind
lich gutmüthigen Augen verdutzt um
her. Dann legte er wie im Besinnen
die Finger an die Stirn. Gleich da
rauf nickt er freundlich und dernijat.
,,,,All right. Die Täschchen habe ich
nebenan unteraebracht, wo die Wär
terin und das Kleine wohnen.«
»Aber wie kommen Sie denn dazu!
Sie verschleppen meine Sachen und
lassen mich hier wie unsinnig suchen!«
,,Nebenan ist mehr Platz, gnädiae
Fran. Wir werden ohnehin Miihe
haben, den Inhalt dieser Koffer hier
unterzubringen.«
»Das lassen Sie nur meine Sorge
iem,« erwiderte Frau Henny gereizt.
»Beschaffen Sie mir sofort die beiden
Handtaschem Sie enthalten meine
iwthwendigsten Toilettengegenstände
und ich will sie attspacken.«
»All right. Sind schon auggepackL
Liegt alles in den Kästen und Schub
ladeu ——-- zum Greifen.«
lir nickte noch freundlicher und ver
gniigter als vorhin, sichtlich überzeugt«
ieine Sache sehr gut gemacht zu ha
tieu· Die lleine Frau jedoch war fas
iuugslog vor Entriistung. Dieser
klebermensch packte und ordnete ihre
Sachen, als- wären es die seinigen.
Das war dag Stärlste, was ihn an
isigenmiichtigleit und Bevormundung
jemals vorgekommen
Nachdem sie den Mann mit einer
brüsten Handbewegung hinausgewie
sen riß sie eine und die andere Schub
lade aus. Thatsächlich — da lag alles
wohl geordnet. Selbst ihre Nacht
wasche.
Erröthend schmetterte sie den Kasten
,;11. Es half alles nichts —- sie mußte
ihrem zornigen Herzen Lust machen.
,,Kameel —-!« rief sie laut und hef
Gleich darauf wandte sie sich wie
mit Blut übergossen ab. Der Ste
n-ard hatte die Thür geöffnet und war
abermals eingetreten. Wieder machte
er in seiner Haltung den Eindruck, als
hätte er im nächsten Moment etwas
ungeheuer Schweres anzuheben oder
jemand hinauszuwersen. Aber das
hatte nichts Agressives. Jm Gegen
theil. Jn den gutmüthigen Augen lag
der Kummer eines ungerecht behandel
tig
sten Kindes. Leise und stockend fragte
er:
! ,,Gnädige Frau haben mich geru
’ fen?-«
Auf ein unwilliges Kopfschiitteln
wandte er sich zum Gehen, mit der Ge
lassenheit eines Menschen, der gewohnt
ist, ohne Noth bemüht und zwecklos
herumgestoßen zu werden. Jn der:
Thiir bemerkte er entschuldigend:
»Wir war so, als wenn gnädige
Frau mich gerufen hätten — —«
Die wenigen Passagiere, welche sich
durch die hochgehiende See nicht genirt
fühlten, saßen nach dem Dsiner auf
dem geschützten Platze vor dem Rauch
zimmer.
Auch Frau Dr. Henny Werkenthin
war darunter. Sie konnte sehr drol
tia erzählen und erzielte stürmische
Heiterkeit durchs die Schilderung ihrer
Begegnung mit dem Steward. Man
war übereinstimmend der Meinung,
daß es eine Dreistigkeit von dem Men
schen gewesen sei, Dienstleistungen vor
zunehmen, die zum mindesten uner
beten waren. Nur Herr von Asseyer,
der neue Stationschef von Kiwi. ver
harrte in so ausdrucksvollem Schwei
gen, daß Frau Henny ziemlich spitz sich
an ihren Chaperon wandte:
,,Sind Sie denn nicht unserer An
sicht, Herr Hauptmann?«
»Nicht ganz, meine Gnädige,« erwi
derte dieser mit einer höflichen Ver
beugung, aber ziemlich trocken: ,,Ueber
eifer ist doch nichts Bösartich. Die
Herrschaften werden solche kleinen
Dienste erst richtig schätzen lernen,
wenn sie länger auf See gefahren sein
werden. Darf ich mir übrigens er
lauben, gnädige Frau, Jhret sehr
scherzhaften Schilderung noch eine
kleine Pointe anzufügen2 Der Mann
war durchaus in gutem Glauben, als
er aus ihr Scheltwort noch einmal ein
trat und sich nach Jhren Befehlen er
kundigte —— es heißt nämlich K«.amehl
Die kleine Frau schaute zunächst un
gläubig. Dann aber brach sie in ein
kelles Lachen aus Die ganze Gesell
schaft lachte — und die Heiterkeit woll
te tein Ende nehmen. Nur Herr von
Asseyer zuckte nicht mit der Wimper.
Es nahm sich sogar etwas nervörg und
ungeduldig aus, wie er den Brand sei
ner Cigarrc betrachtete und dann aus
sah, um weiterzusprechen. Es dauerte
noch eine Weile, ehe er dazu kam.
»Wie ich Jhneu sage, meine Herr
schaften. Richtig —- KamehL Aller
dings nicht mit zwei e, sondern mit
eh —— was aber phonetisch dasselbe ist
und auch an der Tragödie dieses Na
mens nicht ändert.«
,,Eine Tragödie? Solcher Name ist
eine Posse!« warf ein Bremenser Kaus
lxerr lachend ein.
»v- .- - -. »k«
»W(lllllc1)lcll ««—· Lsckclfklcsch We
nigstens nicht fiir seinen Träger, wie
Sie gleich hören werden« Ich schicke
Voraus-, daß ich den armen Kerl kenne s
- -- sehr genau kenne. Aus der Geflis- l
sentlichleit, mit der er mir aus dem!
Wege geht, ersehe ich, daß er auch mich ·
wiedererkannt hat. Wir haben zu
sammen die Schulbank gedrückt. Das»
Ghmnasium in Neustadt· Er war kei- »
ner der Begabtesten, aber ein durchaus
fleißiger und gewissenhafter Junge.
Wenn er erst zwei Jahre später als ich s
die Schule absolvirte, so lag das nicht
an ihm. Sein Name war daran schuld. j
Es gab keinen Lehrer, der sich den bil- «
ligen Witz entgehen ließ, ihm bei jeder
nnkichtigen Antwort zu versicheru, daß
er seinen Namen nicht zu Unrecht tra
ge. Nomen est omen etc. Man sugge
rirte sich ordentlich, das-, ein Mensch,
der Kamehl heiße, auch in seinem Jn
tellett etwas von diesem Höckerthier has
den müsse. Eine kolossale Guthniiithig
leit leistete dem Vorschub. Und wenn
Sie ganze Klasse ihn mit seinem Namen
nmheulte —- nie ist es ihm eingefallen,
non seinen überlegenen Kräften Ge
brauch zu machen und sich einen oder
den andern seiner Peiniger herauszu
greifen. Jch war längst Offizier, als
er als Einjähriger eintrat. Kurz vor
l«,er waren seine Eltern gestorben und
hatten ihtn ein sehr bedeutendes Ver
T mögen hinterlassen. Es war sein
sehnlichster Wunsch, die ihm Aufge
zwungene Juristerei aufzugeben und
Offizier zu werden. Troy tadelloser
Führung und vortrefflichen Examens
konnte er nirgends ankommen. Kein
Regiment wählte ihn —- seines Na
mens wegen. Man pumpte ihn an
nach der Klafter, und er gab mit vol
len Händen; man nannte ihn einen
lieben Kerl —- aber als Offizier war
ein Kamehl nicht zu denken. Um diese
Zeit war es auch, daß eine kleine
blonde Geheimrathstochter, in die er
sich sterblich verliebt, seine ernste und
leidenschaftliche Bewerbung ablehnte
——— seines Namens wegen. Sie machte
iein Hehl daraus, daß er selbst ihr
nicht gleichgiltig sei, daß sie es aber
sveim besten Willen nicht über ge
s winnen könne, seit ihres Lebens rau
’Kamehl zu heißen. Von Stund’ an
» vollzog sich eine Wandlung in ihm.
iSonst ein geselliger und troh allen
Mißgeschicks sroherMensch, zog er sich
zurück und bald darauf verlor ich ihn
iiberhaupt aus den- Augen. Später
s wurde mir erzählt, daß er sich eine
»Yacht gekauft und in allen Meeren
herumgondele. Wie er als Steward
» hier an Bord gekommen ist, das weiß
» ich nicht — kann es mir aber zusam
» menreimen. Der iheure Sport und
seine kindliche Gutmüthigleit dürften
seine Mittel sehr bald aufgezehrt ha
ben. Wer die See lieben gelernt, den
hält sie fest. Da er bei der Marine
mit seinem Namen wohl dieselben
Schwierigkeiten gehabt hätte wie an
derswo, hat er eben genommen, was
sich ihm geboten. So ist er Steivard
geworden — und auch als solcher sind
ihm seine Gutmüthigkeit und sein
Name nicht gerade förderlich, wie wir
soeben gesehen haben.«
Die Erzählung hatte die Gesell
schaft still und nachdenklich gemacht.
Da auch die See immer höher ging
und eine steife Abendbrise über Deck
fegte, trennte man sich alsbald.
Frau Dr. Henny Werkenthin ging
nach dem Salondeck, um nach dem
Kinde und dessen Wärterin zu sehen.
An einer geschützten, vom Mondlicht
iiberflutheten Stelle bot sich ihr ein
seltsames Bild. Die Riesengestalt
des Stewards schritt langsam auf
und nieder. Dazu brummte er ein
Kinderlied. Mit der linken Pranle
hielt er das sorgfältig in Decken ge
hüllte Karle-Baby, in der Rechten eine
Saugslasche, die er dem Kleinen kunst
gerecht hinhielt. ’
Als die kleine Frau mit feuchten
Augen herantrat, nickte er ihr freund
lich und vergnügt zu:
»Das Kindermädchen ist feelrank,
anädige Frau«, flüsterte er leise, »und
darunter darf doch so’n Wurm nicht
leiden, nicht wahr? Jch werd’s noch
ein Stündchen tragen, bis es einge
schlafen ift. ——«
——-- --—----——-·
»5t the ’ ich in sinstrer Mitter
nacht . .
Schlicht, aber voll echter Stimmung
und tief ergreifend sind die im ,,Vogtl.
Anz.« veröffentlichten Verse, die ein
tapferer sächsischer Soldat nach dem
Gefecht bei Waterburg in der Nacht
zum 12. August auf Wache dichtete:
Bei Waterberg auf der Höh’
Da stand nach blutiger Schlacht
Jn der letzten Abendstund’
Ein Reitersmann auf der Wacht.
Die Wolken roth wie Blut,
Am Boden nur Stein und Sand, —
Kameradem erschöpft und müd’,
Lagen an Berges Rand. —
Wer wimmert in schwerer Pein?
Wer klagt dem Himmel die Noth? —
,Brin·q’, TodesengeL mir
Bald einen sanften Todt« —- —
An dem Busch bei Waterberg
Schlich sich der Posten heran, —
Jn den letzten Zügen lag
Ein deutscher Reitersmann. —
»Gewähr’ mir Freund, eine Bitt’,
Grüß mir mein Elternpaar. «
Jch feh« dem Tod in’s Aug’
Und scheid’ fiir immerdar.
Mein Lieb, so fern von mir,
Hielt ich stets treu und werth, «
Ob sie um mich wohl weint, »sc
Der nimmer wiederkehrt?« —- !
Drauf ward sein Blick so starr,
Die Lippen wurden bleich,
Ein letzter Seufzer noch — —
Er ging in’g Himmelreich.
Des Helden letzter Gruß,
Er sei den Eltern kund
Und ihr, der er gedacht
Jn schwerer Todesstund’. — —
O Heimath Vaterland,
Fern von dir stirbt sich.’s schwer,
Doch freudig kämpfen wir
Für Deutschlands Ruhm und Ehr’!
»Zum is te noch nich, aber-«
Aug Blankenfee wird geschrieben:
Ell-it einem eigenartigen Auftrage kam
dieser Tage ein neunjähriger Knabe
Zu dem hiesigen Gemeindeerheber, in
zem er mit ernsthafter Miene einen
,.Todtenschein« verlangte. Der Ge
meindeerheber, wie auch der zufällig
. anwesende Polizeioffiziant waren über
dies sonderbare Verlangen gleicher
maßen erstaunt, da in dem Bureau
bisher solche Anträge noch nicht gestellt
waren. Auf die Frage an den paus
bacligen Jungen, wer denn eigentlich
das Zeitliche gesegnet hätte, erfolgte
fchlagfertig die Antwort: »Todt is se
noch nich, aber sie soll daran glauben
-— unsere alte Sau nämlich«!« Jetzt
ging den Herren, die das Lachen nicht
mehr zu unterdrücken vermochten, ein
Licht auf, und mit einerFleischbeschau
larte — der Gemeindeerheber fungirt
namlich gleichzeitig als Fleischbe
schauer » konnte der Knabe befriedigt
zu seinen Eltern zurückkehren
Onkel (Student): »Na, Hans, Du
solltest Dich schämen-, nicht mal-ver
setzt worden!« —— Der kleine Hans:
»Ja, Onkel, Du denkst natürlich, das
ist so einfach, wie bei ’ner Uhr!«