Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, March 03, 1905, Sweiter Theil., Image 7

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    Yeöraska
Staats- Anzeiger Und THATan
J P. Windolph, Herausgeber Grund Island Nebe» LI. Mier 1905 (chiteleIeil.) Jahrgang 25 No. 27
f
Vorüber.
JDe Stunde kommt, ,b:ielleicht schon
Ob jugendlich Du bist, ob alt,
Wo mehr no wird vorüber fein
Als mer ein f licht ges Jahr allein,
Wo Dlt im Tod das Auge bricht,
Dein Mund den letzten Seufzer
spricht,
Wo einmal noch. eb« Du ziehlt fort,
Durch Deine Seele tönt das Wort:
Votübet, vorüber!
Und nonch giebt, was Du gelebt,
Was ngetham was Du erstrebt,
Was Du geglaubt, was Du gewollt,
Was Du gekämpr was Du geldllt
Dir unabweislisch das Geleit
inüber in die Ewigkeit
denke d’ran bei jedem Schritt:
Wos Du hier lebst, es gebet mit ——
Hinübet, hinübers«
Das Ubichiedslied.
StjzzevonRichord Keßler
Es war ein sonniger Wintertag. In t
das kleine Dachstiibchen, welcher das’
alte Fräulein Anna bewohnte, sandte
die scheidmde Sonne ihre letztenStratk
len. Reben-dem Fenster im Schatten
sasz das faft siebzigjiihrige Mädchen
und fliette an einein Kleide. Dann und
wann ssanten die zerarbeiteten Hände
wie er chöpst in den Schoon und ein
leiser Seufzer glitt über die welken
Lippen.
»Ach Gottchen, fühly ich mich
schwach! ’s geht wirklich nicht mehr.
Wen-n ich nur nicht tranl werd’!"
Fräulein Anna stand ganz allein in
der Wett. Bis vor einigen Jahren
hatte sie ihrem Bruder. einem änder
losen Wittwer. die Wirthschaft ge
führt. Als dieser nach langer Krani
heit, die den größten Theil seines Hei
nen Vermögens verschlungen hatte,
gestorben war, blieb seine Schwester
als letzte ihrer Familie zurück. Sie, die
jeder gern hatte. half in den besseren
Familien des Städtchens bei den leich
teren hausardeiien und besserte Wä
sche und alte Kleidungsstücle aus. und
die paar Pfennige, die sie sich so vere
diente, genügten gerade, um die aerini
gen Ansprüche, die sie noch an das
Leben stellte, zu dreien.
So lebte sie ihre alten Taae still
und gleichmäßig dahin und schien sich
dabei ganz glücklich in fühlen; denn
nie war sie unzufrieden, und nie klagte
sie.
Und doch lag über ihrem Wesen
gleichsam ein unsichtbarer Flor, dessen
Dasein alle empfanden, in deren Nähe
sie tam . .. etwas wie ein verschwiege
nes, uraktes Leid. Jn ihrem Stimm
tlang, in ihren Augen schliimnierte es
wie tief vergrabene Wehmiith, und nur
wenige hatten sie jemals lachen gesehen.
Als Fräulein Anna sich erhob,
fühlte sie sich sehr müde.
Aber bei Bürgermeisters war Rein
inachen, und sie hatte bestimmt ver
sprachen zu kommen. Die Frau Bür
germetster verließ sich fest darauf, sie
durfte sie nicht in Verlegenheit brin
gen. Sie nahm ihr großes, brauner
Uinschlagtuch über und- machte sich auf
den Weg.
Sie ging, mit Besen und Staubtüi
chern beladen, in das Arbeitozimnier
des Bürgermeisters-, der auf eine
Stunde ins Rathhaus gegangen war,
um es bis zu seiner Rückkehr zu reini
gen nnd aufzuräumen.
Die Arbeit, so leicht sie war, entled
te ihr manchen Seufzer; jede Bewe
ung war ihr eine Anstrengung jeder
gandgriff wurde ihr sauer, und ganz
plöhlich überiam sie auch wieder der
alte Schwindel. Sie wantte und tonn
te sich, die Kante des Tische-i stampf
haft umtlaminernd, nur mit Mühe vor
dem Fall bewahren
Ein Weilchen stand sie so an den
Tisch gelehnt mit zitternden Knien
und schwer athinend, während bunte
Flocken vor ihren Augen tanzten. Dann
fiel ihn ein, daß der Paugherr bald
zurücktommen mußte; ie griff wieder
zum Besen und fuhr fort auszufegen.
Aber sie vermochte nur wenige Be
senstriche zu machen; denn als sie bis
M dein großen Bücherregal, das die
itte der Längowand einnahm,getom:ss
inen war, übermannte sie die Er
schöpfung, und sie ließ sich in den vor
diesem stehenden lederbezogenen Sessel
sinken. Beinahe zehn Minuten saß sie
dort, ohne zu merten, wie die Zeit
dadonflog, doch die Schwäche wich
nicht, und an den Gliedern lastete es
wie schwere Gewichtr.
Mit Anstrengung erhob sie sich end
lich. Dabei fiel ihr Blick auf die zwi
schen den Brettern des Büchergeftells
vor ihr aufgestellten Bände. Sie stieß
einen ieisen Schrei aus, wankte und
sitzle sauber in die ledernen Polster zu
r .
«Gros;er Gott!« sliisterte fie. »Wenn
er das wäre!«
Jn bebenber Spannung, die ihr gan
zes Wesen strasske und alle körperliche
Ermattung aufhob, nahm sie, während
fliegend-es Zittern über sie hinlief, ein
, braun gebundenes Buch aus der Reihe
s« nnd preßte es zwischen den gesalteten
J» Cis-en an ihre Brust, als ob sie es
7 nicht zu öffnen wage.
Daan las sie ganz langsam, wie an
dächiig, den Titel, der in Gold aus den
Eint-and aepreszt war.
Ihre Lippen slllsterten die Worte
» vibrivend mit:
.s;- «Wilhelm hausen — Gedichte.«
sj Jn dem Regal stand noch wohl ein
L» Dasend Bände, die denselben Autor
ßzisamen trugen; alle braun mit Gold.
Noch einmal wiederholte sie die drei
Worte mit wankender Stimme
Dann schlug sie den Deckel auf. und «
ihre Augen glitten über das elegant
ausgeführte Titelblatt. Sie schlug ein
! paar Blätter um zitternd wie im Fie
ber. Plötzlich hielt sie inne und preßte
das todte Papier-, das für sie so voller
Leben war, an ihre alten Lippen. Die
Worte, die sie gesucht, die ihr Gewiß
heit gaben, hier standen sie
»Mein Willhl Mein Willy!!« ju
belte es leise aus ihr herauf.
Adampr sast unhörbar fing sie
an zu lesen:
Nun muß ich dich verlassen,
Mein süßes, blondes Kind.
Weiter lam sie nicht; ein gebroche
nes, tieswundes Schluck-Hm ein
Schluchzen, aus dem das Weh eines
ganzen Lebens sprach, entrang sich
ihrer Brust.
Endlich erstarb es in lautlosem
Weinen.
Während dieThtänen langsam über
die runzligen Wangen rannen las sie
das Gedicht zu Ende. Dabei milderte
sich der Schmerz, der über ihrem Ant
litz lag, schwand zuletzt ganz, und un
ter den fpiirlicher fließenden Thränen
blühte es aus wie lang vergessene
Glück.
Jhr war, als weitete sich der Raum,
als liime es zwischen den-—- ach —— so
wohlbekannten Zeilen hervor und zöge
wie dustende, durchsonnte Waldes-lust«
durch ihre einsame Seele . » Das halb
aufgeräumte Zimmer war vor ihrem
Geiste geschwunden, und ihr war’s. als
set sie wieder jung und schön und
blond und säße ties im Walde auf
einem morschenBaumstumps, an einem
ganz weltfernen Ort. in dessen Stille
nur dann und wann ferner Finlens
schlag hinüberperlte.
Und vor ihr — in lebensvollster
Deutlichkeit, gleichsam greifbar, war
die Vergangenheit emporgestiegen
in das dichte Farnkraut gestreckt, lag
der, den sie so liebte, so iiber alles
liebte. Und leise tönte seine Stimme
durch das Waldesschweigem
Nun muß ich dich verlassen,
Mein süßes, blondes Kind . ..
die ganzen vier Strophen.
Und als die letzte Silbe zwilchen
den Buchenstiimmen verklungen war,
da weinte sre bitterlich an seinem
Halse. Die Worte hatten ihr das
junge Herz in Unendlichem Schmerz
bewegt; denn sie wußte, daß« sie ein
mal Wahrheit werden mußten.
Um sie her war es ganz still. Still
und einsam. Die Baumkronen rausch
ten taum merklich, der Finl hatte zu
schlagen aufgehört, nur leises Specht
getlops tlang manchmal durch die Ein
samteit.
Endlich faßte sich Willh, und als er
ihr die Thränen aus den Augen ge
liiszt hatte, gingen sre heimwärts
Der Klang seiner Stimme, sein
Blick, seine so traurige und doch ent
schlossene Miene sagten ihr alles.
Sie schrie aus:
»Willy!«
»Es muß sein·«
»Also dacht«
Und dann, die Worte von Schluch
zen zerrissen, leise:
»Ich hab’s doch gleich geahnt, als du
es lasest! Es ist aus-» es ist alles
aust« . ..
Sei-n Gesicht zeigte, daß sich sein
her-z irainpshaft zusaminenzog doch er
blieb seit. Sanft sprach er aus die
Weinende ein:
Sie habe doch immer gewußt, daß
es einmal zu End-e sein miisse zwischen
ihnen. Der arme junge Literat und
das arme Mädchen, die tonnten einan
der nicht siir das Leben angehören. Er
mußte einige Jahre ohne Existenz
sorgen leben können, bis er etwas ge
schaffen, das seinem Namen Klang
gab, das den Ausgangspunkt einer
Karriere bilden konnte. Und nur . ..
nun wollte er sich verloben. Sie wäre
sehr reich. Es würde sein Glück be
gxitnden Wolle er nicht aus das Jdeal
s schriftstellerischen Berufs, das al
lein seinem Leben wahren halt gäbe.
verzichten, so bliebe ihm eine andere
Wahl. Und gestern habe ihm die an
dere ihr Jawort gegeben. .. Zu sa
gen habe er ihr’s nicht vermocht und
deßhalb dieses Gedicht vorgelesen. Er
liebe nur sie —- nur sie allein. Auch
er müsse entsagen. Sie solle start
Iem. «
Er hatte die Arme erhoben, um sie
noch einmal an die Brust zu ziehen; sie«
halte sich losgerissen und war die Trep
pe hinaufgestiirzt. Oben hatte sie sich
schwer über das Bett geworfen und ge
weint, bis mit grauen Schleiern der
Morgen gekommen war.
Und heute, nach beinahe fünfzigJah
ren, las sie jene alten Verse wieder. ..
und heute weinte sie wieder genau wie
damals, als der erste Wintersturm
über ihr junges herz dahingebraust
war.
Er hatte fein Ziel erreicht Da stan
kden eine Menge ilcher, die seinen Na
men trugen. Er war gewiß berühmt
geworden, gefeiert, während die, der so
viele seiner Gedichte galten, bei den
Leuten, welche sie lasen, die Stuhen
kehrte.
Ob er wohl glücklich war?
Die Vormittagssonne war langsam
an dem Hause des Bürgermeisters nie
dergeglitten, und freundlich siel der
Schein in das Zimmer, in welchem
Fräulein Anna in dem gepolsterten
Lehnsessel saß. Auf ihrem Schooße lag
das Buch. Die Sonnenstrahlen s
glitzerten bunt in den hellen Tropfen,i
die aus den aufgeschlagenen Seiten la- s
gen. .
An den Augen-wimpern der Einsa
men hing eine letzte Thräne. Aber sie
fiel nicht herab; denn Fräulein Anna
bewegte sich nicht. Sie schien zu schla
fen, doch standen ihre Augen offen. Sie
waren glasig, und das gute Gesicht
war sin und starr. Aber es lag etwas
darüber wie ein Schimmer nie ge
tannten Friedens und wie ein Hauch
letzten leisen Glückes.
Als der Bürgermeister nach Hause
lam, glaubte er zuerst, das alte Mäd
chen sei in dem Sessel eingeschlummert·
Freundlich wollte er sie wecken und sah
nun, daß sie todt war.
Er nahm ihr das Buch aus den kal
ten Hönden, deren Finger es- umspann
ten, als ob sie es nicht lassen wollten,
und meinte kopfschüttelnd:
»Davon hat sie doch nicht eine Zeile
verstanden, die arme, einfache Frau.«
Dann drückte er ihr die Augen zu
und sagte leise:
»Sie muß beneidenswerth sanft bin
iibergegangen sein« . . . .
Der scannihruch
Eine Episode ais-s qder Prüfungszeit
Australiens. Von W. Schwedler
Miide lehnte Lizzie am Garten
iaun; sie achtete nicht darauf, daß ihrl
Strohhut zur Erde gefallen war, undl
die heiße Nachmittagssonne auf ih
ren Kon Prallte. Die Ellbogen aqu
den Zaun gestützt, hielt sie sich mit den
Fingern beide Ohren zu, vergeblich be
müht, den Schall des eintönigen Ge
sanges auszuschließen, der aus dein
nahen Wohnhause herübertönte·
Halb singend, halb sprechend, ohne
jeglichen Ausdruck von ·Berftändnisz
oder Gefühl, drangen sie in ihre Oh
ren, bohrten sich in ihr Gehirn, die
Worte des Psalmisten, die sie die gan
ze Nacht hindurch nnd in Zwischen-.
räumen auch während des Tages hattet
hören müssen:
» . . .. Denen ihre Bäche vertrocknet
und die Wasserquellen versiegt waren,
daß ein fruchtbar Land nichts trug
um der Bosheit willen derer, die darin
wohneten.«
»Und er das Trockene wiederum
wasserreich machte und im dürren Lan
de Wasserquellen . . .«
Jmmer und immer wieder flutheten
die Töne zu ihr herüber: »Um der
Bosheit --—- um der Bosheit willens de
rer, die darin wohneten.«
Das Mädchen am Zaune brach fast
zusammen unter den Qualen des Kör
pers und der Seele. »Gott!« rief sie
in ihrer Verzweiflung ,,lasz ihn schla
fen, —— und sei es auch nur fiir eine
Stunde.«
Der alte Jactson stand vor der Kri
sis seines mithevollen Lebens. Wie
tsiele Hunderte in dem von der Dürre
verwüsteten Land hatte auch er zu
sehen miissen, wie sein Biehftand ver
hungerte und verdurstete. Erst waren
die jungen Lämmer darangelommen,
dann die Schafe, dann die Milchtiihe
und zuletzt die Arbeitspferdr. Alles
war dahin, und mit Schaudern dachte
Lizzie daran, daß auch die beiden Wa
genpferde, die draußen, wo einst der
Gemiisegarten, der Stolz ihres Va
ters, war, sich ein dürftiges Mahl aus
Unkraut und verdorrtem Gras zu
sammensuchten, nicht mehr lange aus
halten würden.
Die Nachbarn und Freunde wun
derten sich, daß der alte Sonderling
überhaupt noch am Leben war
»Komm doch lieber fiir eine Weile in
die Stadt,« hatten sie ihm gerathen,
aber Jackson santwortete immer stör
riscl): »Das Schlimmste ift ja doch
vorüber, und da wollen tvirg lieber
bis zu Ende mit ansehen. -——- Wenn
der Regen lommt, giebt es eine Men
ge zu thun.«
llnd so konnte ihn nichts dazu be
wegen, die hölzerne Hütte zu verlas
sen, die er sein Heim nannte, und in
der er gute und böse Tage gesehenj
hatte, seit er sich vor dreißig Jahren
an dem Ufer des »Creel« niederließ,
der in trockenen Zeiten nur eine Kette
von Pfützen oder gar nur ein Sand
bett war und im Frühjahr regelmäßig
zu einem starken und gefährlichen
Strom anschon, fähig, selbst den
TyDainrn zu durchbrechen, den der Alte
im Laufe der Jahre errichtet hatte.
Damals erschien den beiden die Zu
lunft im rosigsten Lichte. Wenig ver
langten fie vom Schicksal und noch we
niger sollten sie empfangen. Nach
zwanzig Jahren harter, enttäuschender
Arbeit, aber warmer und froher Liebe
hatte sie ihn verlassen und war im
Schatten der Eichen in der Nähe des
Flusses zur ewigen Ruhe gebettet wor
den. Jirn, sein Junge, war nach
Sidney gegangen. Was da aus ihm
geworden war, wußte er selbst nicht
ganz genau, denn nur selten und un
vollkommen dringen die Nachrichten in
die versteckter-en Regionen des austra
lischen Buschlandes. Einige sagten,
er sei unter die Soldaten gegangen,
andere er sei ein Omnibuslutscher
geworden.
So war nur Lizzie ihm geblieben,
Und zusammen hatten sich die beiden
mit aller Macht der alles vor sich her
treibender Dürre entgegengestellt, bis
gestern das schrecklichste lam: Der alte
Jackson betam den Sonnenstich, und
das Fieber, das« bald daraus eintrat,
crsrhütterte seinen alten Körper ge
fährlich. Merkwürdig genug, man
hörte in seinen Fieberphantasien nichts
von den kräftigen Buschsliichen, die
ihm sonst so geläufig waren, sondern
im Delirium wanderte sein Geist zu
riick zu den Tagen der Kindheit, in de
nen er Abend siir Abend den Eltern
aus der alten Familienbibel vorgele
ien hatte, und unaufhörlich kam der
selbe Vers des Psalmisten über seine
Lippen, bis Lizzie sich in den Garten
flüchtete, um den halb singenden, halb
gepredigten Tönen zu entfliehen.
Kaum dreiundzwanzig Jahre alt,
groß und start gebaut, hatte sie bisher
allen Priisuiigen muthig Widerstand
geleistet, aber Hunger und Elend hat
ten ihre Spuren aus ihrem Gesicht
hinterlassen, nnd ihre großen brauneni
Augen waren infolge der Nachtwachen 7
in ihre Höhlungen zurückgesunten.
War es ein Wunder, daß auch sie selbst
fühlte, wie ihre Nerven der über
menschlichen Anstrengung zu erliegen
Mien? Ein siebernder, halbverhnnU
gerter alter Mann, zwei schwachet
dürre Pferde, der nächste Nachbar zehn
Meilen und mehr entfernt, nur ein
geringer Vorrath von Thee, Zucker
nnd Mehl im Hause, -—-- und das Was
ser iin Flusse ain Austrocknen. Ge
tantenvoll ließ sie ihre Blicke über die
wüste Fläche schweifen, auf der einst
ihre Schafe geweidet hatten. Hier undi
da slog ein Geier oder eine Schaart
Strähen aus, um sich bald wieder an
einer Stelle niederzulassen, wo etwas
weißes in den Strahlen der unbarm
herzigeir Nachmittagssonne glänzte.
Thränen traten in ihre Augen, denn
sie dachte daran, daß das bischen Wol
le alles war« was die Dürre von ihrer
Herde übrig gelassen hatte, aus die sie
einst so stolz war. Sie dachte daran,
wie im letzten Winter die neugebore
iien Lämmer an der Seite ihrer Müt
ter niedergesunlen waren, ermattet
uoni Hunger und zitternd vor Kälte,
tisährend der bittere Westwind über sie
hinwegsegte. Und durch alle ihre Ge
danken tönte unaufhörlich der Gesang
des tranken Mannes iii der Hütte: ..
»Um der Bosheit willen, die darinnen
nohnen.« !
Plötzlich sah sie sich um. Die Gewalt «
der Sonnenstrahlen hatte iiachaelasiens
und über der Hütte hatte sich Plötzlich, "
nie durch Zauber hervorgerufen, eine;
dichte schwarzeWoltenwand ausgebaut.
Jack, der alte treue Schäferhand, dessen
Beschäftigung längst dahin war, kroch
init surchtsanien Winseln näher zu ihr
heran.
Linie saltete die Hände: ,,(fndlich
der Regen — - Gott sei aclobt!« ries sie
aug; aber dann erinnerte sie sich mit
bitterem Lächeln an die oielen Enttäu
schunaen, die sie in den letzten Tagen
und Wochen schon erlebt hatte, wenn
sicti die Wolken iiber ilirzn Weesen zu
s.nnengeballt hatten, Und dann wieder
anseinanderainqem ohne die durstiae
Erde aenetzt zu haben. Da bemerkte sie,
trie die beiden Pferde im Garten sich
mit änsgstlichein Winseln dicht anein
ander drängten, unverwandt nach der
Richtung starrend, aus der der Wind
kann der sich während der letzten Se
tunden in einen heulenden Sturm ver
wandelt hatte, und Plötzlich —--— noch ehe
sie die Hausthiir zu erreichen vermoch
te, kam das Gewitter insit aller Ge
walt hernieder. Blitz aus Blitz zuckte
durch die Lust, daß es dein sausqiereaten
Mädchen schien, als stünde das Weltall
in Flammen, und unter dem Krachen
des Donners erzitterte die schwache
Hütte, während der Regen, der langer
sehnte Regen-, zur Erde niederkam,
nicht in Tropfen, sondern in dicken un
durchsdrinalichen Strahlen. die wie
Peitschewhiebe aus das Wellblechsdach
des Wohnhauses prasselten. Der
furchtbare Lärm riittielte selbst den
kranken Mann aus seinen Fiebertriiu
men. Er richtete sich in seinem Bette
auf und schaute um sich. Wilde Freu
de leuchtete aus seinen Augen nnd
durchdrang seine plärrenide Stimme,
als er wiederum anhsob: »Und er das
Trockene wiederum wasserreich machte,
und im diirren Sande Wasserquellen!«
Aber für Lizzies erschütterte Nerven
war die Veränderung zu plötzlich ge
kommen. »Um des Himmels willen,
Vater, sei still,« rief sie gseängstigt aus.
,,Horch, der Regen ist da, die Dürre ist
zu Errde.« Und dann beugte sie sich
über den Kranken und kühlte seine hei
ßse Stirne mit frischen Umischlägem
bis der alte Mann, unter deni eintri
nigen Geprassel des langersehnten Re:
gen-Z, endlich- den Schlaf fand, dessen
sein siecher Körper so sehr bedurfte.
Die qanze Nacht hindurch ging der
Regen in Strömen nieder, und den
ganzen Tag unsd wiederum die folgen
de Nacht und so fort ohne Aufhören,
bis am Morgen des dritten Tages Liz
zie in der Ferne ein Geräusch hörte,
das sie zu Tode erschreckte. Sie war
gerade damit beschäftigt, für sich und
den Kranken die mehr als einfache
Morgenmahlzeit zu bereiten und über
legte dabei, wie lange wohl der spär
liche Vorrath von Thee und Mehl noch
reichen wurde, als ein Brausen von der
Richtung deg Flusses her sie auf
schreckte.
»Der Creek ist geschwollen, Bater,«
rief sie entsetzt, aber der alte Mann
schien sich darüber keine Sorge zu ma
chen. »Er muß schon ziemlich hoch stei
gen,« sagte er ruhig, ,,bevosr er unsere
Hütte erreicht. — Wir sind stehen«
Lizzie erwiderte nichts-. Aber den
ganzen Tag hörte sie das Verhängniß
volle Rauschen und den ganzen Tag
tourde sie von bangen Ahnnnaen ver
folgt. Am Abend erklommen die kei
den Pferde in ihrer Angst die Stufen
der Veranda vor der Hütte «- der
Fluß irar aus seinen Ufern aetreten,
und immer näher kam die Wassermen
ae auf das einsame Haus zu. Voller
Angst und Schrecken saß das Mädchen
an dem Bettes des tranken Mannes,
zu ihren Füßen der alte Schäferhund,
in unruhiaem Schlaf, ab und zu auf
stehend und an der Thiir schnuppernd,
als wenn er draußen einen unsichtba
ren Feind vermuthete. Gegen Mitter
nacht öffnete sie die Thür und sah hin
aus. Der Regen hatte aufgehört, aber
im Iliondschein sah sie vor sich, um
sich herum eine endlose Wasserwiiste,
die sie und alle, die im Hause waren,
von der Außentrelt ahschnitt. Jn ei
niaer Entfernung duntle Massen mit
furchtbarer Eile den Strom hinabtrei
bend, theils entwurzelte Bäume, theils
Trümmer von zerstörten Häusern, in
manchen Fällen ertrunkene oder ertrin
tende Thiere. den Strom hinabtrei
bend· Die Pferde, die von Hunger
Und Anast ermattet, vor der Thiir nie
deraefunken waren, krochen näher
heran, und eins derselben, das ihr frü
her als Reitpferd gedient hatte, raffte
sich auf und rieb den Kovs aeaen Liz
zies Schulter. Sie drehte sich rasch
um und streichelte die stumme. furcht
same Kreatur. Dann änastlich, daß
sie vielleicht selbst unter der furchtbaren
Aufreaung zusammenbrechen möchte,
aan sie in die Stube zurück und he
ioachte den Schlaf des Kranken. Das-J
Rauschen des- Wassers war in der
Stille der Nacht stärker als je zu hö
ren, und näher und näher kam das
Wasser, bis sie die Wellen aeaen die
schwachen Planken der Hütte vlsitschern
hörte. Aber der alte Mann schlief ru
hig weiter, nur ab und zu anzusam
menhänaende Worte sein-es Vsalms
murmelnd »Trockene . . . Wasser-s
reich . . . Wasserquellen im dürren
Land. -. .«
Plötilieh hörte sie die Hufen des ei
nen Pferde-J gegen die Thiir schlagen,
sein Stolpern, ein Schrei, fast wie aus
einer menschlichen Kehle. und ein Plät
fchern —--— eines der Pferde war ins
Wasser gefallen und wurde Vom rei
ßenden Strome nin die Hiitte hernni:
getrieben und dann den anderen Op
fern nach. Wenige Augenblicke später
wußte Lizzie, daß auch das zweite ver
loren war, und dann drang das-Wasser
unter der Thiirspalte in die Stube.
Bald war das Feuer ausgelöseht unsd
der kleine Raum in Dunkelheit gehüllt.
Nur ein schwacher Strahl des Mond
lichteg drang durch die Scheiben des
kleinen Fensters. Sie fühlte das Was
ser an ihren nackten Knöcheltn und in
ihrer Todesangst kroch sie auf das Bett
neben den sterbenden alten Mann. So
wachte sie allein während der Dämme
rung. und als das inatte Licht des jun
gen Tages durch die Scheiben drang,
wußte sie, daßbsald der ganze Himmel
iin strahlender goldiger Morgenröthe
! erglänzen würde.
Während sie so wachte, schien der
Tod seine Schrecken zu verlieren. Sie
, fsah dem Ende mit dem nnbeugsamen
Muthe entgegen, den sie in allen
Schwierigkeiten nnd Prüfunsgen ihres
kurzen, harten Lebens bewiesen hatte.
Sie glaubte und wußte, daß, wenn
alles vorüber wur, sie ihre Mutter wie
dersehen würde, und sie hoffte zuver
Fa--—»
ist-hinan daß »der da droben-« sie-i zu
charf mit ihr oder ihrem Vater ins
) Gericht gehen würde, denn — so agte
; sie zu sich selbst in der Einfalt es
sHerzens —- schließlich hatten sie beide
ihr bestes gethan, —— »und die Zeiten
waren so furchtbar schlecht gewesen«
Als es heller wurde, sah sie, daß
das Wasser fast das hohe-, altmodsiisehe
Bett erreicht hatte. Mehr als einmal
hatte die schwache Hütte gezittert unter
dem Anprall eines schwimmend-en
Baumstatttmes. Das ganze Gebäude
schwankte schon bedenklich. Lizzie
wußte, daß das Ende nicht mehr lang-e
auf sich warten lassen würde· Sie
streichelte Jack, indem sie ihr Gesicht
abwandte damit sie nsichst den hilsefle---v
henden Blick in den treuen braunen
Augen sehen sollte. Dann, während
sie eine Thräne herunterschsluckte, die
ihr bei dem Gedanken an Jim, ihren
Bruder, ins Aug-e trat, beugte sie sich
nieder und küßte innig und feierlich
den alten Mann. Aufgeweckt von
ihrer Zärtlichkeit, fuhr er ihr mit sei
nen schwachen Händen über die Wan
gen. Dann richtete er sich auf, mit
der Stärke, die so oft den Sterbenden
gegeben ist, und mit dem Gesicht auf
das Fenster gerichtet, durch das die
Strahlen der Morgensonne jetzt start
und voll in das Zimmer drangen, rief
er in unsäglicher Freude:
»Und sie wurden froh, daß es stille
war, und er sie sicher geleitete in das
Land, nach dem ihr Herz sich sehnte«
Sie klammerte sich san ihn in ihrer
Verzweiflung als er ermattet in die
Kissen zurücksank; dann ein Schrei,
ein furchtbares Getöse, ein wilder
Strudel s—- und so—»geleit-ete er sie
in das Land, nach dem ihr Herz sich
sehnte . . .«
Zur und Maler.
Jn dänisahen Künstlerkreisen erzählt
man sich das folgende Erlebnis; des
dänischen Malers Professor Tut-en
Herr Tuer ist der dänische »Hofma
ler«, das heißt, er erhielt vielfach Auf
träge des Hoer und fbiner vielen Ver
bindungen. Auch die letzte englische
stönigsirönung hat Professor Tuxen
auf der Leinwand verewigt, zu wel
chem Zwecke er sich längere Zeit als
Gast König Eduards in London auf
hielt. Nun wünschte der Kaiser von
Rufiland eine Kopie des Krönungs
lsildes und bestellte sie bei Tuer für
ein Honorar von 12,000 Nabel Kürz
lich durfte der Maler in Petersburg
sein Bild abliefern. Der Zar em
pfing ihn, sprach seine große Zufrie
denheit aus und stellte eine Anweisung
über 12,000 Rubel aus. Im Hof
marschallamt aber sagte man dem Ma
ler, der die Anweisung präsentirte:,»
»Es ist Jhnen wohl bekannt, daß An
weisungen des Zaren nicht mit dem
vollen Betrage honorirt werden«. Un
ser Professor sprach hierüber eine ge
iinde Verwunderung aus, mußtespsich
aber mit der Antwort beruhigen, es
sei das nun einmal so. Wirklich er
hielt er denn auch nur einen Theil des
vereinbarten Honorarbetrages. Vor
seiner Abreise empfing ihn der Zar
nochmals und bemerkte beiläufig, er
habe wohl sein Geld erhalten« Pro
fessor Tuer erwiderte, jetzt, wo man
ihn direkt dariiber befrage, müsse er
gestehen, nicht unwesentlich weniger
ausbezahlt erhalten zu haben, als ihm
angewiesen war. Der Kaiser zeigte
sich nicht im allergeringsten verwun
dert, stellte natürlich aber eine neue
Anweisung aus, die dem Künstler den
Rest seines Honorarg einbrachte.
Ein ideales Vergnügen.
»Gefiillt’5 Ihnen bei diesen Leu
ten?«
»Aus;erordentlich, alle möglichen be
rühmten Leute sind anwesend Dich
ter, Musiker, Sänger» aber es wird
grundsätzlich nur gegessen und ge
trunken«
Anstrcnnend.
Siiffel: »O die schrecklichen Kopf
schmerzen! Nie mehr schreib’ ich
Abend-J lBriefes«
Svundz »Sirenqt Dich denn das so
sehr an. T«
Siisfel: »Das weniger! Aber der
Brief sollte gestern Abend noch ab
gehen, und da bin ich in zehn- Wirth
schaften gewesen« bis ich eineFreirnarte
belam!«
Auch ein Grund«
Richter: »Der Hanneg hat sich doch
von der Rauferei ferngehalteni Wa
rum haben Sie ihn dann so geprü
gelt?«
G·irgl: »Weil der fade Kerl net hat
s«
initraus’n woll’n.
Am Staniiiitifch.
A.: »Es ist ein rechtes Kreuz, wenn
die Zähne nachlassen, tann gar nim
mer recht beißen.«
.: »Jet) auch net, es ist nur a
Glück, daß man das Bier net beißen
braucht.«
Der Schlangenbäuviqer.
»Wie find Sie denn neulich nach
unserem Stiftungsfeste auf die Jdee
verfallen, mich einstweilen zu Jhrer
Frau mit der Meldung voraus-Michi
cken, Sie kämen bald nach?. Die
hat mich schön behandelt! Jch dank’!«
»Wissen S’, mir hat einmal ein in
difcher Schlangenbändiger verrathen.
man solle, bevor man sich solch’ lieb
lichen Geschöper nähert, sie erst in ei
nen Lappen beißen lassen!«
Manche Frauen gerathen aus dem
Häuschen wenn der Mann ans dem
s Haus will.