Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, February 24, 1905, Sweiter Theil., Image 9

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    Yeöraska
Staats-« nzejger Und Yernld
J. P. Windolph, Herausgeber W Grund Jsland Nebr» 24 ,Fkbkuar1905 (Zwe1tchlIctl.) Jahrgangz) No. 2(;.
Nkmni Tid!
BonEdw. Cont.
Was quälsi Du Di, o Menschenkind —
Von fköh bet in de Nacht?
Wut rennst un slöppst Du so geswind?
Nimm Tib, — ga mit Bedacht!
Wat fehnst Du Di na Geld un Got.
As leeg bat Glück dar drin?
Bedenk, Du armes Menschenblot —--—
Dat End« kömmt gar gefwinn’! —
Wat höllst Du jeden Dalet fast,
As hüng Din Seele dran?
Bedenk, Du arme Erdengast
De Tod kloppt oft fnell an!
Wiel nu de Tid löppt wie de Wind,
Keen Mensch et so vermach;
Dkäm sie vernünftig, Menschenkind
Nimm Tib, s« ga mit Bedacht!
Wo geht es hin ?
Skizze von Hermine Villii:ger.
Der Urgroßvater saß vor dem mit
Schindeln bedeckten Bauernhof, ein
achtzrgjiihriger Mann, mit einem Ge
sicht so uberzeichnet von Linien, Fur
chen und Schatten, dasz keine leere
Fluche mehr darauf zu finden war.
«’Habsucht, Neid. Mißtrauen hatten
diese Risse gebildet, und die Gewohn
heit sie tiefer und tiefer nachgezogen.
Jn den Augen jener lauernde, nim
mermiide Blick nach einem ortheil»
um die Lippen die zögernde ebiirde
des Vergebens-. All’ das sprach aus
diesem tiefgefurchten Greisenantlitz
und hatte ihm seine Merkmale auf
egdriickt. Nun war der Mißmuth noch
dazu gekommen, Langeweile, Gram
»s— die Kinder waren an der Reihe und
genossen das schwer und zäh erwor
bene Gut ihrer Väter. »
Schlürfte der alte Mann durch die
Dorfstrasze ——— rechts und links in den
schönsten Höfen wohnten die verheira
theten Söhne und Töchter. Rehrte er
ein: »Seid Jhr schon wieder da
Groszdater,« hieß es, ,,Euch mufz auch
die Zeit lang werden« Seit Jah
ren war ihm kein Willkommgruß ge
worden.
Er lebte bei seinem Aeltesten.
Wenn er vor dem Haus auf der
tleinen Banl saß und ein Vorüber-—
aehender die Frage an ihn richtete:
»Wie geht’s denn, Großvater?« so
gab er, mit dem Daumen nach dem
Haus zurüadentend, immer die«
gleiche, so bitter llingende Antwort:
»Er spricht nie ein Wort mit mir —-««
Es war gekommen, wie es hatte
kommen müssen » ein harter Kampf
zwischen Vater und Sohn. Der alte
Mann fuhr fort zu besehlen, obgleich
er dem Sohn die Hausherrenrechte
übertragen. Er hörte nicht auf, des
sen Thun zu tadeln und zu verwecer
und mit seinem starren Mißtrauen
die Schwiegertochter zum Aeuszersten
zu bringen. Denn immer stand er da
nnd lauerte, ob auch alles geschah, wie
es unter seiner Herrschaft geschehen
war, ob es mit dem sauer verdienten
Wohlstand vorwärts oder rückwärts
gehe. Immer heftiger wurde des
Sohnes Ungeduld über des Vaters
Geboren, immer roher seine Reden
und Zornesausbriichr. Aber der Alte
war zäh und ruhte nicht, bis eines
Tags der Sohn die Thiir aufrifz und
sich an dem Vater vergriff.
Seither war es still. Die beiden
gingen sich aus dem Weg. Nur ihre
Blicke redeten.
HeißerZorn stieg in dem Sohn
auf, wenn der Vater vor der Haus
thiir sasz nnd mit den Nachbarn tu
schelte.
Saß der Alte im Garten, so war's
der Bäuerin nicht recht: sie wollte die
Wäsche aufhängen, oder die Wiese
sollte gemäht, das Obst gepflückt wer
denI ·
Jmmer war er im Weg. Beim Es
sen gab es Aerger, weil seine Augen
nicht den großen Bauernappetit hatten
und er dann den vollen Teller stehen
ließ. Auf der Ofenbank schnarchte
er zu laut.
Da hatte sich zu den harten, selbst-l
süchtigen Zügen deg alten Mannes
ein neuer Zug gesellt, eine fremde Li
nie rings um den eingefunkenen
Mund s-— ein bitterer Ausdruck des
Schmerzes, der in diesem Gesicht vor
Dem kein heimathrecht gefunden.
Vielleicht ivar es dieser Zug, der
ilnn die Kinder zuflihrtr. All die klei
nen Enkel und Urenkel, wenn sie noch
nicht fest auf den Beinen standen,
wollten vom Großvater geführt sein.
Und so oft sich so eine kleine Hand in
die feine stahl, erhob er sich mühsam»
und schlürfte mit dem Kind längs!
des Garteng zur Wiese dahinter.T
Dort war ein Tümpel, und da woll-?
ten sie alle hineinschauen in das stille,
kleine, regungslose Wasser. Manch
mal lag die ganze Abendsonne drin
mit all ihrer goldenen Pracht, oder
der blaue Himmel lachte heraus wie
ein frohes Kinderaugr. Bei düsterern
Wetter aber sah man in eine abgrund
tiefe Schwätze, die dem kleinen Volk
erst recht zu denken gab.
Einstmali zur Nachmittagszeit
stand er wieder am Tümpel, der Alte,
ein Pülslein an der hand.
»Schau, Großvater,« tiefe plötzlich
aus, »da unten im Wasser steht ein
Mann —«
Der Akte beugte sich vor, und jäh
zusammenscheeclend starrte er sprach
los, mit offenen Augen in den Tüm
Pel hinab. Der da.unten, das war
ja sein Vater —- Zug für Zug, in
Haltung und Gebärde. —- Ja wohl,
so hatte sein Vater ausgesehem ge
rade wie er jetzt, fo schwer gebeugt, so
ch Lebens müde —
Als kleines Büble hatte er einst
mals bitterlich geweint, weil er vom
Fenster aus den Vater hatte fortgehen
sehen —
Das fiel ihm jetzt ein.
Und plötzlich: »We) geht das hin?«
fragte er sich. Denn später —hatte
er es seinem Vater nicht gerade so ge
macht, wie sein Aeltester es ihm jetzt
machte? War es nicht der gleiche
Kampf gewesen zwischen ihnen «
kalte der alte Mann damals ni tauch
weichen müssen vor der rohen ewsalt
des Sohnes-? -
»Warum konnte er das Dreinreden
nicht lassen?« fragte sich der Alte,
»und warum hab' ichs gerad’ auch so
machen müssen?«
»Schau, schau, Großvater-, die
Bliiinle dort, die schöne Bliimle,« ries
der Kleine ganz außer sich vor Ent
Ziicten und suchte sich von der Hand des
Alten frei zu machen, »mei’tn Mutterlc
bringe — mei’m Mutterle bringe—«
»Komm doch,« wehrte derGroszvater
und suchte das schreiende Kind weiter
zu ziehen. Plötzlich aber ließ er’s los,
sah zu, wie sich der Kleine über die
Wiesenblnmen wars und dann, beide
Fäuste voll, strahlend und jauchzend
vor ihm herlief
»Wo geht das hin?« fragte sich der
Greis abermals, ,,jetzt bringt er der—
Mutter die Blumen -s— ja —- aber
wird er nicht, wenn er groß ist, es ge
nau so machen wie wir alle nnd sei
ner alten Mutter taum den Pius im
Haus gönnen? Es ist wie ein ing,
ans dem keiner heraus kann.«
Er kam taum vorwärts, so wun
derbar, so verivirrend war ihm die
plötzliche Klarheit, in der er die Dinge
sah. Alles um ihn her,«Vergangen
heit und Gegenwart, schien wie durch
sichtig, beinah greisbar vor ihm aus
zustehen —-— «
Seine erste Kindheit, wie er an
Vater und Mutter gehangen, und
was man ihm alles entrissen, so nach
und nach mit harten, unerbittlichen
Händen hatte ihm die Mutter«
nicht eins über den Mund gegeben,—
damals als er nach dem Vater schrie
dann als dieser Vater alt und nn
beholsen durch dieses selbe Haus hum
velte, was war noch übrig von jener
großen einstigen Liebe? Und warum
war nichts mehr übrig?
Nicht weit vom Tümpel, in der
niedrigsten Hütte vom Dorf wohnte
·s Mehl-Wag’s Moore.
Sie schaute zum Fenster hinaus
und nickte ihm zu, immer mit dem
gleichen zustiedenen Lachen. Aber
heute schien ihm, als läge etwas
Schadensreude darin.
Jaloohl, er war davon überzeugt
und hnmpelte gesenkten Hauptes wei
ter.
Sie hatte einstmals zu ihm gesagt:
»Allein leben und lange Zeit haben
oder mit den Kindern sein und ein
Kreuz haben das ist die Wahl, die
man im Alter hat -
- Er hatte von der langen Zeit nichts
wissen wollen und jetzt, wie beneidete
er die Alte in ihrem armseligen Häus- l
cheri, der es immer und zu jeder Zeit
sum’s Lachen war. Jhm war es längst
vergangen.
Er war mit dem kleinen Urenkel
vor dem hos .anaetommen, einem
niedrigen, aber weitläufigen Gebäude
mit einer großen Anzahl kleiner, dicht
aneinander gereihter Fensterchen
Die junge Frau trat heraus, die
Tochter des ältesten Sohnes.
.,Psui, Bühle, was bringst stir ei
nen Schmutz mit heim,« fuhr sie den
Kleinen an, der strahlend seine Händ
chen voll Sumpsblumen entgegen
streckte.
Enttäuscht, verwundert blickte dass
Kinder die Mutter an, als sie ihn mit "
zorniger Gebärde zum Brunnen riß.
»Denlst nicht dran, daß du’g
Sonntagswämsle anhasi s— Jhr laßt
auch alles geschehen, Großvater
nicht einmal zum Siinderhiiten seid
Abt noch gut-«
»Hm, ja," niclte der Alte, und seine
Augen blickten mit einem eigenthiim
lich tiefen Blick in die Ferne, »ja, so
ist’s -—-— es ift da, aber sie treiben es
aus —·— alles Freundliche treiben sie
aus. Er wird keine Blumen mehr
bringen; er muß auch seinen Kreis
lauf machen und weit abtommen von
Vater und Mutter —-- biö die Hin
fälligieit kommt —- dann kehrt er
wieder heim. Dann kehren wir alle
wieder beim.'« .
Die-Enkeltochter sah den alten«
;Mann groß an und ging its-Z Haus«-.
»Heute ist der Großvater völlig
ionfus,« berichteie sie drinnen.
Es ging lebhaft zu in den großen
unteren Stuben. Es war Sonntag,
da waren sie von den oberen Höer
heruntergetommen, groß und klein.
biin Bursche hatte eine Zieharmonila
und spielte aus. Sie fingen an zu
tanzen, die Erwachsenen wie die Kin
der, und drängten und stießen sichs und
mischten laut.
Die Stuben waren niedrig« vie
vielen kleinen Fensterchen alle ge
schlossen. Nur die Thür nach der
sonnenbeschienenen Diele stand weit
offen, und helle Streiflichter züngek
ten herein über den sandbestreuten
Boden. Da plötzlich stand die ge
beugte Gestalt des Großvaters mitten
aus der Schwelle. Jm vollsten Licht
stand er da, aschfahl im Gesicht, die
Augen ties eingesunten, mit behenden,
farblosen Lippen.
-Er wollte reden. Er wollte ihnenl
sagen: ,,Treibt ihnen die Lieb nicht
aus, wenn sie klein sind. Es ist al
les da. Sie weinen um Vater und
Mutter. Sie wollen Blumen brin
gen. Jhr aber macht die weichen
Stellen hart. Jhr ruht nicht, bis sie
hart sind. Jch hab mich schwer be
sonnen, bis ich’s gewußt, wo es hin
geht. Jetzt weiß ich’L-. Laßt es nicht
verlommen.«
Dies alles wollte er ihn-en sagen
und noch mehr:
»Wenn ihr alt und hinfällig seid,
bleibt nicht bei den Jungen, thut’s
nicht. Es ist so schwer, den Mund
halten, wenn man Ur- Wort gehabt
hat. Es macht so bös nnd bitter,
wenn die Jüngeren alles besser wissen
wollen —- druni nehmt ein Stühle,
tragt die Last eure- Alters allein.
Lange Zeit ist besser als harte Blicke
und Worte.«
Dies alles wollte er ihnen sagen,
sie theilhastig machen an dem Ergeb
i.isz seiner Klarheit. Zwei, dreimal
schon hatte er diie Stimme erhoben,
aber sie war so schwach und ionlos5,
Daß niemand sie vernahm.
Er trat weiter vor, in die Stube
hinein, und die Tanzenden rissen ihn
um« Nicht mit Absicht, es war ihnen
leid. Sie hoben deti alten Mann auf
nnd setzten ihn aus die Ofenbank. Als
sie gewahrt-am daß er teinen Schaden
genommen, lachten sie.
»Aha, ter Großvater hat aiich noch
einmal ’5 Tanzbein schwingen wollen
er mujz halt von allein noch haben,
der Großvater —---'
»Ach neii1,« sliisterte er.
Er sah in diese lachenden, schwitzen
dciiGesichier nnd wußte mit einem
Mal: »Es wär’ den Maus gepsissen,
denen etwas zu sagen -——'
Als aber sein Aeltester ihn hart an
siihr —-—« sein Aeltester, der einstmals
seines Vaters Schatten war und an
ihm gehangen wie keins der anderen
itinder - -- als dieser Sohn mit seinem
groben, rohen Gesicht ihm grollend
vorwars: »Wo man geht und steht,
immer müszt Jhr einem im Weg sein
«- alle Freud thut Jshr einem verder
benwzu was anderm seid Jhr nicht
mehr aus der Welt« -— da sah ihn der
Alte mit seinem halb verloschenenBlici
ruhig und traurig an.
»Ich mach dir leine Vorwürf,«
sprach er leise mit zitternder Stimme,
,,hab’s ja selber nicht besser gemacht,
wie ich jung war —«— had’5 meinem
Vater auch schlecht gemacht. --«— Aber
so wie ich jetzt an ihn denl in großer
Ren — so wirst du einst an mich den
ten — das glaub du mir s— deine-tin
der führen dich heim wie du mich.«
Er stand mühselig aus unsd wankte
zur Thür. Sie machten ihm Platz. Sie
waren still. Scheu blickten ihre Augen
dem Manne nach.
Ging eine Ahnung durch ihre Ge
müther, daß auch sie schon aus dem
Weg waren zu jener groszeii Reue, von
ver er gesprochen?
»Großoater, wohin?« fragte eine
Stimme.
Es aao keine Antwort. I
Durch das heiße Dorf schritt er,
langsam, mit großer Athemnotls
Heim etwas anderes dachte er
nicht, als heim, zum Vater ----
Er war nicht mehr llar in seinem
siopf er lächelte und schwatzte vor sich
bin, indem er den Hügel hinan, zum
Friedhof schritt.
Ob er den Weg fand zur Grab
siätte der Seinen, zu den paar ver
txachlässigten Hügeln mit den schlich-—- !
ten Kreuzchen — dem unbesuchten
lilatz seit einem Menschenlebens
Ob er hinsank-, jetzt, halb entseelt
schon, mit Augen, die nichts mehr
sahen? ---- l
Die Sehnsucht verlieh ihm die Kraft s
und wies ihm den Weg- s
Mit den wankenden Schritten und:
den lallenden Lauten eines Kindes!
trat er vor das Grab seines Vaters-l
hm und brach zusammen. !
Arbeit mag den Geist für eine Weile s
köschöpsem die’Trägheit jedoch zerstört s
i n.
Die "Schneemänner.
Eine Dorfgeschichte von A. Ha t se t.
Warum die Falkensteiner Bauern
ihre Nachbarn, die Bauern in Wal
Yausern spottweise Schneemänner hei
sen, dürfte nur Wenigen bekannt sein.
äu einer alten Chornil habe ich die
eschichte kürzlich gelesen und hoffent
lich werden es die guten Leut-e von
Walhausen nicht übel aufnehmen,
wenn ich sie hier wiedergebe.
Jn Walhausen hatten sie vor unge
fähr hundert Jahren einen abnorm
strengen Winter mit riesigem Schnee
fall. Die hohe Ortsvbrigteit that wohl,
im Bewußtsein ihrer Pflicht, das Ih
rige, um die Wege frei zu machen und
so viel Schnee als möglich aus dem
Dorfe zu fiihren, den sie am Ende des
Dorfes zu Bergen aufhäufte. Jndesz,
es kam immer und immer wieder neuer
Schnee hinzu, und da wegen des har
ten Winters niemals Thau-wettet ein
trat, mehrten sich die Schneeinassen
auch in den Gehöften vor den Häusern
und in den Fahrstraßen, sodaß von
einer ernstlichen Kalamität gesprochen
werden konnte.
Gleichwohl waren die Bewohner
Walhausen’s nicht dazu zu bewegen,
selbst Hand anzulegen, um mit Hülfe
der Lastthiere den Schnee aus dem
Orte zu bringen. Da nützten weder
die giitlichen Zureden des -Ortsvorstan
des, noch die Strafandrohungen, noch
der Hinweis darauf, daß die Bauern
im Dorfe sich selbst hierdurch schaden
würden, wenn sie von ihren Stuben
aus es mitansehen müßten, wie sich
tkiglich der Schnee mehrte; es blieb Al
lee, wsie es war und kam, bis zu dem
Zeitpunkte, wo endlich der Ortsvor
steher zu den Mitgliedern der Ortss
bcrwaltung also sagte:
»Wenn geht es halt nit mehr! Der
Schnee wächst uns über die Köpf, und
wenn wir nitRath schaffen, so ersticken
wir selbst drin. Also Leute, was ist
zu thun?«
»J- han ein Mittell« sagte der rothe
Peter, wie man ihn nannte, obgleich
"«e«r als Ortsvorstandsmitglied Peter
Tiipfler hieß und ein Bauer war
Was ihn jedoch von den gewöhnlichen
Bauern auszeichnete, das war sein
Verstand und sein Witz, da er zehn
Jahre Soldat war und es dort sogar
bis zum Feldwebel gebracht hatte.
Der rothePeter brauchte daher nur
zu sagen »er habe ein Mittel«, um
die Aufmerksamkeit aller Anwesenden
Zu erregen. Gespannt lauschte Jeder
seinen Worten.
»Jawohl, i han ein Mittel, unsere
Bauern zu veranlassen, daß der
Schnee aus dem Dorfe tonnnt,« sagte
er, »aber i bin nit so dumm, daß i
tiut dös Mittel an die Nasen binden
ioerd’ —- ——«
Allgemeines Staunen. Man war es
near gewöhnt, daß der rothe Peter
oerb zu sprechen pflegte, aber am Ende
mußteer doch das »Mittel« nennen,
oas angewendet werden sollte, zumal
rede Maßregel doch nur im Namen der
Obrigkeit angeordnet werden konnte.
Man machte ihm dies begreiflich.
»Ach was,« sagte er, ,,bei unsere
dummen, dielschädligen Bauern wird
rie Obrigkeit nix ausrichten, da gilt’s
Ä,1’seheit sein!« "
Sowohl der Ortsvorstand wie des-·
sen wackere Mitglieder ijberhörten diese
einer Grobheit gleichende Bemerkung,
woran der Borsitzende sich die Frage
erlaubte, ob er selber als Antragstel
ler über jenes Maß von Gescheitheit
verfüge, welches nothwendig sei, um
Vitalhausens Bevölkerung lirre zu
;nachen.
,,Davon ist teine Red’,« sagte der
rothe Peter, »auch mit Strenge ist bei
unsern Bauern nichts auszurichten,
einzig und allein aber nur —---- ——«, doch
als ob er gefürchtet hätte, schon bis
lxer zuviel gesagt zu haben, hielt er
eine Weile inne und meinte dann: »die
hohe Obrigkeit kann Alles nur mir
selber überlassen, i bürg’ dafür, daß,
eh« drei Tag’ vergehn, die Bauern von
Walhausen den Schnee sortschaffen
werden«
Am zweiten Tage nach dieser Sitz
1sng der Ortsbehörde erschienen in
Walhausen zwei FallensteinerBauerm
von deren leeren Wagen Ochsen ges
sdannt waren, ein Zeichen dessen, daß
sie von hier Frucht nach Faltenstein
»Hu fahren hätten. Wer beschreibt aber
das Staunen der Walbauser Bauern,
als die Falkensteiner Bauern sich an
die Arbeit machten, Schnee auszu
laden, wobei natürlich nur von einem
sehr geringen Quantuin die Rede sein
konnte.
Eine Viertelstunde darauf umstan
ten die beiden Wagen bereits hunderte
Bauern und srugsen was das zu be
deuten habe.
»Daß ös dös net wißts!« meinte
ein Faltensteiner. »Aus n Fallensteiner
Hottet führ’n wir’n hin, dort laden
wir den Schnee ab, weil nächsten Tag
die Amerilaner kommen, die ’n Schnee
kaufen, 1veil"g in dem Jahr für ihre
Aecker tan Schnee net ham, dort drunt
in Amerika.«
»Na, und Euer Schnee?« ’
»Mir han bös Jahr nsit viel kriegt,
das Wenige aber, han mir schon vor’g
Dorf g’fübkt, wo’s ihn in amerikani
rche Säcke füllen werden, damiter sich
lang hält.«
Ein allgemeines Gemurmel entstand
jetzt in den Reihen der heimischen
Bauern, erst leise und unverständlich,
nach und nach aber laut und vernehm
dar, so daß man bald den Ruf hören
kennt-e: »Jagt’5 die Falkensteiner zum
Teufel, wir könna unsern Schnee
allein verlaufe!«
,,Abladen! Schnee liegen lassen!«
ertönte es laut und drohend, worauf
in der That den Falkensteinern der
Schnee abgenommen wurde, und diese
selbst mußten, soweit es die schnee
l«-cdeclte Straße zuließ, ihre Ochsen zur
Eile antreiben, wollten sie nicht Prü
ael davontragen.
Von diesem Augenblicke an bot aber «
Walhausen ein großartiges interessan
etes Bild, denn es dauerte kaum eine
halbe Stunde, so stand Wagen an
Wagen eng gereiht und hunderte ge
schäftige Hände hatten dieselben mit
Schnee vollbeladen. Es war staunens
werth, wie präeis die Abfahrt der
Wagen nacheinander erfolgte, die lee
ren stets wieder zurückkehrten um
neuen Schnee zu holen, und wie Alles
dem Komrnando der Dorsältesten ge
horchte, welche die ganze Manipula
lion leiteten. Ja, es wurde sogar ein
regelrechter Ueberwachungsdienst ein
gerichtet, der darin bestand. daß eine
Anzahl der Burschen des Dorer den
bereits ausgeführten Schnee bewachen
mußten, damit die Faltensteiner nichts
Davon stahlen.
Inzwischen vergnügte sich der rothe
Peter drüben im Nachbsardorfe ge
miilhlichbeim Heurigen in Gesellschaft
einiger Bauern, die ihm bei seinem
Streiche behülslich waren. Und als er
drei Tage später heimkehrte, da fand
er Walbausen reingefegt, als ob in
den Geiyöftem Gassen und Straßen
Alle-J zum Tanz vorbereitet worden
wäre.
Zu Ostern gab-; in Fallenstein
Kirchtag und da hatten sie in einer
Marltbude ein Stück unter dem Na
men »Die Schneeinänner« aufgeführt.
Das hatten die Walhausener Bauern
übel genommen, denn abgesehen da
Von, daß sie für ihren Schnee keinen
Heller vereinnahmten und so lange
derselbe auch anhielt, bei ihm getreu
lich Wache hielten, mußten sie jetzt den
Spott iiber sich ergehen lassen, indem
aus der Bühne ein mit Säcken belade
rses Schiff sichtbar war, dessen Seiten- "
wand die Anfschrist trug: »Von Wal
liausen ——— nach Amerika.«
Natürlich kam es damals zu einer
großen Rauferei, wobei die Walhau:
fester mit dem Namen »Schneeniiin:
uer« beschenkt wurden, den sie bis
Zum heutigen Tage noch tragen.
—-—--—
Der Schatz in der Flasche.
Am 21. Juni 1895 wurde derNord
ostseetanal dem Verkehr übergeben.
An diesem für die Schiffsahrt und ge
sammte Gesctyäftswelt so wichtigen
Tage fand sich in einein dicht am
Strande gelegenen Hotel eine fröhliche
Gesellschaft von Geschäftsleuten und
Inhabern größerer Handelghäuser zus
samtnen.
Als die Stimmung den Höhepunkt
erreicht hatte, machte ein Herr folgen
den Vorschlag: »Wie wäre eg, wenn
jeder von uns zur Feier dieses denks
würdigen Tages eine Waarenanwei
sung auf seine Firma ausschriebe, sie
den Wassernixen überanttvortete und
dann abwartete, wag diese damit an-"
sangen.«
Der Vorschlag fand jubelnden Bei«
fall, und Anweisungen auf die ver
schiedensten, nach Güte und Werth
nicht schlecht bemessenen Sachen wur
den aus Papierstreisen verzeichnet und
in einer gut vers lossenen Flasche un
ter heiteren Sche en in die See ge
worfen. — —
Wochen waren vergangen, da findet
eine arme Wittwe an der Jnsel Nord
strand eine Flasche verlorlt und ver
siegelt, nnd sie meint, sie rühre von
irgend einem verunglückten Schiffer
her. Sie hält sie gegen das Licht und
bemerkt darin eine größere Anzahl
von PapierstreifetL Gespannt öffnet
’ sie die Flasche und zieht einen von den
wunderlichen Papierstreifen heraus-.
Darauf steht geschrieben: »Dein Jn
i3aber dieser Anweisung verabfolgt N.
N. zu N. einen Sack Kaffee.« -
Streifen auf Streifen zieht die
Frau aus der Flasche hervor, so daß
ihr kleiner Tisch davon bedeckt ist.
Kopfschüttelnd steht sie da, aber
warum soll sie den Versuch nicht ein
mal wagen? Sie schickt den ersten
Papierstreifen an die bezeichnete
i Adresse, und siehe, nach einigen Tagen
wird ein Sack des schönsten Kaffees
ihr ins Haus geschickt. Ihr» Herz
klopft freudig, sie sendet einen zweiten
Streifen aus, und nach einigen Tagen
mandert ein Sack Reis in ihre Woh
nung. es folgt ein Stück Tuch U. f. w.
Die arme Frau, welcher das alles
märchenhaft vorkam, wurde durch die
wohlthätige Flasche in eine Art von
Wohlstand versetzt, wie sie ihn sich nie
hatte träumen lassen.
Schiller und Goethe.
Von einem Leser geht einer Berli
ner Zeitung folgende Mittheilung zu:
Aus dem Frühstückstische lie t der
Schillerkalender, in dem das elsjährige
fTrudchen blättert. »Papa,« fragt sie
plötzlich, »wann wird denn Göthe sei
nen Kalender bekommen?« (Sie hat
die Büsten beider auf Papas Schreib
tisch gesehen.) — »Noch etwa 27 Jah
ren, mein Kind,« lautet die Antwort
des Zeitung lesenden Papa-Z. Eine
kleine Pause. »Weißt Du, Papa, ei
gentlich habe ich Goethe lieber als
Schiller.« Ordentlich erschrocken blickt
der Papa vom Zeitungsblatt auf.
Also auch schon in der unschuldigen
Kinderseele dieser unselige Zwiespalt,
der leidige Streit, wer der größere von
beiden! »Aber, Kind, was weißt Du
denn von den beiden Dichtern?« —
»Ja, Goethe ist sanfter und milder.
Er hat gedichtet: »Ich ging im Walde
so für mich hin u. s. w.« ——·— »Nun,
und Schiller?« — Schiller fängt sein
Gedicht —- (sie sagte wirklich »sein Ge
dicht«, hielt es also augenscheinlich für
seine einzige dichterische Schöpfung)
an mit »Wer wagt es, Ritters
mann oder Knapp, zu tauchen in die
sen Schlund?« und das klingt so hef
tig und rauh." —- Der Papa will, um
das bedenklich zerstörte Gleichgewicht
zwischen den beiden Dichterheroen wie
derherzustellen, eben erinnern an »Mit
dem »Pfeil, dem Bogen« und »Willst
Du nicht das Lämmlein hüten?«, da
kommt ihm voller Eifer schon die
neunjährige kleine Elfriede zuvor mit
dem nicht ohne vorwurfsvolle Ent
riistung gemachten Einwurf: »Aber
Trudchem du ißt doch Schillerlocken
sein bekanntes G-ebäck)« so gern!» Die
Erwachsenen stimmen lachend bei. Und
Trudchen schweigt beschämt, von der
Kraft des gegnerischen Arguments
iiberwiiltigt. Für diesmal ist Schil
nsrs Ehre noch gerettet aber wer
weiß auf wie lange.
Bernardin-Mein
Der sranzösische Humorist Juleg
Stienard erzählte jüngst folgende
Echnurret »Bor einigen Wochen war
ich nach langer Zeit wieder einmal in
meiner dorslichen Heiniatb. Eines Ta
ges machte ich einen Spaziergang und
traf auf der Landstraße einen Stein
ttopfer, der emsig bei der Arbeit war.
»Pardon, mein Freund,« fragte ich
ihn, »wir lange gehe ich wohl von Hor
vignn nach Saint - Reverien?« »Der
Zteintlopfer blickte aus, betrachtete
mich durch seine Schutzbrille und ant
wortete nicht. Jch wiederholte daher
meine Frage, aber er antwortete wie-—
der nicht. Der Mann ist taub
stuinni,« sagte ich zu mir und ging
weiter. Kaum war ich aber 100 Me
ter gegangen, als ich eine Stimme
hörte; der Mann rief mich zurück und
sagte: »Sie werden wohl zwei Stun
den braucheiit« -— »Warum haben Sie
denn das nicht gleich gesagt?« fragte
ich. »Sie haben eine merkwürdige
Art, Leute augzusragen,« entgegnete
er bedächtig. »Sie fragen, wie lange
Zie von Corbiguy nach Samt-Reve
rien gehen? Kann ich das wissen?
Tag hängt doch ganz von der Gangart
ab! stenne ich vielleicht Jhren Schritt?
Ich lies; Sie also gehen und habe Sie
ein Stiict Weges mit den Augen ver
folgt. Ich zählte Ihre Schritte, und
nun bin ich unterrichtet und kann
Ihnen Auskunft geben. Sie werdenUZ
in zwei Stunden schaffen!«
NO
Ein meüthsmenfap
Hauptmann Z. hatte einen sehr
zuverlässian Burschen und wünschte
schr, ihn zu behalten. auch als der
Hauptmann sich verheirathen wollte.
Ein paar Tage vor der Hochzeit sagte
er zum Burschen: »Du, Fritze, Du
Ivciszt, ich heirathe jetzt, Du bist ein
tiichtiger Kerl, ich möchte Dich behal
tru, aber in so ’ne«r Wirthschaft mit
’ner Frau aeht’5 anders zu als bis
jetzt bei mir; wenn Dir das nicht Paßt,
kann saa’g ruhig, dann nel)ni’ ich Ynien
andern Fterl!« ---- Da grinst Fritze ge
riihrt nnd stottert: »Ach nee, Herr
Hauptmann, wenn der Hauptmann
erlaubt, bleib ich, hab mich immer so
nach einer Heiglichkeit giesebnt!«
—..-..—-—-.-- —--——--—
Mifxverftauvem
Tenorist lnachdem er Probe gesun
genlt »Na, Herr Kapellmseiftcr, wie
ricfällt Ihnen meine Stimme?«
siapse llxneisier: »Ich sage nichts wei
ter: aber mit dieser Stimme kommen
Sie durch die ganze Welt!«
Tenorist (entziickt): »Mit-einen Sie
lvirilich?«
Fiapellrneisten »Gewiß, mit der
Stimme behält Sie keins Theater.«
Er kennt ihn
,,Ach,.5 Jerr Doktor, wissen Sie nicht
i vielleicht tin Mittel gegen die abend
tiiche Nervosität meines Man«nes?«
»Hm Versuchen Gnädige viel
leicht einmsal ein Eisenpräparat in
Hausfchliisselform!«