Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, February 24, 1905, Sweiter Theil., Image 12

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    s« IS böse Contnrrenz
« « ists Pier-sich Theden
W Mstrimsche Dorf Buchenwald,
» s weltentrttckt und zwischen den
T , . versteckt, blühte immer mehr
seitdem die Eisenbahnlinie Neu
«T "» , -Deusiadt ihm eine Haltestelle
HÆ Mit die Verbindung mit den
Wien der Provinz sowohl wie
seit hamburg Obracht hatte.
. Eine Holzhandlung in der wald
ceiehen Gegend war die erste bemer
Leniwerthe Neuanlage in der Nähe
des kleinen Bahnhofs, und sie wuchs
sieh durch die hervorragende Intelli
genz ihres Besitzers in wenigen Jah
ren zu einem Unternehmen aus, für
das die Arbeitskräfte im Dorfe nicht
mehr ausreichten und mehrere hundert
fremde Arbeiter herangezogen werden
mußten.
Dem ersten Unternehmer gesellte
sich ein zweiter, der, ebensallg am
Bahnhos ein Kornspeicher errichtete
und einen schwunghasien Getreide
handel in’s Leben rief. Die dritte
Folge der Eisenbahn war eine Ziege
leianlage, die nicht zur Verschönerung
der Gegend diente, dafür aber wieder
um der kleinen Gemeinde einen Zu
wachs von einigen zwanzig Familien
brachte.
Andreas Gehter, der einzige Krä
mer des Ortes, schwamm, wenn er
auch gewohnheitsmäßig ein finfteres
Gesicht aufzustecken suchte und den
Heimischen gegenüber die zugezogenen
Arbeiter ziemlich refpeltwidrig be
nannte, in Wonne.
Er konnte zuerst den Aufschwung
seines Geschäftes nicht recht fassen und
betrachtete ihn staunend und miß
trauisch zugleich.
»Was, all wieder alle?« pflegte er
kopfschüttelnd und mit wirklicher Ue
berraschung feine Tochter Andrea zu
fragen, wenn das hübscheMiidchen ihn
anf diese oder jene Lücke des Bor
raihes mahnend aufmerksam machte.
»Das fliegt ja wie aus ’m Schorn
stein. Na, denn will ich man wieder
nachdestelleiU
»Bestell doch doppelt soviel, Vater,«
rieth das rasch gewitzigte Mädchen.
»Doppelt —? Nec, nee —« ent
gegnete Andreas mit pedantischer
Vorsicht »Das will doch alles be
zahlt werden und liegt und vertonimt
uns dann. Nee, nee, man immer
langsam — was wir nicht zu viel
haben, kommt nicht um —- und wenn
mal hier Und da was ausgeht, nach
triegen können wir es immer.«
Die Folge war, daß die Verlegen
heiten im Laden sich ebenso mehrten,
wie die Kundschaft an Kopfzahl und
Bedürfniß zunahm. Die Unzufrie
denheit der Kundfchaft steigerte sich
dann bald zu einer gewissen Gereizt
heit« und besonders der Jnspettor der
Ziegeiei machte aus seinem Aerger tei
nen Hehl.
Er suchte den Krämer an einem
Nasen Ottobertage persönlich auf.
«Werm Jhnen der Kram über den
W wächst,« fuhr er auf ihn ein,
»dann machen Sie Jhre Bude doch
zu! Meinen Sie, meine Leute haben
nichts anderes zu thun, als zwischen
Ihnen und der Ziegelei hin- und her
ziapendeln und nachzusehen, was Sie
wieder mal nicht da haben?«
Sehter funkelte mit den wasser
hetlen Augen den Mahner gereizt an,
M Undeea bekam einen rothen Kopf.
«Berzeihung, Fräulein Gehrsen,«
Wie sich der Jnspeltor an das
junge Mädchen. »aber es geht ja
wirklich so nicht, das müssen Sie doch
geben«
Und-ten nickte flüchtig und entfernte
verlegen.
Geht-sen suchte sich zu beherrschen.
»Was soll es sein, Herr — Just-el
»istf« knurrte er mit verhaltenem
Der Kunde reichte ihm eine lange
« schicken Sie her?« fragte
»Mgeschästsmiißig.
« — einer Stunde. Fehlt wieder
QMJF ·
»Ictc.«
»Was denn —?« «
Der Krämer stöberte in den Fä
chem, Schnbtästen, Kisten und Fäs
fern. machte Merkzeichen auf der Liste
nnd brummte: «
«Sprit reicht nicht ganz. Der
The- ifi alle und —— —
Et zählte noch einiges auf, was
ausgegangen war .
«Ueberrnorgen Herr Jnspek
tot —«
»Sti! Und heute brauch« ich’H. Ein
gnsiergiiltiger Geschäftsmann sind
ke.«
Dem Jnspettor brannten die Wan
gea
» »Geber! Sie mir den Wifch zurück,«
herrschte er.
»Bitte —!« fauchte Gehter aufge
»Ich werde das Fahtgeld drauf
am mich mit Ihnen nicht mehr
Wwbal n. Und — here An
MM en: ich werde dafür sor
M Sie Konkurrenz erhalten —
"- . Sie sieh das hinter Jhre
Sie, mit id noch nicht
W- ksku di noch ein
i
I
»Den innen-er zu, Herr Jnspeitor
Maus Messen, ich balks aust«
«Odet auch nicht«
Der Juspetior besann sich.
»Mir Ihre Tochter thut mir leid!«
sagte er milder.
»Aha-en Sie die Tbür von außen
zu,« forderte Gehter brüst. »Wer
thut Ihnen leid? Die geht Sie den
Teufel an.«
»Adieu.«
Der Jnspektor ging ohne ein wei
teres Wort.
Andreas Gehrfen kochte vor Zorn.
»So ’n eingebildeter —- —« «
Er brauchte ein grobes Schimpf
wori.
»Ein saubern Patron!« sagte er zu.
feiner wieder in den Laden tretenden
Tochter. »Müssen nicht alle warten
und gerade der nicht? Soll ich mir’
das ganze Haus vollstopfen demj
Hausnarren zuliebe?« j
»Habt Ihr Euch erzürnt-« fragte!
das Mädchen stockend. 1
J ,,J wo —- bloß ’nausgewiesen habe
H ich ihn.«
s »Vater!«
; »Na — a —- —?- Meinst du, ich
: werde mir von dem auf der Nase her
»umspielen lassen? Nicht um seine
jganze Lehmkleisterei. Und der sollte
Inicht wiederkommen? Heute nicht«
morgen vielleicht auch nicht. Ueber
morgen wird er seinen Verstand aber
wohl wieder finden. Und wenn nicht,
denn nicht. Meinetwegen kann er
feine Backfteine für ’n Butterbrot
’halten.«
! Das Mädchen machte sich still zu
schaffen, aber ihre Hände zitterten.
und der Athem ging unruhig —- —
) An einem der nächsten Abende er-«
Ihielt Gehrsen von einem Dörfler eine
Jbeunruhigende Kunde. Jn einem
;Hause, das demjenigen Gehrsens ge
sgenüberlag sollte ein noch junger,
Hstädtisch gekleideter Mann erschienen
Exin und ein Kaufgebot gemacht ha
. n.
» »Dreitausend Thaler will er ge
Jben,« berichtete der Ueberbringer der
Nachricht.
. »Na, und Heinrich Werger?« fragte
der Krämer.
Werger war der Eigenthümer des
Nachbarhauses.
Der Befragte zog die Schultern
hoch.
»Soll ich mal «nübersteigen ———?«
forschte er.
»J bewahre, meinetwegen nicht."
Zu Gehrsens unangenehmer Ueber
raschung bestätigte sich die Unheils
kunde aber bald. Das Haus war
wirklich verkauft worden, der neue
Besitzer kam und mit ihm hielten
Maurer ihren Einzug in das Haus,
nahmen Umbauten vor und schufen
in der Straßenwand große, viereckige
Oeffnungen, die nur zu Ladensen
sstern bestimmt sein konnten, wie
EGehrsen sie von Neumiinster hers
kannte.
Andreas war außer sich.
Also wirklich Konkurrenz, auch
jetzt noch, wo er sich thatsächlich Mühe
geben wollte, jeden Anlaß zur Unzu
friedenheit fern und das Waarenlager
nach Möglichkeit komplett zu halten!"
Eine fieberhafte Unruhe kam über
ihn.
Erhob er sich in der Frühe von sei
nem Lager, so galt sein erster Gang
dem durch eine Gardine verhängten
Fenster des Wohnzimmers, von dem;
Glaser und Maler in der Nachbar
schalt
an, das in glänzenden Goldbuchstaben
auf rothbraunem Grunde den Namen
«Heinrich Rieffen« trug.
Andreas schaute rnit großen Augen
und schlug mit der Faust auf den
Tisch·
aus er das Nachbargrundstück unbe
merkt übersehen konnte, und beobach-’
tete mit ohnmöchtigem Zorn das Trei- J
ben der Maurer, Tischler und endlich;
Und dann kam ein Firmenschild
hinüber, prallte, als er zwischen dens
das Schild befestigenden Arbeitern;
durch den Namen entziffert hatte, vom I
Fenster zurück, stürzte in den Laden
»Himmelfapper —- Himmelfapper!"
Er siiitzte sich auf und stierte vor
sich hin, bis ein Kunde ihn feinem
Brüten entriß.
Schweigend bediente er.
»Heinrich Riefer —- -- ist das
nicht dem Jnspeitor sein Bruder?«
fragte der Käufer harmlos.
»Mehr-wegen sein Großvater,"
Polterte Gebrfen aufgeregt. »Wün
schen — noch was?«
»Nee.«
Der Käufer ging ziemlich verdubi.
»Andrea!« rief der Krämer laut
durch die Thüre.
Das Mädchen kam in großer,
blauer Kiechenschiirze.
»Da-.
Gehrsen wies auf das Schild.
»Dein habeelurnpen sein Bruder!
Der macht Z wie der Kuckuck — schreit
jedem seinen Namen zu, der ihn wis
sen will und der ihn nicht wissen will.
Unsinn —- unb Verschwendung. Der
wird's lange treiben — s-— — nicht
ein Vierteljahr, saa' ich, und er kann
seine Siebensachen wieder einpacken.
wert-' ihm helfen. himmel
cppet —!" .
Der Laden drüben isi fertig,'
hörte Andreas ein paar Tage später
von seinen Minder-. »Mich soll wun
dern, wer dahingeht,« versicherte jeder
einzelne eilferiig. »ich gewiß nicht«
net-. ve- gesik nicht. W- auch
»Ist-regt »Ja-ersichtlich und nieste Iei
nen Besuchetn so freundlich zu, als es
ihm in seiner erregten Stimmung
m lich war.
er gewiß nicht —?
Wer nichts fragte sich Andreas
.ftiihnend, als zu Anfang Dezember
»die Eröffnung des Konkurrenle
Idens erfolgt war und er alle ihm
wohlbekannten Gestalten zu dein
Nachbar haschen fah, während er in
der Todtenstille feines eigenen hau
feå eine Maus hätte laufen hören
können.
Er nagte sich die Lippen wund,
irampfte die Finger in den Fenster
Vorhang und flog am ganzen Körper-.
Mittag- und Abendessen rührte et
nicht an.
»Ich mag nicht!« sagte er barsch
ablehnend.
Als die Dunkelheit hereingeerchen
war, starrte er auf die großen, hell
erleuchteten Schaufenster, zählte die
ihm sichtbaren Besucher des Ladens
und sah den Besitzer lächelnd und
eilfertig bedienen.
Jn weiter vorgerückter Stunde er
schien auch der Jnspettor. Er
pflanzte sich breit neben dem Laden
tisch auf, gerade unter einer Lampe,
die ihren vollen Schein auf ihn warf,
und schien sich angeregt zu unterhal
ten.
Andreas Gehrsen sog das Bild in
sich. Er konnte kaum aus den Füßen
stehen, glitt auf einen Stuhl und
brütete der sich hin.
Ein Frösteln ließ ihn nach gerau
mer Zeit auffahren. Er erhob sich
schwerfällig wankte in den halt-dun
keln Laden, griff nach einer Rum
flasche und setzte sie an den Mund.
Er that einen langen Zug, setzte die
Flasche an ihren Plan zurück und
trat bar das Haus-.
Eine schneidende Kälte umfing ihn,
und ein den Dsorfweg herabbrausen
der Wind trieb ihm feine Schneetri
stalle ins Gesicht
Der Nachbarladen war noch be
sucht, und Gehrsen sah den Jnspettdr
mit einem Käufer anstoßen, indem
er einen Werkmeister der holzhand
lung erkannte. der bis dahin zu sei
nen geduldigsten und besten Kunden
gezählt hatte. "
Gehrsen zog sich zöhnetnirschend
zurück, suchte im Wohnzimmer nach
Mütze und Ueberzieher, schlang ein
Wollentuch um den Hals und strebte
wieder hinaus. Er drückte sich dicht
am Hause entlang, stellte unter den
Gästen des feindlichen Geschäftes noch
mehrere seiner angesehendsten Kunden
fest, stieß einen heiseren Wuthruf aus
und stapfte den Dorfweg entlang.
Nahe der Ziegelei blieb er stehen,
sah auf einen Steg, der über- einen an
zwei Meter breiten und mehrere
Meter tiefen Entwiisferungsgraben
führte und lachte höhnisch.
Der Steg bestand aus einer einzi
gen, starken Eichenbohle und diente
dem Jnspektor als Uebergang nach
seinem bescheidenen Junggesellenheim
in einem provisorisch ausgeführten
Fachwerkbau.
Gehter sah sich scheu nach allen
Seiten um und horchte angestrengt in
die nächtliche Stille. Keine mensch
liche Gestalt war zu sehen, kein Laut
zu hören als das hohle Brausen des
schneetreibenden Windes.
Andreas Gehrsen bückte sich. hob
die Bohle mit Mühe hoch und schob
sie soweit vor, daß sie nur eben noch
die Kante der steilabfallenden Gra
benwand berührte, aber teinen halt
mehr an ihr fand.
Dann entfernte er sich mit hoch
tlopsendem herzem erreichte sein
Heim auf einem Umwege, legte rasch
ab und suchte nach seiner Tochter, die
er in der Küche neben dem herde ein
geschlafen fand. Er schloß den Laden
und weckte das Mädchen.
«Leg’ dich hin,« sagte er rauh.
»Gute Nacht-« .
Er fand keinen Schlaf, verließ das
Lager frühzeitig und suchte Zeitver
treib im Laden.
Gleich der erste Kunde brachte ihm
die Nachricht, daß in der vergangenen
Pacht der Ziegeleiinspettor verunglückt
er.
»Nanu?« stieß Andreas hervor.
»Und in den Graben gestürzt?« wie
derholte er die Neuigieit fragend.
»Das Brett ist weggeglittenz er ist
nach rückwärts gefallen und mit dem
Kopf auf die hartgefrorene Graben
lante geschlagen ——— —'·
I «Schlimm- ———?« forschte Andreas.
; »Mus; wohl sein. Und ein Wun
Jder, daß er in der Nacht noch gefun
I den worden ist. Ein Knecht, der bald
nach ihm aus dem Dorfe karn, hst
sein Stöhnen gehört und hilfe geholt.
Sonst wäre er verloren gewesen, wäre
er sicher erfroren.· Wenn bloß der
Doktor käme. Aber der ist in der
Nacht weggeholt worden, und nie
mand weiß, wo er ift.«
»Also schlimm ——?« wiederholte
Andreas unsicher und sah bestürzt aus
seine Tochter, die in die Ladenthür
getreten« war und sich todtenbleich
gegen den Thürrahmen lehnte. Er
trat rasch auf sie zu, schob sie zurück
und warf die Thiir ins Schloß.
Wie gelähmt stand Geheer hinter
dein Ladentisch, nnd blitzschnell war
ihm durch den Anblick seines Kindes
zur Gewißheit geworden, was er bis
dahin nur oherfliichlich vermuthet
hatte —- —-— daß seine Tochter sich site
den Mann, den seine nächtliche That
aufs Kranken- und vielleicht aufs
Sterbelager geworer hatte, interes
Inst-, ihn im geheim richte —- us
daß er in dem sechsten Manne sein
eigenes Kind getroffen hatte.
.Eine Ilnth von quälenden Em
pfindungen strömte auf ihn ein nnd
drängte ihn in vie Nähe des Mäd
chens. Er suchte sie in der Küche, im
Wohnzimmer, iibrrall im hause nnd
fand sie nirgends. Er rief nach ihr
urd erhielt teine Antwort.
Dann sah er in ihrem Kleider
fchrant nach.
Jhr Mantel fehlte.
Sie war fort. Wohin —- wohin?
fragte tsich Gebrsen qualvoll. Zu
ihm? Zu dem Geliebten —- zu dem
Feinde des Vaters?
Oder wohin sonst?
Erst nach Stunden kam Andtea
zurück. Jhr junges Antlitz glühte,
ihre Augen leuchteten.
»Wo —- warst du?« fragte der Alte
stockend. «
»Beim Dotior,« entgegnete sie freu
dig. »Der Müller von Radeholm ift
schwer trank —— da müßte er sein«
dachte ich. Und da war er und ist
initgetvmmen -——--«
l Gehrsen schüttelte den Kopf.
»Warst du —- mit ihm — bei —
bei dem Jnspeltor?« stotterte er.
»Ja, Vater —"
»Und —- und »i«
»Ich weiß nicht — ich habe ihn
nicht gesehen. Ich habe nur den Dol
tor hingebracht.«
Gehrsen machte sich zu schaffen.
»Der Doktor will mir —- Bescheid
ichicken,« bekannte das Mädchen be
sangen.
»Schön,« sagte Gehrsen gegen ihre
Erwartung.
Nach einer Stunde lam der Arzt
selbst.
Aus Andreas Augen sprach die
Angst. Aber der Arzt lächelte ihr zu.
»Hätte schlimmer werden tönnen,«
sagte er freundlich, »die dicke Mütze
bat ihn geschätzt Ein paar Wochen
Ruhe, dann wird es schon wieder
werden. An Sie, Fräulein Andrea,
soll ich einen Gruß bestellen und die
len Danl.««
Die schlichte Botschaft zauderte ein
Freudenleuchten aus Andrea’s belebte
Züge und ließ sie die ihr zum Abschied
bingestreckte Hand des Arztes mit se
stem Druck umspannen.
»Na, ob das eine Hochzeit geben
wird?« fragte der Doktor draußen
rertraulich den Krämer
Gehrsen antwortete mit einem
lechselzueten
»Kommet! Sie bald wieder, Herr
Tottor,« lud er ein.
»Natürlich, Gehrsen.«
Der Arzt hielt Wort, kam jeden
lZweiten oder dritten Tag, hatte Gu
tes zu berichten und brachte endlich
ten Relonvaleszenten selber mit.
Kiaus Riefsen war in heiterer
Stimmung.
»Sie haben mir zwar das haus
verboten,« sagte er zu dem deriegenen
Andreas, »aber meinen Dank dars ich
doch wohl abstatten? Oder —- wollen
wir uns wieder aussöhnem Geht
sen?«
Andreas wiirgte an einer Entgeg
nung, aber sie blieb ihm im halse
stecken. Er nickte nur unbeholfen.
»Dann bitte ich um ein Wort unter
vier Augen, Gehrsen —«
Der Arzt und Andrea traten in
den Laden.
»Gehrsen,« suhr der Jnspettor sort,
»ez ist mir hart angekommen, Ihnen
meinen Bruder aus den hals zu schi
cken. Ich wußte selbst nicht · recht,
warum. Aber mich trieb keine rechte
Freudigkeit, nur der Groll, und der
widerstrebend. Jetzt weiß ich, warum
das. Jch war nicht ganz gegen Sie,
eine heimliche Stimme in mir sprach
siir Jhre Tochter und damit stir Sie.
Jetzt ist sie lauter geworden, Gehrsen,
und deutlich, Gehrsen. Andrea ist
mir gut, sie hat es mir gezeigt; und
ich weiß jetzt, ich bin ihr auch gut.
Wollen Sie sie rnir zur Frau gebeni«
Oel-sen rang nach Athenn
«Eine Frage,« stammelte er, »wis
sen Sie, wer —- wer — der Thäter
wart«
»
»Nein. Gehrsen.«
»Jch!«
»Sie —- ———?«
Aus der Frage llang ungläubig-e
Ueberraschung. »
Der Krämer stand schuldbewußt.
»Ja, ich,« wiederholte er.
Klaus Riessen schwieg und sah
ernst aus den Schuldigem
Erst nach langer Pause nahm er
von neuern das Wort, und die noch
nicht überwundene innere Erregung
zitterte in seiner Stimme wieder.
»Ich habe Sie siir einen Ehren
mann gehalten, Gehrsen,« ·erklärte er
langsam, »und ich habe mit keinem
Gedanten Jhnen den Streich zuge
schrieben. Jch weiß jeßt auch noch
nicht« wie Sie das —- thun konnten.
Wenn ieh nun todt geblieben wäre
oder jetzt als Krüppel vor Ihnen
stände —- hiitten Sie das tragen tön
nen?«
Die Frage klang eindringlich, wenn
auch ohne Born-urs.
»Waren Sie so topsloö geworden,
Geht-sent Ra ·- ich will nicht richten.
eh meine ja auch, daß i Sie gereizt
tte . . . Geben Sie in r die Hand,
Gehrsen. Es ist noch alles gut abge
laufen. Und darum soll dac, was
Sie mir gesagt haben, unter uns blei
ben. Nun freilich« —- Klaui Messen
wies durch das Fenster aus den Nach
tarlatien —- ,daran ist nichts mehr zu
l
ändern. Mein Bruder bat sein kleines
Vermiigen dineingesteckt. nnd das darf
er nicht verlieren. Wäre er nicht da —
rufen wurde ich ihn nicht mehr. Nun
ilssen Sie sich aber miteinander ad
nden; dulden müssen Sie den Mit
bewerber und Frieden halten mit ihm,
wie er mit Jhnen.« f
Gehrsen«i Erstarrung löste sich.
»Sind Sie damit einverstanden?"
feste der Jnspeltor fragend hinzu.
Andreas nicktr.
»Ich —- ich muß woll,« bestätigte
er.
Dann wandte er sich langsam ab.
»Andrea!« rief er in den Laden.
Das Mädchen lam zögernd und
verwirrt.
»Willst du Klaus Riessen zum
Mann haben?« klang es ihr unver
mittelt entgegen·
Sie schluchzte auf und barg das
glühende Antlitz an der Brust des
Vaters.
»Auch ein Ja!« fiel der Arzt von
der Thür her ein. »Und ein Wort
mit Thkänen hält doppelt.«
Perkeo.
Humoreske von Georg Böttichen
Jn Frohburg waren fte eingestiegen,
die fünf Korpsstudentem vier schmucke,
stattliche Gesellen und ein jin-ergatte
ges, verwachsenes, windschiefes Kerl
chen, dem aber Mutterwitz aus den
Ren goldbebrillten Aeuglein leuchtete.
« sonst nur erster Klasse zu fahren
Pflegt-en, in ein Coupe dritter Klasse
waren sie eingestiegen, verlockt durch et
nen bildschönen MödchentovL der aus
dern Wagen schaute. Der Kleine war
als erster in den Waggon geklettert lund
hatte behende Posto neben der Schbnen
gefaßt, die in der That eine prachtvolle
Erscheinung war, »eine entzückende
Krabbe«, »ein reizender Käfer«, wie
sich die in diesem Punkte ziemlich ver
wöhnten Musensöhne zuraunten. Zwei
ordinäre Kerle, die nach Schweiß und
Lederzeug rochen, hatten dem hübschen
Kinde gegenüber Platz genommen. der
ihnen leider nicht gut mehr streitig zu
machen war. »Kinder,'· sagte der
schöne helbig leise, mit einem beredten
Blick auf die Schöne. »der lange Tun
nel vor Bentheim muß ausgeniint wer
den! Laßt mich nur erst mit Perieo
den Platz tauschen." Aber der verteu
felte Perleo erklärte, nicht von der
Stelle weichen zu wollen. »Andre
Leute,« gab er sliifternd zurück, »La
ben auch Spaß an so ’was." Auf den
nfcht mißzuverstehenden geringschätzi
gen Blick helbiqs hin setzte der Ver
wachsene seine sartastische Miene auf.
»Weißt Du, selbig, ein Kuß im Dun
keln ist eben kein Kunststiich Aber es
während der Tunnelfahrt fertig zu
bringen, daß die Gelüszte Hand in
Hand mit Dir sitzen bleibt, wenn schon
der Turmel pafsirt ist — getraust Du
Dir das, Schönster der Schönen?!
Alle lachten. Aber Perleo setzte schnell
hinzu: »Du wohl schwerlich, aber ick!«
»Nun wird’s gut!« —- »Solche Ne
nommage!« ---— «Re.inster Größen
wahn!« —- schallten die Rufe durch
einander, ungeniert laut und von vol
lem Gelächter begleitet, da die Schöne
ja hieraus nicht ahnen konnte, um tan
es sich dabei handelte.
«Wetten!« sagte Perteo einfach s
«Perkeo ist übergeschnavptt Die Kleine
ist ja offenbar hoch anständig!«——Aber
Perleo zog ruhig sein Taschenbuch:
»Mein soll ich zehn gegen zehn-—Sei
del natürlich —- notiren? Allen vieren
also? Abgetnachtt«
Und die Fahrt ging, in akspannter
Erwartung von seiten der Vier. eine
Weile lang wortlos weiter. Die Schö
ne, die, ein Handtäschchen auf dem
Schooß, bisher sittsam zum Fenster
hinausgeschauh einige Male auch sicht
liche Befangenheit bei dem Getuschel
und Gelächter der Studiosen gezeigt
hatte, wurde jetzt von ihrem Nachhirn
Perteo artig auf eine schöne Fernsicht
aufmerksam gemacht und dankte errö
thend mit leichtem Kopfnicken für die
Aufmerksamkeit Petteo schien the
darauf noch einige Details iiber den
Aussichtivunkt mitzutheilem doch mit
so leiser Stimme, daß keiner von den
Vieren Genaueree davon zu verstehen
vermochte· Sie bemertten nur, daß
das retzende Kind ihn daraufhin wie
fragend beinahe erschreckt anblickte.
Dunn aber ertönte der langgezogene
WamugspfifL der jeder Tut-midn
fahrt voranzugehen pflegt, und im
nächsten Moment hüllte alle tiefste
Dunkelheit ein. Zwei, drei, vier Mi
nuten vergingen —- endlote Minuten,
in denen man nur das metallene Rol
len des Zuges über die Schienen ver
nahm, dann erschallte kurz hintereinan
«der zweimal das unverlenbare Ge
räufch eines herzhaften Kuffes . . . und
als wenige Setunden darauf die Dun
kelheit jäh dem einfallenden Tages
lichte wich, sahen die verdlüfften Bier,
daß die Schöne mit der Rechten des
triumphirend um sich blickenden Per
leos Linie feft umllammert hielt, die
sie nun freilich mit einem Mal und in
FOR reisender Verwirrung fahren
re« .
Jm nöchften Moment hielt der Zug
—- ——— «Bentheim!« riefen die Schaff
ner — —- und die Studenten stiegen
lachend aus«
»Ein Teufelilerl!« ;- ,.Fsabelhsaft!«
—- «Be«mahe unglaublichs« So mach
ten fich die Kommtlttonen Luft. als sie
nun, nachdem der Zug wettergebrauft,
den grinfenden Perteo umstandesn
»Kerl, wie haft Du das angefangen?!«
«Spiiter, später-t« defchwichtigte
Perlen Jedenfalls sind vierzig Set
del fälligt« brummte hell-ig, noch im
c n mn o du« ff
Mmkä· UWIO KM
Okl- sse dann im streipsiinrnee des
Hotel Freita vor dein frisch -
ten Sioss sa , schrie alles an Pet
teo ein: ,, igerr Perser-n beichtet-l
Aber die reine ahrheit sagen-i« Ader
erst nach der dritten Runde verstand
sich Perleo dazu. «Gut!« sagte er.
»Wenn ihr mir versprechi, keinen un
lauterm Gebrauch davon zu machenc
will ich’ö erzählen. Also, ihr saht doch,
daß ich die Schöne aus die Eberödnrg
aufmerksam machte und ihr gleich dar
auf einiges zuflüsterte? Das aber hatte
nichts mit der Burg zu thun, sondern
lautete: »Fräulein, wenn fest der
große Tunnel kommt, dann halten Sie
ja die Hand auf Ihr handtiifchchen
Sie sehen die zwei da gegenüber: in
Tunneln isi solch ein Täichchen im Nu
wegstibitzil Und wenn Sie eine Hand
danach greifen iiihlen -—— dann dreist
zusassen und festhalten, bis Licht ein
dringt! Jm iibrigen verlassen Sie sich
:an uns.« Nun, daß es meine Hand
war, die im Tunnel danach ariss, bran
che ich wohl nicht erst zu sagen, nnd
daß diese daraufhin von der Schönen
festgehalte ward, habt ihr selbst ja ges
schein. Die zwei Fliisse vorher aab ich
»naturl-ich aus meine Hand ab, denn»
zwenn ich das Mädchen aeliißi hätte,
ware ja der ganze Plan vereiteli ge
wesen-"
L
Brand des Ptllnltzer Kame
lieu-Baumes.
Die schöne alte Kamelie im Vill
niszer Schloß, die allsommerlich von
vielen Touristen besucht wird, ist
durch einen Brand des höhnt-entwin
terschutzhauses fast vollständig ver
nichtet worden« Die im Jahre 1780
angepslanzte Kamelie hatte der Kur
siirst Friedrich August ll. vom dama
ligen Zaren geschenkt erhalten; sie war
in mehr als anderthalb Jahrhunder
ten zu einem stattlichen Baum von
annähernd 8 Metern herangewachsen.
Die Krone hatte einen Umfang von 27
Metern. Tausende der herrlichsten
rosa Blüthen trieb der Baum im
Frühjahr; er war der älteste und
schönste im Freien wachsende Kame
lienbaum des Kontinent-L Der Zar
hatte die Kamelie aus Japan holen
lassen, das damals siir die Russen nur
wissenschastliches, man möchte sagen,
nur exotisches Interesse hatte. Jn dem
hölzernen Schutzhause das während
des Winters den berühmten Kame
lienhaum im Schloßparte umgieht,
war infolge einer schadhasten Stelle in
der Feuerungsanlage ein Brand aus
gebrochen. Die Schloßseuerwehr und
diejenige von Pillnisz waren zwar so
fort zur Stelle, aber leider hat der
weltberühmte Kamelienbaum durch
das Feuer so empsindlichen Schaden
erlitten, daß er nicht mehr zu halten
sein dürste.
----—
Eine japanische stechen-na
· schme«
Die Japaner machen einen ausge
dehnten Gebrauch von dem sogenann
ten Soroban, ihrem mechanischen Re
chenmeister, der einigermaßen ähnlich
der alten Nechenmaschine unserer Kin
derschulen mit ihren verschiedensarbi
gen Holzlugeln ist. Statt des Papiers
und der Feder nimmt jedes Kind und
auch sast jeder Erwachsene in Japan,
wenn eine Rechenausgabe zu lii en ist,
zuerst den Soroban zur Hand und
rasselt mit dessen Kugeln, als handelte
es sich darum, sich damit zu belustigen.
Der Grundsatz des kleinen Apparates
ist folgender: Jede der süns Kugeln
der breiten unteren Abtheilung des
Brettes stellt eine Einheit dar, und
jede Einzelne Kugel in dem schmalen
Obertheil süns Einheiten, jede sent
rechte Einheit ist deshalb gleich zehn
Einheiten. Ferner bedeutet jede sent-«
rechte Reihe zehn mal mehr Einheiten,
als die Reihe unmittelbar rechts da
neben, genau, wie es in unserem aka
hischen Zahlensystem stattsindet. Aus
dem Soroban kann nicht nur jede
Summe genommen werden, sondern
man lann durch seine Vermittelung
auch Quadrat- und Kubikwurzeln
ausziehen.
«-.---·—
Jn- heirathdbnream
Dame: »Sie haben mir gesagt, der
Herr wäre Thierbändiger —- ich habe
abersiersahrem daß er Daringsdiindis
get i .«
Agent: »Nu, ist etwa der häting
lein Thieri«
Klug und weite.
Er: »Allo, die Nachbarin hat Dich
beschimpft! Gut, vertlagen wir sie!"
Sie: «Unfmn Kauf mir tie
ber eine neue Pelzgarnitur, das gitt’
sie mehr, als wenn sie ein paar Dot
lars Strafe zahlen müßte!«
Hawaii-·
Redakteur tzum Dichterting):
»Warum sind denn Jhre Gebiet-te auf
Blech geschrieben, Here Schmacht
hohn?«
Dt erting: »Das thue ich aus
Votf , damit die Redakteure sie
nicht verbrennen Minnen-«
Iris-e Lust M set-nd.
Jinn »Beste« Vater scheint ein
fürchterlicher Cmnt in puneto frische
Luft zu fein."
DIC- «Woher weißt Du das?«
Jun: »Er jagte mich neulich ohne
weiteres aus feinem Haufe in die kalte
Lu t hinaus und« sagte, es wert-e für
ne Gesundheit weit istitriiglicher
sein, wenn ich draußen bt ebe.«