Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, February 10, 1905, Sweiter Theil., Image 13

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    Vas- Monagramm.
humotesle von Camilla vatsch.
Jsabella, die jüngste Tochter desGe
uekals v. Trautthaim — bei welchem
heute großer Hausball abgehalten
wird—tritt in hochmoderner Balltoi
leite über dieSchwelle der Garderobe.
Der alte Diener, der auf einem Stuhl
sanft eingenickt war, fährt bei demGe
täusche auf und reibt sich die Augen,
um besser sehen zu können, den-n er
glaubt noch immer, daß die Erschei
nung des gnädigen Fräuleins nur ein
Traumbild sei. Doch bald wird er
flach die Stimme eines Besser-en be
e t.
Ach, lieber Friedrich, bitte sehen Sie
doch einmal nach, ob der Champagner
auch richtig eiiigetiihlt ist. Sie sollen
ja, wie ich hörte, etwas davon versie
Friedrich ist ganz sassu los und
sehr otternd klingt sein: ,, u Befehl,
gnii es Fräulein!« Jst es aber auch
ein Wunden da der alte, langjährige
und ersahreiie · er verlegen wird?
»Lieber Friedrich und »bitte« hat sie
gesa —so dentt er im Stillen: Hm,
hin, muß etwas nicht richtig seini«
Doch gehorsam wie immer, eilt er
seinen Pflichten nachzulommen und
bemerkt in seinem Eiser u. einen stil
len Betrachtungen gar nicht, ß Fräu
lein Bella——tvie man sie turz nannte
s-— in der Garderobe zurückblieb.
»Gott sei Dant«, athinete Bella aus,
,.er ist glücklich sür ein Viertel änd
chen entfernt und nun rasch: risch
gewagt ist halb gewonnenl«-——Doch «a,
was nun? —- Welches ist der richtige
Mantel, den sie sucht? Rathlos steht:
sie vor der Masse der Paletots, die da
in Neih und Glied ausgehängt sind.
Da — diese pelzgesiitterten Winter
—ibcke, mit denen hat sie nichts zu thun.
Einem echten, rechten Soldatentinde,"
wie sie eins ist, iiiiponirt nichts, das
nur einen Anschein vonCivil hat. Doch
da sind ja schon die stiziersmän- -
tel. Aber wie soll sie nun den richti- »
gen sindeii?
Fräulein Bella ist schlau und nichts I
bringt sie in Verlegenheit. Ein se
lundenlanges Ueberlegen genügt und
schon hat sie einen Ausweg gesunden.
»Das Monogr-uml« jubelte sie aus
»W.v.S.« Mit wilder Hast untersucht
sie einen Mantel nach dein andern.
Eine stattliche Anzahl derselben hat
sie schon in Händen gehalten, ohne den
richtigen gesunden zu haben , und sie
glaubt schon ihren Plan ausgeben zu
müssen, denn Friedrich muß ja jeden
lElugeiiblick zurück sein. Aber da —
sie war doch ein Glückpilz-sschimmert
ihr’s da nicht goldgestickt entgegen:
W. v. S?
,,hurrah, unser ist der Sieg!«
jauchzt sie aus, besteht nochmals das
Monograinin, um sich ja nicht zu ir
ren und blitzartig fährt ihr tleines,
weißes händchen hinter denAusschnitt
ihres Kleides, um dann ebenso rasch
lis zum Ellbogen in der tiesen Tasche
des Ossiziersmantel init dein Mono
grainm W. d. S. zu verschwinden
Flüchtig wie ein Reh eilt Bella hin
aus, um sich wieder in das muntere
Getriebe des wunderbar detorirten
ygeaales zu mischen und sich weiter zu
cmiisiren, als ob sie nicht eben ver
schwunden gewesen wäre, um einen
Streich auszuführen, siir den ihr der
gestreng Herr Papa gewiß vierzehn
Tage sptubenarrest dittirt hätte
Hauptmann Waldemar von Saarn
liegt am anderen Morgen noch im
Bette, als ihm der Thee serviri wird·
Doch kaum hat der Bursche das Zim
nier verlassen, da erscheint er auch
schon wieder, um auf silberner Platte
ein rosa Briefchen zu überreichen.
Gleichgiliig greift der Herr Haupt
mann nach demsele und da es ohne
Adresse ist, ruft er den Burschen
zurück und frägi:.
»Von wem ist der Brief?« »
» u Befehl! Weiß ich nicht.'« f
» fslopfi Wieso weißt du -
nichts Akt hat den Brief gebtachti«s
»Hu Befehl! Weiß ich nicht. —s
Hab’ ich Brief gesunden.« s
»Daß dich doch « —— Wenn dui
einen Brief ohne Adresse findest, !
glaubst du, daß er dann rnir gehören s
müsse? —- Wo hast du den Brief ge- s
fimdkn?« (
»Zu Befehl! Beim Manielpußen.i
Streite sich in Manieltasch’ von die ’
Herrn Hauptmann Zu Befehl!«
«Kannst du das nicht gleich sagen,
du Name-el? - Abtreten, inarsch!«
hauptrnann von Saarn betrachtet»
das adreßlose Briefchen von allenl
Seiten. Er riecht dazu.——Welch’ süßer,
ierauschender Duft! Noch einigemal
dreht er das Briefchen in Händen hin
und her, bis er sich endlich entschließt,
dasselbe bedii tig zu öffnen. -— Erst
die Unterschrit angesehen: Deine ewig
treue Bella.——Donnerroeiter. daß wird
doch nicht am Ende ar des General
Trautheims jüngste ochter sein?
Rasch entfaltet er das Blatt und
liest:
Süßer Schaßi
Verzeihe, daß ich dir aus diesem
Wege eine Nachricht zukommen lasse,
·die dich hoffentlich ebenso sehr freuen
wird, wie mich- Denke dir nur, ich
habe Ostern Papa durchSchmeicheleien
das pre n abgeloat, daß er dich
bei niich er le enheii avanriren las
ien wird. Jch anbe, ich lonnle mich
dabei nicht so ehr herstellen, als daß !
er nicht gemerkt haben sollte, wie lieb
ich dich be. s
Auch nd ich heraus, daß Pa a ei- l
verlier ndung mischen uns ni tub
geneigi sei und so lannsi du ei morgen
friib ganz «risch wagen um meine
Band anzu lten. s Jarvort ift
dir cher — wenn nicht anders, so er
bette ich es von Papa.
Jch nenne mich in Gedanken schon
deine kleine Braut und küsse dich auf
das herzlichste als
deine ewig treue
Bella.«
»Ei, ei«, schmunzeltHauptmann von
Saarn. »Darum also sah gestern
Abend das Fräulein Bella gar so
glückstrahlend aus und er satte sich
also doch nicht geirrt, als es vor
kommen wollte, sie schmiege ch beim
Tau ganz besonders an ihn an. »Ein
Teuselsterh ein Prachtmädel!« seßt er
sein Selbstgespräch fort unt-sammt
vor sich hin:
»Waldemar, Waldemar,
Sieh’, das trifft sich wunderbarl«
Dabei denkt er an seine großen
Schulden, die er nun mit einem Theile
der großen Mitgift seiner Frau, der
zukünftigen Frau hauptmanm decken
will. Und dann —— das« Amme
ment!
Die kleine Roccorco-Uhr am Ka
minsnns schlägt bereits elf Uhr und
Hauptmann von Saarn springt mit
gie· Füßen aus dem Bette. »Die
höch te Zeitl« murmelt er, »Bella war
tet gewiß schon mit Ungeduld.«
Niemals im Leben hatte er so rasch
Toilette gemacht und in der nächsten
Viertelstunde rollt er in einem Fiaier
der Wohnung des Generals zu.
Die Exzellenz scheint auf seinen Be- s
such schon durch Bella vorbereitet zu ;
ein, denn Hauptmann von Saarn
wir o soo rt vor gelassen
Nach üblichen Redensarten über !
Befinden etc. bringt er endlich zaghaft
seinen Antrag raus und wundert
sich im Stillen über die Anstellungs
kunst des Generals, der ganz erstaunt
thut, als ob er von gar nichts wüßte.
»Mein lieberSaarn. es ist für Bella ;
gewiß ein Vorzug, den Sie ihr durchx
Ihren Antrag erweisen. Doch weiß«
ich nicht« ob dieselbe damit so ohne
weiteres einverstanden sein wird, denn
ter Alters-unterschied —-—--—« dabei
gleiten seine Blicke wie bezeichnend
über die leicht ergrauten Haare des
Hauptmanns, »und dann glaube ich
rei ihr eher eine Neigung für——«
»O der Zuneigung des gnädigsten
Fräuleins bin ich sicher und unwill
tiirlich fährt dabei die Hand des
Hauptmanns hinter den Waffenrock,
wo er Bellas Brief verwahrt hat.
Ganz erstaunt betrachtet General
von Trautthaim seinen Gast und sagt,
indem er schon den Knopf der elettri
schen Klingel drückt: »Das Beste ist,
wir hören Bellas Zustimmung aus
ihrem eigenen Munde,« und zu dem
eintretenden Diener: »Ich lasse Fräu
lein Bella bitten!«
Keine fünf Minuten vergehen und
Bella stürmt wie ein Wirbelwind ins
Zimmer, denn mit Sehnsucht hat sie
darauf gewartet, gerqu zu werden«
—- Aber wie angewurzelt bleibt sie
stehen, denn nicht derjenige, den sie
hier zu sehen hoffte, steht ihr gegen
über. Wie aus weiter Ferne dringt
die Stimme ihres Vaters an ihr Ohr:
»Bella, Herr Hauptmann v. Saarn
hat um deine Hand angehalten. Willst
du aus freiem Willen und aus Liebe
seine Frau werden?«
Sprachlos starrt Bella von einem
zum andern.
»Gnädigstes Fräulein, machen Sie
mich zum Glücklichsten der Sterblichen
und sagen Sie sat« Hauptmann von
Saarn streckt ihr beideHände entgegen,
doch Bella ergreift sie nicht.
»Herr Hauptmann, ich ---— ich —
Pasga —— ich — ich lann nicht -— —-—-«
r Hauptmann ist wie vom Blitz
getroffen und der General meint
triumphirend: »Sagte ich es Ihnen
nicht?«
Noch sucht der sonst stets schlagfer
tige Offizier verlegen nach Worten, als
er zu seinem Glück einer Antwort ent
hoben wtrd, denn die Erzellenz wird
dringend ans Telephon gerufen.
So sieht sich Waldemar von Saarn
für kurze Minuten mit Bella allein;
Und kann so wenigstens von ihr Auf-s
tlarung über ihr ihm räthselhastes
hen verlang en.
it gesenlteng Blicken steht sie dai
und sie glaubt umsinten zu müssen, als
nun seine Stimme vorwurssvoll an
ihr Ohr dringt: -
»Gnädiges Fräulein, warum haben
Sie mir das angethan? Warum haben
Sie mir diese Falle gestellt, in die ich,
durch ihre süßen Worte gelockt, ohne
weiteres ging?"
»·ch, Ihnen eine Falle gestellt?
Wie o?" kommt es höchst erschrocken
über ibre Lippen.
«Nun, Sie schrieben mir doch —-—«
»Ich schrieb Ihnen? Was?«
»Nun diesen Brief!« hauptmann
von Saarn zieht den Brief zur Hälfte
hinter feinem Waffenroct hervor-.
»Um Gottesioillent Das war doch »
nickt fiir Sie. « Wie kommen Sie da-«
zu «
»Der Brief steckte doch in meiner
Manteltafche.« «
»Ja Jhrer Manteltafches Und ich
ftieckte ian doch in den Mantel des
Herrn Leutnants von Seltern. Jchj
fah doch ganz genau dasMonogramnu
W. v. S.« "
»W. v. S.?« lacht der Hauptmann
auf. »Das ift ja auch mein Mono
gramm. Da haben sich gnädiges Fräu
lein sicher geirrt-«
»Ja, ja! Bitte, bitte, lieber herr
Hauptmann,· « sagen Sie Papa nichts
davon und Leben Sie mir den Brief
—- rafch —
Wenn auch der fa tmann eine
Niederlage erlitten, o F er doch Ka
valier genug, eine Dame nicht in Ver
legenheit zu bringen. Er will donBrief
hervor holen, allein —es ist zu spat.
Der General ist zurückgekehrt und
so hat Waldemar von Saarn nur noch
Zeit, Bella zuzufliisterm »Verlassen
Sie sich aux mich!«
»Nun?« rägt die Exzellenz.
»Ich habe eingesehn, Exzellenz, daß
ich mich in einem großen Jrrthum be
fand, als ich annehmen zu können
hoffte, Fräulein Bella würde ihr
junges Leben an das meine ketten.
Jch wünschte nur, ich wäre noch ein
mal Leutnant, dann hätte ich vielleicht
mehr Aussicht, erhört zu werden.«
Bella hat diese letzten Worte, die ein
Hieb für sie sein sollten, nicht mehr
gehört, denn sie hat sich bereits vorher
hinaus geschlichen. Auch Hauptmann
von Saarn wurde von der Exzellenz
hinaus komplimentirt.
Zu Hause angekommen, machtSaarn
seinem Zorne doch ein wenig Luft, in
dem er alles, was ihm im Wege ist, u
Boden wirft. — Dahin die Mitgift
dahin das Avancement, dahin das
junge Weibchen!
Doch bald kommt seine gutmüthige
Natur zum Vorschein. Er beruhigt
sich und denkt: Leutnant von Seltern
ist doch ein netter Kerl. Möge es sein!«
Er steckt den Brief Bellas in einen Um
schlag, schreibt die Adresse des Leut
nants Willy von Seltern daraus und
setzt die Bemerkung hinzu: Wurde irr
thiimlich in meine Manteltasche ge
steckt. Dann tlingelt er seinem Bur
schen
»Trage den Brief sofort hinüber zu
Herrn Leutnant von Seltern.«
»ZU Befehl, Herr Hauptmann!«
Jn Gedanken vertieft steht der
Hauptmann am Fenster und wartet,
bis er endlich die Gestalt des Leutnants
um die Ecke biegen und Richtung auf
die Wohnung des Generals nehmen
sieht.
»Ein schneidiger Kerl,« murmelt er,
»ein fefches Paar wird das werden und
ich gönne ihnen ihr Glück. ——— Sie tön
nen ja beide nichts dafür, daß ich ge
rade dasselbe Monogramm haben muß, ;
wie erl« — »
— -«---·-.- -—- »
Erforschung der Pferderassen..
Das große klritifche Museum in
London ist neuerdings an die Frage
herangetreten, die von den Naturfor
schern nicht berücksichtigt und gerade
von den naturhistorischen Museen in
die Hand genommen werden müßte.
Die Londoner Anstalt verlangt näm
lich die Einfendung der Schädel-: und
Gliedertnochen von Pferden bekannter
Abstammung, gleichviel ivo sie gezogen
sind. Die Pferdeziichter werden auf
gefordert, zur Sammlung einer mög
lichst großen Zahl solcher Pferdem
lette beizutragen. Erst während der
letzten ein oder zwei Jahre haben sich
die Zoologen etwas eingehender mit
dem Räthsel des Ursprunaeg der ver
schiedenen Pferderafsen beschäftigt iin
Besonderen mit der Möalichteit, daß
»die Vollblntpserde nnd die Araber eine
sganz andere Herstammung haben, als
die sogenannten taltdliitiaen Pferde
West-Europas. Der Umstand, daf-,
einige Pferde östlirhen llrsurungeg die
Spuren einer Höhlung besitzen. wie sie
der Thränendriise augaestorbener
Pferdearten entspricht, ist kürzlich als
ein wichtiges Merkmal Zur Unterschei
dung jener Frage hervoraehoben toor
den. Die Bedeutung nnd die Häufig
teit dieser Eigenschaft »in untersuchen,
ist vermuthlich einer der Zwecke jener
Sammlung des Britisctien Miisenms;
außerdem soll wohl die Beständigleit
gewisser Verschiedenheiten zwischen den
Gliedertnocheii der Rennpferde und
Wagenpserde festgestellt werden. Das
Museum besitzt bereits ein Stelett des
,,Stoctioell«, von dem die meisten der
hervorragendsten Rennpferde der Ge
genwart ihre Abkunft herleitåi, außer-—
dem den Schädel des ,,Bend Or«, der
vom Herzog von Westminster geschenkt
wurde, und jetzt hat Blunt dem Mu
seum noch den Schädel eines seiner be
rühmten Araber versprochen.
Geängstiate Briefes-aged
Aus einem Berliner Vorott erzählt
man ein Gefchichtchem das den Vorzug
der Wahrheit haben foll. Ein Brief
triiger konnte an einem Vormittaae
einen Brief fiir ein Hans in der Ber
liner Straße nicht bestellen, weil auf
dem Grundstück frei herumlaufende
bissige Hunde ihn aublafften und zu
beißen drohten. Er nahm daher das
Schriftftiicl wieder mit, nachdem er den
Vermerl darauf aefetzt hatte: »Wegen
bissiger Hunde nicht zu bestellen «
Ein zweier Stephangbote, der den
Brief am Nachmittag abgeben sollte
und ebenfalls unverrichteter Sache ab
ziehen mußte, schrieb als zweite Notiz
auf den Utnfchlag die Worte: »Mir
beißen fe doch!«
Unter Bauern.
Sandbauer lzu seinem Freunde im
Wirthshause): »Hier-C Du könntest
heute a paar Maßeln Bier zum Besten
geben!«
Freund: »Wie lomrn’ denn i’ dazu?«
Sandbauer: »Na, bei Dir hat’g ja
vor vierzehn Tagen gebrannt!«
Ahnen-leiern
Herr lvon Beruf Schnellläufet):
«Gnädiges Fräulein, könnten Sie sich
entschließen, mit mir durchs Leben zu
gehen?«
Fräulein: »Danle Sie geehn
mir zu schnell.«
Andere Zeiten.
»Ja, die Zeiten haben sich geändert:
in dem Alter« da wir Jungens früher
noch heimlich tauchten, tauchen heute
vlele Mädels ungenlrt öffentlich.«
Chantegrolle.
Erzählung von Henry de Braisnr.
Ueber-setzt von Jlfe Ludwig.
Jch weilte als Gast auf dem Schlon
von Ruferte· Seit einem Monat be
such-te ich die malerifchen und zugleich
unerforfchten Distrikte des Kreier
Coches.
An jenem Abend kam ich ohne Be
gleitung von einem Ausflug nach den
Ruinen von Etableaux zurück; mein
Pferd Noris, eine fromme Stute,
ging im gemiichlichen Schritt. Die
Bauern glaubten steif und fest, daß
die unteren Gewölbe von Wilddieben
bewohnt würden und lein Mensch
wagte sich in die Nähe der alten Thür
me. Anlaß genug für mich, der Sache
auf den Grund zu gehen. »
Jch hatte nichts Auffälliges wahr-’
genommen. Und doch bestanden That
sachen, die sich nicht ableugnen ließen;
unbekannte Verbrecher hielten das
friedliche Thal in ständigen Schre
cken. Binnen sechs Wochen hatten sie
trotz der ängstlichsten Wachsamsleit
alle vereinzelt liegenden Gehöfte und
Vorwerie heimgesucht, felbft die Wäl
der blieben von ihren Raubzügen
nicht verschont. Mit Hilfe verschieden
artiger Schlingen verforgten sie sich
keck mit Hasen, Rehen und jungen
Wildschweinen. Die ganze Gemeinde
war in Aufregung.
Für mein Theil war ich Ietzt uner
zeugt, dasz die Nachsorschungen wo
andershin gerichtet werden müßten,
da die Ruinen nur harmlosen Eulen
zum Schlupfwinlel dienten. Es war
ein schöner Ritt nach Hause. Auf dem
weiten Feld vernahm man keine Men
schenstimme.
An der Brücke von La Claise ver
ließ ich die Straße und schlug, um
abzuschneiden, einen schmalen Weg
ein, der sich an dem weitläufigen
achtgut La Plauderie entlang
chliingelte. Plötzlich bemerkte ich bei
einer Biegung des Weges — durch
Gestrüpp gedeckt, am Fuße einer allein
stehenden Rieseneiche, die als Grenz
stein auf der Höhe belassen worden war
—- einen Bauer in Anschlag, die Hand
an den Drücker der Flinte, eine Beute
erspähend, bewegungslos
Jch ritt aus ihn zu mit den Wor
ten:
»Ist die Jagd gut, heute Abend?«
Der sonderbare Jäger machte ein
Zeichen, das unverkennbar besagen
sollte:
,,Schweig!«
Jch schwieg, stieg jedoch vom
Pferde und beseitigte das Thier an
einem Baum.
Der Bursche mas-, mich sichtlich be
sunruhigL
; »Sind Sie nicht von Ruferre?«
ssrug er argwöhnisch
; Ja, und —-— was machen Sie?«
Jch stand nnu dicht vor dem Ge
strüpp, er antwortete:
»Ich warte.«
»Aus einen Hirsch?«
»Nein, auf die Wilddiebe.«
»Sind die hier?«
»Gestern haben sie mir eine Ziege
gestohlen und ich will ihnen zeigen,
was eine Ziege tostet.«
»Sie sind der Pächter von La
Plauderie2« -
,,Pierre Daguin zu dienen.«
Ich liesz mich im Graben auf das
fette Gras nieder, begierig, mit ihm
in Unterredung zu kommen. Dasrief
-Pierre:
»Was sehen Sie da unten?«
Jch blickte hin und unterschied eine
menschliche Gestalt, die ohne einzu
halten, am Waldessaume hinlroch.
Gewiß, es war teine Täuschung; die
"Sache schien verdächtig, die Lösung
des Dramas bereitet sich vor.
»Thun Sie Jhr Pferd weg, daß
es uns nicht wittert, das Lumpen
packt«
Jch gehnrcyre nnd steure »Kons
hinter die alte Eiche. Pierre Daguin
hob die Flintr. Unwilltiihrlich be
rührte ich sein Handgelent, er bemerkte
mit ganz leiser Stimme:
,,Keine Sorge, ich schieße nur, wenn
nöthig.«
Die kriechende Gestalt verharrte
ruhig, drehte den Kopf nach allen Sei
ten, ob die Lust rein sei; anscheinend
befriedigt, erhob sie sich darauf sehr
langsam.
»Himmel,« rief ich, ,,es ist eine
Frau!«
,,Chantegrolle.« stigte der Pächter
hinzu, ebenso erstaunt wie ich.
»Chantegrolle? Wer ist bas?«
»Die Hirtin der Huels in Ferpoil.«
»Nun?«
»Eine Vagabundin. Jetzt verstehe
ich Alles. Sie kennen sie nicht? -——
Am Tage strolcht sie von einem Gut
zum andern, redet kein Wort und reißt
ihre großen Luchsaugen weit aus. —
Lumpenpack!«
Jch entsann mich jetzt, daß im
Schlosse bei Tische von einer eltern
losen, eigenartigen Hirtin gesprochen
worden war, ein ganz eigenthiimliches
Wesen. bald liebevoll nnd treu bis
zur Aufopferung ihrer selbst und
dann wieder scheu und unbezähmbar
wie ein wildes Thier. Die Hueth
hatten sie vor vierzehn Jahren aus
Barmherzigkeit bei sich ausgenommen.
Man ries sie allgemein Chantegrolle
nach einem Dorf, in dessen Nähe sie
gesunden worden war.
Unterdessen kroch Chantegrolle wei
ter, geradewegs aus La Plauderie zu.
Allmählich näherte sie sich uns, bald
würde sie innerhalb der Umziiunungl
sein. Wir sahen ihr ProfiL Pierre
legte das Gewehr an die Wange.
Wieder hielt ich ihnz uriick.
,,Thun Sie diesem aKinde nichts.
Da Sie sie erkannt haben, ist nichts
zu befürchten. Wir wissen genug, um
die «Polizei benachrichtigen zu kön
nen.
» Pierre brummte, ssenlte aber die
Waffe. Um die Hände frei zu haben,
verbarg er die Flinte sogar im Ge
strüpp. Da leuchteten seine Augen in»
Wuth und Triumph auf.
»Ah, Sie werden mich nicht hin
gern die aufs Korn zu nehmen, die
a.«
Die da waren zwei Männer-, wel
che mehr an Thiere, als an Menschen
erinnerten. Sie traten aus dem Wald
heraus und schlugen den gleichen Weg
ein, wie Chantegrolle. Die Bewegung «
der Kleinen, welche jetzt aufrecht aufs
der Anhöhe stand, mußte ein verab
redetes Zeichen für die Beiden gewesen i
fein, an Stelle von Pfeifen und Ru- s
fen, das leicht zum Verräther werden;
kann.
Die verlumpten Kerle sahen gefähr
lich- genug aus. Auch sie krochen jetzt
hervor. Sie betrachteten das Dornge
ftriipp,,besonders bei der Eiche, mit
größtem Mißtrauen. Der Eine ge
wahrte wahrscheinlich den Rücken
mein-es Pferde-, denn plötzlich erscholl
der Schrei:
»Achtung! Achtung! Die Geng
darmenl« .
»Lump!« schrie Pierre zurück, »Du
sollst mir meine Ziege bezahlen.«
Der Schuß ging los, ein Schmer
zensschrei ertönte. — Der Verbrecher
war verwundet, wir sahen deutlich,
daß er sich hinkend zur Flucht wende
te, während sein Kumpan, so rasch
ihn seine Füße trugen, nach dem Walde
lief. Pierre sprang in die Höhe,
ich ihm nach. Die gewarnte Chante
grolle eilte, statt auf demselben Weg
zu fliehen, gerade auf die Straße. Jch
überließ dem kräftigen jungen Bur
schen die Verfolgung des Verwunde
ten und nahm das Mädchen auf mich.
,,Chantegrolle! Chantegrolle!« rief
l .
Jch gelangte zu ihr und ergriff
die sich verzweifelt Wehrende fest am
Handgelenk. Mit Entsetzen frug sie:
»Was- wollen Sie?«
»Dich sestnehmen. Warum bist Du
Inicht in Ferpoil?«
I »Das geht Sie nichts an.«
i »Das geht mich insofern an, als
.ich Dich dem General-irren übergeben
will, und zwar heute Abend noch«
Sofort veränderte sich Chante
grolle’5 Gesichtsmigdruch sie hing den
Kopf und erblaßte trotz ihrer sonn
Verbrannten Farbe. Jn der Nähe
besel;en, war sie schön mit ihren stol
zen Zügen, dem verächtlich geschiirzten
Mund über dem kräftigen Kinn. Jhre
Schönheit sprach von gesunder Kraft
und verhaltener Stätte
sagte sie geängstigt.
»Deine Ausführung zwingt mich
dazu.«
»Nein, nein, ich will nicht!« Sie
wehrte sich wie verzweifelt. »Jn’"g Ge
fängniß, ich, nein! -- Die Gendar
men, nein! ——- Herr, haben Sie doch
Mitleid!«
Sie entglitt mir und warf sich zu
Boden. Zu meinen Fiifzen wälzte sie
sich auf dem Feld und schrie, zwischen
durch von stofzweisein Schluchzen ge:
schiittelt:
»Ich bitte Sie! Ich flehe Sie an!
Nein, liefern Sie mich nicht ans!
Wenn ich verhaftet werde, tödte ich
mich. Jch habe es bei der Jungfrau
geschworen, wie ich mich den Dieben
verniiethete.«
Von ihrem aufrichtigen Kummer
und unglaublicher Erregung bewegt,
verhärte ich sie dann in sanfterem
Ton, was ihr zum Theil die frühere
Kaltbliitigteit wiedergäb. Die Wild
diebe hatten, da sie in der Gegend
unbekannt waren, eines Nachmittags
die Hirtin ausgesucht, während sie
die Ziegen und Schafe auf einer abge
legenen Weide hütete und das Mäd
chen fiir einen Gulden wöchentlich in
ihren Dienst genommen.
»Chantegrolle,« sagte ich, »ich
siihre Dich jetzt nach FerpoiL morgen
wirst Du Deine Freiheit wieder be
tomn1e«.1, doch schwöre mir, von diesen
IMenschen zu lassen. Sie werden wohl
lnoch einmal versuchen, Dich zu ver
sfijhren; schwöre mir, daß Du wich
» davon benachrichtigen willst.«
»Ja, ich schwöre, ich schwöre bei
« Gott!«
Il- Ik ä
,,Das werden Sie nicht thun,««
Sobald sich die Thiir hinter Chan
tegrolle geschlossen hatte, kehrte ich
an die Eiche zurück. ;
Pierre kam mir entmuthigt und.
fluchend entgegen. s
Der Berbreclxser war ihm entkom
men. Jch berichtete iiber Chantegrolle
und ritt eilends nach Hause. Am
nächsten Tage herrschte lebhafte Be
wegung im Dorf, doch Verstrich die
Woche ganz friedlich. man vernahm
von keiner einzigen Missethat.
Als ich eines Morgens gerade im
Begriffe stand, auszugehen, rief mirs
der Gärtner nach: «Gnädiger Herr,
man verlangt auf La Plauderie ncich
dem gnädigen Herrn.«
»Auf La Plauderie? —— Wer ist
da?«
»Sie ist schwer krank. Pierre Da
guin hut sie gefunden, ihr Körper ist
eine große Wunde.«
»Ich machte mich auf den Weg und
begegnete einem Trupp wüthender
Bauern, die unsere Diebe mit sich
führten- Aus dem chthof fand ich
Chantegrolle, ein s ecklicher Anblick.
Als sie mi fah, lächelte sie trübe und
sprach mit chwerer Stimme:
»Ich habe meinen Schwur geh-altem
Sie haben mich tödten wollen, aber
—»— Sie sehen, ich habe Sie benach
richtigt.« —
Jch suchte sie zu beruhigen. Eine
Thräne glänzte in ihren Augen, sie
blickte nach Pierre Daguim der sich
ergriffen abwandte.
»Du bist ein braves Mädchen. So- «
bald Du hergestellt bist, wirst Du aus
dem Schloß Hirtin. Willst Du?«
»Ok) ja, Herri« «
Es dauerte lange, bis das bewen
miithige Mädchen gesundete, doch
siegte endlich ihre starke Natur über
das hartnäckige Fieber-. Ietzt ist Chan
tegrolle 19Jahre alt, sie hinkt ein
wenig, im Uebrigen bezeugen ihre kla
ren Augen und rosigen Wangen am
Besten ihre Zufriedenheit PierreDai
guin ist ihr Mann geworden.
Werthvolle Gliedmaßen.
Unter den Riesengrenadieren des
Königs Friedrich Wilhelm des Ersten
von Preußen befand sich ein gewisser
Keller, ein sieben Fuß langer Herku
les, der in einer Schlacht das Unglück
hatte, ein Bein zu verlieren. Der Kö
nig, welcher einen so schönen Soldaten
nur ungern missen- tnochte, schenkte
ihm ein künstliches Bein. an- dem
sämmtliche Metalltheile von Gold wa
re , nnd ermöglichte so dem Manne,
noch lange Zeit wenigstens die großen
Paraden mitzumachen.
Ein Franzose, Namens Binet, dem
während der napoleonischen Kriege«
das rechte Bein abgeschossen worden
war, erhielt an seinem Hochzeistage
von seinen Freunden ein künstliches,
in welchem Episoden der Schlachten.
an denen er theilgenommen, in künst
lerischer Weise eingravirt waren. Aus
einer goldenen Platte befand sich eine
Liste der Spender dieses wohl einzig
dastehenden Hochzeitsgescheiikes.
Ein- einbeinges Modell, das dem
berühmten Maler Wsilliam Hunt län
gere Zeit gesessen, erhielt von dem
Fliinstsler das Versprechen, er werde
ihm zu Weihnachten ein neu-es künst
liche-S Bein schenken. Der Künstler
hielt sein Versprechen, nnd groß war
das Erstaunen des Empfängers, als
er bei näherem Zusehen entdeckte, daß
es an er einer Goldeinfassung mit
teizenden Malereien von Blumen nnd
Früchten bedeckt war.
Unter der Regierung des Königs
Boleglausz des Dritten von Polen
hatte einer seiner Generäle, Namens
Zeligla115, das Unglück, in einer
Schlacht seine rechte Hand zu verlie
ren. Um dem unglücklichen Offizier
feine Anerkennung zu beweisen, ver
ehrte ihm der Monarch eine Hand von
Gold, die Zeliglaug bis zu seinem
Tode trug.
Am Hofe Ludwigg der- Fünfzehn
ten lebte eine wegen ihrer Schönhit
heriihinte Dame, die sich einer Amm
iation der linken Hand unterziehen
mußte-. Sie ersetzte das fehlende Glied
mit einer Elfenbeinhand, aus deren
drücken die Jnitialen ihr-es Namens
in Rubinen, Perlen und Saphiren
glänzten.
Mit goldenen Platten, aus denen
Darstellungen von Vögeln und Insel
ten angebracht waren, war der goldene-«
Fuß versehen, den eine italienische-?
Dame, Namens Brietti, tragen mußte.
Jeder Nagel des Fußes war von einer
werthvollen Kamee gebildet, die mit
der allgemeinenZeichnung harinonirte,
während die Stelle, wo das falsche
Bein aufhörte, durch eine breite Reihe
ron Tiirtisen und anderen Edelsteinen
Verdeckt wurde.
Sir William Read, ein berühmter
Augenarzt unter der Regierung der
Ziönigin Anna von England, hatte
eine Zeitlang einen einiiugigen La
taien in seinen Diensten. Aus Re
llaniezwecken setzte er dem Manne ein
goldener- Auge ein, in dessen Mittel
punkt ein Brillant glänzte. Wie nicht
anders zu erwarten war, erregte das
merkwürdige Auge großes Aufsehen
und brachte dem Arzte großen Zulauf.
drsch eines Tages war der Diener mit
sammt dem kostbaren Auge spurlos
verschwunden
Auch der Astrononi Tucho De Brahe
lzatte ein künstliches Glied auszuwer
jen, nämlich eine golden-e Nase. Seine
eigene war ihm im Jahre 11565 von
einem danischen Edelmianne im Duell -
abgeschlagen worden« Als Ersatz
trug der Astronom eine Nase aus
Gold. die er vermittels eines besonde
ten Kuts, den er stets bei sich hatte,
nn Gesicht befestigte.
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Die Rache des Avgewlefenem
Herr Lehmann macht Fräulein
Müller einen Heiratl)garittk1k1; die
Holde lehnt aber ab.
»Ihr-: Frau tann ich nie werden,
aber ich will Jshnen eine Schwester
sein!« tröstete sie ihn. — — —
Ani nächsten Tage erscheint Leh
mann mit einem grossen Packet alter
Kleider bei Fräulein Müller
»Wa·5 soll denn das henifzen, Herr
Lehmann?«
»O, das sind meine reparaturbess
diirstiaen alten Röcke, Veinlleider,
Strümpfe und dergleichen«
»Und wag soll ich damit?«
,,Ausbessern! Sie sagten mir doch
gestern, Sie wollten meine Schwester
sein — na, meine Schwester psleate
mir alles auszubesserm bevor sie sich
verheirathete!«
Man lasse die Frauen nur zu
Worte kommen. Das ist besser, als
wenn sie sich Gedanken machen.