Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, January 20, 1905, Sweiter Theil., Image 14

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    Herrenlcdses Gut.
MAX Ue-« warte Kemvakd
(18. Fpnszwgtz E
Mkk ciskm MAY feste er fein Wert
Ali Wieder III das Brett zurück,
Mk m TM- dariibee, ließ den Go
bkckk PCH G M verdecken, es ging al
kks bllsick . Jch gewahrte nun,
daß sich, treu von vek Menschen
Skupphsdvei. vier Glieder losgelöst
hakt-ZU und im Be iff waren, zu uns
iu. kommu. Da the er hastig:
JOHN was Sie eben jetzt gesehen
haben-» ist nur eine flüchtige Arbeit,1
als Versuch zu denken, um festzustel
len. ob« . gleichviel! Als ernsthafte
Wäsche Arbeit kann es nicht genom
men werden! Jch hoffe aber, daß ich
später das Recht haben darf, Jhren
W gründlich zu modelliren —- und
ich möchte, daß Sie mir heute fchon
dd provisorische Erlaubniß dazu er
stcxilem Fräulein Hanna!«
Das konnte wieder harmlos gemeint
slfein und irgend einer Aeußerlichteit
zgeldem die ihm an mir gefiel . . . allein
Tdie Art, wie er die Worte betonte:
-.Jch haffe, daß ich später das Recht
haben darf« —- und der Blick, der diefe
f Worte begleitete —- mein Name zum
erstemal von seinen Lippen —- nnd
wieer meine and dazu in feine Rechte
nahm nnd fe , feft drückte . . . mir hat
es vor den Augen geduntelt, und das
ganze Atelier mit allem, was darin
war, begann sich vor meinen Augen zu
drehen.
Was ich geantwortet, ob ich ihm
die «provifvrifche Erlaubniß«, um die
er gebeten, ertheilt, was ich mit den
andeven geredet habe... nichts mehr
weiß ich davon —- nichts mehr!
äst- acht bis neun Tagen soll das
Je
bei feinem Bruder sein. Die Zeit
is dahin wird mir langsam und
schnell zuzleich vergehen. Langsam,
denn ich fo ihn fo lange nicht fehenz
schnell, denn ich darf fort und fort an
chn denken —es kann niemand von
mit verlangen, daß ich einen einzigen
Gedanken für etwas anderes übrig
So alfo ift es, wenn man liebtl
Mit jedem Pulsfchlag, jedem Athem
zog liebt —- besinnungslos, blind
Wi Sol So qualvoll selig!
Später. — Jch bin seine Braut! !
Nun habe ich es geschrieben, nun steht j
es da ans dem Papier, nun glaub' es 1
doch endlich, du inein armes, reiches, s
banges Herz —nun glaub’ es doch! »
Schilderu, erzählen, toie alles kam, ’
ich werd’ es ja nicht können, weilJ
mein ganzes Sein in Aufruhr ist . . . s
total aus den Fugen gerissen, trotzdem s
ich äußerlich möglichst vernünftig bin, ;
Red« und Antwort gebe und, wunder- s
bat-erweise, noch nichts Verlehrtes an
gerichtet habe! Goitlob, daß mir nie
mand ins Herz sehen kann! Von ihm
wünsche ich es wohl, er wird es auch
können, wenn er will, ihm ist nichts
versagt, er ist mein Allmächtiger —
Alleinziger —- ich möchte nur immer
knieen und stammeln: »Du! Tu!«
Aber für späterOZeiten will ich doch
die Erinnerung festhalten —- fiir mich
nnd für ihn! Ich will also versuchen;
Wäre mit nicht alles so überwiiltigend
rasch gekommen!
Vor der Gesellschaft bei seinem
Bruder mußte ich dort im Hause einen
Besuch machen — da traf ich ihn. Er
hat mir die Porträtbiisten seiner klei
.sen Reser gezeigt — herrliche Schö
pfungen eines genialen Künstlers, der
juglich ein genialer Mensch ist — und
set Hat die beiden Buben hereinholen
l« en und hat sich gefreut, als ich
i mit ihnen abgab und als sie zu
tranlich zu mir wurden . . . der kleinste
mir aus dar Schooß kletterte, der äl
M Willfried geheißen, wie er, mich
M, ob ich sein Schautelpferd und
Soldaten haben wolle. —- Ob ich
W liebe? Ob ich gern mit Kin
w sei? Es bedurfte wohl der rage
sticht —- er sah es ja! Wir ben
dann eine Weile mit den Buben ge
«- li, so oft berührten sich unsere
- « i. . . Feuerströme, ans und
th, sind dabei durch meinen ganzen
Ists-er gezogen-.
- Use e- dann zugegan n ist, weiß
« "" sicht, aber mit einem al sind wir
— ; gewesen. Frau Kitth hat wohl
erklett, sie mii e . zu den Kindern,
ssbet Darum der Baumeister fortgegan
" ist und wohin, das ahne ich nich-t.
ja auch nichts zur Sache!
Ich bin aufgestanden und habe auch
fort wollen, zumak er kein Wort sprach
-—nur dafaß und mich ansah, als
wolle er mein Gesicht auswendig ler
nen-— aber da fuhr er aus seknem
Sinnen und aus seiner Stummheit
aus« drückte mich ohne weiteres in den
Lehnsessel zurück und sagte sehr ener
sisch: «Kein Gedanke an Gehen! Sie
bleiben noch hier! Jch habe mit Ihnen
set sie-den«
M konnte ich thun, «als hilflos
Mln nnd bleiben?
Wir sind dann ins Plaudern ge
sonnen-, zuerst ganz harmlos. Ob ich
auch nicht etwa in Engagement zu
TM vergessen hatte. . . neulich, von
R »Hier auszieiienkhktx Oklich
n a n as eumen eid
Un Fest feine-s Bruders anziehen
»Das-? Js- tnuhie lachen und sa te
s"JJQriend: »Es bleibt mit sehen ni ts
Hei-W ihrig, denn ei ist fest das
· V Ballileid, was ich habet« Und
Mund halb ärgerlich: »Sp? Also,
wenn Sie ein Dutzend Sesellschastkp
toben zur Auswahl hätten, dann zö- z
gen Sie’s nicht an2« ,,Jn solche un- (
erhörte Situation —- Bestherkin »eines !
Dutzend Balltoiletten —- kann ich mich I
wirklich nicht hineinphantasiren!« !
Dann wurde das Gespräch ernster. ;
Von meinem Leben daheim wollte er !
wissen, von meiner Ta.geseinthei- I
lnug, merken häuslichen Pflichten. Da
bei iam es natürlich her-aus« daß »
Mama so viel krank ist, daß ich fiel
ost vertreten muß. Ob ich das gern
thäteZ Mama zuliebe sehr gern —
aber sonst... Welches meine liebste
Beschäftigung sei? Das hätte ich ihm
ja schon erzählt: Kunststudien treiben!
Ob ich kunsthistorische Vorträge hier
in München gehört hätte und bei wem?
Ob meine Bildersammlung schon sehr
reichhaltig sei?
Jch habe gewissenhast alles beant
wortet, hatte aber fortwährend das
Gefühl dabei: das ist alles nur. Ne
bensache, es ist ihm um etwas ganz
anderes zu thun!
Und so war es auch!
Er sprach mit einem Mal von Ellh
—ob es wahr wäre, dasz die meine
beste Freundin sei? Er könne sich das
gar nicht denken! Jch wurde verlegen,
denn Ellh ist wirklich sehr gut zu mir,
und ich weiß, daß sie mich aus ihre
Art lieb hat. Aber ihm gegenüber
eine Ausflucht brauchen oder gar eine
Unwahrheit sprechen... unmöglich!
Es käme mir wie die größte Sünde
vor, und ich könnte es auch überhaupt
nicht! Also sagte ich, wir paßten
eigentlich nicht gut zusammen, unsere
Interessen seien zu verschieden, und
ich könnte mir kaum denken, daß Elly
und ich Freundinnen fürs Leben blei
ben sollten! Ob ich in einem Freund
schaftsberhältniß zu meiner Mutter
stünde? Das wußte ich nicht recht! Jch
habe sie sehr lieb und kann ihr man
cherlei sagen, aber lange nicht alles,
was ich denke und empfinde, das dars
bei einer echten Freundschaft doch"nicht
sein! Und nun kam die Hauptfrage:
von wem ich meine ganze Geistesricky
tung und Charakteranlagez die ja vor
wiegend ernst sei, geerbt hätte . . . wem
ich überhaupt ähnlich wäre: dem Vater
oder der Mutter? Das hat man mich
schon hundertmal gefragt, und ich
habe ebenso ost ausweichende oder ab
lentende Antworten gegeben . . . seinem
forschend aus mich gerichteten Blick ge
genüber war ich es nicht imstande!
Jch schüttelte traurig den Kon undl
sagte leise: WAch ich sehe keinem von
beiden ähnlich, und habe weder mein
Aeußeres, noch meine Beanlagung von
den Eltern geerbt, das kann ja auch
nicht sein! Jch bin herrenloses Gut —
nceine Ettern haben mich zu sich ins
Haus genommen, als ich ganz, ganz
tlein war — ich weiß nichts über meine
Hertunft, über meine Angehörigen ich
soll auch nichts davon wissen!«
Und ich erzählte ihm das wenige,
was Papa mir damals gesagt und
später ergänzt hatte — und wie ich
rnit Mama nicht darüber sprechen
dürfe, da jede Aufregung Gift fiir sie
sei —- und wie ich seit Jahren hungere
und dürfte nach einem Einblick in
meine Vergangenheit, meine Familie
. . . und immer, immer vergebens!
Das alles hatte ich noch nie über
meine Lippen gebracht, aber ihm
mußte ich es sagen, da er mich gefragt
hatte —- ja, ich mußte!
Er sah mich sehr ernsthaft und sehr
mitleidig an, während ich redete, u
ich war bebend gäspannt auf seine Ant
wart —- aber ist Frau Kitty ins
Zimmer zurückgekommen, und wir sind
nicht mehr allein geblieben.
Jch kann nicht weiterschreiben, ich
muß mich sammeln, die Feder bin
legen, mich in den Stuhl zurücklei
nen, die Augen schließen und versu
chen, mein Glück zu fassen, zu begrei
senl Jch glaube, ich lerne das nie!
Wie ich mich zu dem Fest schmückte
bei Baumeister Cotta, wird ein Bulett
siir mich abgegeben: nichts als than
srische weiße Rosen und grüne feine
Zweige, von einem breiten, blaßgrii
nen Bande zusammengehalten, ganz
zu meinem Anzug passend. Wie ich
das Melusinenlleid anziehe und in den
großen Spiegel blicke, bin ich ganz
erstaunt so sremd sehe ich mir auf-!
Immer wieder muß ich hinseben, bin
ich das denn wirklich?
Nun die großen hellen Zimmer, die
vielen Menschen, ich wie träumend
dazwischen . . . und er kommt aus mich
zugeschritten, bleibt neben mir, nimmt
mich ganz in Beschlag — ich srage
mich von neuem: bin ich dass Die
Musik, der Wein, das Lachen und
Plaudern ringsum, und bei Tisch er
neben mir stundenla ! Er hat viel
mit anderen reden mii en —- die Men
schen wollen alle so viel von ihm —
am meisten aber sprach er doch mit
mir! Gleich seine erste Frage war:
ob ich in der Zwischenzeit, seit unse
rem lezten Begegnen, viel an ihn -
dacht habe? Und wie ich halb me -
nisch »ja« sage und mich gleich daraus
schäme, da nickt er und sagt rasch:
»Das ist rechtl« nimmt sein Glas,
syst mich unverwirrt-di an und leert ej
n einen Zug. Nach Tisch, wie wir
ums von der Tasec erheben-, nimmt er
weine Hand nnd agt in ganz gebiete-«
eischem Ton: . e Tänze, die Sie(
Maxi Rade zugesagt haben, mögen»
Sie tanzen — aber dann nicht mehr! »
Jch komme Sie len, wir gehen ins
Boudoir meiner wögerin, da stört ;
uns niemand!« I
« Jch bin keine passionirte Tänzerin
——— siir mich hat es etwas Peiniichos
und Unpassendes, von einem sremden
Menschen um die Taikle gefaßt und
mnhergewirbelt zu werden . . . aber
wäre der Tanz auch meine stärkste
Leidenschaft —- ich hätte willenlos ge
horchen müssen!
Und in dem Boudoir. beim ge
dämpsien Licht einer goldgelb der-E
schleierten Lampe —- wir zwei allein
miteinander —- all der Lärm und die
Tanzmusit nur gedämpst herübertlin
gend . .. da bleibt er stehen und sagt:
»Melusine! Wirklich, Sie haben so ge
lyeimnißvoll leuchtende Augen. wie
eine Meernixe, die eben aus den Wellen
empor-getaucht ist und sich nun welt
fremd und verloren in ihrem neuen;
Bereich umschaut! Wie sagten Sie doch »
neulich, als ich Sie fragte, wem SieE
ähnlich sähen? Als was bezeichnen Sie ;
sich?« T
An seinem Ton hörte ich, daß er es ;
genau wußte, nur eben wünschte, es
nochmals von mir zu hören, und ge
horsam erwiderte ich ganz leise: »Als
herrenloses Gutt«
»Das sollst du nie mehr sagen dür
senl Wenn du es willst, so hast du
keinen Herrn jetzt gesunden! Sag’ mir,
Hanna —- Melusine: willst du mein
eigen seini«
Jch habe nichts antworten können,
ein Schwindel faßte mich —- ich fürch
tete, zu fallen, aber sein Arm hielt
mich aufrecht, sein Antlitz neigte sicj
über mich, und ich sah wieder diese
zärtlich behütenden, mitleidsvollen
Blick . . . mir so nahe diesmal!
Gott im Himmel — es kann doch
nicht Wirklichkeit sein! Jch muß dies
alles doch träumen! Es ist so rasch
alles gekommen —- so märchenhaft
rasch und unerwartet!
13.
»Nein. Dorchen, ich bitte dich! Reg’
dich nicht aus, du weißt, das schadet
dir! Schon diese ganze Verlobungs
geschichte hat dir geschadet, der Schwie
gersohn, der uns mit einem Mal wie
vom Himmel heruntergesallen kam —
bums, da war er! Da hatten wir die
Bescheerungl Und, glaub’ du mir,
dem Kind ist die Sache auch zu schnell
iiber’n Hals getommenl Sie tann sich
1a gar nicht fassen! Die Hanna ist
eine von den Langsamen, Besonnenen,
das ist so ’ne tief angelegte Natur«
bei der muß sich alles nach und nach
entwickeln. Was hat er da nun zu
kommen und die Verlobung vom
Zaun zu brechen und uns das Kind
ganz topsscheu zu machen! Konnt’ er
nicht noch n' paar Wochen warten,
daß sie doch zur Besinnung kommst
Nein! Platzt los wie ine Bombe! Und
nach allem, was ich bis jetzt gesehen
und gehört hab’: so ganz blind und
tollnin das Kind verliebt ist er nicht
ma .«
»Aber-, Arnole Wie willst du das
wissens? Weil er vor uns nicht den
überzättlichen Bräutigam spielt? Es
gibt Männer-, die es nu mal nicht über
sich gewinnen, der Braut in Gegen
wart anderer, und ob es die Nächsten
und Liebsten sind, auch nur einen ein
zigen Kuß zu geben —- sie bringen das
nicht fertig, halten es für unzart,
und, nach meiner Idee, nicht mit Un
recht! Kannst du wissen, wie er gegen
lZagna ist, wenn er sie für sich allein
t «
»Ja, gewiß! Kann ich!« Herr Pio
trowsty steckte beide Hände in die
Hosentaschen und begann, mit wuch
tigen Schritten vor seiner Gattin auf
und ab zu gehen. »Wie ich das ge
macht hab’? Ganz einfach! Mich ans
Schlüsselloch gestellt und durchge
leben-t«
»Aber, Arnald, pfui! Wie darf man
so etwas thun?«
»Na, was ist dabei? Mich interessirt
doch das, und hab’ ich als Vater etwa
tein Recht dazu? Was ist da gleich
»pfui« zu sagen, Dorchen! Nein, als
Fett-n man ein Verbrechen begangen
a .«
«Wie —- wie benahm er sich denn
also gegen stei«
»Aha! Nun lornrnt es! Nun wollen
wie doch gern alles wissen, nicht waer
Benommenf Na, eigentlich gar nicht!
Denn bei-nehmen thut sich in meinen
Au n ein Bräutigam nur dami, wenn
et Fin- Braut im Arm hält und ge
bsrig abiiißt —-und eben, das hat er
nicht gethan!«
»Er bat sie gar nicht gelüst, Ar
noldi«
»So hinu und her mal n Hand luß
und ein-, zweimal aus den Mund
Was will das sagen! Zwei Küsse! Jst
das Manier für 'n Verlobten? Wenn
ich denke, wie ich bei der Sache war
als Bräutigam —- weißtdu noch,
Darcheni Wir beide konnten uns
sehen lassen als Brautpaar dazumal
——was?«
Frau Dom lächelte glücklich. Ach
ja ihre Brautzeitl Die schöne, thö
richte, glückselige Brautzeitl
»Ist dvch’ n hiibsches Mädel, unsere
Dann-hu und jetzt, in ihrem Glück, ist
so n neuer Reiz über sie gekommen
ganz wag Apartesl Findest du
nicht-s Wie ich sie neulich unter so
vielen anderen Mädchen sa sie
scho den Vogel ab, sag ich dir! Was
sie iir n aar Augen im Kopf hat!
Und dies taumerische — diese Art
zu lächeln —- der Maxi Rade hat sie
nicht schlecht angeschenachtetl Wenn der
nicht seinen Meister so verehrte und
liebte, het, der wiird’-nicht schlecht nei
disch sein aus ihn!«
»Aber, Arnald, wenn Cotta unsere
Hanna ni liebte, warum- hiitte er
dann um se geworbenL Reich ist sie
nicht... nun, aufs Geld braucht es
ihm freilich nicht anzulornmen Sie
sagen ja aber alle — sein Bruder,
seine Schwägerin, Maxi und noch viele
andere —- er habe überhaupt gar nicht
heirathen wollen, er habe die Ehe ein
sär allemal verschworen gehabt. . . es
hat ihn ja keiner gezwungen, um
Hanna zu sreienl«
»Wer sagt denn, daß er sie nicht
liebt? Du hast ja recht: warum hat er
sie sonst gewählt? Aber in seiner gan
zen Art ihr gegenüber liegt so was —
irie soll ich gleich sagen —Protegi
rendes, Gütiges -——ich sind« nicht den
rechten Ausdruck! Es ist, als ob er
sich verpflichtet hielte, recht gut zu ihr
zu sein, sie mit Geschenten zu über
schütten... aber mir kommt immer
der Gedanke: der mit seinem Tempe
rament, was ihm aus den Augen sieht
nnd auch aus seinen Werten spricht — s
der met doch noch ganz anders lieben
können! ;n dem muß doch, zum Teu
fel, Gluth und Leidenschaft sür zehn
stecken! Und wenn er auch in seiner »
Rünsilerlausbahm und wo die Weiber .
so wild hinter ihm her sind, wirklichl
schon ein gut Theil von seinem Feuer s
berausgabt hat —- er ist ja in den be- "
sten Jahren, da muß doch noch genug
da sein!"
»Vielleicht — vielleicht,« meinte
Frau Dora nachdentlich, »hat er ge
merkt, daß Hanna ihn so abgiittisch4
liebt ——-und —und hat deshalb —«
»Hab’ ich auch schon gedacht! Denn
sie, das Mädel, ja, die ist ja wie ver
hext, wie hhpnotisirtL Das tennt tei
nen eigenen Wunsch und Willen mehr,
das ist bloß noch Liebe und nochmals
Liebe! Wenn der Mensch ihr heute
t»orschliigt: tommt mit mir nach Au
stralien, du siehst die Deinigen nie
mehr wieder —- sie gibt ihm die Hand
und geht blindlings mit! Da verlaß
du dich sest draus!'«
hetrn Piotrowstys Stimme war
etwas unsicher geworden, er röusperte
sich mehrmals kräftig.
»Und das hat inan nun groß ge
zogen und gepflegt und geliebt . . . na
lassen wir es! s ist das Loos der
Mütter und Vaters Aber, was ich
sagen wollte: das, was du muthmaß
rest, kanns auch nichtseinl Der Maxi
Rode hat mir erzählt, was die Frauen
zimmer in Rom und früher in Wien
alles aufgestellt haben um den Cotta
zum Heirathen ranzutriegenko Spaßig
tönnte mans nennen, wenns nicht
auch etelhaft wär’! Heutzutage ist das
anders wie früher, als unsere jungen
Mädchen und Frauen hübsch sittsam
warteten, bis der Betreffende tain und
um sie warbl Jetzt ergreifen die Wei
ber ohne weiteres die Initiative —
das grämt sich nicht und das schämt
sich nicht! Ra, die Sorte wird dem
Professor denn nun wohl auch gründ
lich zuwider sein« aber der Maxi sagt,
irelche sind darunter gewesen, die ihn
wirklich auf Tod und Leben geliebt ha
ben-Her hat nun mal so was, daß
er die Frauenzimmer leicht an der
Angel hat! Kann mir’s deuten —’n
interessanter Kerl ist er, und seine
Stulptureii noch dazu. .. ich versteh«
nichts davon, aber wer Kenner ist,
der steht ja Kopf über die Figur-en!
Hals aber alles nichts-, sagt der Maxi
—- nicht das Zudringliche und nicht
das Rührende, nicht die Jugend und
nicht die Reise, nicht die Leidenschaft
und nicht das inniglich Zarte... er
that’s eben nicht! Also, daß ihm die
hanna in ihrer Unschuld vielleicht et
was deutli chgezeigt hat, wie es um
sie stand— das kann es auch nicht
ewesen sein, sondern nur sein eigener
freier Wille! Dise polnifche Gräsin
da, die ihm übera nachreist, die wird
schön angeben, wenn sie von der Ver
lobung hört. sagt der tleine Maxi!
Sie ist da irgend wohin nach Polen
gefahren zu ’ner hochzeit... sie soll
noch immer blindioiithigin den Cotta
vernarrt sein und sich über dieThats
sache, daß er sie nicht heirathet, nur
mit der anderen Thatsache bisher ge
Xåltet haben, daß er überhaupt nicht
irathett Na, also, wenn die
Bäuchen zurücktomnit und er
fährt, was sich er inzwis be
.giiten rgenl La der otta
ich hübsch in acht nehmen« und beson
ders feine funtelndeii Spiß haben
au n, daß sie ihin die nicht austraßtt
tpolnischeii Weibern st nicht Rt
Kirsckxn essen, wenn fees mit der -
sersucht kriegen-! Es sind ja meine
Landsmtinninnen — ich iiniß sie ten
nen!«
»Aber sie muß doch in reisen Jah
rri sein«-—etwas älter als er, wie ich
höre-—- da tomnit inan doch zur Bet
nunst!«
»Erst recht nicht, meine Liebe! Mit
fünf-, sechsundzwanzig Jahren, da
läßt sich so etwas noch wenden und
enden, man schwimmt im vollen, star
ken Strom des Lebens, es bietet sich
rechts und links noch allerlet, woran
man si klammern, womit man sichim
Nothfa trösten kann. Aber mit fünf-,
sechsundoierzig Jahren« -—- herr Pio
trowsty psiss durch die Zähne und zog
die Brauen hoch —- ,,da wird’ö bedenk
lich. Da ist’s mit der Ueberlegung zu
Ende, und bloß noch die Leidenschaft
ist Tannpr
«Ob sie denn noch schön ist, diese
Polin? Gut sonservirts«
»Das nun nicht, nach des Maxi Be
schreibung. Dem Bengel kommt sie
uralt oor—natiirltch, sie tönnt’ ja
gut und gern seine Mutter sein-«
s
»Was meinst du Arnold, am Ende
’hat cotta t r, der Gräfim gar die-Ehe
versprochen «
»Er wird den Teufel gethan haben!
Nein, da set du ruhig, lso dumm Ist
der nicht; der ist mit a en Wassern
gewaschen, und im Kapitel «Weiber«,
da tennt er sich aus! Mag er sich
wissen mit dieser alten Flamme! Für
mich handelt sich’s um die Demna
alles übrige ist rnir Lust! Was sagst
du denn vor allem zu dieser verrück
ten Idee von ihm, die Hochzeit so be
schleunigen zu wollen? Jn sechs Wo
chen! Jch dachte, ich hörte nicht recht!
Und teine bleibende Stätte haben in
München-, »einstroeilen« 'ne Wohnung
hier miethen und möbliren;.» zum
Herbst »vielleicht« nach Rom zurück,
,.vielleicht« auch zuerst nach dem Orient
herüber! Wie so 'n Zigeuner, der sein
Zelt heute hier, morgen dort auf
schlägt! So einer muß sich aber leine
Frau nehmen, die aus geordneten
Verhältnissen herkommt und es anders
gewöhnt ist!«
»Das ist Künstleran liebsterMannl
lind hast du denn bemerlt, daß Hanna
viel dagegen geredet hätte?«
»Tie? Dagegenss Jch sag’ dir ja,
die geht mit ihm heute nach Australien,
nach dem Nordlap, nach Kamtschatta,
was weiß ich! Aber ich rede dagegen!
Jch a-:b’ sie nicht her, ich thu’ es ntchi, «
ich finde diese Eile abgeschmackt und
unanständig, das Kind ist mir auch
noch Fu jung —"
»Ich war noch sechs Monate jünger,
wie Hanna, als ich heirathete!«
»Du warst aber ein halbes Jabr
verloth und außerdem hast du mich
geheirathet, nicht so ’n Winditus von
Lehmlneter, das gibt der Sache ein
total anderes Gesicht! Wie es dir bei
tommen kann, dieser übereilten hei
ratberei das Wort zu reden, das fass
ich einfach nicht!«
Entsetzung folgt.)
Btörnson als Landwirt.
Arn 8. Dezember beging Björnson
seinen 72. Geburtstag. Jnd vorver
gangenen Jahre feierten Hunderte von
Schriftstellern den « siebzigjährigen
Jubilar. Aestheliter und Kritiler
sangen das Lob des großen Jdeali- ;
sten und Dichters, Journalisteni
das des muthvollen Kämpfers und;
hellsehenden Resormators, des vielma
strittenen Polititers und Vollssüh
rers. Jch möchte in aller Bescheiden
heit von dem Landwirth und Haus
vater Björnson erzählen.
Björnstjerne Björnson ist ein eifri
gcr Landwirth, und Aulestadhos ist
sein Stolz und seine Freude. Aber es
gibt auch kein schöneres Besitzthurn im
ganzen reichen GudbransthaL Der
Wald ist herrlich, und die Aecler stehen
infolge der Bearbeitung mit den besten
Maschinen in hoher Kultur. Die Ge
bäude sind mit den praltischsten Ein
richtungen siir Menschen und Thiere
versehen. Kein Hof im ganzen Thale
lann so schnelle Verbesserungen und so
lutrative Ausnutzung der Erde auf
weisen. Vjörnson will ihn zu einem
Musterhos machen. Es bereitet ihm
große Freude, die Bearbeitung zu
überwachen, er sieht gern zu, wenn
Steine gesprengt und ausgehoben
n-erden, und scheut sich nicht, mit Hand
anzulegen, wenn es die Bewältigung
größerer Erd- und Steinmassen gilt.
Viele Tausende Fuhren von Steinen
sind schon sortgesiihrt und von der
höhe hinabgestiirzt worden« wo sie
nun am Fuße des Berges wie ein Rie
sengrabhügel erscheinen. Jedes neu-.
gewonnene Stück Erde macht ihm
Freude als ein lleiner Schritt zu Nor
wogens Glück; nach seiner Meinung
kann und muß jeder Landwirth den
Nationalreichthum vermehren. Die
Kosten fiir alle diese Meliorationen
sind recht hoch. aber Björnson scheut
sie niemals. Früher war es ihm auch
eine Freude, bei der Heuernte als
Erster an der Spitze zu mähen, dabei
konnte ihm dann niemand zuvorlom
men; aber jetzt arbeitet er nur noch
mit der Axt, richtet die Waldwege bei
seinen täglichen Spaziergängen oder
überbriiett einen Bach. Er ist über
haupt ein Mann der Ordnung par
exeellence. Bei ihm muß alles, vom
Kleinsten bis zum Größten, in tadel
loser Ordnu kein. Seine Stallun
gen und Lichtes e sind lustig und hell,
und so gedeiht ein Vieh auch prach
ti . Aulestads s hat 40 bis 50
Niilchtiihy etwa 70 Schweine, einen
gro en Gesliigelhos. Wenn Björnson
i e Thiere besucht, macht es ihm
stets besonderen Spaß, die Schwachen
egen die Angrisse der Starken u be
chiihen Sein Liebling i das serd
»Abraham«, das er sa wie ein
menschliches Wesen behandelt.
Früher war B"örnson selbst ein
stramnier. sicherer osselenler, jetzt hat
er die Zügel abgegeben. Auch die
eigentliche Aufsicht des Hofes hat er
seinem jüngsten Sohne übergeben.
Gilt es dann, eine Verbesserung zur
Wohlfahrt fiir Mensch oder Tlfier
vor unebmen, so nimmt er lebhafte ten
An heil, und das Nothwendige muß
dann unverzüglich ausgeführt werden.
Der große Menschenfreund will, daß
feine Umgebung es in jeder hinsicht
gut habe; nur so lann er sich selber
wohl und zufrieden fühlen. Einmal
hatte einer feiner alten Stallknechte
den brennenden Wunsch, fein Zimmer
llblau eftrichen useben.B1iirnson
chritt sofort zur usfitbrung Wer
von den beiden der Beglücktere war, ist
schwer zu entscheiden.
Zuweilen liest Björnson seinen Leu
ten etwai vor oder spricht belehrend
über irgendein Thema. Eine alte
Wittwe erzählte mir, wie sehr ihr
Mann Björnson geliebt habe. Aus
seinem letten Kra tenla er hatte er
nur den einzigen uns , Bernspn
noch bei Lebzeiten aus dem Auslande
zurucklehren zu heu. Aus dem Tod
tenbette hat er e, ihn ans— Fenster zu
tragen, damit er noch einmal iider
das Thal nach dem Aulestadhos blicken
könne. Seine Unter benen vergöttetsn
Björnson, denn er it ihnen ein wah
rer Vater, im besten Sinne des Wor
tes. Jch cntsinne mich, wie er einmal
als Schiedsrichtee nach dem Armen
haus geholt wurde, und mit welcher
engelgleichen Geduld er den ieifenden
:Weidern zum Guten zuredete und sie
! auch schließlich versöhntr. Wie so ost
appelliete er auch wieder hier an das
Gute im Menschen und wurde durch
den Erfolg reichlich belohnt.
Björnson ist weit und breit beliebt.
Den ganzen Sommer über gehen bei
ihm Freunde ein und aus, und sein
Heim, das seine Frau allen angenehm
zu machen weiß, ist eine Stätte un
begrenzter Gastsreundschast. DieGiiste
werden mit Flaggenschmuck aus aller
Herren Länder bewilltommnet. An
den drei Hauptmasten wehen schwedi
sche, norwegische und dänische Flag
n. « Das hochgelegene Aulestad im
« taggenschmuck, von allen Seiten
durch blauschimmetnde -Hi5hen be
grenzt, macht dann einen höchst fest
lichen, malerischen Eindruck. Die
zahlreiche Familie ist gewöhnlich zum
Empfang auf dem Ballon versammelt;
Björnsons große, glockenhelle Stimme
til-ertönt die munteren Stimmen der
Jugend und die tlaren Kinderstimmem
Und das gemeinsame «Willtommen"
klingt so warm und echt, daß man es
nie netaessen kann. und auch als etwas
ganz Besonderes, nie zuvor Erlehtes
empfindet. Das erste, was Björnson
seinen Gästen zeigt, ist das Badehaus;
er ist ein leidenschaftlicher Anhänger
der Wassetbehandlung Die Natur ist
hier herrlich —- ringsumher Berge mit
Wassersiillen von keiner Thalsperre
begrenzt, und gegen alle Winde durch
hohen Tannen- und Laubwald ge
schützt. Von einem dieser Sturzbäche
ist das Wasser zu einer gewaltigen
Dusche abgeleitet. Diese benutzt der
einundsiebzigjiihrige Mann im Som
mer täglich mindestens einmal, wenn
die Witterung es nicht verbietet. In
dem mächtigen Wasserhassin hat die
Ctugend ein köstlich erfrischendes
Schwimmequ
Jrn Gegensatz zu den meisten Dich
tern ist Björnson äußerst pünktlich.
Er steht sriih auf und geht zeitig zu
Bett. Der ganze Tag hat seine he
srimmte Zeiteintheilung, und die
Morgenarbeit am Schreibtisch darf
durch kein-e Störung unterbrochen
werden. Mit dem Glockenschlage mits
sen die Mahlzeiten bereit sein, und
wehe der Köchin Waren, wenn das
Essen nicht auf die Minute fertig ist.
Dann ruft er mit Donnerstimme:
»Kann, Karm, willst Du mich Hun
gers sterben lassen? Du bist doch ein
Unthier, das mich morden will!« Ge
wöhnlich kommt dann das Essen wie
aus einer Kanone geschossen, und die
Mahlzeiten werden Feststunderu
Björnson ißt mit dein Appetit eines
gesunden, frischen Menschen, am lieb
sten einfache Hausmannskofi.
Bistnsons Stimmung ist siir ge
wöhnlich prächtig. Wenn er auch ein
mal rast und tobt und ein Gewitter
mit schwarzen Wolken Krach und
Donner bringt, so nimmt man es
ruhig hin, denn man weiß, daß bin
nen turzer Frist wieder strahlender,
heller Sonnenschein leuchten wird.
Sein innerstes Wesen ist Sonne,
alles andere ist Zufall und schnell
vorübergehend. Jst er einmal hart
und ungerecht gewesen, so hat er keine
Ruhe, bis er alles wieder dreifach
gutgeniacht hat. Es geht ihm
gegen die Natur, irgend jeman m
U annehmlichteiten zu bereiten, er
mochte un Gegentheil Licht und Freude
bis in die weitesten Kreise tragen so
weit es nur in seiner Macht steht.
Auch liebt er die helligteit außeror
deutlich Er hat eine eigene elettrigpe
Anlage auf Anleftad- hof. Die gro
Vogenlampen leuchten meiienweit und
mildern die lange Dunkelheit des
Herbste-s und Winters Jener Gegend.
Wenn Aulestad am Abend im
Lichtglang erstrahlt und ans den
Fenstern es zu einem idealen Dichter
heim umgewandelten Bauernhauses
seine Strahlen über das schneeige
Winterthal wirst, dann ist eö
selbst ein Bild von Bjötnsons Le
ben," eines Lebens, das der Aus
lliirung, der Schönheit und dem Glück
der Menschheit geweiht ist.
Hennh Bock-Neusmann.
—- —
Man kann aber auch viel zusam
mengesetzter tomponiren und so sei
noch das Recept einer weiteren Wunsch
bowle verrathen. Der Erfinder ist
tein Geri rer als Kaiser Wilhelm.
Sein jüngt ersundener Jagdtrunt,
der tochendheiß servirt wird, besteht«
aus: Bier, ucker, Cttronenschalen«
Jngkver, 12 idottern, Rheinwein,
Madetra, altem St. Croix —- Rum
und Butter. Nach einem Glas dieser
Mischung sollen selbst vor den Augen
des stärksten Mannes die Wände des
Zimmer-s rundum gehen, und er un
möglich im Stande sein, das auszu
rusen, was seht der Mann mit den X
Strahlen den Lesrrn zurust: Prosit
Neujahrt . .
Wenn ein englischer Gelehrter be
hauptet. daß Amerika niemals rohe
riststeller hervorgebracht hast« o
beuzfekt er Ssigkäbszverstiinldtichcxnth
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