Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, January 20, 1905, Sweiter Theil., Image 10

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    Roman von cCis-armes von Zoöektitz.
(15. Fortsetzung)
,Exzellenz — iiber dem Mitleid
rauh die Gerechtigkeit stehen. Was
kann Konrad dafür, daß sein Vater
ein Betrüger war?'·
«R ja, schönste Frau! Blitzen
Sie mich nur mit Jhren großen
Augen an. Jch nehm’s gern auf mich.
Die«Gevechtigteit! Sehen Sie, Frau
Loka, der Große König war gewiß
ein gerechter Herrscher . . . und in der
beriihrnten Sache des Müllers Arnold
hat er doch ungerecht entschieden. Mit
der Gerechtigkeit ist das solch eigene
Sache. Sie muß sich leider bisweilen
unter dem Interesse der Gesammtheit
beugen. Ganz ehrlich gestanden: ich
kann mir den armen Konrad auch nicht
recht als Mitglied eines Ofsiziertorps
denken er hat selbst das richtige
Gefühl dafür gehabt. Aber viel
leicht, fast hoffe ich es, vielleicht spreche
ich zu sehr aus den Anschauungen
mehret-Zeit heraus.v Vielleicht ist rnan
heute weitherziger gerechter in
Ihrem Sinne. Uebrigens: die
Geiuchslisten liegen Majestiit bereits
vor . . .
Lora lehnte am Fenstertrerrz. Mit
geschlossenen Augen. Und es zog an
ihr voriider wie eine Vision. Sie
und wieder Unter den Linden und
ah den Kaiser vorüber-reiten, aus sei
nem weißen Rosse, den strahlenden
Adlerhelm auf dem Haupte; sah, wie
er den Blick über die bunte Masse
schweifen ließ —- schars, durchdringend
und doch so ütig —
Pi« sich sgchlug sie die Lider auf:
»Ja. Wesens man wird heute
Wztger sein, gerecht nicht in knei
nm Sinne, andern in dem der allge
Iceineu Menschheit! Jch hoffe es . ..
nein .. . ich weiß es!«
Der alte Herr sah bewundernd in
zu fchsuc Gesicht, vorn Pein äs wiebkig
en ausging in ie em ugen i
UOFNMUU
Er wollte zweifelnd den Kopf samt
tein, aber er that gerade das Gegen
theil: er nickte Lora zu und trat zu
ihr, um ihr die Hand zu küssen.
«Eberhard! Lieber Freund, sitz
nicht so tritt-sinnig da. Wir wollen
uns alle ein Beispiel nehmen an dieser
tapfeeen klugen Frau. Beim ewigen
Gott, das wollen wir —!'«
Auch der Geheimrath war aufge
ßandern »Ja, wenn ich sie nicht hätte,
Graban — wo wäre ich,'· sagte er
WCM
Aber Lora lachte.
sie wußte, ihr Lachen hatte für ihn ei
ne befreiende Kraft. »Ich —- ich
Sie lachte, weil
schwach-es Frauenzimmetchen —- was;
kann ich thun? Höchstens euch Herren .
im Frühstück einladen. Angenom
men, ExzellenzZ Schön! Und nun, ;
lieber Eberhard, was bringst du I
Restes, Neueftes mit?«
Er. Zuckte die Achseln: ,,Wenig
Reises und noch weniger Gutes-. Von
saldin nur ganz oage
Eiter der Kriminalbeamten, die ihn
verfolgen, hat ertundet, daß er in
Nachrichten ;
Wie Carlo bei seiner Frau gewesen .
is —- auf eine Stunde nur. Sie soll
- die Thür gewiesen haben. Dann
er in Genua gespürt worden, und
san vermuthet, daß er sich nach Chile
eingeschifft hat. Jm übrigen können
wir uns alle noch nicht in dem unent
wirrbarm Knäuel dieser Gründungen
Mietsesellschaftem Attienverpfän
bit-seu. Wechselschiebungen zurechtfin
den. Wo n, Monate werden wohl
versehen. e die Bücherrevisoren volle
Matheit geschaffen haben. Nur das
t tlar, daß Salester, der immer
I feibstsicher war, im Grunde doch
Its-Wh» gewesen ist, von Bal
Un Akt Verderben gezogen wurde.
being leichen Manöver, das sie
mit Willy versuchten, ist auch er
Mit kleinen Engagernents
er an, und als er einmal Blut
M hatte, trieb er’s dann, seiner
M Raturanlage entsprechend, ins
e
shan
i
l
l
»Er muß doch iiber alles orientirt
sein«
«Salefter setzt dem Untersuchungs
tiGer einen« scheinbar unbeugsamen
Steh entgegen. Wenn er nur noch
ein halbes Jahr Zeit gewonnen hätte,
wiederholte er immer wieder, wenn
man ihm nicht im unglücklichsten Mo
Mt die Kredite gekündigt hätte, wür
de niemand einen Heller verloren ha
ben. Die alte Phrase aller derarti
helden Ein charakteristischer
E? wurde heute von ihm erzählt: (
u Meter draußen in Moabit hat
thriinenden Auges gesagt: »Herr «
seit-r» .ich habe bei Jhrer Ban!
M all mein Bischen Erspartes ver
bunk Da hat der den Mann von
sies bis unten angesehen und hoch
« d erwidert: »Jhnen ist nur recht
. Leute wie Sie sollen nicht
Wlationspapiere tausen!«
« M lachtessxcheä klgighejreilicg
W er e imrat
Wie schmerzlich auf: »Das ixt
das Oichtigfte was mich dritck
Bibl-er Osaka-n du kannst deinen
. ; Instruktika noch versehn-essen
Tausende kleiner Existenzen,
sUi M ins Mark getroffen sind! Und
sdaß dabei auch unser altes Haus mit
gethan hat —«
» »Ist denn nichts zu retten?«
; »Nichts-! Oder doch ein ganz win
Yziger Prozentsatz. Jch wenigstens
halte eine Retonstrultion der unseligen
EPrometheusgesellschast sür unmöglich.
Denn —- und das ist das Merkwür-«
digste — dieser ganze riesige Schwin
delbau ist augenscheinlich nicht aus ei
ner einzigen gesunden Basis ausgebaut
worden. Selbst das vielleicht einzig
Gute, die Prallschen Patente, sind
jetzt durch die neue Erfindung deines
Freundes, Lora, weit überholt. Man
sprach heute natürlich viel von dieser
neuen Prall-Lampe Der Mann ist
klug geworden —- und er verlangt jetzt
eine runde glatte Million sür sein Pa
tent, unter-handelt mit einem englischen
Konsortium . . . er wird sie erhal
ten . . .«
Lora hatte schweigend zugehöri.
Sie stand neben Eberhatd, den Arm
um seinen Nacken gelegt. Und die alte
Exzellenz vergaß, indem er die beiden
ansah, seine eigenen Sorgen. Wie
hatte er doch anfangs, gleich den an
dern Haussreundem den Kopf ge
schüttelt »iiber die Tollheit des guten
Eberhard«. Nun empfand er es:
was in hundert und aberhundett
Fällen beiden Theilen zum Unglück
ausgeschlagen wäre, hier, diesen bei
den, war es zum Glück geworden. Sie
gehörten zusammen. sie ergänzten sich
gegenseitig, der Unterschied der Jahre
war wie sortgelöscht — —- —
Der greise Steptiter strich sich mit
der umgetehtten Handsliiche über den
etwas struppigen, grauen Schnurr
bart, der noch ganz nach der Mode von
1866 eine Neigung nach unten hatte.
Er dachte an ein altes Wort und such- ’
te darin des Räthsels Lösung: »Das
Weib trachtet unendlich mehr danach,
glücklich zu machen, als glücklich zu
sein.« Das mochte dann auch solch eine
Art eigenen Glücks geben — »
Aber da begegnete wieder sein Blick ;
dem stillen, ruhigen Leuchten in Loras l
Augen. Das sprach eine beredte i
Sprache und straste ihn Lügen. Er ;
sah es wohl. Es übertam ihn etwas ;
wie Rührung. Und um die nicht laut
werden zu lassen, sagte er-, lnurrend:
»Aber, Gnädigste, wie war das eigent
lich mit dem Frühstück?« —
Es war nicht gerade ein heiteres
Zusammensein um den Tisch im Eß
zimmer, der so oft fröhliche Menschen «
rersammeli hatte. Fräulein von »
Schotten reservirt, Hardi ·rnit stark
gerötheten Lidern, wie jetzt immer;
Maria Apelhode mit der kleinen Her
ta beschäftigt, Willh wie in starrer
Verhissenheit vor sich hinblickend. Auch
die junge Hausfrau so eigen sinnend.
Es half nichts, daß Exzellenz Gra
ban das Glas gegen Vater und Sohn
hoh, seinen geliebten Großen König
variirend: »Wir haben eine Baraille
verloren, herrschaftem Das nächfie
Mal schlagen wir den Feind aus das
Haupi.«
Und dann kam noch ein, wie beiläu
figes Wort des Geheimraths, das tief
in alle Herzen griff. Er sprach es
ganz leicht, und doch fühlten fie, wie
schwer es ihm wurde: »Ich war heute
bei Leple. Sie wollen die Ver-steige
rung der Galerie doch lieber erst aus
Ende September ansehen —«
Wiederholt hatte er Lora schon von .
dem Verkauf seiner Bilder gesprochen.
Nun er jetzt, hier, vor allen seine Ab
sicht als Thatsache hinstellte, empfand
sie es doch wie einen schweren Schlag.
Denn sie wußte, wie sein Herz an der
Sammlung hing.
Win war treidehleich Er biß die
Zähne zusammen. Das Weinglas
bebte in seiner Hand.
Wieder suchte Graban einzugreifen
und traf wieder nicht das Rechte«
»Ganz recht, mein lieber Möller! Frie
dericius Rex hat die Silberschiisseln
des Krontresors auch einschmelzen
lassen und den großen Silberbalton
aus dem Schlosse. Kommen bessere -
Tage, dann lauft’s man eden»wiedet.
Na . . . und dann kommt auch das
gräßliche Bild aus dem Hause . . .
das von dem Franzosen, dem Rache
grosse oder wieder Kerl heißt . . .
das nackte Weib mit den Ketten an
den Füßen . . . «Goldgier« taufte es
ja wohl unsre gnädige Herrin. Hol’
mich der Geier: mir ists immer so
unheimlich, wie eine Art von Schick
salsbild oorgetommen .
Nach Tisch, als sie beide allein wa
ren, faßte Lora die Rechte ihres Man
nes und sagte ernst: »Ist es wirklich
eine Nothwendigkeit, daß du dich von
deiner Sammlung trennst, Eberhardll
Versteh mich recht, du Lieber —- ich
seh’ kein Unglück darin Gar nicht.
« Wenn es dir nur ein Tausendstel dei
’ner Sorgen abnimmt, thue es a. Und
ich bitte dich, nimm meinen Schmuck
dazu. Mich schmerzt es nur, weil es
dir weh thun wird . . «
Er schüttelte den Kopf »Ehe un
bedingte Rothwendigleit, Lora, warks
wohl nicht. Wir kämen auch ohnedem
an’3 oettende Ufer. .obwol)l Willy,
von allem andern abgesehen, Wechsel
oerpslichtungen eingegangen ist,
mich schwer drücken. Aber schwerer
drückt mich noch die Lage vieler kleiner
Mienten unserer Firma, die iin Ver
trauen auf ungere unbedingte Somit
tiit iii den gro en Wirrwarr mit hin
eingerissen wurden. Und um hier zu
retten, zu helfen, wo es möglich ist,
möchte ich keine Mittel scheuen. Was
ist denn schließlich der slüchtige Genuß
den ich —- den wir einmal in der Gu
lerie haben, gegen das Bewußtseins
auch nur eine wirthschastliche Existenz
gerettet zu haben!«
Einen Augenblick zögerte sie. »Du
hast recht« wie imnier," sagte sie dann.
»Aber, verzeih, ich bin niißtrauisch
geworden in dieser Zeit: kann der Ver
taus deinen Kredit nicht schädigen?«
Da lachte er, und diesmal war et
was von dem fröhlichen siegessicheren
Ton früherer Tage in diesem Lachen:
,,Gottlob —- nein! Soweit sind wir
heute schon, daß unser Ansehen wieder
fest begründet ist. Das hat schwere
Opfer gekostet —- aber der Lohn ist
nicht ausgeblieben. Der höchste Lohn
des Kaufmanns: im Kreise seinesglei
chen als ein untadelhafter Ehrenmann
I zu gelten! —- — Jch wollte nur, wir
wären mit Willh und mit Konrad
auch erst iiber den Berg,'« fügte er nach
: einer kleinen Pause hinzu.
»Auch das wird kommen, Eber
Ehakdi Gehirn-!u —
Am Nachmittag fuhr Lora mit
? Herta nach der Psalzdiirger Straße
hinaus. Während des ganzen weiten
ten, daß es selbst dein Kinde auxsgieb
i Einmal sragte die Kleine sogar: «
Weges war sie so in Gedanken versun
us
; hast du heute nur, Tante Lora?« Und
s sie sah den- Blondtops in's Gesicht, als
; habe sie die Frage nicht recht gehört.
sDann lächelte sie: »Kind, wir gehen,
einen Knoten zu lösen, der unentwirr
har erscheint. Aber das kannst du
ja doch nicht verstehen. Gieb mir lie
ber deine hand! So! Und nun
drücke sie einmal recht herzlich! Siehst
du — das thut mir gut —- deine tap
sere kleine Faus !'«
Es war ein schwüler Sommertag.
Brütende Hitze, kein Lustzug. Doch
als sie endlich am Ziel vor dem hause
standen, mit dem Lora noch immer
durch hundert seine Faden sich verbun
den sühlte, sah sie weit hinten iiber
dem Saum des Grunewalds eine
dunkle Wetterwolte. Es braute sich
am Ende doch heute noch etwas zu
sammen. Ein Gewitter —- iind da
nach wohlige Erfrischung —
Lora blickte sinnend aus die Wetter
zeichen am Horizont.
Vielleicht zog die Wolle vorüber, die
Schwiile blieb. Oder die Wolle tam
herauf und entlud sich mit vernichten
den Schlägen. »
Das Herz wurde Lora wieder
schwer. Sie war so muthig gewesen«
so zur-ersichtlich Nun sant plötzlich
ihr Vertrauen. Zum ersten Male its«
ihrem Leben wollte sie ja Opfer hei
schen —- und hatte nichts dagegen zu
setzen! Nichts-.
Die Kleine zupste sie am Rod: »Du
bist schon wieder so anders-, Tante
Lokal«
Sie zuckte zusammen. Aber dann
sah sie Heria ins Gesicht und sagte
hastig: »Komm nur -——'«
Hand in Hand gingen sie durch den
dumpfigen Hausslur und im Schatten
der Mauer entlang. Die Fenster des
Prall’schen Laboratoriums standen
weit geöffnet. -
Wie sie das alles an Tage emahnte,
die noch gar nicht so weit Finter ihr
lagen, und von denen sie doch wie durch
eine Welt getrennt war.
Nun hörte sie Stimmen. Prall
und Onkel Wellried. Sie schienen im
Laboratorium zusammenzusitzen und
stritten wieder. .Mit Verlaub, Dot
tore, Sie sind ein lompletter Narr.
Meine Lora — —«
Da stand sie auch schon am Fenster,
lugte hinein und ergänzte: »Deine
Lora ist hier. Guten Tag miteinan
der. Darf man eintreten?« Ohne
eine Antwort abzuwarten, ging sie
schnell weiter bis zur Thür. Sie hat
te ganz unbefangen zu sprechen ver
sucht, aber das Herz Pochte ihr zum
Betst-ringen und sie war froh, als
der Onkel ihr anstatt des Doktor;
öffnete. Jn einer unwilliiirlichen
Bewegung des Anlehnungsbediirsnis
ises umarmte sie den kleinen Greis so
leidenschaftlich, daß er sie ganz er
schrocken ansah. Und dann sagte sie
hastig: .Bleib, bitte, mit rta ein
paar Minuten hier, Onkel runo. Jch
,musz mit Prall sprechen —- allein —«
Alles aus der Empfindung heraus:
«wai ich ihm zu sagen habe, muß ich
leich sagen. Gleich —- vom herzen
runter muß est Sonst bringe ich
es nie heraust«
Die Vetbindungsihür zum Labora
torium stand offen. Sie trat über die
Schwelle und zog die Thür hinter sich
zu.
; Prall lehnte im Hintergrunde an
;der Wand. Er senkte nur wottlos
sden Kon zum Gruß. Einen Athem
zug lang blieb sie stehen. Dann ging
sie schnell auf ihn zu und nahm seine
beiden Hände: »Sie sind mein Freund,
Doktor Prall?«
»Ich glaube es zu sein, und Sie,
gnädige -tau, nannten mich einst so
gab er chwet zurück, ohne sie an
zusehen.
»Ich will mir den Glauben nicht
nehmen lassen, Sie seien noch mein
rennt-. Schean Sie mit zehn
inuten. Jch habe nothwendig mit
Ihnen zu sprechen ungestört.« Sie
trat an das Fette-, schloß die lügeL
Dann nahm sie s iitchen a , legte
es mitten zwischen lässt und Re
torten auf den nächsten Tisch; es war
als ob das leichTtF winzige Ding sie
edrüekt hatte. ie erleichtert athmete
au .
Nun hatte er doch das schwere Leid
gehoben und war mit dem Blick der
hohen, schlanten Gestalt folgt, hatte
in dem evenmiißigen Geicht zu lesen
versucht. Es sah so erre t aus« wie
et es noch nie gesehen. rregt und
bedrückt. Kam sie zu ihm, weil sie
unglücklich war? Ein merkwürdiges
Gefühl; er konnte selbst nicht darüber
klar werden, so gemischt war es aus
l;iißlichster Schadenfreude, aus inni -
item Mitleid, aus einem Triump -
empfinden, aus Zweifeln und Zagen.
Sie lam zu ihm! Zu ihm, um ans
seine Freundschaft zu appelliren.
That das eine glückliche Frau?
Er wollte beherrscht bleiben, sich
nicht fortreiszen lassen.
So löste er sich von der Wand, schob
einen Stuhl heran. »Wollen Sie
nicht Platz nehmen« gnädige Frau —«
Sie setzte sich und schloß auf einen
Moment die Augen. »Wie damals
damals, als sie zum letzten Male vor
ihrer Verlobung bei dir war —«
dachte er. »Damals auch so hilfsbe
dürftig —« -
« Nun schlug sie die Augen wieders
auf, sah ihn voll an. Jth merkwür- ;
dig gefaßt. Jn der alten Selbstbe-;
herrschung. s
»Bitte, Doktor, nehmen Sie sich
auch einen Stuhl. Wir können dann
tesser reden. Und sehen Sie sich hier
her —— zu mir —
»Sie haben ja schon längst bemerkt,
ich komme als Bittende zu Ihnen.
Mit einer großen Bitte —- so groß,
daß mir’s die Kehle zuschniiren will.
Jch bin’s so schlecht gewohnt, zu bit
ten. Aber es muß sein. Es lommt
mir wie eine heilige Pflicht vor . . .«
Sie hatte sehr schnell gesprochen.
Nun stockte sie, konnte nicht weiter.
Jedes Wort, das sie ihm sagen wollte,
hatte sie sich vorher hundertfach über
legt, jetzt versagte es ihr dennoch. Es
war zu schwer —
Und sie faßte wieder nach den Hän
den des Freundes und bat, rührend,
wie sie wohl vor Jahren dann und
wann gebeten hatte: «Doltor . . . so
helfen Sie mir doch . . .'
Er würgte an seinem Mitleid, an
seiner innigen Herzenstheilnahmr. Er
wollte sie nicht zeigen. Ganz rauh
klang es: »Wie lann ich Jhnen helfen,
gnädige Frau?« Aber dann gleich:
»Könnt’ ichis doch!« Er preßte ihre
Hände in den seinen, die vor Erregung
zitterten. »Sie . . . Sie sind nicht
alijcllich . . . Lora . . .«
i
-
l
Da sand sie plötzlich in entschiedener
Abwehr die Brück
«Nein, mein Freund, Sie irren.
Jch bin sehr glücklich. Jeden Abend
denke ich voll inniger Dantbarteit an
die Stunde hier unten bei Ihnen, in
der Sie mir sagten: »Der Entschluß
befreit« Denn dies gute Wort wur
den zum Ausgangspunkt all meines
großen Glückes, das mir Gott erhalten
möge.
Sie schöpfte tief Athem und suhr
fort: »Gerade weil ich so glücklich bin
durch die Liebe meines Mannes, ge
rade deshalb bin ich hier. Als Egoi
siin, wenn Sie wollen! Ja, als Egoi
stin —- und ich schäme mich der Selbst
sucht nicht. Denn ich will ja nichts
nichts, als den, der mich so beglückt,
glücklich sehen. Doktor. . .Sie wis
sen alles, was über ihn hereingebro
chen ist. Aber was Sie nicht wissen
können, ist, wie er es getragen, wie er
getämpst hat Das elende Geld, Dot
tor. . das war das wenigste! Aber
der Sohn ganz zerbrochen die Tochter
in der Pein der ungewissen Zulunst
. · . und nun . . . nun das schwere
Vetantwortungsgesiihl allen denen
gegenüber, die durch den unseli en
Zusammenbruch geschädigt sind.
hen Sie, Doktor . . . mein lieber
Freund, darum bin ich hier Mein
Mann ahnt nichts davon, er würde
diesen Schritt wahrscheinlich nicht ein
mal billigen. . .auch das drückt mich
Aber ich weiß, welch edler, guter,
hilfsbereiter Mensch Sie sind und daß
Sie mir —- uns —- den Hunderten
und Tausenden, die Baldin in’s Un
glück gestürzt hat, helfen werden . . .«
Doktor Prall hatt-e ihre Hände,
während sie im schneller, immer
leidenschaftlicher p,rach langsam frei
geben. Langs am auch, wie mit
schweren Gliedern, erhob er sich. Ein
paarmal strich er sich mit der Rechten
über die Stirn, schob die graue Locte
weit zurückwSzerrte mit nervösen in
gern an de chnur der schwarzen
genbinde.
so daß sie sich unterbrach und erschro
cken zu ihm uniform-.
Er mied ihren Blick, als wisse er,
daß er dem schwer widerstehen könne
,,Gniidiae Frau —,« sagte er mit
heiserer Stimme, »ich bin . . . ich bin
im Ausdruck ein sehr ungelenier
Mann. Sie wissen es noch von früher
her. Jch möchte Jhnen nicht gerne
wehe thun. Darum will ich mich
möglichst kurz und geschäftlich fassen.
Wenn ich Sie recht verstanden habe,
wünschen Sie wahrscheinlich daß ich
durch meine neue Erfindung den ver
trachten Baldin’schen Schwindelgriins
dun n zur Möglichkeit einer Reha
stru tion verhelfe. Das muß ich ent
schieden ablehnen. Jch bin durch
Schaden an Leib und Seele klug -
Horden Jch bin dasiir nicht zu a
n —
Lora hatte.ihre Auge-n noch immer
aus ihn gerichtet. Sein Lid blieb ge
senkt, aber sie sah doch, wie starr sein
Gesicht war. Wie eine Muste. War
es nur eine Masse?
Dann lachte er plotzlich bitter aus
4
s
i
s
l «Doltor« —- bat sie schmerzli —
: »wollen Sie mich so gehen lassen «
i Er wars den Kopf zurück, og die
I Achseln hoch, lies von dem Jenaer zur
Thiir und wieder zurück, nahm eine
lange Retorte und drehte an ihr, bis
der hals llirrend absprang.
«Foltern Sie mich doch nicht!«
schrie er aus und schleuderte die Scher
lsen auf den Boden. · "
»Ich sollte wohl stolz sein und jetzt
gehen," sprach sie. »Aber mein alter
Stolz ist dahin, seit ich soviel Leid sah
und zwischen all denen, die litten, mit
einem Lächeln dahergehen mußte, da-»
mit i nen das Tragen leichter erschei
ne. ch erinnere mich, Doktor, daß
. . . ich war solch Ding von Dreizehii
oder vierzehn Jahren . . . daß Sie
im Schmerz mal die Finger hier in
den Schraubstock Jhrer Hände nah-«
men und mir sagten: »mach’ bitte ——-j
bitte! Oder . . Da hab’ ich Sie
ausgelacht. Heute hab’ ich das Bitten
gelernt — sonst wär« ich nicht hier."
»Bitten! Bitten! Unsinn —!" Er
drehte und rückte an seinen Gläsern,
ihr den Rücken zulehrend. »Bitten
Sie siir sich . . . und meinen letzt-en
Blutstropsen . . .«
Der Nest verlor sich im Geräusch
eines siarten Windstoßes, der beide
ausschauen ließ, plötzlich wie er lam.
Ueber den schmalen Hof raste er.
die Fenstersliigel, die Lora wohl nicht
gut geschlossen, schlugen aus —
Ein kurzes Schweigen in der Natur
nnd zwischen den beiden Menschen im
engen Raum. Ein dumpfes Grollen
dann, fernher, ein Tausatt —
,.Bitte ich denn nicht siir mich.
wenn ich siir andere bitte, Dottort
Und was erbitt ich dann? Nichts ja,
als dasz Sie sich mit meinem Manne
in Verbindung setzen . . . oder wenn
Jhnen das lieber ist . . . daß er sich
mit Jhnen in Verbindung sehen dars,
um eine Vereinigung der Interessen
anzustreben. Warum wollen Sie
Jhre geniale Erfindung irgend einen
fremden Konsortium, englischen oder
amerikanischen Geldleuten, verlaufen,
anstatt durch sie mit Eberhard gemein
xam all den vielen, die durch Bal
in . . .«
Er stieß an den Tisch, vor dem er
stand, daß die Gläser jiih zusammen
tlirrten: «Nenn-en Sie den verfluch
ten Namen nicht, Loka. Das ist’s ja
eben! Das! All mein Haß loht aus,
wenn ich an dies Weib deutet Nennen
Sie mir den Namen nicht! Jch tann
es nicht ertracien —«
» . . . und Sie lichten sie doch —«
Wieder lachte er bitter -—— sah aus,
ihr endlich ins Gesicht: »Nun ja! Der
Mensch ist ein Thor! Rasend geliebt
habe ich das Weib — und doch war
das nicht die Liebe, die echte, wahre,
trese, die dann —- dann --—«
Lora wich langsam zurück, und ihre
Augen mochten einen so hoheitzvollen
Ausdruck annehmen, daß er kurz ad
brach, mitten im Satz.
Er ging zum Fenster, sah hinaus,
wandte sich und sagte in ganz verän
dertem Ton: »Es kommt ein Gewit
ter herauf ——— eine Wohlthat nach die
ser Gluth —'«
Sie hatte den Hut vom Tisch ge
nommen, nestelte mit der Nadel in
dem feinen Stroh. »Doltor -«— ich lam
nicht als Bittende,« begann sie wie
der, während der Donner stärler roll
te. »Ich wollte Jhnen auch etwas
bringen. Etwas sehr Liebes —- in
Jshre Einsamkeit « etwas flir’s gan
ze Leben. Jch weiß nicht« ob ich’s noch
dars. Ein armes Wesen ist’s, ein ver
lassenes Kind. Es wird in Ihnen
viele schmerzliche Erinnerungen we
isen, aber es wird Sie auch lehren, zu
vergessen — und zu verzeihen. Mehr
noch, ich dachte —- es sollte Jhrem Le
ben wieder einen Inhalt geben und
Ausgaben. Ich meinte nicht, daß Sie
es ganz allein haben sollten. Dazu
bin ich wieder einmal zu selbstsüchtig.
Aber ich hoffte, ich würde mein Theil
behalten können, meinen bescheidenen
Antheil · . . und ich hosste dabei wohl
Bann dies liebe Kind würde auch in
a Zukunft zwischen uns beiden die
alte Freundschaft sichern . . . Jch
weiß nicht mehr recht, tann ich es
wa n?'· "
U lehnte mit dem Rücken am n
stersliigel, o ne sich zu rühren. anz
dumpf spra er mitten in den hallen
den Donner hinein: « . . . smal«
»Ja . . . Verta! Jch and sie
elend, verlassen. Ich las sie aus in der
letten Stunde —- ehe die Polizei sich
ihrer annahm, annehmen mußte —«
Und wie mit einem isipliihlichen Ent
schluß ing sie zur Th r und stieß sie
aus. ie Kleine jubelte ihr entgegen.
.Tante Lora . · . wie schön es don
nert . . .«
Sie nahm das Kind an der Hand
und führte es zu Prall.
Jm Zimmer war es fast dunlel ge
worden. Die Silhuette des Mannes
hob sich scharf vom Fenster ab. Er
ftand noch immer regungslos. Aber
in feinem Gesicht guckte es.
Und mit einem Male beugte er sich
und hob die Kleine hoch und an feine
Brust.
herta lachte ihm entgegen, wie da
mals, oben, in des Grafen Zimmer.
Ohne Furcht und Scheu. »Der Dahn
legt die Eier nicht« Onkel —- das haft
du nur so erzählt —« Und sie lachte
wieder, ihr glückliches Kinderlachen
»Und goldene Eier iebt es überhaupt
nicht. Aber schön annst du doch er
zählen —«
. Er fah ihr tief in die blauen Augen.
! Sie verstummte
»Willst du wohl bei rntr bleiben und
dir viele Gefchichten erzählen lasserM
fragte er.
Wie weich seine Stimme sent klang.
»Deine Gesch ten sind« du« Aber
Zaun muß Tan e Lora au hier blei
en.« .
«Tante Lora besucht uns —- du,
Therta tennst du die wunderschöne Ge
i schichte von der Negentrude, die in der
- Tonne sieht? Sieh mal, wenn draußen
Jso wie jetzt die Tropfen fallen und
wenn der kühle Wind nach solch ei
nem heißen Tage über uns hinwebt
Frau Lora war bis an die Seite
des Onlels zurückgewichen. Jn der
Thür standen sie beide nebeneinander·
Der Greis slüsterte leise: »Welch schü
nes Bild!« — Lora sprach kein Wort.
Und sie horchten, wie Eugen Prall mit
sanfter Stimme sein Märchen erzählte
bis zu Ende. Dann ließ er das Kind
niedergleiten, aber er hielt es mit bei
den Händen sest. Und der Blick sei
neg Auges ging zu der jungen Frau
hinüber —- und er lächelte seltsam.
Jhr war’s, als müsse sie an seine
Seite treten.
»Meine liebe Freundin ——-« sagte
er, »—— ich darf Sie nun wpder so
nennen. Denn ich lann Jhnen wohl
nicht anders danken, als mit dem Na
men. Danlen aber muß ich Jhnen.«
Seine Rechte ließ die Schulter hertai
srei und glitt zärtlich über die blon
den Locken. »Herta mag seht mit Ih
nen gehen. Morgen aber möchte ich
sie mir holen — ich hab’ ihr noth
wendig eine Geschichte zu erzählen . . .
viele Geschichten, Frau Lora. Von
bösen Hexen und von guten Feen —
und von der Sonne, die drüben eben
wieder über unsrer Dächerslucht aus
steigt. Sonnenschein nach dem Gewit
ter. Gottlob —- man athmet sreier
. . . Jch muß ja morgen so wie so
bei Jhnen vorsprechen, denn ich habe
Ihrem Herrn Gemahl allerlei ge
schäftliche Vorschläge zu unterbrei
ten.«
Siebzehntes Kapitel.
»Unsere Hardi ist doch ein tapferez
Mädel!«
Der Geheimrath sagte es mit lei
sem Stolz. Er sreute sich seines Kin
des und der Festigteit, mit der Bern
hardine zu Konrad hielt.
»Das ist sie, Eberhard,« gab Loru
zurück. Jhr freilich erschien diese Fe
stigleit an sich als etwas so Selbst
verständliches, wie die Treue. Aber
auch sie freute sich, wie Hardi gerade
im Unglück gewachsen war.
Das verwöhnte Kind hatte es nicht
leicht mit ihrem Konrad. Denn in
dem steckte doch, ins Grade und Eh
renseste übertragen, mehr von der har
ten Art des Vaters, als sie ehedem ge
ahnt hatte.
(Fortset3ung folgt.)
Zie bit-time ten-:
Die Maße der biblischen Gebäude
und Personen waren von jeher eine
Quelle der Verwunderung für die
Jugend und ein schwieriges Problem
fiir Archä logen nnd Geschichtsforscher,
die viel « erwirrendes und Widersvrei
chendes in den Büchern des Alten Te
staments gefunden haben. Eine
Hauptschwierigkeit liegt in dem Maße
der Bibel, der »Elle«; wieviel die Elle
nach unserem heutigen Maß ausmacht,
darüber lonnte man bisher immer nur
Verinuthungen aufstellen· Gewöhnlich
nahm man eine Elle von einem Fuß
sechs Zoll an; auf dieser Annahme sind
viele Abmessungen, die man heute sur
unertlärlich aufgebaut worden. Jetzt
veröffentlicht nun ein englischer For
scher, Reverend W. Shaw Calbecott,
ein Buch »Die Stistshiitte, ihr Bau
und ihre Geschichte. in dem er aus
dem Zeugniß der Bibel selbst und mit
hilse scharfsinniger Deduktionen von
dem berühmten Sentereh - Tiiselchen
das Vorhandensein von drei verschie
denen Ellen feststellen zu können
glaubt.
Schon tausend Jahre vor der Ge
burt Abrahams waren diese drei »Ei
len" in Gebrauch; sie entsprachen nach
Calderott 9s10, 11s5 und 11,-I»- en -
lrschen Fuß. Die erste Elle wur
ausschließlich fiir das Mr en von
Gold u. goldgewirkten Wan teppichen
gebraucht, die weite fiir Bauarbeiten
und zum Me en von Gegenständen
und ersonen, während die dritte nur
zum essen von Flächen diente· Nach
Caldecotts Berechnungen kann man sich
nun. eine genauere Vorstellung der
Großenverhiiltnisse bei den bivlischerr
Personlichkeiten machen. Goliath, der
»sechs Ellen und eine andbreite hoch«
war, war keineswegs r mächtige
Riese-, wie man bis jetzt annahm. Ne
ben dem chinesischen Riesen Chwang
oder dem Russen Machnow hat er nur
eine gewöhnliche Statut (ca.71-2Fusz).
Das große Bett von Og ist nicht viel
iiber ie gewöhnliche Größe, und der
Thurm von Salomos vrächtigem
Tempel reicht nur bis zur Uhr- der
Londoner Paulstirchr.
Andeer Carnegie soll als Zeuge im
Chadtvick-Prozesse austreten. Die ihm
zustehenden Gebühren kann er ja dann
zur GründungBeinek Bibliothet für
leichtgläubige ankiers benützem
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Shalespeate’sche Musik soll Kaiser
Wilhelm Leoncavallo's Oper genannt
haben. Erinnert sie vielleicht an: Viel
Läan um Nichts?
Oft
Der lebte starle Nebel in England
kostet gegen unverweilt-Millionen Dol
lart. onst hatte man immer ge
laubt, daß man ihn tade in Ess
nd umsonst haben I« m