Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, January 13, 1905, Sweiter Theil., Image 13

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MLin-us aus unsern Tagen.«
Von Anna Klüg.
Inmitten der sandigen Mark liegt,
von bewaldeten Höhenziigen umgeben,
ja in sie hineingebaut, das reizende
Städtchen Freienwalde a. O» ein
Stückchen Thüringen im Kleinen mit
überraschend schönen Aussichtspunk
ten, domattigen Waldwegen und ma
lerischen Seen, von denen einer, düster
und geheimnißvoll, an den vHer-thasee
auf Rügen erinnert, währen ein an
derer die eigenthiimlich grüne Fär
bung zeigt, die man sonst nur an den
Seen Oberitaliens wahrnimmt. Theo
dor Fontane hat in seinen ,,Wande
rungen durch die Mart« auch dieser
Perle seines engeren Vaterlandes viel
fach gedacht, und er erwähnt des trau
rigen Ende-Z, welches die Familie des
Gründers von Freienwalde, des Frei
herrn von Uchtenhagen vor mehreren
Jahrhunderten genommen. Auf dem
Wege nach Faltenberg erhebt sich der
Schloßberg. Der Weg zur Höhe siihrt
durch prachtvollen Laubwald, vorüber
an seltsam gesormtenBuchen und viel
hundertjährigen Eichen. Oben ange
kommen, erblickt man dicht über dem
Boden Mauerreste, die auf ein in gro
ßen Dimensionen erbautes Gebäude
schließen lassen. Es find die Ruinen
der Burg, welche die Uchtenhagens vor
Zeiten bewohnten. Noch sieht man
Spuren des Herde-Z, auf dem einst den
alten Rittern ihr tägliches Mahl berei
tet wurde. Der Wind saust nun über
die verödete Stätte; Gras und Kraut
drängen sich durch das Gestein und
suchen es zu überwuchern. Wo find
sie, die hier Freud’ und Leid getragen,
Liebe und Haß empfangen haben?
Unter dem Fußboden der Kirche
Freienwalde reiht sich Sarg an Sarg;
unter dem an die Kirche grenzenden,
von Bäumen umhegten Platz zieht die
Reihe sich weiter, bis unter dieStraße,
lauter Uchtenhagens —- Männer,
Frauen, Kinder. Auf der anderen
Seite der Straße steht noch heute ein
stattliches Haus; es blickt hinüber auf
Kirche und Kirchplatz und gehörte ehe
mals den Uchtenhagens. Die breite
Freitreppe hat jetzt den Anforderun
gen der Neuzeit weichen müssen. Vor
30 Jahren stand sie noch, beschattet
von einer Linde und einer Atazie, ein
Denkmal vergangenen Glanzes, aber
über der breiten Hausthür ist noch
heute das Glasfenster zu sehen, das in
großen, zierlich verschlungenen Buch
staben die Jnitialen J. Fre. v. U.
(Johannes Freiherr von Uchtenhagen)
zeigt. Hohe, geräumige Zimmer mit
Flügelthüren deuten darauf hin, dafz
Reichthum undBehagen hier geherrscht
haben. Die Mauern sind dick wie in
einer Festung, in ihnen sind Wand
schränte mit hohen Flügelthüren an
gebracht. Jn dem dahinter liegenden
Raume hätten sich zur Noth erwach
sene Menschen verbergen können. Es
ist schon lange her, dasz ich in dem
ihause sonnige Mädchenjahre verlebt
habe, und doch steht es Inir noch fest
und treu im Sinn, als wäre ich erst
gestern dort ausgezogen.
Ein eigener Zauber ruhte für mich
auf dem alten Hause; noch lachte mir
die sorglose Gegenwart, aber auf
Schritt und Tritt begegneten mir Zei
chen der Vergangenheit, undSage und
Wirklichkeit, Kunde von den Thaten
der ehemaligen Bewohner, sowie der
Sput, den sie noch auf dem früheren
Schauplatze ihrer Thätigteit treiben
sollten, erhöhten nur das Interesse.
Im Keller zeigte man noch die ver
mauerte Thür, die in den Gang fuhr
te, der unter der Straße hindurch das
Haus mit der Kirche verband. Der
Sage nach ftand der Sarg des
Stammvaters der Uchtenhagens dicht
hinter besaTter T är; was wunder,
wenn man iem raven alten Herrn
gutrauth daß er diesen Eingang oft
enutztel um nächtlicher Weile fein
früheres Eigenthum zu infpiziren —
ein Tappen und stlirren sollte nicht
selten auf der Kellertreppe zu hören
fein —- oder daß er auch bei Tage im
Dämmerlicht des Kellers ein wenig
rumorte. Mir hat der Gedante an
vie Nähe der Todten den frohen Ju
gendmuth nicht geftört, und es ließ
sich gut wohnen in den hohen, weiten
Räumen, es faß sich behaglich auf dem
Fenstertritt in der tiefen Fensternifche,
deren zwei in jedem Zimmer faft ein
Zimmer fiir fich bitdeten. Jn der
Kirche von Freienwalde hängen noch
heute zwei Bilder, die ich nie ohne Be
wegung betrachten konnte. Das eine
zeigt den letzten Uchtenhagen als klei
·nen, frohen Knaben, an dem ein klei
ner Hund emporfpringt. als wollte er
dem Kinde im Spiel eine Birne ent
reißen, die es in der Hand hält. Ueber
der Gruppe ftehen die Worte: »Als ich
Cagper von Uchtenhagen, bin geweft
diefer Gestalt, war ich viertelhalb
Jahre alt«, darunter die Jahreszahl
aus der Mitte des 17. Jahrhunderts
Es ftellt dies Bild einen Vorgang aus
dem Leben des kleinen Casper dar,
kurz vor feinem jähen Tode. Er war
als der einzige Sohn des Johannes v.
Uchtenhagen und feiner Gemahlin
Sophie, geb. von Sparre, Erbe be
trächtlicher Reichthümer und Beschim
gen, die den Neid eines Vetters erreg
ten. Mit erheuchelter Liebenswiirdig
lett wu te er das Kind an sich zu fes
seln un es mit Gaben zu überschüt
ten, bis er ihm eine vergiftete Birne
tn die hönde spielte« Ahnungslos
wallte der Kleine die lockende Frucht
verzehren, aber der treue hund faßtes
Mißtrauen, sprang winselnd an sei
nem Spielgesährten empor und ver
suchte, die Birne aus seinen Händen
zu kratzen. ,,,«Da so erzählt die Sage,
die hier wohl leider viel Wirklichkeit
enthält, ,,lachte der Knabe hell auf
und sagte: »Neidisches Thier, gönnft
du mir nicht einmal die Birne?«
Schnell genoß er die Frucht, und war
nach kurzer Zeit eine Leiche. Das
zweite Bild zeigt den Casper im
Sorge; ein Rautenlranz ziert das
Haar, an schwarzem Bande ist cin
Schmuckstück aus seiner Brust befe
stigt. Jm Anfang des 119. Jahrhun
derts stieß man bei einer Reparatur
des Kirchenfuszbodeng auf den kleinen,
mit seinem Namen gezierten Sarg.
Man öffnete ihn und fand die Leiche
unverändert, mit Kranz undSchmuct
stiick geziert, wie das Bild es zeigt.
Erst bei der Berührung zersielen ein
zelne Theile zu Staub. Bei dieser Ge
legenheit wurden auch die übrigen
Grabstatten entdeckt, sowie die Anfän
ge des Ganges, von dem man vermu
,thete, daß er mit unserem Hause in
lVerbindung stände. Ob der Knabe
fdurch ein so sluchwürdiges Verbrechen
gestorben ist, wer will es nach Jahr
hunderten noch feststellen? Krieg und
Gewaltthaten herrschten im deutschen
Reich, und ein Einzelleben ward nicht
hoch geachtet. Die Sage erzählt auch
nicht, ob der böse Vetter das Erbe an
getreten, ob seine That auf Erden
Vergeltung gefunden habe, aber sie
meldet von dem kleinen Caspar, daß
er alle Jahre, wenn sein Todestag
wiederkehrt, mehrere Nächte, bei ge
spenstisch erleuchteter Kirche, seinem
Grabe entsteigt nnd in erschütternden
Tönen sein trauriges Geschick beklagt.
Wenn der Mond durch die Bäume des
Kirchplatzes zitternde Strahlen aus
die Fenster der Kirche wars, und der
Wind in den Blättern melancholische
Lieder sang, konnte man wähnen, die
Sage sei Wirklichkeit geworden, und
die berechtigte Klage des letzten Uch
tenhagen ließe sich vernehmen.
»Fräuleinchen, er geht wieder um,«
sagte unser Mädchen eines Tages mit
scheuem Flüstern zu mir. »Der klee
ne Uchtenhagen klagt wieder in die
Kirche, un is allens janz hell, die jau
ze Nacht. Schade, daß Sie heute
Abend wieder bei Doktors drüben
Jhren Musikabend haben; wenn ich
Jhnen denn abholen muß, kriegten
wir’t am Ende zu sehen un zu hören.
Denn dürfen wir aber bei Leibe nichts
zu einander davon sagen, sonst kommt
der Spuk uns nachtens vor’t Bett un
ängst’t uns jräßlich. Wir wohnen ja
auch jrade in det olle Spukhaus, wo
der kleene Junge drin jestorben sein
mag, denn dat olle Schloß da oben us
den Berg is damals woll all en bisken
jaellich jewesen.« Ich lachte. »Aber
Jette, den Unsinn wirst du doch nicht
glauben?« »Warum nicht, Fräulein
chen? Wenn er so schrecklich um sein
Leben und all seine Reichthümer ge
kommen, warum sollte er da nich
drum klagen? Dei thäte jeder, wenn
er man könnte, iel zum wenigsten ge
wiß!«
s Es gelang mir, Jette zu beruhigen.
Mit dem erhebenden Gesiihl überwun
dener Gespensterfurchtsegelte sie denn
» auch am Abend iiber den Markt, um
sihr Fräuleinchen wieder zu holen.
i Etwas später als sonst waren dieMu:
sikiibungrn mit der besreundeten Fas
.niilie beendet, und die Geisterstunde
war nicht mehr fern, als wir heim
tehrten. Eine kurze Streite waren
swir erst gegangen. als ich bei einer
Biegung des Weges meine Blicke er
hob. Da —- ich hielt unwillkiirlich an
——— strahlte mir die Kirche hellerleuch
-tet entgegen, ein gleichmäßig ruhiger
Glanz sluthete aus allen Fenstern.
Mein Stillstehen machte auch meine
JBe leiterin aufmerksam. Hastig er
griff sie mein Kleid. »Schnell, schnell
nach Hause-, Fräuleinchem wir diirfen
nichts sehen von dat Jräßliche,« flü
sterte sie und suchte mich fortzuziehen.
HJch blieb stehen: »Nein, Jette, wir
smiissen unitehren und Doktors bitten,
sdie Ursache herausfinden zu helfen,
Twarum die Kirche jetzt erleuchtet ist.
jJn meinem Heimathgdorfc wurde die
:-Orgel einmal während der Nacht ge
istimmt, einer kirchlichen Feier wegen,
; aber dergleichen liegt hier ja nicht vor,
sauch hört man nichts-; es mag irgend
letwas in Brand gerathen sein.« Ei
slig kehrten wir um und fanden zum
s Glück das Haus noch offen und die be
lsreundete Familie wach. Sie waren
Falle bereit noch initzugehein obgleich
»der ruhige, aller Gespensterfurcht
feindliche Hausherr recht ungläubig
that und etwas anziiglich von ,,blind
machender« Furcht und lebhafter
Phantasie junger Mädchen sprach. Ja,
da half kein Zweifeln. Als wir hin
austratem leuchteten die Kirchener
ster in festlichen Glanz. An der
Thurmseite reicht ein Fenster tief hin
unter, so daß man von außen hinein
sehen kann. Es war ein wunderba
rer Anblick, der sich uns bot. Die
Kerzen der Kronleuchter und des Al
tars brannten mit dem ernststimmen
den Glanz, der eben Kirchenlichtern
eigen ist. Jeden Gegenstand im Jn
nern der Kirche konnten wir entdecken,
aber lebende Wesen waren nicht zu se
hen. Auch das Bild des kleinen Ueb
tenhagen lächelte harinlos herab, und
diese Ruhe hatte etwas Gespensterhaf
ietz. Wir gingen an die Hauptthiir
und riittelten daran, allein sie war
verschlossen. Eben wollten wir uns
langsam entfernen und unser männ
licher Begleiter erklärte sich bereit, den
W
I
Küster zu benachrichttgen, als aus dem
Innern der Kirche ein langgezogener,
erschütternder Klageton drang. Uns
alle, ich muß es gestehen, packte der
Schreck. Jette verlor alle Fassung und
behauptete mit schmerzlichem Tri
umph, der kleine Uchtenhagen ginge
doch um, und würde uns allen noch zu
schafxen machen. Selbst der Vertreter
des tärkeren Geschlechtes hatte ange
sichts der überzeugenden Thatsachen
keinen Tadel mehr. Wieder ertönte
das Jammern, und wir eilten einmü-.
thig von dannen, um den Küster zu
wecken. Dieser war höchlich erschro
cken. Er war für den Tag beurlaubt
gewesen und eben erst von einer klei
nen Reise zurückgekehrt Da Nachmit
tags eine Trauung stattgefunden, so
hatte er den Kirchenschlüssel einem
jungen Kollegen anvertraut, der ihn
auch rechtzeitig wieder in seiner Woh
nung abgegeben hatte. Gewiß hatte
er vergessen, die Kerzen zu löschen.
Woher kamen aber die Klagetöne? ·
Wenige Minuten später betraten
wir alle die geöffnete Kirche. Alles
still, wie vorher, doch um die Ecke des
Kreuzganges huschte eine Gestalt nach
der Richtung, wo das Bild des kleinen
Kaspar im Sarge hängt.« Was half
es, man mußke dem Teufelsspuk fol
gen. Da saß es vor uns, das schwarze
Ungeheuer, halb trotzig, halb ängstlich
aus seinen glänzenden Augen uns an
tarrend und weiße Zähne uns entge
genfletschend——Hektor, unseres Nach
bars riesiger, braver Pudel-, den die
Neugier am Nachmittag in die Kirche
gezogen, der dann ungestört in einem
Winkel geschlafen, bis endlich verhun
ger und unser Rütteln an derThiir ihn
den Ausgang suchen ließ. Hektor war
ein wohlerzogeirer«.f,)und; er kratzte nie
an den Thüren, nur ein tiefer, sanfter
Ton zeigte an, wenn er Einlaß be
gehrte. Es mußte das Gefühl gänzli
cher Verlasseuheit gewesen sein, das
ihn zu lauten Klagen veranlaßt hatte.
Auch die kriegerische Haltung, die er
annahm, als wir in geschlossenen Rei
hen auf ihn einrückten, war eine Ein
wirkung der Furcht. Muth war nicht
die stärkste Seite des gelehrigen Hun
des, und er war froh, diese Maske fal
len lassen zu können, sobald er unsere
friedlichen Absichten bemerkte » und
vollends geborgen fühlte er sich, als er
mich erkannte-, die ich als gute Nach
barin os: mein Frühstück mit ihm ge
theilt halte. Zwar hatte der Küster
Lust, mit dern langen Lichtlöscher dem
Pudel einen unsansten Stosz in die
Rippen zu versetzen, doch bewog ihn
der Anblick der schon allzu tief herab
gebrannten Lichter aus ökonomischen
Gründen erst diesen seine Aufmerk
samkeit zuzuwenden Lautlos entwich
der spukende Unhold, um an der Thür
feines Herrn noch einmal sanft zu kla
gen -—-— lachend folgten wir Uebrigen.
Zu Hause angekommen, empfingen uns
die Meinigen mit einiger Sorge ob un
seres langen Ausbleibens. Aber, obs
wohl ich ihnen die Geschichte aus fri
fcher That er·-;·cihl:e, ist der Spuk weder
Jetten noch mir vor’s Bett gekommen,
um uns iu ängstigen. Alle Theilnehs
mer haben bis heute über den Vorfall
unverbriichliclzes Schweigen bewahrt.
Da aber die meifcheu schon von der
Erde abberufen sind, habe ich gemeint,
weiteren lireifen Mittheilung davon
machen zu dürfen, um alle Betheiligten
zu beruhigen, falls »er noch einmal
umgehen sollte«.
-———--·
RatsinirL
»Wie sonderbar, Sie schreiben eine
Karte an Jhre eigene Adresse!«
»Gar nicht so sonderbar, bitte, lesen
Sies«
»Verehrter Herr! Am 22. d.M.
findet die Berathung zu Art. 199 ff.
statt. Eliichterscheinende zahlen die
iibliche Strafe Von 10 Mart in die
Rasse. Pintel, Schriftwart . . .«
»Im Was bedeutet Hin das aber"5«
»Das·jst Dvch einfach. Wenn ich
einmal einen Abend allein sort will, so
schicke ich mir am Tage vorher eine
solche Ratte, von denen ich mir hun
dert Stiick habe drucken lassen. Meine
Frau liest sie natürlich und gibt sie
mir, wenn ich Mittags heimkomme
Jch sluche dann und sage: Ach wag,
ich zahle diesmal die 10 Mart und
bleibe zu Hause. Davon will natür
lich meine Alte nichts wissen und so
gehe ich eben ungehindert aust«
Eine Roland-Medaille.
Die Stadt Vremen prägte aus
Anlaß des siinshundertjährigen Be
stehen-Z ihres Rolanddentiiials, dag
sich bekanntlich vor dein Rathhause er
hebt, eine Rolaiidsilltedaille prägen
lassen. Das aus schwerem Silber ge
fertigte Wert zeigt auf der einen Seite
die Figur des Roland· Aus der an
deren Seite liest man folgende Jn—
schrift: Freiheit thu ich Euch verkün
den, die Karl tstaiser Karl) und man-—
cher Fürst fürwahr dieser Stadt ge
geben hat, deß dantet Gott ist mein
Rath.'« Außer dieser Jnschrist befin:
den sich aus dieser Seite die Bildnisse
Kaiser Karls und des Erzbischofs
Willibrord, die von der Geschichte als
die Begründer Bremens bezeichnet
werden.
Aus dem Gericht-sinnt
Richter: »Zuetst ftahlen Sie hun
deri Dollaks, und jetzt wieder achtzig!«
Angeklagtert »Hab’ mir ja schon
um zwanzig Dollars jebessett.«
Verzweiflung-sinnt
»Was, Sie haben hier eine Woh
nung bekommen bei dem großen Frem
benandtang?«
,,Blieb mir nichts übrig, habe schnell
in ein hotel eingeheirathet.« ·
ver cicbesdkiefsteaek.
Humoreske von T o m K a n te r.
Bei Dick Samson ——«übriaens ein
prächtiger Kerl, dieser Dick, trotz sei
ner etwas schiefen recht-en Schulter!
— bei dem kleinen Dick trat neulich
tjeniand in den Laden und wollte ein
JBuch kaufen.
! Natürlich verkauft Dick Bächen
zDas ist ja sein Geschäft.
Aber der da neulich herein kam . . .!
Der Mann hatte Stiefel an, die
mehr vom Fuße freiließen als bedeck
ten. Sein Anzug, sein Hut — na,
so was muß man sehen, das läßt sich
nicht beschreiben! Und so einer will
Bücher kaufen?!
»Was wünschen Sie denn??« fragte
Dick voller Mißtrauen.
Der Tramp — denn nie war je
inan durch die Straßen von Bla
kersville gegangen, auf den diese Be
zeichnung besser gepaszt härte! —
saate: »Für Briefe.« Dabei klimperte
er in seiner Tasche mit Geld.
. Dick, fiir den solch metallischer
Klang stets etwas Angenehmes hatte,
wurde zugänglichen
»Als-o, Sie wünschen einen Brief
steller?«
,,Yes, Sir, ’nen Briefsteller!«
,,Können Sie bekommen Aber,
wenn Sie mir die Frage aestatten
wollen, zu welcher Art von Brieer
wollen Sie ibn denn benutzen?«
,,Eine Danie,« erwiderte der
Fremde kurz.
,,Einen Liebesbriefsteller demnach?«
Der Kunde nickte und in der Seele
Dicks reiste ein gefährlicher Plan.
Seit vielen Jahren hatte er ein Buch
auf Lager, aus dem er hin und wie
der seinen Freunden vorlas, kvenn er
allein fein wollte. Länger als fünf
Minuten ertrug es Niemand.
Dick Samson sah ein, daß sich nie
wieder eine so prächtige Gelegenheit
bieten würde, »den sieghaften Verkehr
mit Damen« abzusetzen.
»Hier, mein Herr, bitte, fünf Dol
lars!«
Der Fremde zog mit seiner großen,
nicht eben frisch gewaschenen Hand ei
nen Klumpen Goldstücke ans der
Tasche und zahlte.
Dick Samson wurde mit einmal
ganz weich.
Indem er herausgab und sich är
gerte, daß er nicht gleich zwanzig
Dollars gefordert hatte, sagte er mit
feiner tiefsten Verbeugung:
,,Darf ich fragen, mein Herr, ob
Sie aus den Minen kommen?«
,,Heute,« entgegnete jener und ging.
slt Ik Ik
Am nächsten Abend suchte Lizzie
Johnson ihren Bräutigam in seinem
Biicherladen auf.
Sie war einen Kon größer als
Dick und eine hübsche Blondine. lind
wenn sie auch lein Vermögen besaß,
ihre gut bezahlte Stelle als Ihne
writer bei Algernon J. BlackwelL
Rechtsanwalt und Notar, war« auch
nicht zu verachten.
Lizzie zog einen Brief aus der
Tasche.
»Ich hab’ da’n Brief bekommen,
Dick.«
»So? zeig mal her!«
Lizzie versteckte die Hand mit dem
Blatt hinter ihrem Rücken.
,,Stopp, mein Lieber! Ers kommt
die Vorrede! Also gestern friib kam
jemand zu ung, das heißt zu Alster
non J. Blackwell, Maryland Ave. 5,
und verlangte unsern Rath in Kapi
alangelegenheiten. Jemand sah aus,
als sei er aus irgend einem tslefäng
niß dieses gefegneten Landes ent
sprungen. Jemand trug einen Pano
niahut mit fünfzig Löchern, Rock und
Beintleid, die ebensoviel hatten, und
zStiefeh die keine Sohle-, aber daiiir
desto weniger Oberleder aufwiesen.
Jeder Satz, den jemand sprach, bes
stand nur aus einem einzigen Wort
z und . . . .«
,,.5tenne ich,« unterbrach sie der
Bräutigam, ,,war bei mir auch. Was
weiter?-«
»Weiter? nu weiter nichts
als dieser Brief, den ich heut bekam.
Höre mal:
»Mein hochzuverehrendes, über alle
Begriffe reizendes, göttergleiches
Fräulein! Wenn Sie sich, was ich
Unwiirdiger kaum jemals zu erhoffen
wagen werde, die Mühe nehmen wär-,
den und den Deckel meines Herzens
mit Ihren dustenden Lilienfingern
öffneten, so würde die Flamme der
Liebe Ihnen daraus entgegenlodern
und die Wärme einer unversieglichen
Zärtlichkeit Sie, gleich dem Früh
lings-winde, der iiber Blüthcngiirten
dahinsireicht, umschmeicheln.
Als- ich Sie das erste Mal vor mei
nen, von so unbegreiflichem Liebreiz
ganz geblendeten Augen auftauchen
fah, wie die Göttin der Schönheit
aus dem ewigen Weltmeer, da stand
es bei mir fest, daß Sie fortan siir
alle Zeiten der Altar sein sollten, auf
dem ich mein Hab und Gut opfere, auf
dem ich mich selbst jauchzend zum
Opfer bringen wollte. O, könnte ich
mit meinem Herzblut ein Nicken
Jhres schönen Angesichts ertaufent
Dürfte ich Jhr Sklave sein siir alle
Zeiten, über das Leben hinaus, bis in
das Nirwana hinein — ——«
»Hör auf, Lizzie, hör auf!« stöhnte
Dick, sich wie in Folteraualen win
dend, ,,foll ich denn nie erlöst werden,
von diesem grauenvollen Schmöter?!«
Lizzie lachte wie ein Kobold.
»Also hab’ ich doch recht gehabt, das
sift »der« sieghafte Verkehr mit Da
men, nicht wahrt«
s Dick nickte noch ganz matt; dann
ffragte er: «Und hast Du geant
worteM .
W
»Noch nicht. Soll ich denn?·'
«,,Aber gewiß! Das macht ia’n Hei
denspaßl Da stell’ Dich an das kleine
Pult, ich werd’ diktirem
-»Hochgeehrter Herr! Als ich Ihren
Brief empfing, war ich zuerst ganz be
stürzt. Die Saharahitze Ihrer Lei
denschaft ängstigte mein jungfräu
liches, der Liebe, ach! so ungewohntes
Mädchenherzl Aber dann stürzten
mir die Thränen aus den Augen! So
viel Liebe, so viel Zärtlichkeit! Ach,
wie soll ich schwaches, armselige-Z Ge
schöpf das goldreiche Empfinden ver
gelten, welches der beste, liebevollste
aller Männer mir entgegenbringL
Wie gern würde ich zu Jhnen eilen,
zu Jhnen, zu des-ich emporblicke wie
zu etwas Ueberirdischen! Aber die
Sitte, diese grausatne Beherrscherin
aller liebenden Seelen, verbietet es!
Darum flehe ich, warten Sie noch:
Noch kurze Zeit. Bald werden wir
glückselig sein! L.
»Aber das kann ich doch nicht ab
schiclen, Dick?« ·
»Warum denn nicht? Gewiß schickst
Du es ab! Mit der Schreibmaschine
geschrieben, notabene."
»Ich verstehe, wenn er später per
sönlich kommen sollte, sage ich, Du
hast es geschrieben?«
»Well! Jch werd’g ihm schon
stecken, er soll nur zu mir herkommen!
Solch Greenhorn; denkt, mtt seinen
Goldklumpen kann er alles haben!«
»Ist er denn so reich, Dick?«s ·
»Fabelhafti Er wühlt förmlich Im;
Golde, der schmutzige Kerls« I
Liåsie wiegte leise ihr blondes
Köpf ,en«.
»Ist doch eigentlich schade, daß
wiss nicht haben, Dick!!«
J« J- il
Am übernächsten Tage brachte Lizzie
den Antwortbries des Mannes aus den
Minen. Und es war richtig ein zwei
tes Kapitel aus dem »sieghaften Ver
kehr mit Damen«.
Sofort diktirte ihr Dick eine neue
Epistel, noch sarbenreicher und Ver
rüclter als die drei anderen ·
Das Spiel ging so lange, bis Dick
eines Tages schreiben ließ, das junge
Mädchen erwarte ihren Anbeter aus
dem Westen am Relson Square,
Abends um dreiviertel auf neun.
Dicl wollte dann an Lizzies statt
selbst zum Rendezvous gehen und den
Hinterwäldler gründlich abfertigen.
Als Lizzie diesen Brief in der Post-:
rsfsice aufgeben wollte, sah sie neben
Pch einen Gentleman, der ihr recht ge
iel.
»Fräulein!«
Nicht gerade böse, aber doch Zurück
haltend, sah Lizz ie zu ihm auf
Der Gentleman weiter:
»Morgen hab’ ich Rendezvous.«
»Ja der That, das freut mich für
Sie, mein Herr, aber was habe ich
damit zu thun?« sagte Lizzie
»Ok) hesi Mit Sie, -,yraulein!!«
Lizzie war starr.
»Sie sind doch nicht« 2?«
Er nictte mit seinem jetzt sehr ele
gant frisirtcn, unter einem glänzenden
Cylinder hervorschauenden Kopf.
Dann meinte er kurz, aber überzeu
gend:
,,"5red Smith.«
Lizzie überlegte ein wenig.
»Ich bin aber verlobt, Mr. Smith.«
»Macht nichts-. — Wieviel?«
Lizzie schwieg ganz still. Sie be
griff, der Miner wollte Dick Samson
seine Rechte ablaufen. Viel machte sie
sich nicht aus Diel. Man müßte mal
zusehen, am Ende ist Drck mit der
Sache einverstanden . nebenbei, sie
wollte da auspassen, daß nicht zuvielJ
von ihrem künftigen Vermögen ans-»
gegeben würde —- Dick war einRacker! «
»,Well« sagte sie nach reif icheri
Ueberlegung, »gehen wir!« ]
st- si
· Aber Dict erhob Einwendungen
Lizzie lies-; ihn ruhig aus-reden,
dann sagte sie freundlich:
»Sieh mal, mein Junge, wir sind
jetzt beide zusammen vierzig Jahre.
Dass durchschnittliche Lebensalter ei
nes Menschen ist dreißig. Also jiir
zwei Leute zusammen sechzig Jahrei
Bleiben uns noch zwanzig iibrig. In s
der Zeit können wir beim besten Wil
len nicht mehr als zehntausend Dollar
machen. Die bekonnnst du jetzt gleich,
wenn du mich freigiebst, verstanden?«
Dick hatte sich aber auf fünfzehn
tausend versteift. Davon wollte er
nicht heruntergehen
Na, eg wurde hin und her geredet,
und schließlich kam eine Einigung zu
Stande auf zwölftausend. Aber Dick
Samson bedang sich den »sieghaften
Verkehr mit Damen« alr- Draufgabe
aus« Man könnte nicht wissen, der
Fall könnte noch einmal eintreten...
Schlan.
Gast (dem ein sehe kleines Beessteak
seroirt ist, zu dem sich entfernenden
Rellner): »Warten Sie einen Moment!
(Er spießt das Stückchen auf die Ga
bel und steckt es ungetheilt in den
Mund-) Sehr wohl. schmeckt. Von der
Sorte können Sie mir eins machen!«
Vorwurf.
Junge Frau: »Du mußt mir Geld
geben. lieber Heinrich, um die Haus
ausgaben zu bestreiten.«
Gatte: »Du scheinst die Haus-gaben
lediglich zu Deinen Hausausgaben zu
zählen-«
UntetSpitzbniem
Der erste Chaim Hinausgehen aus demi
Witthshaus): »Sehen Sie, ich kann
noch so betrauten sein« aber den be
sten but nehme ich mir immer!«
W----- »
Neues ikvee Blüte-en «i
Ans dein Familienarchiv eines meck-;
lenburgi schenRittergutsbesitzers kommt
soeben der folgende, anscheinend noch
niemals veröffentlichte Brief des Fitt
sten Blücher zum Vorschein, den die«
,,Hamburger Nachtrichten« in der
,,Recht«schreibung und in der fehlen
haften Grammatik der Urschrist mit
stheilen Das Schreiben ist an die
Gattin des Feldherrn gerichte t:
Compiene, den 17 Juni 1815.
hir sitze ich in dem Zimmer wo ma
rie luise ihre hochzeitsnacht celibrirte,
man kan nichts Schöneres nichts an
genehmeres seh-en als Compiene, nur
Schade, daß ich Morgen früh wider
von hier muß, den in ZTage muß ich
zu Pariss sein, es ist möglich und
höchst wahrscheinlich, daß Bonaparte
mich und Lord Wellington ausgelief
fert wird, ich werde wol nicht tiirzer
handeln können, als im todtschießen
zu lassen, es geschieht die menschheit
da durch ein Dienst, in Pariss hat ihm
alles verlassen und er wird gehasst
und verachtet, ich, denke die Sache ist
gantz in kurtze hier zu ende und dann
Eille ich nach hauße lebe lvohl die
Estasette will fort aber um gottes
willen ich krige ja keinen eintzigen
briff von dich Gebhard ist noch nicht
von König an den ich ihm geschickt zu
rück, grüße alles was dich umgibt!
Hier sind die schönsten Sachen aber ich
kan nichts fortbringen
adio Bliicher.
Gleichzeitig wird aus der gleichen
Quelle ein Brief der Fürstin Blitcher,
geb. von Colomb, bekannt, in welchem
sic ihrem Bruder — wohl dem Regie
rungsvriisidenten von Colomb in
Bromberg — den Tod ihres Gatten
beschreibt. Jnteressant ist besondefs
tie Erzählung von dem letzten Besuch
Friedrich Wilhelms des Ditten bei sti
nem dem Tode nahen Feldherrn. Blü
cher empfahl dem König seine Frau
und bot ihm seine Pferde an, sonst
redete er wenig. Als der König fort
war, fragte man den Kranken, er sei,
weil er so still gewesen, wohl er
" schrocken gewesen, auf einmal den Kö
:nig an seinem Bette zu sehen. Aber
lBliicher erwiderte: ,,Jh bewahre! wa
rum sollte ich mich darum erschrecken!
ich wollte ihm nicht mehr sagen.« Da
zu bemerkt nun seine Frau in dem
Briefe an ihren Bruder: »Mein Mann
irar vorn Jahr, wie auch die letzte Zeit,
da er noch wohl war, sehr unzufrieden
wie nehmlich wegen Hardenberg, auch
darüber, daß dem Staate noch immer
teine Constitntion gegeben lvurdeund
so dergleichen mehr desshalb er alfvo
wohl nicht mehreres mit ihm sprechen-.
wollen, doch sagte er den Tag vorher
an Witzleben, da dieser fort ging: »sa
gsen sie dem König, daß er wohl wußte,
daß ich solange ich gelebt habe, nur
fiir ihn lebte nnd daß ich auch jetzt für
ihn sterben werde.«
HM
Zeugenaussagem
Ein Dsetettio sprach mit einigen
Freunden über die Zuverlässigkeit von
Zeugcnaussagcn Plötzlich wandte er
der Gesellschaft den Riicten zu und«
fragte: »Was für eine Farbe hat die
Krabatte, welche ich trage?«
Die meisten Anwesenden vermochten
zgar keine Antwort zu geben, einer
sagte blau, ein anderer schwarz. Da
rauf drehte sich der Detektio wieder
um und zeigte lächelnd, daß seine
Krabatte grau mit schwarzen Punkten
War.
»Nun sehen Sie,« fuhr er fort, »Sie
Alle haben mit mir Angesicht zu Ange
sicht etwa 10 Minuten lang gesprochen
nnd doch kannte nicht einer die Farbe
meiner Firaoatte Und das wiirde aus
999 Personen von 1000 ebenso zutref
fen. Wenn ich höre, daß ein Zeuge
ttleidung und Aussehen eines Men
schen, den er nur kurz-.1 Zeit gesehen
hat, genau beschreibt, dann bin ich
ziemlich sicher-, daß er die Unwahrheit
spricht; ist aber seine Beschreibung
sehr allgemein und unbestimmt, dann
tin ich til-erzeugt, daß er oermuthlich
die Wahrheit bekundet.
——-— - h-———
--Dcr IICiJcr lachte-«
Lsg war während der letzten Ausfüh
rung der Oper »Die weiße Dame« im
lKöniglichen Opernhause; die Vorstel
lung fand als ,,tl)eatre pare« statt. Jn
der Mitte einer der ersten,Parletrei
hen saß ein älterer, ordengesclmiiicktek
Herr, und links und rechtsv neben ihm
blondc Jugend, augenscheinlich seine
beiden Töchter. Beide junge Mädchen
blickten mehr nach der Kaiserloge hin
auf, als nach den Vorgängen auf der
Bühne. Auch der llronvrinr und sei
ne junge Braut waren zugegen. Im
mer wieder hatten die jungen Mädchen
dem Vater etwas zuzufliistern, was
die taiserliclien Herrschaften betraf. Es
» kam die Biene alsJ des Pächter-J Dick
son Feuerle Gabriel, seinen Herrn
durch unvermutljeteg Anstand-»Ur Plötz
lich erschreckt, eine Szene, die sele wir
jkungdvoll gespielt wurde. Da hörte
man aus den vorderen Partelireihen
plötzlich deutlich den hellen Ruf:
,,Papa, Papa, der Kaiser lae«l7t!« Es
war daCJ jüngere der beiden Mädchen,
ein regelrechtcr Vactsisch, das in seiner
Freude, denslaiser lacijen zu sehen,die
lsen Ruf ansigestoßen hatte. Aus der
jKaiserloge blickte man fröhlich in’s
TVarketr hinab, und auch über das Ge
lsicht des General - Jntendanten v.
: Hüllen, der in einer Parlettloge direkt
Iunter der Kaiserloge, ganz in der
Nähe dieses ,.heiteren Zwischenfalleö«
saß, zog ein Lächeln.
-
! So viel ist sicher, daß der deutsche
Militärdienst an Reiz um so mehr
psettlierh je gereizter der Unterossizier
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