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About Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918 | View Entire Issue (Jan. 13, 1905)
Frach» Roman von Hans-s von Zoöektitz. (14. Fortsetzung) H Und heute früh, als der Lärm ne- : benan’begann, wie verstört sah er aus, i wie todtunglücklich — er, der so recht ; « IT en war, immer wie ein Sieger ; i "« Welt zu gehen, hochaufgerich- » ret, mit, strahlende-n Blick l Was atte heute der alte Krause der Hauöhii erin gesagt? Vor ihr hütete M Dienerschas die Zungen ja nicht. Die Achseln hatte er gezuckt: »Ja, ja . Luizchen! Leid kann er einem ja thun . . . . der junge Herr. So freunty lich, wie er immer ist. Böse kann man ihm auch nicht recht sein, und wenn man selber die paar Sparkröten ver liert. Aber Schuld hat er alleine — nie ganze Schuld!« Schutt-! Das war ein Wort, das sie einst auch über den armen Vater oft genug ehört, das so ost, so weh ins Kinder « U geschnitten hatte. Ihr wuchs aus dem Wort nur ein großes, herzinniges Mitleid heraus — Was nannten wohl harte Menschen richt alles Schuld! Maria trocknete sich die Thränen, "rich sich den Scheitel glatt und ging .n Loras Zimmer; in ihrer getäusch iosen Art —- friiher schalt Fräulein Schatten bisweilen: ,,Kind, du er schrickst einen ja immer!« —, so daß Lora ihr Eintreten nicht gleich be merkte. Sie saß mit Hardi zusammen und redete sanft auf sie ein. Nun wohl schon eine Stunde lang, wie man zu einem tranken Kinde spricht. Mit in niger Theilnahem, ruhig und scheinbar zuversichtlch. Jmmer wieder die eigene Sorge zurückdämmend, die Sorge um ihren Mann. Denn sie allein wußte, was der in diesen Tagen gelitten und durchgetiimpft hatte —- wußte, es gibt nicht nur aus Schlachtfeldern Helden! Jetzt blickte sie doch auf und sah Maria geduldig ander Thür warten. Wieder mit dem demüthig-lieben Kin dergesicht, das immer zu sagen schien: »Ach, sei nicht böse, daß ich da bin «-—« »Willst du etwas von mir, Maria?« fragte sie und nickte ihr zu. Aber sie sah auch sogleich, daß die Kleine wie der im harten Kampf mit ihrer Scheu lag, stand auf und trat zu ihr. »Ja, liebe Lora . . . . ich wollte . .i. . ich möchte dich fragen . . . . um Erlaub niß bitten » . . ob ich nicht Willh et was Frühstück hinunter-bringen dars...« Ganz mühsam nur hatte sie es her ausgebracht Aber nun faßte sie im pulsiv Loras Hand: ,,Krause kam eben 1 wieder herauf. Willh nimmt gar nichts ; und da meinte ich, liebe, gute i Lota. . . .« ! «Du wirst stören, Maria« s »Nein, ganz gewiß nicht, liebe Lora i . . . . ganz gewiß nicht!'« ? Etwas so Rührendes, Kindliches s lag in ihrer Bitte, und die feuchten! Wiegen blickten so flehend, daß Lora visit ·nein'« sagen konnte. Aber sie wunderte sich doch, daß die Kleine ihre rohe Schiiehternheit bis zu dem Ent liiß überwunden hatte. Sinnend ah« sie Maria an, streichelte ihr die beifieu Wangen. in die schon wieder das Blut emportvallte: »Geh nur . . . . und . . . . grüße Win von mir.« Es dauerte unten eine Weile, bis das «herein« erklang. Als dann Maria mit ihrem Tablett chen eintrat, sah sie Willy, die Stirn in beiden Händen, am Schreibtisch sihew Er blickte auch gar nicht aus — sast als habe er sein »Herein« schon vergessen. Sie ordnete ein paar Sachen auf dem Mitteltisch, und ihre Hände zitter ten so, daß plötzlich ein Glas klirrte. Da schral sie zusammen und blieb re gungslos stehen. »Was soll’S denn?« Er wandte sich halb um. Aber er beachteie gar nicht, daß sie es war. »Nimm den Kram nur wieder fort —« Wieder stand sie ein paar Sekunden anz still. Sie mußte sich erst Muth assen, ihn anzusprechem - Dann trat sie doch einen Schritt näher, bat mit ihrem süßen Stimm chen: »Ach, Willy .. . . einen recht schö nen Gruß von Loka, und du möchtest ; doch etwas nehmen bitte T bitte . . . .« Als Loras Name fiel, wars er plötz lich den Kopf hoch. I »Sie schickt dich?'« « r »Ja . . . . und . . . . das heißt, Willy ich möchte dich auch recht, recht sehr bit ten . . . . nur ein kleines Brötchen . . . . « Fh mal . . . ." . Gott, das war ein Kind! Ein alber ms Kind! Wozu sie die wohl herunter Ichietten . . . . zu ihm! Heute! ’ Aber er blickte doch aus, und wie er ihr ist Gesicht sah· übertam ihn et Miste Währung. Sie hatte die klei set Hände vor der Brust zusammen " — , hielt den Raps ein wenig ge M schaute ihn mit den großen » , so Seltsam an — ganz meet » H zittre-Mich nnd Fingsilich nnd » M strich eigener tiefer Empfin « . M Mk Dank schön, Maria,« sagte er freundlich. »Ich kann aber wirklich nichts essen." »Nun wird sie gehen,« dachte er. Doch sie blieb stehen und bat wieder: »Nu: ein wenig, Willh . . . . und ein Glas Wein . . . .« Er schritt ein Paarmal durchs Zim mer. Dabei blickte er zufällig in den großen Spiegel des Garderobenschran kes. Die alte Korrektheit erwachte in ihm; er schob die Krawatte zurecht. »Ich seh’ wohl ganz unordentlich aus, Maria. »Nur elend... abgespannt, Willy. Aber, bitte, nimm doch ein Brötchen.« Sie hatte plötzlich den Teller vom Tisch genommen und hielt ihn hin. Und halb um sie los zu werden« halb um ihr einen Gefallen zu thun, nahm er eine halbe SemmeL Schnell hatte sie auch ein Glas Portwein einge schentt und ihm gereicht. »Gutes Kind! Dank’ schön!« Er aß wirklich und trank ein Glas Wein und noch eins, wunderte sich, daß er die Bissen herunterwiirgen konnte, und griff dann ch zu dem zweiten halben Brot. Da l chelte sie ein wenig. Es war nur wie ein kleines Aufleuchlen, aber er bemerkte es doch: sie freute sich. Nun war er fertig. Sie räumte die Sachen- geräuschlos zusammen. Er stand dicht neben ihr — ,,Das war recht von dir, daß du selbst heruntertamst, Heimchen.« So hatte er sie noch nie genannt. Das Blut schoß ihr ins Gesicht. Aber sie nahm sich tapfer zusammen: »Kann ich dir nicht noch irgend etwas besor gen, Willy . . .'« »Nein, nein! Nur einen schönen Dank an Lora.« Dabei nahm er ihre Hand, hielt sie einen Augenblick und fügte schon wieder unter anderm Ein druck hinzu: »Das sind schwere Tage, Heimchen .. .« Sie nickte ein paarinal schnell hin tereinander. Es war so ihre Art, wenn sie innerlich sehr erregt war und nicht gleich ein richtiges Wort finden konnte· Dann sagte sie: »Ja schwere Tage. Aber als ich so sehr unaliicklich war, am allerungliicklichsten, da sandte der gute Gott mir Onkel Ebrrhard. Siehst du, Willi . . . und ich denke, sür dich werden auch wieder gute, srohe Tage kommen . . . . recht bald . . . und darum will ich den lieben Gott bit ten . . . .·· Ohne ihn anzusehen, sprach sie es. Ganz leise, als sei es ein Wagniß. Und gleich huschte sie schnell hinaus. Einen Augenblick stand er noch sin nend. Jn seiner Seele zitterte etwas nach, dessen er sich nicht recht bewußt ,werden konnte. Eine stille Rührung — das Empfindem ob wohl die Für bitte solch’ unschuldigen Kindes sieg haste Kraft hat? — Dann setzte er sich an seinen Schreibtisch. Aber er starrte nicht mehr wie ein Verzweifelter auf dessen griine Fläche. Er griss zum Te lephon und bat den Prokuristen zu sich. Und als der eintrat, sagte er: «Lieber Her Tiger, wenn Sie Zeit haben — ich » lgern auch mit Ihnen einmal die Bethiitnisse bei der Prometheu3 gesesschasi durchsprechen ....'« Fünfzehntes Kapitel. Am Freitag. Abend war Konrad Salefter nicht gekommen. Nur eine Karte sandte er durch seinen Burschen mit der augenscheinlich in höchster Auf regung geschriebenen Zeile: »Warte nicht aus mich. Jch muß zu meiner un glücklichen Mutter.« Bernhardine war zuerst fassungs los, wie betäubt gewesen, unzugänglich jedem Zuspruch. Nun, am Morgen, als sie ins Früh stückszimmer trat, erschien sie Lora völlig verwandelt. Sie saß blaß, über nächtig aus, die Augen waren schwer geröthet, aber sie ging ausgespien-Haup tes, sprach ruhig. Und in ihrerns Ton war eine weiche, anschmiegende Herz lichleit, die Lora wohlthuend an frü here ferne Tage erinnerte. Nur wenige Minuten saßen sie zu sammen. Dann stand Hardi auf, legte ihren Arm um Loras Nacken und sag te: »Ich will jetzt zu meiner Schwie germutter.« »Das ist recht! Das freut mich, Hardii Jch begleite dich ——·« Es kam Lora aus dem herzem Sie glaubte damit nicht nur eine Pflicht gegen Bernhardine zu erfüllen; sie hatte fiir Frau Salester immer Sym pathie empfunden und wollte ihr das gerade jetzt gern zeigen. Sie fuhren mit der elektrischenBahn hinaus nach dem urfiirftendamm. An der Uhlandftraße stiegen sie aus. Als sie so nebeneinander die letzte Strecke gingen, fühlten sie sich wieder, ohne es auszusprechen, ganz als die Freundinnen von ehedem. - Das Gartenthor der Baldinschen Van stand offen. Lora blickte hinein und da unwillkürlich daran: hier hast du illy nach Jahren zum ersten Viele wieder gesehen . . . . hätte er dies »He-us dochnie betreten . . .. z Eisen blick blieb sie stehen. Wind da sah die kleine Verta- Das l Kind tanerte aus der Rasenfliiche hin ter den Fliederbüschen, hatte ein paar Puppen neben sich. einen Karten —, aber es spielte nicht, sondern starrte mit gesenktem Köpfchen vor sich hin. Das goldblonde Haar hing wirr um das Gesicht. · tat« Die Kleine schlug, wie erschreckt, die Augen aus. »Herta s-— liebe Herial« - Lora hatte ein paar Schritte in den Garten gethan. Und nun sprang das Kind auf, lief auf sie zu, umtlammerte mit beiden Armen ihre Kniee, drückte den Kopf gegen ihr Kleid — alles ohne einen Laut. Aber die zierliche Gestalt bebte wie ein Espenblatt. Sanft strich Lora über die Locken. Jn ihrem herzen war ein leiser Bor wurf: »trots allem, was auf dir lag in diesen Bgem du hättest an dies arme Kind denlen müssen.« Sie beugte sich über die Kleine: »Sieh mich an, Verta!« Das Kind hob das Köpfchen. Aber nur aus einen Moment, dann barg es das Gesicht gleich wieder zwischen den Kleiderfalten, und die dünnen Werm chen llammerten sich noch fester. »Ein paar Minuten nur« Hardi. Jch habe auch hier eine Pflicht zu erfül en." Lora löste sich sanft, ging mit der Kleinen einige Schritte seitwärts zur nächsten Bank. »Komm, Herta ——- setz’ dich. Und nun sei lieb und verständig, wie du immer gewesen bist. Ich bin ja bei dir ....« Herta nickte. Und dann griff sie wieder mit beiden Händen nach Lotas Arm. »Wo ist denn Mademoiselle?« »Fort —- fort —« »Und die Dienstboten? Wer hat denn für dich gesorgt?« Unter Thränen r sich die Ant wort los-: »Alle sinth —- gestern. Fremde Männer-, T Lora, haben alles durchsucht und verschlossen. Nur die alte Köchin ist noch da. Weil sie ihren Lohn noch nicht hat. sagt sie. Und . . . und . . . Mama taugte nichts . . . und der Papa sei ein Be- » träger-» .sagtsie. . .undich. . . mich würden die Schutzmänner holen Fnd in ein Loch stecken . . . sagt ie. . .« Schluchzen erstickte alles andere. Bis die Kleine dann wieder die Arme fest um Lora schlang: ,»Tante Lora . . nimm mich doch mit . . . ich fürchte mich. Es war ein so großes-, inniges Mitleid in der jungen Frau Anders noch als früher —- sie fühlte das selbst an der Wärme des Empfindens etwas von mütterlicher Sorge mochz darin liegen. Ein unwiderstehlicher Drang: »Du darfst dies liebe Ge schöpfchen nicht verlassen . sie ist dir wie von Gott überantwortet. Und während sie zärtlich auf das Kind einsprach, sann sie, was zu thun sei Jn aller Ergriffenheit mit all ihrer ruhigen Ueberlegung -—— Und dann sagte fie: »Wirst du hier wohl ein Viertelstündchen sitzen bleiben, Herin? Jch habe nur einen Ganxin der Nachbarschaft, ich komme gleich wieder zu dir; hier hast du meine Hand daraqu Nun glaubst du’s doch, nicht wahr?« «Du kommst auch ganz, ganz gewiß wieder, Tante Lokal« Wie herzbewegend ängstlich das klang! Und diese bittenden, thtänen schweren Augen! »Ganz gewiß —-« Einen Kuß noch — und ein Zurück winken — »Berzeihe, Hardil Aber ich konnte das Kind nicht berlassen.« Bernhardine nickte. Und während sie weitergingen, faßte sie nach Loras Hand, in der stummen Bitte: »Du bist zu allen Menschen gut —- nun bleib es auch mir in meiner Noth!« Die Billa Salester lag tiefer im Garten als die Baldins e. Ein klei neres, einfacher-es Gebäu e, irn Grün halb versteckt. heute sah es fast aus, als seien die Besifer verreist. Die Vorhänge fest ver lossen, im Erdge xchvß die Rolljalouien heruntergelas en. » . . . er ist nicht hier . . .'« Hardi Pauchte es wie einen einzigen Weh aut. Aber da öffnete sich die Hausthür. Konrad Salester trat iiber dieSchwel le. Jn bürgerlicher Kleidung —- in der Hand einen Brief. Er zuckte zusammen, als er die bei den dicht vor sich sah. Ueber sein Gesicht strömte das Blut. Er zog den Hut — aber gleich darauf legte er die Hand vor die Augen . . . »Ich wollte zu dir . . .« sagte er tonlos. « Da hing sie auch schon an seinem Halse, barg das Antlitz an seiner Brust Einen Augenblick hielten sie sich fest umschlungen. Dann löste er sich, sanft, aber mit bewußter Bestimmt heit. Nur ihre beiden Hände nahm er in die seinen. »Ich wollte zu dir, Hardi . . .« wiederholte er. »Nun danle ich dir, daß du gekommen bist. Ich rnuß ja die Augen der Menschen scheuen. ich und meine Mutter . wir sind geächtet. »Konrad!« rief hardi verzweifelt »Konrad!« .wir sind geächtet. Sies schüttelte den Kopf, als-« ver stünde sie ihn nicht. Und wie unt sei nen Gedanken eine andere Richtung zu geben, bat sie: Eos uns zu dei ner lieben Mutter . . . Fa schien es, als bemerke er jeht eesL gra. Ei wetterlenchiete wieder iiber sein sössenes Gesicht . T Schmerz und Scham . . .· Sie trat schnell heran und drückte ihm schwei gend die Hand. Dann wandte er sich und schritt den halbduntlen Flur entlang, schnell, l,ochausgerichtet aber Lora sah wie die kräftige Gestalt schütterte in müh sam belämpstem Schluchzen Er stieß die Thitr zu einem Hinter-: zimmer aus; »Mutter. . .« Frau Salester kniete über ein Kiss serchen gebeugt am Boden. Ein paar Habseligleiten, das Einsachste, was sie gesunden hatte, lagen daneben. Langsam richtete sie sich aus. Und wie sie Hardi sah, schlug sie die Hände vor das Gesicht. Es war tiese. tiefe Stille im Zimmer. Nur das schwere Athmen der vier Menschen. Hardi hatte Frau Salester um armt, zog ihr die Hände vom unharm . ten Antlitz, streichelte ihr kindlich die schmalen Wangen blickte zärtlich in die Augen, die leine Thränen mehr zu baben schienen. Die Greisin war die Frau geworden in vierundzwanzig Stunden Und dann war sie es, die zuerst sprach. Und ihre ersten Worte galten ihrem Manne — »Er war nicht schlecht,« sagte sie mit leiser, bebender Stimme. »Er war auch nicht geldgierig, wie . . . der andere. Er war nur so maßlos ehrgeizig . . .« Und sie sah dabei von dem einen zum andern, als slehe sie um ein Wort, um eine Miene nur der Zustimmung. Aber Hardi und Lora standen mit ties gesenkten Köp fen, und als sie in Konrad’s Antlitz blickte, das wie versteint war, bedeckte ge wieder das Gesicht mit den Hän n. .in ( ( i 1 Lora trat an ihre Seite, umfing sie, führte sie zum Sofa, drückte sie sanft nieder, setzte sich neben sie und sprach mit ihrer tiefen wohltlingenden Stimme, sich gewaltsam zur Beherr schung zwingend: »Wir sollen nnd wollen nicht richten. Wir sind hier, um Jhnen zu zeigen, wie lieb Sie uns bleiben werden ..... was da auch immer kommen möge. Wir verstehen all Jhr Leid. Wir möchten Ihnen gern mittragen helfen ....— Jhnen und Konrad! Niemand, das glauben Sie mir, wird Ihnen beiden anrechnen, was gesche hen ist. Fassen Sie Muth ——— Gott vertrauen, liebe gnädige Frau —·' Konrad hatte bisher regungslos an der Wand gelehnt, dicht neben der Thür; den Blick starr geradeaus ge richtet, als wolle er aller Augen aug weichem die Lippen fest zusammenge preßt. Jn der Hand hielt er immer noch den Brief — einen weißen Um schlag im Dienstformat. Nun trat Konrad Salefter plötzlich vor und bis an den Mitteltisch. Es Twar, als triebe ihn ein überftarler Entschluß. Er sah auch jetzt niemand an, und in seinem Gesicht toechfelten jäh die Farben. Aber er sprach mit scheinbarer Ruhe. Es klang hart, was er sagte . . . eisern . . . »Gniidige F au, ich danke Jhnen herzlich, innig "r Jhre Troftworte. »Auch im Namen von Mutter. Und Jhnen und Vernhardine für Jhr ; Kommen. Es ist edel und ift großher Izig. Aber wir, Mutter und ich, dür fen uns keinen Selbsttäufchungen hin sgebem wenn wir den Kampf um ein Fneues Dasein aufnehmen wollen. Wir ; bleiben mit ewigem Makel behaftet . . fund wenn man dem Schimpf auch iMitleid beimischt . . . er wird nicht leichter . . . vielleicht könnte ich ge rade das Mitleid am wenigsten ertra T Am —·« » Er schöpfte tief Athem, und er preß- ! ; re die Rechte auf die Brust, als schmer ze ihn da etwas-. i »Wir müssen alle Fäden zuschnei i den, die rückwärts führen ——- müssen! ! Hier ist mein Abfchiedsgefuch —- Seine lMajeftät iann keinen Offizier ge s brauchen, dessen Ehre befleckt ift. Jch wollte den Brief soeben zur Poft brin gen . . . und dann zu dir kommen, Hardil Das ift das . . . Schwerste. . . . ch wollte dir noch einmal dan ken, rdi . . . und dann . . . dann wollte ich dir . . . und ich thue es jetzt hier . . . dein Wort zurückgeben : . . und Abschied nehmen . . . für immer . . .« Erst bei den letzten Worten schwank te feine Stimme. Schwer ftiitzte er sich mit beiden Händen auf den.Tifch. Er Bitte noch immer nicht aufgese hen icht gesehen, daß Hardi lang fam näher gekommen war, mit hocher hobenem Kopf, so ftolz und sicher aufgerichtet, als fei fie plötzlich gewach fen. Jn ihren Augen standen Thrä nen, aber fie lächelte. Und nun legte sie ihre Hände auf feine Schultern und fa te leidenschaft lich: «Konrad . . . sie mich an . . . du kannst kein Mitleid vertragen! Aber meine Liebe, Konrad, die wirft du doch nicht zurückftofzenl Und wenn du es thust, ich lasse dich nicht! Gehft du mit Mutter weit weg, übesz Meer —- ich gehe mit dirl Ueberall hin,. Konradi« « Er war usammengezuckt, als er den Druck igrer Hände fühlte. Das Abfchiedssgefuch glitt auf die Tisch platte. pr wandte sich, fah ihr in die Augen. Ein Aufleuchten flog über fein Gesicht, ein Sonnenstrahl Doch gleich wurden feine Ziige wieder hart. »Ich danke dir, Hardil Vieltaufend mal danke ich dir. Aber du kennst die Welt nicht. Das, was an uns haftet, eht mit uni. Das werden wir nicht os . . . und drum müssen wir's al lein ira en, Mutter und ich. Das ist nichts f r dich, Hardi . . . solch ein , . . »Los! Gott bewahr’ dich davor! Schande und Noth, lommks hoch harte Arbeitl Gottlob . . . vielleicht auch Arbeit!« » Er wollte sanst ihre Hände losen. Doch die hielten fest. Jhre Augen leuchteten — »Jhr habt mich als Kind einge schäßt, und ihr hattet wohl recht. Aber nun nicht mehr. Jetzt bin ich start. Neißt mich in Stücke, ich weiche nicht! Du willst mich aus Mitleid freigeben — nun, das Mitleid tann auch ich nicht ertragen. Das Mitleid ist schlimmer als Schimpf! Jch halte zu dir —- ich gehöre zu dir! Wenn du mich fortstößt, so krieche ich dir nach! Jch folge dir -— bis an’s Ende der Welt! Es sei denn, Konrad, geliebter Connh, daß du mir in die Augen se hen kannst und sagen: Jch liebe dich nicht —« Und plötzlich reckte sie sich, mit einem Jubellaut, und umtlammerte ihn, zog seinen Kopf zu sich herab, küßte ihn — wieder und wieder — ,,Conny . . . Connh! Du großer Thor! Siehst du . . . das tannst du nicht sag-en . . . du hast mich ja viel zu lieb! Und alles andre . . . alles . . . alles . . . das ist ja Asche und Staub! Das bleibt ties unter uns! Mutter-then . . . komm! Hab theil an unsrer Liebe! Denn wir siegen — Konradi Jch weiß es! Wir siegen-« SechzehntesKapiteL Der Schnitter Krach möhte weiter. Gerechte und Ungerechte traf der scharfe Stahl seiner Sense, Schuldige und Unschuldige, Verführer und Ver sührte, Betrüger und Betrogrne. Rei che machte er arm, Fleißige arbeitslos, Arme brodlos. Durch alle Kulturländer Europas zog er seine Straßen. Ueberallbin, wo die Produktion dem Bedarf zu weit vorausgeeilt war, wo die Spekulation künstliche Wer-the geschaffen hatte, traf sein weitausholender Arm. Was nicht ganz gesichert und ganz gesestet stand, das stürzte· Aber im Sturz riß manch Schwindelbau auch die klei neren Häuser neben sich nieder, die in ehrlicher Arbeit aufgerichtet waren. - Denn der panische Schrecken, der vor dem unerbittlichenSchnitter einberflog, läbmte auch die gesunde Unterneh mungslust, ließ jedwede Tbätigleit - stocken, unterband das Vertrauen« ver nichtete den Credit. Nur sehr wenige hatten das Heran nahen des Umschwungs der mitth schastlichen Conjunttur rechtzeitig be merkt, die Uebersiillung des Welt marttes, die politischen Schwieriateiten in Südafrita und Ostasien richtig ein geschätzt. Nur ganz vereinzelte Stim men hatten rechtzeitig gewarnt. So jäh kam der Rückfchlag, daß er die Mehrzahl unvorbereitet traf. Unvor bereitet die Großen in neu geplanten, immer weiter ausgespannten Unterneh mungen; unvorbereitet den wohlhaben den Mittelstand in den Anlagen seines Capitals, das der Staat nnd die Kommunen durch die Herabsetzung des Zinsfußes ihrer Anlehen den schein bar ertragreicheren Jndustrievapieren zugetrieben hatten; unvorbereitet die Arbeiter-, die da glaubten, der Aus schwung alles Gewerbes müsse ewige Dauer haben und ihnen immer höhern Löhne sicherih Nur wen ge hatten rechtzeitig den unvermeidlichen Niedergang vorausge teben. Aber noch weniaere sahen. als er nun hereingebrochen war, mit ruhigem weitem Blick in die Zukunft. Sehr wenige erkannten klar, daß ur alter Erfahrung gemäß, das mitth schaftliche Leben der Völker in ewigen Wellenbewegungen dahinströmt, dasz einer Periode des Aufschwunas un weigerlich eine solche der Ebbe folgt und daß sie wieder von einer dritten steigenden Flut abgeliist wird. Ganz vereinzelt waren in der ungeheueren Masse der Muthlosen diejenigen, die da fühlten, daß heute, in unsrer Zeit gesteigerter Verkehrsthlitigkeit, schnel leren Pulsschlages, auch Fluth und Ebbe in kürzeren Zwischenräumen auf einander folgen müssen, die Gegensätze sich schneller ausgleichen, die Ueber giinge sich leichter vollziehen — zum öscn, aber auch zum Guten —- —— — Zu diesen wenigen gehörte Eberhard Möller-Sieghard. Er hatte das Ringen mit beschwer temHerzen aufgenommen. Aber mit ten im Kampf um die Existenz und um die Ehre seiner alten Firma wuch jsen ihm Vertrauen und Kraft. s Er wußte freilich: die Schwingen ; waren nicht ganz sein eigen. l Denn es kamen auch ihm düstere Augenblicke, in denen er verzagen woll te. Aber wenn dann sein junges Weib neben ihn trat, ihm die Hand drückte, ihm in die Augen sah, dann schwanden Sorgen und Zagen.- An der Freude und an dem Stolz. mit dem sie aus seine rettende Tbätigkeit Iblickte, richtete auch er sich immer wie sder auf. Tag fiir Tag in der schwer ; sten ersten Zeit, in der sein Haus noch l in allen Grundsggen zitterte. « Jn allen Grundfugen Denn es ! war durch Willy mitten hineinnerissen Iin den unheimliche-r Strudel, in dem ’ die tvagehalsigen Gründungen von Sa lester und Baldin untertauchten, in den öffentlichen, in Deutschland fast bei giellosen Skandal beider Conkurse. eispiellos selbst in diesen Tagen all emeinen Schreckens:«inan zählte jetzt schon aus, daß ·an den Baldinschen Un ternehmungen riber hundert Millionen, an der Salesterschen Bank an achtzig Millionen verloren gehen würden — Dee Geheimrath kam von einer Sitzung des Gläubigerausschufses. jäm Treppenhaus traf er auf Exzellenz , raben, der langsam die Treppe hin f unievstiez »Ich war bei dir —- wollte dich spr en, lieber Möller.« « Sie d ckien sich die Hände, sahenK ch m die Augen, nnd beide fanden il wohl, baß sie nicht jänger geworden waren in diesen Tagen. Auch der alle Kriegsmann hatte ja, wie er sich aus drückte: » das verfl— Mausen nicht . lassen iönnen.« »Wenn du Zeit hast« Graban, komm mit hinauf. Scheut mir eine halbe . Stunde.'« Und dann —- mii einer un gewohnten Hast: »Warst du im Mill iärlabinetili'« »Ja —- naiiirlichl Aber, lieber Möller —- aber!" Das Sprechen während des Treppensieigens wurde ihm schwer. Aber der andre faßte ibn fest am Arm und bac« wie angstvoll: ,,Schlechte Nachrichten, Graban?« ,,N . . . ein? Es ist noch nickt-s ent schieden. Komm nur.« » Lora wollte Das Zimmer verlassen, als beide einiraien. Doch ihr Mann hielt sie zurück: »Bleib, bitte! Wir haben keine Geheimnisse vor dir.« »Ja also, gnädige Frau ich h0b’ gethan, was ich lonnte. Man hai·1a noch immer so seine kleinen Verbin dungen, wenn man auch lanaii zum» alten Eisen geworfen ist. Dei eine Abtheilungschef — «n Namen «nenn ich lieber nicht — war mal »Ad1ut«ant bei mir und ist mir ein klein bissel verpflichtet. «Da hab’ ich also hinge horcht. Aber, mir scheint’s, als ob« die Ansichten imKabinett selbst schwan ken. Na, das thun sie ja neuerdings häufiger. So der gerade, feste Kurs, wie wir ihn lichten, der . . . aber will mir den Mund nicht verbrennen. Und dann . . . es ift ja auch ’ne ganz ver-maledeite Geschichte —- dan Der arme Kerl! Denken Sie sich ihn mal, Gnädigste, so im Offizierkorvs! Da spricht denn mal einer frisch von»der Leber weg, meint gar nichts Boses mein Gott, irgend ein Wort uber einen Schwindler — und der Bedau ernswerthe muß das anhören . · .« ,,Exzellenz, ich denke zu hoch vorn Takte vreuszischerOffiziere, als daß ich das für möglich halten könnte ——-« » »Ja doch tausendmal ja. gna dige Frau. Aber die Möglichkeit bleibt. Und überhaupt . » ich glaube, selbst unser milder alter Alleranädigg ster Herr hätte taum das Abschiedng such nicht bewilligt« Der Geheimrath stöhnte: »Das sind doch schlechte Nachrichten, Graban.« »N ein, lieber Möller. Das nicht gerade. Dein armer Schwiegersohn hat außerdem eine ganz vorzügliche Qualifikation man verliert solchen Offiiier ungern. Man hat ja auch »Na-mein Mitleid mit ihm, heszlicheo Mitleid . . .« «». Gottsetzung folgt—) —--·-.-—-— i i Das Sprachrohr Neumond Als die erste Telegraphenlinie in Nordamerika durch die Gefilde der Jndianer gezogen wurde, begegnete das Unternehmen auf Seite der Ein geborenen anfangs einem heftigen Wi derstand. Da iam der leitende Juge nieiir, um den Beschiidigungen, na mentlich dem Umreißen der Stangen und Abschneiden der Drähte, vorzu beugen, auf den guten Gedanken, sich den Aberglauben der Jndianer dienst bar zu machen. Zu diesem Zwecke rich tete er nach Vollendung der Linie von Fort Kearneh bis Fort Lavannie, die gegen 500 Meilen von einander ent fernt sind, es so ein, daß sich der Häuptling der Ampohoes an dem glei chen Tage in Fort Kearneh einfand, an dem der Häuptling der Sioux das Fort Laranni besuchte. « Nachdem sich die Beamten aus beiden Stationen durch Signale überzeugt hatten, daß jeder von sihnen einen häuptling neben sich stehen hatte, frag te der Jngenieur zu Fort Kearney den Arapohoehäuptling, ob er nicht Lust habe, ein wenig mit seinem Freunde, dem Siouxhäuptling, in Fort Laranni zu plaudem Der Jndianer stellte eine Frage und sein entfernter Freund, der Sioux, antwortete. Dann wurde die Unterhaltung lebhaft, und Fragen und Antworten flogen hin und her. Natürlich waren beide Häuptlinge au ßer sich vor Erstaunen; aber sie forsch ten nicht nach einer Erklärung des Wunders-, sondern nahmen die Ver sicherung des Telegraphisten aui beiden Forts, daß derTelegraph das»-Sprach rohr Manitous, des großen Geistes,« sei, mit gläubigem Vertrauen aus. Zum Schluß ließ man die beiden Häuptlinge sich gegenseitig eint-adm, sich aus der Hälfte des Weges zwi schen beiden Forts zu tressen. Die Häuptlinge ritten jeder 250 Meilen. trasen und über-zeugten sich nun durch persönliche Aussprache, daß es mit der Unterredung, die sie in einer Entfer nung von 500 Meilen miteinander ge habt hatten, seine volle Richtigkeit ha be. Alsbald wurde die wunderbare Mär vom »Sprachrohr Manitou5", dem Telegraphen, unter allen India nerstämmen bekannt. Dies hatte zur Folge, daß von da ab Telegraphens stangen, Drähte, Apparate sowie Sta tionen in den Augen der Jndianer site heilig gehalten wurden und unberührt Tbliebem Frau Chadwick will die »Geschichte ihres Lebens-« veröffentlichem »Soll und kein Haben« wäre ein schöner Ti tel dasur. » M li· II O, streute jeder in das Leben « Des andern eine Blume ""nur, Dann wurde manche Rohenspur s. Dies Dasein freundlich been-liest