Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, December 30, 1904, Sweiter Theil., Image 13

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    Ver Brief als Verräther.
Nobellette von Le on Fet tier.
Illsr Manger war bei der Post
tu esiellt. Er war nicht etwa Brief
tr« er, er war auch nicht etwa an den
ltern mit Absertigung des Pu
blikums beschäft« t oder arbeitete in
Im Boreas-T —r war Bahnpostbe
Unter. Und der Dienst ist nicht
leicht. Denn auf jeder Station kom
men die gefüllten Briesföete, die rasch
sortirt und zur Weiterbesörderung
gesichtet werden müssen.
Alsred Manger war noch ein jun
ger Mann, der das Leben muthig
auffaßte und bei der Arbeit nicht
säumte. Freilich, ein bischen schwer
arn ihm der Dienst jetzt an: aber
nicht das Verlangen nach Ruhe war
die Veranlassung dazu. Er war erst
seit weni en Monaten verheirathet;
ein reizen es, junges Weib war sein,
hübsch und klug und lustig, vielleicht
ein bischen totett, aber sie war ja noch
so ji«-K gerade erst neunzehn Jahre!
unundda...wäre ereben
gern daheim geblieben.
2·
Alsred Manger hatte Dienst. Er
war schon vierundzwanzig Stunden
unterwegs, mit dem Kurierzug der
über hannover die Verbindung von
Blerlin nach den Rheinlanden vermit
te t.
Ein Hausen Briese lag vor Alsred,
als plöklich ein Couvert seine Auf
merksamkeit erregte. Es war ein gro
bes, viereckiges Couvert, mit hellgrii
wen schottischen Carreaumuster . . .
nau so wie dieCouverts, welche seine
rau benuhte und die so wenig im
andel begehrt waren, daß FrauMan
ger sie nur in einem ganz bestimmten
Geschäft bekam.
Ein merkwürdiger Zufall! Und Al
Lgd Manger hätte wohl gar keinen
erth weiter darauf gelegt, wenn er
nicht die Adresse hätte lesen müssen . . .
Was war das! Alles verschwamm
vor seinen Augen . . . die Handschrift
die langte er ja! Diese kleinen,
seinen, schnör ligen Schriftziige, die so
anz den leichten, lustigen Charakter
feiner kleinen, lieben Frau, seiner An
nie verriethen! Das ware ihre Hand
schrift! Der Stempel aus der Marle
lautete »Berlin, Postamt 47!« gerade
einer Wohnung gegenüber, und als
dresse stand da:
Herrn Voß
Hannover-Linden, e·’5undstr. 19.
Alsred Manger war lein eifersiichti
ger«Mann, er vertraute seiner Frau
voll und ganz, und noch niemals wäh
rend seiner häusigen Abwesenheit hatte
er auch nur mit einem Gedanken ihre
Treue bezweifelt. Aber nun! Wer an
seiner Stelle wäre da wohl ruhig ge
blieben! Alles stimmte: die Form des
CouoertT die Art des Papiers, die
Handschrift, das Postamt, ja sogar die
Tinte, eine violette, glänzende Tinte,
die Annie auch in derselben Papier
handlung nahm! Ja selbst der Name
Voß, der da auf dem Papier stand,
war ihm nicht fremd.
Vergeblich sann und sann Alsred
Manger, wann und bei welcher Gele
enheit er den Namen schon gehört
satte.» von seiner Frau hatte aus-—
prechen hören! «
Das Blut be ann dem Manne vor
den Ohren zu sausen, es war, als
müßten ihm die Sinne schwinden, und
wie gebannt starrten seine Augen
schreckhast gewettet aus den Brief vor
ihm, den Brief, der vielleicht dass Ge
heimniß seines Unglücks barg. Er war
seiner selbst kaum noch mächtig, alles
drehte sich im Kreise um ihn.
»Manger, was ist Jhnen denn?
Sind Sie trank-» fragte der mit ihm
zusammenarbeitende Kollege.
Alsred suhr sich mit der Hand über
die Stirn, aus der große Perlen talten
Schweißes standen; er machte statt
aller Antwort nur eine verneinende
Bewegung und beugte sich wieder über
die Briese, unter die er den von seiner
Frau geschoben hatte.
Aber die Buchstaben tanzten ihm
vor den Augen. Er mußte seine Arbeit
ruhen lassen. Doch instinktiv hatten
gch seine Finger um den unheilvollen
rief gekrampst, als wenn er ihn nicht
Ins den Augen lassen, nicht sortgeben
onn e.
Und doch war es seine Pflicht. Seine
Pflicht als Beamter gebot es ihm, den
Brief in den ihm zulommenden Schal
ter zu legen» . und that er es, so
half er vielleicht zu dem Nendezvous,
das seine Frau da heimlich, als treu
loses Weib, vorbereitete . . . ja! Seine
Pflicht gebot es ihm, den Brief zg be
fördern» . aber Alfred Manger war
auch nur ein Mensch... die Kraft
versagte ihm . . . wie im Fieber schau
erte er zusammen, der Brief brannte
in feiner Hand . . . und dann schob ihn
die zitternde Hand in die Rockiasche.
Da mit einem Mal, nachdem er sich
dieser Pflichtverletzung schuldig ge
macht hatte, kam es wie eine Art Ruhe
«ber Wangen Freilich, ganz hatte er
ich nicht in der Gewalt und der Kol
lege sagte freundlich:
Osten Sie mal, lieber Manger,
Sie sollten sich wirllich nicht solchen
Zwang auflegen, man sieht’s ja, daß
Sie nicht wohl sind. Lassen Siesich
doch beurlauben, ich werde schon allein
durchlommen.«
Al red protestirtr. Es würde schon
voril ergehen . . . «
Und der Zu sto pte in Hannoven
Fünfundzwanzg inuten war dort
usenthali . . . unter dem Verwand,
etwas u genießen, verließ Manger
den P asen . . . in Wirllichleit trieb
es ihn, nur allein zu sein . . . er mußte
allein sein, nachdenken . . . überlegen.
Z. "
Als hätte er einen Diebstahl began
gen, so hastete der junge Mann aus
dem’Bahnhossgebäude ins Freie.
Nun ja! Er hatte ja auch gestohlen!
Den Bries hatte er gestohlen und
seine-Gedanken suchten das treulose
Weib und suchten sich an den anderen,
an ,,ihn« zu erinnern . « aber vergeb
lich. .. Manger wurde sich nicht klar,
wo und wann er von diesem Voß
schon gehört hatte
Und da mit einem Mal hielt er es
nicht länger aus. Als er sich allein
sah, da zog er den Brief aus der Ta
sche, ris; ihn auf und las.
Da stand es! Schwarz aus Weiß
stand da sein Unglück:
Mein Liebling!
an aller Eile nur zwei Worte. Es
bleibt also dabei: ich erwarte Dich
sehnsüchtig Mittwoch Abends um sechs
Uhr. Jch hole Dich vorn Bahnhos ab.
Tausend Küsse von
Deiner Annie.
P. S. Die bewußte Adresse ist:
Herr . . ., Berlin SO 83, Z . . . str.
Das genügt Dir wohl?'«
,,Mittwoch Abends um sechs Uhr,«
das war am nächsten Tag und Alsred
war bis Donnerstag unterwegs. Da
rum hatte das schlaue Weib also den
Mittwoch gewählt!
Doch was nutzte alle Erregung, alle
Wuthi Gehandelt mußte werden!
Und Mangers Plan war bald ge
faßt. Er ging in seinen Postwagen
zurück, er nahm den Dienst wieder aus,
aber vorher wandte er sich an den Sta
tionsvorgesetzten mit dem Ersuchen,
möglichst bald nach Berlin zurückkeh
ren zu diirsen. -
Alles, was ihm gewährt werden
konnte, war eine vierundzwanzigstün
dige Abkürzung seines Dienstes, also
eiti Urlaub, der am Mittwoch Abend
begann.
P s II
Und eine halbe Stunde nach dem
Zug, der seinen Nebenbuhler zum
Potsdamer Bahnhos geführt, trafAl
sred Manger selbst dort ein. Zum
Rendez-vous kam er zu spät.
Aber das war ihm auch gleichgiltig!
Jn seinen eigenen vier Wänden
wollte er sie überraschen.
Jn seinem eigenen Heim?.·. Und
wenn die Frau nun gar nicht da war?
Wo würde sie sein... wo wollte
er sie absassen? . . .
Eiligst schlug Alsred Manger den
Weg zu seiner Wohnung ein... Bei
jedem Schritt wuchs seine Angst, seine
Unruhe. Für Augenblicke überkam ihn
die Wuth und gab ihm die wildesten
Rachegedanken ein . . . er wollte einen
Revolver kausen . .. er wollte die Po
lizei in Anspruch nehmen . » er wollte
im Haus selbst Liirm schlagen . . . alle
diese Gedanken jagten wild durch sein
Dirn.
Mit einer gewaltigen Willensan
strengung gelang es ihm, sich zur
Ruhe zu zwingen, als er vor seinem
Hause stand.
Panz leise ging er die Treppe hin
au
Aus dem Flur vor seiner Thiir
lauschte er: nichts... alles still...
Vorsichtig, ganz vorsichtig stectt er
den Schlüssel ins Schloß, dreht um,
öffnet und . . .
Ein Schrei der Ueberraschung
schlägt ihm entgegen: seine junge Frau
stößt ihn aus . . . sie ist ganz sassungs
los . . .
Das Schuldbewusztsein war es!
Und als sie ihm um den Hals sallen
wollte, da wehrte er sie ab...
»Alsred, was hast du denn?« ries
die junge Frau. »Bist du krank? . . .
Du machst ja ein ganz komisches Ge
sicht . . . so hab’ ich dich noch nie ge
sehen!«
Und Angst, Unruhe, Bestiirzung
stehen deutlich in Annies Augen.
Alsred sieht sich rasch und miß
trauisch in der kleinen Wohnung um . .
Nichts . .. alles in Ordnung . . .
alles wie immer . . .
Und das junge Weib müht sich be
sorgt um den Gatten:
»Sag doch, was sehlt dir denn? . . .
Was b st du denn so eigenthümlich . . .
so kenne ich dich gar nicht . . .«
Alsred will Klarheit, will Gewiß
heit! . . »Ich habe furchtbare Schmer
zen . .. muß mich aus-ruhen . . sagte
er sast unverständlich und geht in das
Schlaszimmer . . . auch dort nichts . . .
aus den ersten Blick nichts . .. aber er
will nachsehen, will suchen . ..
Und da die junge Frau ihm angst
voll bis in das Schlaszimmer gefolgt
war, so gab Alsred ihr, um freie and
zu haben, den Austrag, aus der po
thete etwas sür ihn zu holen.
Nun war er allein.
Und rathlos stander da. Er wurde
an sich selbst irre. .. überall hatte er
Musterung gehalten... nichts, gar
nichts Berdachtiges... und da hörte
er sie auch schon hastig wieder die
Treppe heraustonunen». da... jetzt
.. . was war das?... Jetzt sprach sie
leise mit-jemand
Mit einem Ruck riß Alsred die
Thiir aus. »
Die Flurnachbarin steht da mit
seiner Frau zusammen.
»Ach, guten Tag, Herr Manger, Sie
können mir als Postbeamter gewiß
einen Rath geben . . . Jhre liebe Frau
meint eben, ich solle mich an Sie wen
den. .. ich bin, wie Sie wohl wissen,
Frau Voß . . . ich habe mir vorgestern
die hand verbrannt und da ist Jhre
liebe Frau so freundlich gewesen, sür
mich an meinen Mann zu schreiben.
Bosz ist vor einer halben Stunde von
der Reise zurückgekommen, den Brief
hatte er aber nicht empfangen! . . .
Was kann ich da toohl thun? Der
Brief enthielt auch eine Adresse von
einem Kunden... undi habe den
Zettel mit der Adresse ver oren, wenn
wir den Brief nicht wiederbekommen,
muß mein Mann erst an Bekannte
deswegen schreiben...«
»Ja, liebe Frau Buß, das thun Sie
nur . . . ein Brief lann wohl mal ver
loren gehen . . . sich —zwischensehieben.«
Alfred ertheilte den Rath mit zittern
der Stimme . ..
Die Nachbarin verschwand in ihrer
Wohnung: das Ehepaar Manger that
ein gleiches . ..
Alfred aber schlang den Arm um
seine junge Frau und küßte sie zärt
lich ohne ein Wort zu sprechen.
si· si- di·
Und in dem Glücksgefühl, das ihn
überlant, ließ er sich ganz gehorsam
als Kranler behandeln, und die junge
Frau war nicht wenig stolz, daß unter
den von ihr angewandten Mitteln das
böse Leiden sobald überwunden und
der Gatte wieder genesen war.
.-—--.
Ein statuten-Stückchen.
Seit dem Beginn des russisch-japa
nischen Krieges ist das früher einmal
sehr rege gewesen, später allerdings
mehr und mehr erloschene Interesse an
dem K«osaken- oder richtiger Kosaken
Volke und seiner verwegenen Reitkunst
wieder wachgeworden. Es dürfte da
bei auch angebracht sein, der hohen
Vollkommenheit der iosakischen Pfer
dedressur zu gedenken. Als Beispiel
sei hier-ein von einem Deutschen selbst
erlebtes Kunststückchen wiedergegeben:
»Es war in den Jahren 1877—-78
zur Zeit des russisch-tiirlischen Krie
ges. Die rufsischen Armeen überflu
theten San Stefano, die kleine, am
Marmarameer gelegene Vorstadt von
Konstantinopei. Damals noch nicht
mit der Hauptstadt durch eine Eisen
bahn verbunden, mußten wir daselbst
wohnende Kaufleute zu Wagen oder
zu Pferde unsern Verkehr mit Stam
bul bewerkstelligen, da es uns meist an
Muth gebrach, mit den aus den Pol
stern der öffentlichen Tramweh her
umspazierenden, zahllosen kleinen
Thierchen den Kampf auszunehmen.
So ritt ich denn auch einmal wieder
mit einigen Berufs-genossen gen Kon
stantinopel. Es war an einem Tür
kensonntag, d. h. am Freitag. Plötz
lich blieb mein Pferd stehen. Ich
schnalzte mit der Zunge, gab ihm ein
paar leichte Hiebe — nichts zu machen:
Das Pferd hatte offenbar einen Neu
gierdeanfall! Jch schaute umher und
erblickte richtig einen dichten Men
schenhaufen. ,,Charilao,« sagte ich zu
meinem griechischen Freunde, »laß uns
hinüberreiten und sehen, welche inter
essante Geschichte das Thier wieder
wittert.«
Der fidele Grieche war es zufrie
den, die andern desgleichen, und wir
sprengten alle sechs hinüber und
zwängten unsere Pferde durch die
Menschenmenge. Bald befanden wir
uns in einem von russischen Soldaten
und anderem Volk gebildeten Kreise,
in dessen Mitte ich einen heulenden
und tlagenden Kosaken auf den Knieen
vor einem todten Pferde liegen sah.
Der arme Kerl schluchzte wie ein Kind
und jammerte unaufhörlich iiber sei
nen krepirten Gaul. Er tüßte ihn auf
die Stirn und flüsterte ihm die zärt
lichsten Worte zu, wie sie nur ein
Verliebter sich aus-denken kann; flü
sterte aber nach und nach so laut, daß
alle Umstebenden es hören konnten:
»Mein Süßes-, mein Geliebtes, wo bist
du hin! stönnte ich doch mit dir, du
warst mir alles, meine Heimaih, meine
einzige Liebe, und nun bist du mir
ewig verloren! O und ein neues Pferd
kostet so viel Geld, und ich habe nichts,
gar nichts; ich bin so arm, so arm!«
schluchzte er herzzerbrechend und rich
tete feine von Thränen gefüllten Au
gen auf uns, so daß wir alle ganz ge
rührt wurden, und meine Freunde und
ich zuerst, dann viele vom Polt nach
der Börse griffen und dem armen Ko
saken reichliche Spenden in die ausge
streckte Hand legten.
Bald hatte er eine erkleckliche
Summe zusammen, küßte dankbar die
Hände der großiniithigen Spender
und kniete noch einmal neben seinem
todten Pferde nieder; dieses Mal, wie
um zu zeigen, daß sein armer Gaul
wirllich unwiederbringlich dahin sei,
zerrte er ihn an den Ohren und am
Schwanze, hob bald die Vorder-, bald
die Hinterbeine in die Höhe, die jedes
mal schlaff und todt wieder herunter
fielen. Endlich bnt er die Menschen,
ihm doch ein wenig Platz zu machen,
damit er seinen todten Liebling weg
bringen könne. Er setzte sich wie um
Abschiede zärtlich noch ein letztes
auf den Rücken seines lieben todten
Gefährten zog eine Pfeife aus der
Tasche, that einen schrillen Pfiff —
und im Nu sausten Roß und Reiter
mit der Geschwindigkeit des abgeschaf
senen Pfeile-Z auf dein freigemachten
Platz mitten durch die verblüffte, laut
auffchreiende Menge hindurch. Manche
Türken versuchten ihn zwar einzu
holen, indem sie hinter ihm herliefen
und schrieen: Thut thut! Chrsisl Küs
clek! Giaur! HFangh fangt ihn! Dieb!
Hund! Unglaubiger Hund!) Aber sie
lehrten fluchend und underrichteters
Sache wieder zurück. Dann zogen wir s
auch mit erleichterten Börsen unseren .
We weiter; aber lachen mußten wir
do über dieses gelungene Cirkusstürl
: chen eines geriebenen Koiaken
Die Granate.
Slizze von Julia Bueren - Hahn.
I Als ich aus der Kriegsschule
J(Saint-Chr) war, frühstiickte ich öfter
bei meinem Onkel von Ralles. Er
war ein großer, schlanker Mann,
on ein wenig grau, von militäri
chem Aeuszern, der nur wenig sprach.
åSeit er seinen Abschied als Artillerie
sHauptmann genommen hatte, lebte
er ruhig und zurückgezogen. Er ver
Lbrachte seine Tage in ernstem Stu
dium und schien nicht allein eine Be
schäftigung, sondern wohl mehr Ver
gessen zu suchen. Vergessen ein-er
furchtbaren Erinnerung, die sein Ge
mütl) zu quälen schien Vergessen
einer unendlichen Traurigkeit, die von
Zeit zu Zeit seinen Blick verdunkelte.
Jn solchen Momenten richtete sein
Auge sich mit starrem Ausdruck auf
ein Stück von einer Granate, das aus
seinem Schreibtisch, zwischen dem
Tintenfaß und dem Briefständer, lag
und als Briefbeschwerer diente
Eines Sonntags, als ich mit inei
nem Onkel gefriihsktiickt hatte und ihn
besser als sonst aufgelegt fand, wagte
ich ihn zu fragen, was diese ,,Nipp
sache« bedeute.
Dies Wort entlockte ihm ein Lä
cheln, ———- aber es war ein unsäglich
trauriges Lächeln, — und er antwor
tete mir:
. »Diese Nippsache, wie du sagst,
imein Junge, würde sich schlecht in
idem Boudoir einer hübschen, jungen
Frau ausnehmen. Es ist sein entsetz
sliches Schmuckstiick!... Einige Se
ltunden, nachdem es abgeseuert war,
hatte es meinen besten Freund getöd
»tet, und ich hatte »Feuer« komman
dirt.«
Seine Stimme war rauh geworden
Find zitterte merklich. Dann fuhr er
ort:
»Höre, mein Junge. Dieser Gar-«
natsplitter, den du da vor dir siehst, »
. war der Grund, der mich plötzlich aus
»der Armee stieß und mich veranlaßt!
hat, daß ich heute nur noch an meine
lustige Regimentszeit wie an ein ent-l
setzlich-es Alpdrücken zurückdente. Am;
126. Juni 1888., —— und mein OnkelJ
’zeigte mir das Datum eingravirt aufs
dem Granatsplitter —- riickte ich Mor
gens bei Tagesanbruch mit meiner
Batterie aus, um eine Schießiibung
abzuhalten. An jenem Tage wurde
auf Kopf- und Brustscheibe geschossen.
Das Schießen ging ohne Zwischenfall
vor sich, und nachdem die Geschütze
geleert waren, ritt ich im Galopp zu
den Ständen, um das Resultat zu
konstatiren· Hinter der ersten Scheibe,
die 1 20 Meter hoch war, fand ich un
ter seinem Pferde liegend meinen
Freund, den Hauptmann von ErcuiL
den die Granate meiner Batterie ge
tödtet hatte.
Neben seinem mit Blut überström
ten Körper lagen diese einzelnen Blät
ter, welche er in Erwartung des kom
menden Todes beschrieben hatte. Ders
Tod mußte schnell erfolgt sein, denn
die Kugel hatte ihn mitten in die
Brust getroffen.
i Ein schreckliches Verhängnisz hatte»
aus mir den Mörder meines liebsten’
Kameraden gemacht Mein Schmerz
iwar grenzenlos, ich lonnte nicht ein
imal weinen! -—— Damals war ich dein
sWahnsinn nahe .. .Als ich in meinl
Zelt zurückgekehrt war, blieb ich stun
denlang, ohne einen klaren Gedanken
’fassen zu können. Jch war in einer(
traurigen Gemiithsverfassung Zu
fällig faßte ich in meine Tasche und
fand diese Blätter die neben dem
Leichnam meines Freundes gelegen
hatten. Jch habe sie gelesen und bit
terlich geweint Das rettete mich
vor dem Wahnsinn! — Und doch.
wäre er nicht diesen immerwährenden
Vorwürsen, die mich Tag und Nacht
quälen, vorzuziehen gewesen?
Am anderen-Morgen bat ich um
meinen Abschied, und ich habe die
Unisorm zum letzten Male an dem
Tage getragen, an welchem ich die
sterbliche Hülle meines Freundes mit
zu Grabe getragen habe.
Da, mein Junge, lies, was auf die
sen Blättern geschrieben steht, Und
möchte ein gütiges Geschick dich vor
solchem Leid bewahren, wie es dein
alter Onkel täglich, ja stündlich durch
lostet.«
Mit zitternd-er Hand nahm ich die
Blätter, die mein Onkel mir reichte, in
Empfang und las Folgendes: "
,,.... Jch finde in meiner Tasche
einige Notizbuchblätter und einen
Bleistist. Gott sei Dankt Jeht kann
ich meine Gedanken niederschreiben. —
HDie Zeit vergeht so schneller! —Mein
;Gott, dieser dumme Sturz! — Wa
rum mußte ich auch iiber die Mauer
setzen, ohne zu wissen, weis dahinter
verborgen? — Meine arme Stum
Sie stürzte beim Sprung in ein mit
Granaten gestilltes Loch und hat sich
den Hals gebrochen. Sich habe das
rechte Bein verletzt und liege unter
meinem Pferde. Es ist mir unmög
lich, mich zu rühren. —- Hinier diesem
Schießstand muß ich liegen bleiben,
bis man mich findet und mich auf
hebt, — höchst wahrscheinlich bis
morgen früh, denn es ist, Schieß
übung angesagt. Uebrigens habe ich
keine zu großen Schmerzen mehr, die
Nacht wird aber dennoch unangenehm
werden; aber ein Soldat beißt die
Zähne zusammen und hält aus« hält
aus. Es ist nicht die erste und auch
nicht die letzte Nacht, die ich im Freien
zubringe! ——«
»... Mit meinem Messer habe ich
ein Loch in die Leinwand geschnitten.
Jetzt habe ich ein Fensterchen und
kann weit, weit in die Ebene hinaus
sehen.« "
,,..» Jch höre den Iapfenstreich
blasen; wie deutlich der Klang mein
Ohr trifft. Es fängt an, dunkel zu
werden; bald wird die Nacht vollstän
dig hereingebrochen sein.«
,,.. Werde ich schlafen können? . . .«
»... Die Morgenröthel — Der
frische Wind hat mich geweckt. Mich
friert . Jch leide . . . Meine Glie
der sind von dem Liegen auf dem har
ten Boden ganz steif geworden. Gott
sei gedankt. Jn fünf Minuten wird
die Patrouille kommen und mich von
meinen Qualen befreien. Meine Ka
meraden und mein Bursche werden
sich in schöner Unruhe befinden!
»Wie ist es nur möglich, daß sich
die Patrouille so verspätet? Will man
vielleicht so auf die Scheiben schie
ßen, wie sie sind? Nein! —- Das ist
unmöglich! —- Es wäre mein Tod! —
Nein, sie muß kommen. Jch höre ein
Geräusch von Wagen da sind sie
rechts ....«
,,· . . Nein, es ist keine Patrouille ..
Es wird auch keine kommen!«
»Die Scheiben sind übrigens tadel
los, gewiß sind sie einige Minuten
vor meinem Sturz aufgestellt worden.
Daß ich das noch nicht bemerkt habe!
—— Was nun?.. .«
,,. . .. Jch muß also liegen bleiben,
ohne mich rühren zu können, unsicht
bar hinter dieser Mauer aus Lein
wand! —— Man wird schießen und
mich treffen! —- — Wenn ich mich
nur ein wenig bewegen könnte, mich
zeigen, schreien! Nein, es ist
unmöglich, mein Bein liegt unter der
Stute.«
».... Jetzt fehe ich einen Reiter!
— Jetzt zwei ...drei Es ist ein
Hauptmann der Batterie, die heute
Schießiibung zu machen hat. —- Diese
Silhouette sollte ich doch kennen! . . ..
Gewiß, es ist von Rallcs Mein
bester Freund! Durch dich muß
ich sterben! Welch ein Schick
fal! . . . .« «
,,· . .. von Ralles läßt die Gefchiitze
ausfahren.... Werde ich den Muth
haben, ruhig zu bleiben? Werde ich
bis zum letzten Augenblick schreiben
können, um aufzuzeichnen, was mein
Herz bedrückt? Jch möchte es? Ja.
Das wird das beste sein. Jch will
ruhig sterben, mitthig wie ein echter
Soldat, als fiele ich in der Schlacht
angesichts einer ganzen Armee.«
,,. . .. Jetzt fahren die Geschütze aus.
Sie stehen in Front! —— Jhr schwar
zer Schlund ist auf mich gerichtet . . ..
Geladen, schußbereit! — Der Haupt
mann kommandirt: »Feuer!« — Der
erste Schuß geht los; die Distanz
war zu weit bemessen.
»Dann entladet sich das zweite Ge
schütz. Der Schuß traf zu kurz
Jn wenigen Minuten wird die Ent
fernung genau bemessen sein
und der Schuß wird treffen . . . .«
»O! .Der Tod!. Er scheint
mir bitter! Mein Leben war so
schön .. so reich! ..... Jch sehe
meine Kindheit vor mir meine
arme Mutter .meine geliebte Frau
und meine beiden reizenden Kinder
chen, so hübsch und sein . . . . Morgen
werden sie um den Vater trauern!
Die Kriegsschule mein Regiment,
meine Frau, meine Lieblinge!...«
,,. . . Jetzt ist’s zu Ende, die Schuß
weite ist genau bemessen. Jch werde
sterben . . . . beim nächsten Schuß . . · .
es ist keine Rettung.«
1 Gern Acht
Beten habe ich verlernt und« L.
drängt es sich mir auf die LW
schöne Gebet: ,,Baier unser, deg
bist im Himmel . . . .« « s. -.k«-"
Jetzt verstand ich mit einWck-««
warum die Augen meines Onkeli M
starkem Ausdruck auf dem Granaiss
ftück haften blieb« und sich vers-·
fchleierten .»
Es war der Sch Y, der ihm vors-,
der Seele in’s Aug ,·«t-eg... .
Französisch - eanadische Ost
knuæo « -
Manche AmerikanerZ welche ihre
Sommer-frische in Canada, irgendws
am St. Lawrenusstrom z« isehenWom
I treal und dem Golf, verle ten, konnten
auch in der verflossenen Sausen viel
fach Zeugen einer uralten« haus
frauen-Gepslogenheit sein-I die man
sonst im nördlichen Americas wohl nir
gends mehr findet. » .
Die Französisch - Eanndrermnen
hierherum werden in der Meist des
Backens, sowie auch des Flei rostens
von keiner anderen Hausstale , r Welt
übertroffen. Allermeistensnv «.’« «
gen sie das. Backen im Freie ( I
in einem eiförmigen, ung —
Eslimo-Hiitte erinnernderz — O »F
Steinen und Lehm. Dies-Bau
genau dieselben, wie die ersten T
fünf Fuß hoch, der eigentliche O s-:«.
theil aber nur etwa we"
letzterem wird ein tüchztiges
macht und dann wird in dem « ·;
bau das Backwerk eingeschoben.
dieser Oesen sind weit älter. als k»
Menschenkinder, welche um sie hernsi
wohnen; sie stammen noch ans dik
ersten Jndianer- und Betst-iean
tagen, leisten aber noch immer vorzii
liche Dienste.
-——-—-·-O-f-s-O—
Der Züricher Schuster und de
Zar.
Der russisch-japanische Krieg scheir
in eine neue Phase seiner Entwicklun
treten zu wollen: Ein biederer Schul
machermeisier aus Zürich hat den h
s roischen Entschluß gefaßt, sich einzi
mischen und als ehrlicher Mutter d
Frieden zwischen Europa und Asis
herbeizuführen Der gute Mai
weiß, wo Rußland der Schuh driicl
er hielt es daher für das besie, (
lden Zaren einen langen Brief i
schönsten Schweizerdeutsch zu schreib
und ihn höflich, aber dringend zu e
’suchen, die Mobilmachung einzustelle
Es sei schade um das schöne Geld, do
Idabei verthan werde, zumal wer
) man bedenke-, wie mit diesem Gelde d«
szilinhandwerh besonders die Schust
»rei, unterstützt werden könnte. E
Hqu Himmel schreiendes Unrecht s
.es, daß man so viele Menschen- ge
einer solchen Satidquth wie es
rem Vernehmen nach die Mund n «
sei, umkommen lasse, und dersk
sollte in seiner gesicherien Position» "
Erwägung ziehen, daß jeder SQWQ
sozusagen auch eine Mutter hat. Dei
friedliebende Schuster aus iiriå
wundeit sich sehr, daß der Zar iesel
Brief, der schon vor einigen Wochesx
abgegangen ist, bis jetzt nicht beant?
loortet hat, obwohl das Schreibei
ganz richtig: »An den Zaren Nikolau!
m Petersburg Rußland" adresftr
und mit einer Freimarke beklebt war
Der rechte Kandidat. ,
Jm »Rockenhausener Tageblattjjs
findet sich, wie aus Ludwigshaferfs
(Pfalz) gemeldet wird, die folgen
Anzeige: »Aus zur Wahl! Wählt
wählt einstimmig Herrn Jakob Gie
denn derselbe gibt Folgendes nm B
sten: 600 Liter Wein, 8 Re Köcke, -
Fasanen und UHasen Solche Leu
müssen in den Gemeindevåth,.denn
sorgen auch fiir den NaÆfMF »
Viirger.« « -
.- ——
Zier-streut K IS
; Frau Professor: ,,Christi oNe
iKüche sitzt schon eine JStunI
Soldat. « "
Professor: »Der muß hal «
sitzen « «
s Aus der Sehnt-k
Lehrer: »Sag’ mir, Fritzchech
haben wir für Cokonien?« «
Fritzchen (mit freudiger Hast):
riencolonien, Herr Lehrer!«
Backfisch - Schwäcmerei. z. "
»Ach, Eise, der neue Tenor ist :
entzückend! Und eine Stimme hat
wie Schlagsahne!« "«
Ob er Recht hat?
-. » »se- ssw ·-"
d IYOlgm »Dente Dir, Onkel, der Papa will nicht zugeben, daß Ellen den Lientenant heirathet; ek- « "
Umm '
Onkel: »Na, ich finde, er ist ein netter Menschl«
Olam »Ja, uns will er fchpn ohne Mitgift l)eimthenl« ,
Onkel: »Für so dumm hätte ich ihn allerdings nicht gehaltenl« ;
, .,z«;.-IL»2"-c«, . «