Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, December 23, 1904, Sweiter Theil., Image 10

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    DREI-ch
Roman von csharing von Yosektitz.
(11. Fortsetzung)
»Ja so!« Salester strich sich über
die breite Stirn. »Die Hochzeit! Nun
jedes Ding hat seine zwei Seiten. Jhr
Herr Vater ist noch so jugendfrisch!
ZI wollte nur, er ließe meinen armen
ngen nicht so unnöthig lange zap
peln. Das hat beinahe etwas Ver
lekndes siir mich. —- Schon gut!«
fu r er fort, als Willh einen Einwurfw
machen wogte. »Lassen wir’s ruhen!
Kommt Zeit, kommt Rath! Auch da!
Man hat den Kopf jetzt mehr wie voll.
n Sie morgen eine Stunde Zeit
f r mich, Assessor? Wir müssen noch
Verschiedene-; besprechen. Nur jetzt
nicht —- es geht mir wie ein Mühlrad
im Schädel herum ———«
Salester hatte noch lange in seinem
Privattontor zn arbeiten. Als er end
lich in der Dämmerungsstunde heim
suhr, saß er mit geschlossenen Augen
in der Ecke des C-oupes, wie auf den
Tod ermüdet.
Jin Frieden seines Hauses schüttelte
der eisenstarte Mann derartige An
wandlungen sonst spielend ab. »Nu
venabspamiungen?« sagte er wohl
bisweilen. »Ich glau e überhaupt
ni? an Nerven.«
insilbig saß er heute bei Tisch sei
ner Frau gegenüber, aß sehr hastig,
stürzte gegen seine Art schnell hinter
einander einige Gläser Bordeaux
hnunter, stand so bald als möglich aus
Imd ging in sein Arbeitszimmer.
« Den besorgten Augen der Frau war
sein verändertes Verhalten nicht ent
Ritzen Vergeblich hatte sie einige
a versucht, ihn in ein Gespräch zu
Mwickelnx er brach stets kurz ab. .
Als sie nun hörte, wie er in seinem »
Zimmer rastlos aus und nieder ging,
mit seinen schweren Schritten, deren
Wucht selbst der weichste Teppich nicht
n "rbar machte, schlich sie ihm nach
r hörte ihr Eintreten gar nicht.
Erst als er sich umwandte, bemerkte er
an der Thitepsoste, blieb stehen und
agte unwirsch: »Was soll’s noch,
·kgtvie?' .· · , . i
Sie ttat vlmt zu iym gerun, regte
sden Arm zärtlich um seine Schulter,
blickte ihm prüfend ins Auge. »Ich
sorge mich um dich, Karl ——« sagte sie J
mit ihrer weichen Stimme.
»Unsinn -- !" Er wollte aufbau
sen. Aber der Mann von Stahl und
Eisen wurde immer weich, wenn er
aus das blonde Haupt der kleinen
Pan hi bsah. Er verstummte, beugte
. un küßte sie aus die Stirn. »Es
ist nichts-. Sei nicht wunderlich, Vir
grnte ——«
»Du hast Aerger gehabt! Du hast
Sorgen!"
»Aerger? Nun ja! Kleine Nabel
·che, von tbörichten Menschen ausge
heilt. Das Tät vorüber, man sollte
es gar nicht chten. Sorgen? Nicht
mehr, wie immer. Leben ist Kämpfen.
Das weißt du ja. Aber ich bin noch
bunter Sieger geblieben.«
Er hatte seine Wanderung wieder
ausgenommen. Sie hing sich in sei
ten Arm. Wunderlich, wie gut die
e kleine Frau mit dem Riesen
ritt halten tonnte.
ie wußte, er liebte es so gar nicht,
wenn sie von dem Geschäft sprach.
Mußte, daß ein nicht geringer Theil
der großen Gewalt, die sie über ihn
ansiibte, nicht zuletzt daraus beruhte,
daß sie im eigenen Hause dem rastlos
Thätigen gleichsam ein stilles Asyl
schuf, an das die Wogen der Aussen
weit nur von fern anbranden durften.
te konnte sie nicht anders, sie
Inn te weitetsragen.
»Ist es mit Baldin? Du weißt, ich
treue ihm nicht«
»Ba!din!« Er lachte. »Baldin ist
ein We . Er hält sich siir ein
Hohes Lcht und ist doch nur ein
auchbsrm geriebener Faiseur. Pah
er muß thun. was ich ihm diktire.«
.Du83u ihn nur nicht unterschätzt,
Karl. habe ost Sorge, du traust
M zu seh «
r.
, Etat-. bitte, das sind Frauenanti
, Its-eu! "Richts weiter. Nein s
-»— W Sorgen liegen aus ganz ande
M " « Die kommende Zeit fürchte
II ich’3 auch vor mir selbst ver
" It M mschtdc
»Die kommende Heu-r
»Ja! Jch habe an ein längeres An
dauern der Konjunktur geglaubt Fel
senfeft All’ meine Pläne hab’ ich da
ran aufgebaut Und nun fühle ich —
infänkttv —, daß ein Gewitter naht.
So wie der Krieger wohl an alten
Narben den Wettetumschlag im Vor
aus bemerkt Siehst du, Virginie —
das Gewitter an si fürchte ich auch
nicht. Aber die Fei it der Menschen
vor ihm —- verste vu michs-«
Sie nickte eifrig. »Den Zusammen
brach des Vetteauens meinst du?«
»Das ist es. Und heute hatte ich
einen Barthen davon. Jkgend ein
Ratt, der seine Zwei el, seine Zaghaf
tägkeit an recht unpa endet Stelle vor
itsthtr. Nun —- ich bin heute noch
mit ihm ferti geworden. Leichfen als
ich zuerst te. Aber es werden an
dere kommen. Und man wird mich
W its-m verstehen, wenn ich ihnen
Its-Ufe- .6lauben müßt ihr an mich,
— Ism- w mit mit siegen westl« Das
jfx III mir in den Gliedern steckt.«
II Ist is selten, das er sich aus-i »
sprach wie heute. Fast machte sie es
noch besorgter, daß er es that. »Du
wagst viel — ich weiß es, Karl ——«
sagte sie zaghaft.
Er bog aus der Mitte des großen
Raumes nach der Fensterseite ein und
blieb vor der geöffneten Thür der Ve
randa stehen.
Eine Weile fah er schweigend auf
»den Vorgarten hinaus, der im ersten
fpärlichen Frühlingsgrün lag.
Sie laubte schon, et wolle über
haupt nicht antworten. Doch da sprach
er plöylich: »Ganz recht, Birginie. Jch
wage viel. Viele swürden meinen: zu
viel. Aber das liegt in meiner Na
tur. Jch lspann nicht anders —« ,
Wieder unterbrach er sich, um dann,
nun mit dem alten spöttischen Lächeln
um die derben, vollen Lippen, fortzu
fahrem »Erinnerft du dich, wie wir
in Monte Carlo waren, wo jth die
schön-e Frau Paula von nebenan ihre
Künste treibt, und wie kalt mich das
ganze Jeu ließ! Es kam mir so dumm
vor, das Glück auf diese Art zwingen
zu wollen. So läppisch, diese Jagd
dort nach dem elenden Gelde. Für die
Art des Wagens habe ich gar kein
Vetstiindniß, solch Gewinn würde mir
nie Freude machen. Aber auf meine
Art das Glück zu zwingen: mit klu
ger Berechnung und mit kühnem Wa
gen nnd mit eiferner Ausdauer — das
zieht mich! Das packt mich, spornt
mich, hält mich fest, treibt mich vor
wäkts. und das Glück laßt sich so
zwingen —- man muß nur wollen!«
Unten klang die Gartenpfortr.
»Das ist Konrad!« sagte Frau Vir
ginie, und sie traten auf die Veranda
hinaus.
DenSohn sah sie und kam aus sie
zu. Die Sporen klirrten leise. als er
die paar Trepperiftufenheraufsprang
und er sah so fröhlich aus.
u,.Jurige, wo kommst du her? Du
glanzt Ia über das ganze Gesicht- Hast
du irgend ein besonderes Glück ge
habt?« rief ihm der Vater entgegen.
Konrad lachte. »Vom Bahnhof
komme ich. Fräulein von Schotten
reiste ja mit Maria ab und mit Bern
hardine —«
»Und das stimmt dich so froh, du
r uar rich sich den flotten
Schnurrbart.
»Na ja, Papa! Es war schon etwas
dabei, was mich froh machen konnte.
Du verstehst das wohl nicht — aber
Mama sicher —«
- Ueber das Antlitz von Frau Vir
ginie flog das leichte Lächeln, das sie
immer so mädchenhaft erscheinen ließ.
Und ein ganz zartes Roth stieg aus
ihren Wangen auf, als sie ihremMann
zuflüsterte: »Verstehst du’s wirklich
ggktkhskarM Der erste Kuß —- sein
u .«
Zwölftes Kapitel.
Auf der Terrasse vor der Kirche
San Pietro in Moniorio standen sie
und schauten hinab auf die ewige
Stadt.
Seit zwei Monaten Mann und
Frau. Seit sechs Wochen in Rom. Er
neckte dann und wann: »Siehst du
nun ein, Lora, wie gut ich prophezeien
kann?«
Weit, weit hinter ihr lagen ihrem
Erinnern die Bitternisse des-kurzen
Braut-Bandes Sie hatte sie verges
sen,wel sie vergeben wollte» Vergessen
all die kleinen Unarten Hardis, ver
geben auch den trotzi , hochmüthigen
Zug in Willhs Ge chi, mit dem er
ihr Glück gewünscht hatte. Das
mußte überwunden werden, und sie
überwand; denn sie fühlte zu deutlich,
daß sie das Außergewöhnliche ihres
Entschlusses selbst erst rechtfertigen
gis-sie —- bor allem oor seinen Kin
n.
mng aver, oag fuyue ne auch,
würde sie nie vergessen: den liebevollen
Zartsmn und den ruhigen, klugen
Takt, mit dem ihr Mann ihr die
Brücken zu- dem neuen Lebensab
schnitt schlagen half. Als ob eine ei
s gene Gabe, ihrem innersten Wesen so
s verwandt, in ihm sei, Wege zu ebnen,
s auszugleichen -— und auch mit einem
einzigen herzlichen Ausdruck, ohne
Worte, zu trösten, zu heilen, mit einem
stillen Lächeln zu sagen: »Geduld, und
die Klüfte schließen sich von felber.«
Sie war so dankbar. Sie war so
innerlich frei. Sie war glücklich.
Mit Berhardine bahnte sich das
freundschaftliche Verhältniss von ehe
dem schon wieder an. Vielleicht —- sie
fühlte es — von Hart-is Seite mit
kleinen egoistischen Nebengedanken.
Das war erklärlich, war verzeihlich,
und Lora ergriff ja so gern die noch
mit verstohlenem Schmollen dargebo
tene Hand. Eine jii re Schwester
erschien ihr Fardi jetzt, iir die sie mit
denääy für ie sie rathen und thaten
wo .
Gerade sprachen sie von ihr. Heute
Morgen war eine lange konfuse Epi
stel von ihr eingetroffen —- auö Pal
lanzaieiwo dieSäeåitsten IliiiidcheårB Breit
rau n von eneaige o n
kleiden sollten.
Matt-S ed ireeaptmltote ein
paar drolltge das-en des Briefes
s »Der-le nur nicht, , das ich sat
knen Ton-h ver-Ieise · nd rot-M II
l .
! auch —- hier im Grand tel ist ein
; junger Engländer, der sie ihm zum
xBertoechseln ähnlich und mahnt mich
i täglich an ihn. Ein bildhübscher Tun
Ige —- nur trägt er, ich bitt’ ich,
s Röllchen!«
l »Sie ist und bleibt ein Kind« Er
i fah zärtlich seine Frau an: «Wenn«ich
Paäan denke, daß ihr fast gleichaltrig
. ei .«
Lora lachte heiter: »Miichtest Du
mich vielleicht älter haben, Eberhard?
Jch freue mich meiner Jugend. Ja,
bisweilen ist mir, als würde ich ihrer
jetzt erst recht bewußt. Und das danle
ich Ditt« ,
»Aber Lora —«
»Doch! Docht« Sie nickte eifrig.
»Jetzt fühle ich erst, wie schön das Le
ben ist. Jn jeder Stunde. Auch nun
wieder . . .« -
Sie deutete hinunter aus die ewige
Stadt.
»So sieh doch nur: dort die Chpres
sen auf dem Palatin! Die braunen
Riesenmauern des KolosseumsL Drü
ben die feinen, blauen Schwingungen
des Gebirges! Da links die Kuppel
von Sankt Peter! Das gewaltige
Häusermeer im Sonnenlicht —- diese
eradlinigen Dächer und darin
hurm an Thurm — und über dem
allen der blaue Wunderhimmel, klar,
wolkenlos. Ah —- ist dasschön!« «
Noch dichter trat sie an die Mauer
briistung heran und spähte mit ihren
scharfen Augen in die Ferne.
»Manchmal, wenn wir hier oben
sind, denk’ ich, aus Schutt und Asche
müßte vor uns das alte Rom wieder
erstehen. Dann seh’ ich im Geist das
goldene Haus des Nero und die Säu
lenpracht des Forums aufwachsen,
sehe den todten Cäsar in der blutigen
Toga oder den Zirtus mit jubelnd-en
Volksmassen erfüllt oder eine siegrei
che Legion im Triumphzuge . . . Aber
ich fchwatze Alltägliches —- wer sollte
Inn hier nicht das Gleiche empfin
n —«
Er hatte seine Hand in ihrem Arm
gelegt. »Nein, Lorat Glaube mir
. . . die allerwenigsten sehen mit gei
stigem Auge —«
»Und dann wieder das andere!«
fuhr sie fort. »Hier, gerade hinter
uns, die Grabstätte des gekreuzigten
Petrus — das alles dort unten, wie
es jetzt sich breitet, von dem Prunlbau
der Basilika San Paolo fuori le mura
bis zum Vatikan ein Zeugniß für die
Macht seiner Nachfolger! Aber siehst
Du’s . . . ganz hinten noch ein klei
nes Stück von der Fassade des Late
ran. Muß ich da nicht an den armen
Augustinermönch denken, unseren
Doktor Martinus, der dort gläubige-i
Herzens auf schmerzenden Knieen die
Stufen der Scala Santa heraus
tlomm, um dann, heimkehrend, seinen
Wetterstrahl gegen dies selbe Rom zu
schleudernt Und weiter da die gelben
Mauern de Quirinal . . . dass neue
Italien — unere Zeit —«
Ein Betteljunge schob sich zwischen
sie, die bunte Miitzn im Genick, die
braune Hand ausgestreckt: »Pe: gra
zia di dio . . . misericordia, abbia
pieta, bellissima Signora!«
Sie sah ihren Mann bittend an,
und beide lächelten. Er wußte schon:
Vor jeder Aussahrt mußte er sich die
ganze Tasche mit den dicken Kupfer
soldis füllen. Denn sie wollte keinen
Bettler unbeschentt lasset-. Es war
ja Unsinn für einen-alten erfahrenen
Jtalienfahrer, aber es half nichts.
Er warf dem Bengel eine Münze
zu —- aber der streckte Signora gleich
die hand noch einmal hin. Und rich
tig. sie zog ihr kleines Portemonnaie
heraus und gab, was sie gerade sand.
»Du bist doch noch ein Kind -—«
sagte er belustigt.
»Laß mich nur. Jch bin ja so
froh, geben zu können —«
Der Kutscher mahnte: «Wenn die
Herrschaften noch aus den Monte Piu
eio wollen . · "
Das war auch eine kleine Leiden
schaft von ihr, die ihn immer auf’s
neue freute, weil sie ihm so recht als»
Ausfluß ihrer Jugend erschien: Lora
fuhr so gern. Sie sagte auch gan un
befangen: »Weil’s mir was eues
ist — ich weiß wohl. Aber wenn ei
nein zwanzig Jahre lang eine Berliner
Droschle ein Ereigniß war, darf man
sich wohl in einr bequemen, eleganten
Equipage behaglich fühlen«
Durch die Passaggiata Margherita
sihren sie, den neuen Wunderweg
überd en Janilulus, am Riesendent
mal Garibaldi s vorüber Die Mag-·
nolien standen in voller Blüthe, und
die Judasbäume leuchteten ihr Gra
natroth aus dem Grün der Anlagen,
aus Lorbeer und Korneltirschem
Tief unten lag Rom, und jenseits
seiner Mauern und Thürme die Kam
pagna im Frühlingstleide.
Ein weicher wonniger Dusthauch-—
Veilchen —-— Rosen —- Jasmin —
»Ein paar Wochen noch, und wir
müssen Abschied nehmen,« sagte er.
»Vielleicht ist’ö Thorheitx die Aerzte
behaupten ja, jetzt blieben die oberen
Stadttheile sieberfrei Aber man dars
nieht spaßen mit der Malaria. Und
so wollen wir denn lieber aus einige
Zeit nach Frascati ziehen, dort drüben
im Albanergebirge, ehe wir nach Flo
renz geben«
Abschied von Rom! Sprich noch
nicht davon! Sag’5 mir erst am
Abend, ehe wir abreisen mii en. Mir
ist’i ja, als seien wir erst ge ern an
gekommen.«
Ihre· Augen blickten ssezttiziirmeriseh
irrt Weite. Und dann a sie seine
Hand mit leisem Druck
. Der Wagen rollte die Serpentinen
bergab, an Gan Onosrio mbeino
Tasse seine Leiden endete, und durch
sdie Potta di Sau Spitito in das
Borgo, die alte düstere Papststadi.
Ui d so wettet am Tiber entlang un
ter dem massigen Mauern-cis der En
.gelsbutg, die wie ein gewappneter
ärie eet am Stromuk er sieht, dem neu
om zu mit seinen gradlinigen
Höuferfkonten und den sagten schnur
geraven Spekulationsftran
»Die Augen möchte man schließen«
meinte Loka.
; »Ein paar Minuten Geduld nut!«
! Da waren sie auch schon unter der
nachmittäglichen Kotsofluth, die vom
lMonte Pincio nach der Piazza del
iPopolo herabftrömte, auf den schönen
Schlangenwindungen des Weges, mit
den sichi mmet mehr an Umfang und
Schönheit fieigetnden Ausblicken auf
die Stadt.
— .-. .- s« , v
Fast an feoem Sparnachmurag sah
ren sie hier hinauf. Denn Lora konnte
sich nicht sattschauen an den ewig glei
chen, ewig wechselnden Bildern. Rie
senhaft zur Rechten die Kuppel der
Peterskirche und die hohen Mauern
des Vatikans und wieder das für die
Ewigkeit gebaute Grabmal Hadrians
lAuf der hühe des alten Janikulus,
ganz in der Ferne, das gewaltige Rei
terdenkmal Garibaldis. Dazwischen
sdie Stadt. Die flache Kuppel des
s Pantheon gleich einem Gigantenschild.
fDas Kapital . . . die Marc Aurel
;säule, von der sie den Imperator her
iabgestürzt haben, um die Statue des
Apostels Paulus hinaufzusetzen . . .
ein fchmaler Streif blauer Kampagna
. . . die Cypressen aus dem Palatin.
Und dann eine Wendung des We
ges, und das verzauberte Auge ruht
auf den breiten grünen Wipfeln der
Pinien in den weiten Gärten der
Vor hese . . . "
,, iebe Schwärmerin!« sagte er
zärtlich, wenn sie ihm immer neue
Ausrufe des Entzückens zuraunte.
»Sieh nur den Abendhimmel, Eber
hard. Diese violetten Düfte ganz
dort hinten... und wie das wechselt
. . . jetzt hebt sich die Kuppel Michel
angelos fast auf Goldgrund ab...'«
»Die Sonne sinkt. Wir werden
nach Hause fahren müssen, Lora. Da,
die junge Ecclesia militans rüstet sich
auch schon zum heimmarsch.« Er deu
tete auf die kleinen Kolonnen der geist
lichen Seminaristen, die wie allabend
lich ihren Erholungsspaziermarsch
machten. »Die dort mit der violetten
Soutane sind Schotten, Lora . . . aber
in denen drüben können wir Lands
leute begrüßen. Gamberi nennt sie
der Römer: Krebse, weil sie die rothe
Soutane tragen.«
Der Wagen rollte langsam bergab,
in der großen Reihe der Korsofahrer.
Vor der Terasse ließ der Geheimrath
halten« Sie stiegen hier meist auf
einige Minuten aus, um den Wunder
blick über das Häusermeer in größerer
Ruhe zu genießen.
Aber der Wagen hielt taum, als
Lora erstaunt, erschrocken zusammen
uckte. Unwilllürlich griff sie nach
m Arm ihres Mannes. Und da
sah auch er —
Neben ihnen, kaum zwanzigSchritte
entfernt, hielt eine sehr elegante Equi
page. Jm Fand saß, allein, Frau
Baldin . . . am Wagen aber stand
Willy . . .
Er konnte sie nicht sehen, denn er
wandte ihnen den Rücken zu und
sprach eifrig mit der schönen Frau.
Sie hatte den Arm auf den Wagen
schlag gelegt nnd lächelte ihm, unter
dem duftigen Frühlingshut, heiter zu.
Jrn nächsten Moment schon hatte sie
Lora erkannt. Sie slüsterte irgend
ein schnelles Wort, nei te ein wenig
den Kopf wie zum Gru . Willy zog
sofort den hüt, drehte sich um und
schritt, während der Wagen von Frau
Baldin sich in Bewegung setzte, aus
den des Vaters zu.
Lora hatte die erste Ueberraschung
schon überwunden, aber ihre Züge nah
men einen eisigtalten Ausdruck an.
Nichts als ein starkes Empfinden der
Abwehr war im Augenblick in ihr
n diese rau . . . und gegen den
.ann, der ich am Narrensel herum
führen ließ. Und sie wunderte sich
nur, daß ihr Mann gar nicht sonder
lich erregt schien über diese plötzliche
Begegnung.
Willh war doch ein wenig verlegen,
trotzdem er einen möglichst unbefan
enen Ton anzuschlagen suchte: »’n
ag, liebe Lokal Tag, Papa! Vor
einer Stunde bin ich angekommen,
fand in eurem Hotel kein Zimmer frei
und fuhr zum Grund Hotel weiter»
es ist ja nur um die Ecke. Seid ihr
wohl und munter? Ja . . . und so bin
»ich hier hinausgepilgert, und das erste
bekannte Gesicht Ist das von Frau
Baldin. Da konnt’ ich denn gleich die
Grüße ihres Mannes ausrichten und
von seiner Sehnsucht erzählen. Scheint
aber keinen sonderlichen Eindruck ge
Irnacht zu haben.«
»Das kam mir auch so vor,« schob
der Geheimkath trocken ein.
»Kann ich bei-en einen Teller
; Suppe essen, Loka? chön — danke
herzlich! Jch bespreche dann gleich
mit dir, weshalb ich hier bin, lieber
Papa. — Um sieben Uhr . . . vortreff
lich. Dann half ich noch Zeit, mich
ein wenig zu erkobern. Jch bin in
einer Tour durchgesahren und will
morgen wieder zurück. .. Gute Nach
richt von unseren Kleinen, Papa? Ja
...da3"ist ja schön...«
»Willst du nicht einsteigem Willhi«
«Danke sehr. ch habe noch in der
corsostrahe eine letntgkeit zu kargen
Al o aus Wiedersehn um sieben le
Mk die Dank-, Loka. Udd ,
Cpa s O O.
Sie fuhren betgab an der Villa
Medici vorbei, unter den immergrü
nen Eichen, ut spanischen Treppe
und die Bia iftina entlang. Beide
schweigend.
Ueber Lvta war eine Tiefe Traurig
keit her-eingebrochen Als ob sie em
Unglück nahen fah, das sie noch mehr
etlchteckte, weil es fo ganz im Dunk
len, Ungewiffen lag. So glücklich, fo
frei hatte sie sich all diese Tage und
Wochen gefühlt —- nun kam dethüch
schls,g«—
l
Weinen harre ne mogen.
Endlich konnte sie das Schweigen
nicht mehr ertragen, faßte nach ihres
Mannes Hand und fragte leise: »Wa
rum mag Win gekommen sein?«
Auch er hatte in Gedanken versun
ten in feiner Ecke gesessen. Aber nun,
da er den sorgenvollen, schweren Aus
druck in dem geliebten Antlitz sah,
lachte er. »Jn Geschäften, Loka,
sagte er ja. Ob ihm irgend ein klei
ner Flirt mit dieser... Dame den
Entschluß zu der langen Reise erleich
tert hat« weiß ich freilich nicht.
mußt das mit den Geschäften aber
nicht etwa tragisch nehmen« Demzu
tage scheut ein energischer Kaufmann
um irgend einer wichtigen Rücksprache
willen eine Fahrt von sechsunddreißig
Stunden nie. Ein Hambur r Freund
von mir fuhr im vorigen ahre nach
New York, brauchte eine halbe Stunde
zu einer geschäftlichen Erledigung
und lam gerade noch zurecht an Bord
des anderen Dampfers, der heimwärts
fuhr. Es gibt eben Angelegenheiten,
die sich nur mündlich erörtern lassen.«
Sie mochte nicht weiter fragen-—
Aber er selbst ergänzte nach kurzer
Pause im ruhigen Plaudertom »Es
wird wohl mit den Baldin’schen Un
ternehmungen zusammenhängen. Jch
zeigte dir doch neulich den wüthenden
Angriss der Frankfurter Zeitung aus
die Prometheusgesellschast·.. es ist«
da wo l nicht alles, wie es sein sollte.j
Viellei t spielt auch die neue Erfin
dun deines Doktor Prall hinein, von;
der u mir erzählte-st« ’
Nun fragte sie doch betlommenw
»Du fürchtest Verluste?" !
Er zuckte die Achseln. »Das mag»
wohl sein. Aber auch das mußt duj
nicht allzu tragisch nehmen« Lora. Jn!
einem Geschäft wie dem unsrigen Iht
es selten ganz ohne Verluste ab. ie
Kunst ist nur, rechtzeitig abzubrechen,
wenn Gefahr droht. Uebrigens ist
Willh —das muß ich ihm zum Lobe
nachsagen — ein tüchtiger Geschäfts
mann. Kurz: mach rnir nicht ein Ge
sichtchen, wie der berühmte betrübte
Lohgerber... dazu liegt tein Grund
vor.« Er sah sie an und lächelte und
nickte ihr zu: »Wir wollen uns die
Sommertage hier nicht verkümmern
lassen, Sorg-"
Zu dritt saßen sie dann im mau
rischen Speisesaal des Hotels an dem
kleinen Wandtisch, von dem aus man
die langgestreckte Halle und die inter
nationale Gesellschaft völlig übersehen
konnte. Neben Lora lag der große
Strauß schwerduftender Marfchall
Nielrosen, den ihr Win überreicht
hatte. Sie konnte sich noch immer
von der Herzensangst nicht freiringen,
die sie seit der Begegnung oben auf
dem Pincio überfallen hatte. Sie war
sehr schweigsam, und dabei verwun
derte sie sich, wie ruhig, ja heiter Va
ter und Sohn plauderten. War das
Selbstbeherrschung oder war es
Selbsttäuschung, der sich beide hin
gaben? Auf ihr lag es wie mit Zent
nerlassen. Nur mit Mühe folgte sie
dem lebhaften Gespräch der beiden,
beantwortete sie deren Fragen.
Aber allmählich begann sie doch auf- .
zumerlen. Eberhards Art war auchj
heute ganz die alte. Aus Willh sprach s
ein Zwang, ein nervöses Hastem Er
war anders als sonst. Gegen sie von
ausgesuchier Ritterlichteit, fast ein
wenig übertrieben, fast als werbe er
um ihr Wohlwollen. Dann und wann
bege nete sie einem scheuen Blick, der
zu ragen s ien: » st du Einfluß
aus Papa? ie wir t du ihn nükeni
Das peinigte und verletzte re zu
aleicher Reit.
Oder war sie heute nur besonders
empfindlich? Warum schmerzte sie jetzt
auch Eberhards Frage: »Nun, mein
Jun . . . und immer noch die alte
Berekrung sür Frau Baldin?« «
Diese Frau! Was brauchte ihr
Mann sie zu nennen vor ihren Ohren
«in dieser Verbindung!
Es sollte ja nur ein Scherzwort
sein —gewiß! Aber es that ihr weh.
Und doch mußte sie aushorchen bei
Willys Antwort. Er zuckte lachend
die Achseln: »Verehrung? Die war
nie groß, Papa. Ein bissel Cour
Lchneiderei — meinetwegen. Aber auch
as ist begraben. Jch sah Fraul
Paulck heute seit Monaten zum ersten
Male wieder ———und dann: sie macht
ihrem Mann wohl schwere Stunden,
soll Unsummen im Teufelsparadies
aus Monte Carlo verspielt haben.«
War das echt-—- war das unechi?
»Uebrigens, liebe Lora, da iällts
mir ein: als ich vorgestern bei Baldin
war, zu einer Besprechung, sah ich»
auch deinen Liebling, die Verta. Heißt i
der Blondtops nicht Herta?« !
Wieder stieg ein wehes Empfinden;
in ihr aus. Und ein leiser Selbst-.
vorwurf war dabei: in deinem Glücks- -
rausch hast du ia des armen Kindes
kaum edachti hastig fragte sie: »Wie
geht's r Kleinen?«
Er gab Auskunft. Aber ihr schien
es, wie jemand, der eigentlich nichts
wußte und bereute, sich nicht senauer
informirt zu haben. Worte ——·nicht
mehr
Es schnitt ihr ins herz, wie sie sich
’vergegenwiiriigte: Der Baker iodis die
Mutter am --Trente et nannte-Tisch
in strahlender Toileiie; e n Siiesvaier,
der» nur Sinn für das elende Geld hat.
Sie war die einzige gewesen, die dein
Kinde das entgegenbrachte, wonach ei
sich sehnte: ein freundliches Herz
einen Brocken Liebe —
Nun war auch sie fern. Armes
Kind —
Und da war es wieder Eberhard,
der in ihrer Seele zu lesen verstand.
»Armes Kind!" sagte er auch. »Wenn
wir heimkehren, wollen wir versuchen,
ihm etwas zu sein« Und, Lora,schreib
einmal an die Kleine. Ein gutes
Blick-es Wort richtet solch armes Herz
chen ost wunderbar aus.«
Das Dessert lam. Sie gingen
? hinüber in den Kuppelraukn des Win
! teraartens.
i Der Geheimrath und Lora ingen
I voran. Und Willy, der ihnen Lsolgttz
isagte sich inmitten all seiner sorgen
vollen Gedanken: »Sie schreitet doch
- wieder wie eine Fürstin.«
E Dann fiel ihm plötzlich ein: »Vat sie
! deine Rosen eigentlich mitgenommen?«
s Er blickte zurück: da lagen die gelben
TBlüthen Vielleicht war es Zufall
ein Vergessen. Rosen in Rom sind
jetwas so Alltägliches.
" Aber es tränkte ihn tief. Es konnte
auch eine Absicht sein. Und es er
’ schien ihm wie eine üble Vorbedeu
. tung.
Da wandte sie sich plötzlich um.
«b»Meine schönen Rosen! Willy, ver
g( —«
» Zum ersten Male sahen sie sich voll
ins Gesicht.
Und, über alles andere hinweg, stieg
plößlich ein großes Mitleid in ihr
,empor. Wo hatte sie denn nur ihre
Augen gehabt? Wie elend er aussah,
wie nervös! Wie sorgenvoll-»
Jn ihren beweglichen Zügen mochte
sich das alles wiederspiegeln. So le
bendig, daß er dachte: »Was ist ihr?
Was bewegt sie? Denkt sie daran.
weshalb du hier bist?... Oder . . .
oder ist sie nicht glücklich?«
Er sprang schnell zurrück, ihr dieRo
sen zu bringen, und als er sie ihr
reichte, schoß ihr unwillkürlich das
Blut ins Gesicht. »Warum?« fragte
er sich wieder.
Sie hatte in diesem Augenblick nur
den einen Wunsch, ihm etwas Gutes,
Freundliches zu sagen. Als ob sie
damit den Alp, der auf ihr lag, ab
wälzen tönne.
Aber sie kam über das kurze: »Vie
len Dank, Willy —'« nicht hinaus.
Denn ihr Mann stand schon, mitten
im Gästeschwarm, an der Thür und
winite. —————— -
(Fortsetzung solgt.)
-.—-————
Der Ietsobelist des Uont
Pelee.
Nach den..leßten Ausbrüchen des
Bullans von Martiniaue hatte sich
eine riesige Lavasiiule gebildet, die
senkrecht bis zu einer Höhe von 800
Fuß aus der Krateröffnung empor
ragte. Nach der Ansicht des französi
schen Geologen Lacroix hat sich dek
Riesenthurm aus Lava gebildet, die
so zäh war und sich so schnell ver
festigte, daß sie nicht einfach nach des
Seiten überfloß, sondern sich unter
dem kolossalen, von unten her wirken
den Druck einfach aufwärts bewegte
und rasch zu einem festen Fels erkal
tete. Demgegenüber macht der ame
rikanische «Geolog Angelo Heilprin
neuerdings geltend, daß das Aus
sehen des Felsobelisken mehr für ei
nen alten, durch die Wärme veränder
ten Felsen als für neugebildete und
schnell erstarrte Laoa spricht. Heil
prin hält den Thurm für den altes
Kern des Bulians, für den Riesen
pfropfen, mit dem sich der Vulka
einst »zugestopft« habe, und der nun
durch die Gewalt der Eruption als
Ganzes aus der Kraterössnung an die
Oberfläche emporgehoben worden sei.
Ein solches Heben von Gebirgskernen
haben schon früher Abich im Kauka
sus und Scrope in der Auvergne be
obachten wollen.
.Die Thatsache, daß sich in der gan
zen Armee von Panama nur 25 Ye
rneine Soldaten befinden, ermuth gt
eine englische itung zu der Hoff
nung, daß die rbeiten an dem Canal
keine ernstliche Störung erleiden wet
den. Doch laßt uns lieber ni t zu
sanguinisch sein; denn wer wei , wie
viele Ossiziere in der Armee von Pa
nama steckent
s I
Aus Dankbarkeit daß sie ihre er
sten Erfolge in St. Petersburg errun
gen, hat die Patti in einem Wohlthä
tigkeitsconcert sitt die russischen Bev
wundeten umsonst mitgewirkt thc
Zuhörer werden wohl gewünscht lieu
ben, daß der tus tsch- japanische Kr
dreißig Jahre rüher ausgebrochen
wäre.
«- ili ·
Allerdin S hat Deutschland im
Frieden n Mal so viele Soldaten
wie die Ver. Staaten. Aber wir ha
ben in Kentucky allein zehn Mal so
viel Körnels als die deutsche Armee
Obersten hat.
« e- s
Denlen kann man sich’s, dasz Nuß
land egenwärtig nicht recht Zeit sin
lPet, ber den Weltfrieden nachzuden
. en. . . .
Die Rrussist Unleiben ist »ylacirt«.
l sidn aber meisten
theilt New-; —- aus dem Laufendein