Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, December 09, 1904, Zweiter Theil, Image 10

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-Wrach.
Roman von Hanng von Zosektitz.
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FOOIUIUIUIOOIIOM
(9» this-hung-)
nTags-harte es, und es ist mir eine
seen ung, daß Sie darum wußten.
Nun weiter, Fräulein Lora: Halten
Sie Hardi fiir so reif und ihre Liebet
flir so tief, daß leg meine Einwilli
eng den dar ? ch gestehe Ihnen,
M die ern esten Bedenken habe.«
· smal kam die Blutwelle in ver
slckrktem Maße zurück.
Jur, ersten Augenblick wollte sie
tundwe bitten: »erlassen Sie mir die
Irrt-wo für die ich wirklich nicht be
ru bin.« Aber sie fühlte deutlich,
da sie damit Hardi jede Hoffnung
a chnitt, daß diese Antwort von dem
Manne, der ihr so ernst in die Augen
blickte, als Verneinung genommen
werden würde.
Und Nein konnte, wollte sie nicht
sagen. Lügen jedoch . .. das erst recht
nicht. Am allerleßten ihm gegenüber,
der ihr dies seltsame Vertrauen ent
gegenbrachtr.
»Ich weiß, Fräulein Loka, die Ant
wort muß Jhnen sehr schwer fallen;
weiß, wie peinlich Sie meine Frage be
rührt,« begann er wieder. »Aber Sie
kennen Hardi so gut, wohl besser als
ich. Denken Sie auch daran: ich habe
seine Frau, mit der ich Rücksprache
· nehmen könnte. Fräulein von Schot
ten . . . mein Gott, sie ist eine vortreff
liche Dame! . . . aber seit Hardi erwach
en, Wachs in den Händen meines
leinen Wildfangs. Ganz ehrlich und
essen: wären Sie nicht eben Sie.
räulein Lora ich würde ja nicht auf
Gedanken gekommen sein. So
aber, nun-ich wende mich an Sie
als ob Sie die ältere, die verständi
geoe Schwester hardis wären —«
»Ich habe Hardi sehr lieb. Wer
weiß, ob ich nicht durch meine große
Zuneig Erz-W
ttelte, sie unterbrechend, den
KopsH s sicher nicht. Dazu werden
Sie sich der Verantwortung zu sehr
bewußt sein.«
Lora hatte Zeit gehabt, während der
Seheimrath sprach, sich zu sammeln.
Uber seine letzten Worte wurden ihr
zur Ursache neuen Ueberlegens, Prü
nz. ·
Ein paar Minuten standen sie sich
chtoeigend gegenüber, nur durch den
isch getrennt. Und während sie, mit
esenkten Augen, sann und sann, sühlte
e doch auch den Blick des Geheim
raths aus sich gerichtet. Jrnmer wie
der störte sie dies Empfinden, nur mit
äußerster, fast schmerzhafter Kraftan
spannung konnte sie ihre Gedanken
tonzentriren Und das mußte sie
denn sie wollte gerecht abwiigen.
Endlich hob sie den« Kopf und sprach:
»Sie müssen mir schon Glauben« Herr
Geheirnrath, rückhaltlos offen zu sein
.. . . ich betone es, denn meine Ansicht
wird wahrscheinlich von der Jhren
stark abweichen. Jch habe mir soeben
rdii Wesen zu zer liedern, recht
chars vor mein geitiges Aug-e zu
llen versucht, und das konnte ich nur,
indem ich mich frage, wie wurde sie?
Sie sagten, gewiß mit Recht: Sie ist
unreif siir ihre Jahre. Daß dem so
iß, ist mindestens zum großen Theil
nicht Anlage und nicht eigene Schuld
rdi entbehrte die sithrende Hand der
tter, deren gerade sie besonders be
dnrst hätte; sie lebte ihr junges Leben
ohne jede ernste Aufgabe, ohne ernste
Arbeit über die Schuljahre hinaus: sie
wurde um so mehr verzogen, von Ih
nen, in Ihrer großen Güte, von aller
Welt-auch, wenn Sie wollen ein
wenig von mir-weil sie gar so lieb
nnd gut und hübsch war, treuherzig,
—- nun ja, auch so munter und
Los-Uhu Isah Ins-I Dienst-ski-. man bleib
Geheimrath, ich glaube, daß die unge
heure Mehrzahl der jungen Mädchen
un er Kreise keine größere geistige
R hat« als sie. Wenige aber wer
den so viele andere gute Eigenschaften
haben.«
Sie schwieg einen Augenblick. Jn
einer unwilliiirlichen Bewegung glitt
sit rnitlder hand iiber Stirn und
- e .
»Es kommt doch wohl. . . bei dem
Schritt, vor dem sie steht, . . . nicht so
Mschließlich ans die geistige Reife an,
Herr Geheimratiy Die wird wachsen
nnd sich entwickeln. wenn sie an der
Seite eines tüchtigen Mannes an ern
Itre Lebensausgaben berantritt, denn
Dr Kern ist gut. Woraus es an
kommt, das ist: ob ihre Liebe start
und tief genug ist. Jch bosse eö...
ich möchte lieber sagen: ich glaube es.
Aber ich weiß es so wenig, wie Sie.
Wir können nicht in das kleine, un
rnbige her-z hineinseben . .. der Vater
nicht die Freundin nicht. Aber die
seit wird es erkennen lebten. Darum
Möchte ich siir hardi bitten: geben,
· nen Sie ihr eine Frist vor der Ent
dnng, vor der Verlobung. Eine
ritt. weit gesteckt genug. daß sie sich
elbst prüer und innerlich sammeln
kenn. nnd doch auch nicht so lang, daß
U ihr das Hoffen ßch in Quai ver
sandein müßie.«
Lora hatte wann und herzlich ge
Nase-. Run, als ße·schwieg, tain
wieder die mädschenhafte Verle
Ists Eber sie: was war das doch
- eine settsaue Ausgabe, is einem
Mann von Liebe sprechen zu müssen!
Fast als ob man einen Theil der eige
nen Seele vor ihm enthüllte —
So feinsiihlig der Geheimrath war,
für dies weibliche Empfinden hatte er
laum das rechteVerständnisz. Er folgte,
während sie sprach, lediglich ihren Aus
Lihrungen Vielleicht vergaß er im
ugenblick auch ganz, daß das schöne
Mädchen nicht viel älter war als die
eigene Tochter, so unendlich überlegen
diinlte sie ihm. Es that ihm wohl
daß er mit ihr sprechen konnte, wie
» mit einer gescheiten Frau.
; Er blieb auch jetzt sachlich: »Sie
empfehlen mir damit eine Probezeit,
sozusagen. Das ist eine Art von
»Komprorniß, Fräulein Lora; Kom
vromisse haben in meinen Augen im
» mer etwas Bedenlliches.«
» »Gewiß. Nur setzt sich fast unser
ganzes Leben, wenn man’s zergliedert,
aus Komprornissen zusammen. Leider
vielleicht . . . aber es ist nicht anders.«
»Man könnte ein Jahr sesetzen . . .«
Nun sprach doch wieder das freund
schaftliche Empfinden für Hardi in
ihr und —- die eigene Jugend.
»Ein Jahr ist lang, Herr Geheim
rath. Sechs Monate —« bat sie leb
haft.
Er lächelte. Diesmal hatte er ihren
Gedantengang richtig erfaßt. Und er
ariff nach ihrer band —- ..«’kch danke
Jhnen von Herzen, Fräulein Lora.
Sie sind eine kluge Rathgeberin und
dabei die beste Freundin. hardi muß
Jhnen dankbar sein —« und ehe sie
abwehren konnte, hatten seine Lippen
ihre Rechte berührt.
Es war ja nicht zum ersten Male.
daß er ihr die Hand küßte. Sie hatte
das immer hingenommen als eine che
valereste Form, die — so ungewöhn
lich sie einem jungen Mädchen gegen
über sein mochte —- ihm gut stand.
heute fühlte sie deutlich: es war mehr
« als das. Sie schrak leicht zusammen,
« zog die band schnell zurück.
« Mc Bewegung mochte sehr plötzlich
. sein, vielleicht verletzend schnell. Denn
sie sah, wie sein seines Gesicht sich rö
; thete und daß er die Lippen ein wenig
izusammenpreßtr. Verlehen hatte sie
fihn nicht wollen- dazu war er ihr zu
; werth. Aber die Angst. die vorhin in
I ihr gewesen war, als er eintrat,
Yglotnm wieder übermächtig auf. So
daß sie hastig sagte: »Wir wollen
Onkel nicht mehr allein lassen —'«
Das Kind ist ja bei ihm —«
Sie hörte es nicht« haftete an ihn
vorbei, öffnete die Thür und athmete
erst auf, als sie am Sofa des Greises
stand. '
Ganz langsam folgte der Geheim
rath.
Lora hatte sich am Kopfende des
Lagers ausgestellt, Maria Aprlhode
genüber, die zu Füßen des Oheims
Paß, auf der äußersten Kante des So
fas, wohin der alte Mann sie wohl
durch sein freundliches Zureden genö
thigt hatte.
Als oh er sie schützen sollte. beugte
sich Lora über den Kranken. Aber zu
gleich fiel ihr aus« wie ernst der Greis
aussah, der so gern lachte. Etwas
Fremdes, fast Feierliches lag auf dem
vielfaltigen Antlitz
Der Geheimrath schien plöhlich Eile
zu haben. Er mahnte Maria zum
Aufbruch, nahm ziemlich hastig von
Graf Wellried Abschied — hastig. und
doch mit einer, so schien es, ganz be
, sonderen Herzlichteit.
« Und dansn wollte er sich noch einmal
über Loras band beugen. Aber dies
mal tam sie ihm zuvor und bat leise:
»Bitte — nein!« ——————
Nun waren sie gegangen.
, Lora stand in ihrem Zimmer am
its-sites die Stirn aeaen die kühle
« Scheibe gelehnt. Das Herz war ihr
schwer
Sie wußte genau, in wenigen Mi
nuten würde der Onkel sie zu sprechen
begehren Sie wußte, was er ihr
sagen würde. Und sie ängstigte sich
vor dieser Aussprache. Zweien Men
schen, die sie so hoch schätzte, die ihr
so lieb und werth waren, solchen
Schmerz bereiten müssen!
mmer wieder fragte sie sich: »Hast
du rgendwie in diesem guten, in diesem
vortrefflichen Mann Hoffnungen er
weckt die du nie anre en durftefti
Was hast du versehen Und toie
machst du’i wieder guts«
Es war eine folternde Pein
hin-auslaufen hätte sie mögen in
deni alten Wintertag, ourch die öden
Straßen, weit we, flüchten —
Dann rief der reis.
«Lora . komm doch einmal her
. ich muß etwas rnit dir bespre
Und, als sie mit ihren müden
ritten hinübergegongen war —
rniide, als schleppe sie einen schweren
Bnlloft mit sich —- »Nimm dir einen
Stuhl . fes dich zu mir. .hier,
bitte. b» hietrem l ihn sch
onen, r onzn n,
bete-TIERE Greisenantl , ans dein
mer eine s se heiterkeit
Me- ichs-a Måkisszg des-TM
GIVE- »New sie se ais-i
ihm, die Dand arn holz der Tisch
gaåtheö als bitte die ihr halt und
t .
Er legte seine Rechte mit weichem,
iirtlichen Druck, in dem solch eine
tumme und so eindringliche Bitte lag
aus ihren Arm: «Lora . . . glaubst du,
daß ich dich sehr lieb habe und immer
nur dein Gliirl willi« fragte er.
»Ja, Onkel —bei Gott, ich weiß
es.« Es larn ihr aus tiefsiem Herzen,
und es wurde ihr doch sehr schwer.
Auch ihm mußte die Fortsetzung
schwer sallen —- ihm, der so gern das
Leben leicht nahm. Er suchte nach
Worten, nach einem Anfang.
»Lora,« sagte er endlich, »du hast
deine Eltern kaum gekannt, ich hab’
immer versucht, sie dir zu ersetzen, so
weit das in meinen — ach so schwa
chen —Kriisten stand. Und du bist
mir ein so liebes, gutes Kind gewesen.
Nun mußt du auch jetzt Vertrauen zu
mir haben und mir antworten, als ob
du vor deinem Vater standest . . . Jst
dein Herz noch frei, Lora?«
Jhr war, als schnüre ihr eine un
sichtbare Hand den Hals zu. Die alten
Möbelstücke des Zimmers tanzten vor
ihr, und die Lichtreslexe des Sonnen
lichts aus der glänzend polirten roth
braunen Tischplatte stachen ihr plötz
lich in die Augen« daß sie wie unter
I törperlichem Schmerz die Lider schlos.
Sie hatte eine andere Frage erwar
tet. Aber was sollte sie nun sagen?
Was sollte sie sagen? Denn dies war
ja nur eine Einleitung —
Der Greis neben ihr wartete eine
Weile ganz still. Dann sprach er leise
»— und sie empfand seine zärtliche
»Stimme nun doch wie eine Wohlthat
»——: »Liebe Loka, ich will dich nicht
drängen. Bewahr mich Gott davor.
Aber ich möchte dir doch gern zur
Klarheit verhelfen. Sieh einmal, du
bist in vieler Beziehung anders, als
»Ist-. Mxhbv »Ist-i UTIO-IZ fes
ass-- «-I·-s Is
" du so viel um mich alten Mann warst,
manche Sorge schon srüh mit mir ge
;theilt . . . sie mir redlich tragen gehol
sen hast. Aber in der Hauptsache ist
es doch Anlage. Du bist eigentlich
immer ein innerlich merkwürdig aus
Jgeglichener Mensch gewesen, hast dich
Ein gewisser Beziehung ja aiich selbst
erzogen. Erst in letzter Zeit, so schien
es mir, ist eine tleine Veränderung in
»die vorgegangen. Jch habe bemerkt,
oder ich glaube bemerkt zu haben, daß
deine Ruhe nicht mehr ganz Natur ist,
deine Selbstsicherheit bisweilen er
zwangen Jst es nicht so, Lora?«
Sie nickte stumm.
«Jch bin ein sehr alter Mann. Aber
ich habe mir, denk’ ich, Verständniß
für die Jugend bewahrt. Zumal, das
hosse ich von herzen sür dich, liebe
Lora. Jch bin in Sor e um dich
heute aus ganz beson rem Anlaß.
Darum mußte ich dich fragen —"
Da schlug sie endlich die Augen aus,
sah ihn mit einein ver weiselten Aus
druck an und sagte weh: »Ich weiß es
ja nicht. Jch tann dir nicht antwor
ten.«
»Mein armes Kind —«
Wieder saß sie stumm neben ihm
und sann und sann.
»Ich weiß eö nicht.« . . . hatte sie die
Wahrheit gesagt, die volle Wahrheit?
Oder war das doch Liebe, die sie in
sich sühlte2
Liebe
Der flotte Korpsstudent tauchte wie
der vor ihren Augen aus« mit dem
weißen Stürmer aus dein dunklen
Haar, dem grün-weißen Sachsenbande
iiber der Brust, der lustige, tolle
Win . . .
Ein Kind war sie damals gewesen,
ein Basisch mit einem kleinen dummen
Herzen voll unklarer Sehnsucht...
Das war vorüber und vergessen
ohne alle Schmerzen. Nun war ei
wieder in ihr Leben getreten. Er hatte
sie nicht einmal erkannt bei der ersten
Begegnung. Ein wenio hatte das ge
schmerzt. Dann . . . ja dann? Dann
war die übermüthige, ausdringliche
Französin der kleinen rta einmal
am Schluß der Stunde ins Schutzm
mer gehuscht und hatte von dem jun
gen reichen Herrn geschwatzt, der «der
Gniidigsten« jeßt zu Füßen liege.
Dumnies Gewiisch —- uiid doch hatte
es weh gethan. War das schon Liebe?
Ein paarmal war sie in seinem
Hinterbeinf- rriit ihm Iiisnmmmaktmf
sen, sie hatten miteinander gesprochen,
evlaudert· Einen ernste-ten Ton
chlug er nie an. Und wenn sie bis
weilen gemeint hatte, daß in seinen
Augen ein Ausleuchten sei . .. das war
wohl Einbildung gewesen. Aber auch
wenn das nicht: sie wußte ohne «ede
Eitelkeit, daß sie schön war und daß
ihre Schönheit viel bewundert wurde.
Von der Bewunderung bis zur Liebe
—welch weiter Weg. Daß er mehr
siir sie empfinde, hatte er ihr nie ge
zeigt.
Er lag wohl auch in festen Banden
-—hatte nicht hardi noch gestern ge
schwahh das Bild von Frau Baldin
stünde auf seinem Schreibtisch —
Mit dieser Frau um einen Mann
kiirnpseni Nie-nie
Oder aber: liebtest du ihn wirklich,
dann würdest du tämpseni
. . . . du liebst ihn gar nicht. Es ist
nichts als ein flüchtigei Interesse. Es
ist das unbewußie Fortspinnen der
kleinen Jugendeselei — deiner so ganz
unwerth — so kindisch —- so thöricht—
Jrnrner bist du stolz gewesen. Deine
Armuth hast du rnit Stolz getr n,
und seztnwarst du auf dem en
Use-, Eisensie in dir fortzuma
fen, ohne das es begehrt wurde —--—
Der alte Herr fährt- toohl, wie die
Wie beni ' .
Meyådcslen ukd Markt-M
i
geilich liefen auf ganz falscher Fii te. ;
n Eugen rall dachte er und lit lte i
dabei in fii er Jronie vor sich hin.
Einer großen Leidenschaft hielt er
keine kühle Lora überhaupt laum sür
ühigis Einer auf Mitleid ausgebau
ten ei ung . . . das war schon mög
lich. ber das ging vorüber. Nicht
ohne Leid natürlich —- eingebildetem
oder wirtlichem — aber ohne Norden
Derartige Wunden schließen sich ganz
glatt. Man brauchte nur etwas Bal
sam darauf zu streichen, und an der
linden and sollte ei nicht fehlen.
Schließlich: solche Schmerzen geseten
nun einmal zum Menschenleben nn
dann Jahre vergangen sind, erinnert!
ma sich ihrer mit einer leisem heimli
chen Luft, möchte sie nicht ganz aus
löschen im Gedächtniß . . .
Lora war sehr reif sür ihr Alter —
gewissi Aber ein junges Mädchen
bleibt doch ein junges Mädchen. Und
weil Lora so reif und so verständig
war, hatte diese Sache gewiß nicht all
zuvielaus sich, wurde sicher leicht über
wunden . . .
So wunderte er sich gar nicht, alsi
Lora plötzlich nach seiner Hand grifH
sie stark drückte und impulsiv sagte:
»Onlel Bruno... ich . « lann dir
antworten. Jch .. es war ein Traum,
eine Phantasterei. Du kannst ruhig
sein. Jch din frei... ganz srei...«
Er wunderte sich nicht. Er drückte
ihre band wieder, meinte zwar: »Lora
es drängt dich niemand. Laß dir
Zeit. —-—«, doch er setzte hinzu: »Hast
du wirtlich erkannt, daß es nur ein
jeu de coeur war, so wirf es hinter
dich, Loka. Nicht in dem Sinn, daß
du’s derachten sollst. Warum das-?
Auch Jrrthümer tragen zu des Lebens
Schmuck bei. Nur wiffen must du,
ob du ganz frei bist.J'
»Ganz freil« Sie sprach es mit hel
lerer Stimme, gleich als ob sie eine
Last von ihrer Seele abgewälzt habe
Die seinen Falten auf ihrer Stirn aber
sah der alte Herr nicht.
Er überlegte. Alles, was er gesagt
hatte, war ja nur eine Vorfrage ge-:
wesen. Sollte er weiter sprechen. Es
war ein großes Mitleid in ihm: hieß
das dem lieben Kinde nicht zu viel zu
muthen? Und doch: war’s nicht rich
itger, klüger, alles zu- sagen? Gerade
jetzt . . .
Und sie dachte wieder: könntest du
doch fliehen, flüchten. Denn nun —
nun wird er ja erst recht weiter fra
gen.
Steh aus! Lauf hinaus, fort ins
Gewühl der Menschen oder über das
einsame Schneefeld. —- Aber was war
damit gewonnen? Ein Aufschub, eine
elende Gnadenfrist —
Und Klarheit muß schließlich doch
werden. Auch ihm fchulde ich Klar
heit —
Plößlich faßte der Onlel wieder
nach ihrem Arm und begann hastig:
»Liebe Lora, du bist ein fo verstän
diges Mädchen. Man tann wirklich
mit dir vernünftig reden. Sieh —- ich
bin ja ein alter Bruder Leichtsuß.
Aber bisweilen übertommt mich doch
die Sorge. Nicht um mich. So lang
ich lebe geht’s schon. Aber wenn ich
einmal die Augen zuthue —« Er
spürte eine heftige Bewegung der Ab
wehr. »Still, Lora! Sprich mir
nicht von deinem Beruf. Das ist im
betten Falle eine Zubuße. Jch gebe dir
zu, eine höchst achtungswerthr. Der
Gedanke aber, daß du einmal ganz —
und so ein anzes langes Leben hin
durch —- aus dies Stundengeben an
gewiesen fein solltest, Lora, der Ge
danke könnte mich zur Verzweiflung
bringen. Bitte, laß mich ausreden.
Sieh, die Frage, die ich dir vorhin
vorlegte, die wurde mir heute von an
derer Seite gestellt, . . . von fehr
schätzenswerther Seite·«
Da war es, was sie gefürchtet
hattet Vor dem sie hätte flüchten
mogen —
Eö war unabwendbar: sie mußte
Rede und Antwort stehen. Und doch
hob sie die Hände und rief in ihrer
Seelenanng «anel Bruno... lieber
Onkel Brunol Sprich nicht weiter!
Jch flehe dich anl«
»Mein Kind, ich muß weitersvrechen.
That ich’s iest nicht, dann mii te ich
ei morgen thun. Jn dieser Wer e, mit
einem Aufschrei, läßt sich solch eine
Angelegenheit nicht erledigen. Jch sehe,
du weißt was ich meine. Nun also:
Der Geheimrath hat mich nur gefragt,
ob ich glaube, daß dein Herz noch frei
kei? Nicht Ins-be VII-»- diese Inm- in
Verbindung rnit seinem ganzen Beneh
tnen dir gegenüber tann nur die Ein
leitung zu weiterem gewesen sein. Und
weil ich's so ansehe, wollte ich dir
rechtzeitig Gelegenheit geben, dich zu
prüfen. Jch werde mich jedes, aber
auch jedes Versuchs, dich zu beein
flussen, enthalten. Du mußt —- nach
allen Richtungen hin — selbst entschei
den. Denn du entscheidest über dein
eigenes Geschick.«
Er schöpfte tief Athern. Das Spre
chen war ihrn schwer geworden. Nur
rnit einern Seitenblick streifte er er
wartungsvoll ihr Gesicht. Es war
wie versieint. Als ob sich der Aus
druck eines großen Schmerzee für im
mer in die schönen Züge geprägt hätte.
Sie saß regungslos, den Kopf ein
wenig zurückgelehnt, wie in tiefern
Denken, die Augen zur Zimmerdecke
gerichtet.
Es war doch merkwürdig, wie sie s
aufnahm. Er hatte durchaus nicht
auf ein hastigej Zugreifen gerecht-H
ebensowenig wie auf ein schnelles Ad- ;
lehnen densalls aber auf eine
,ernfte queinandersegung aus .
ein Mgen nach allen Seiten hin.
II wer ierSein freilich ein Entschlsß —
,
s
Seine oersitindige Lora —
» Und nun dies Schmerzensantlii.
Was rang nur noch in ihrs
Es war sehr ftill im Zimmer. Die
alte holländerin .tickte nielancholisch
Der leste Sonnenstrahl lroch langsam
von der rothbraunen Mabaoniplatte
des Tische-.
Mit einem Male schrie Lora auf:
»Wie —- niemalz!«, sprang jäh empor,
schlug die hände gegen die Schlafen.
Und sie warf sich neben dem alten
Manne auf den Boden, umtlammerte
ihn: »Ich kann nicht . . . nie . . .
niemals!«
Ueber sein Greisengesicht zuckte es
weh. Er begrub eine Hoffnung, und
er wußte einen andern, den dies »Me«
bis ins tiefste Herz treffen würde.
Aber er meinte nur leise: »Kind!
Man follte niemals so entschieden
»Nie —- nie« sagen —«
Dabei legte er feine hand zärtlich
auf ihren Scheitel: »Lora! Laß dir
Zeit! Denle an Tasso: »Ja der
Entfernung zeigt sich alles reiner, was
in der Gegenwart uns nur ver
wirkt!'««
Zehntes Kapitel.
Weihnachten war vorüber
Ein stilles, ernstes Fest fiir Lora.
Der lleine Christbaum leuchtete nur
dem alten, noch immer lränielnden
Obeim und ihr.
Am Spätnachmittag des Heiligen
Abends wurde für sie ein großer Korb
wundervoller Rosen abgegeben mit
der Karte Möller-S-iegl)ards. Sie war
ihm dankbar, daß leine Zeile diesen
dung begleitete- lein Wunsch eines
frohen Festes.
So unfroh wie sie war —
Nicht einmal der Brief bar-dies hatte
ste gepackt. »Warten . . . warten!
Jhr kalten VerstandesmenfchenI Ei
halbes Jahr fremd nebeneinander her
gehen, sich innerlich verzehren! Jhr
wißt nicht« was das heißt! Es ist ein
Raub an unserm Glück! Lora, ich be
greife das nicht, begreife Dich nicht.
Jst das Freundschaft? Meinen Ohren
habe ich nicht trauen wollen, als Papa
mir sagte, daß er mit Dir berathen.
Berathen mit Dir — und Du konn
test das über Dein herz bringen!
Aber wartet nur: auch dies halbe
Jahr wird vorübergehen. Connh und
mich und unsere Liebe wird es nicht
ändern —"
Und darunter: »Ich bin rasend
wüthend auf Dich Komm bald ein
mal zu mir, damit ich Dir Deine schö
nen Augen austrasen kann· Jch muß
Dir doch auch meine Weihnachtöge
schenke zeigen —«
Vielleicht hatte sie schlecht berathen.
Vielleicht war es so: auch dies Halb
jahr änderte hardi nicht. Vielleicht
wäre es besser gewesen« derVater hätte
rundweg »Nein« gesagt.
Aber das alles war ja gleichgül
tig —
Nun hatte die Schule wieder begon
nen. Es war eine leise, halb unbe
wußte Hoffnung in Lora gewesen, die
geregelte Thätigteit, der Zwang wür
n ihr den inneren Halt zurückgeben,
Leben und Kraft, Frische und Freu
digteit.
Auch das war ein Jrrthum —- —
Lora kam, die tleine schwarze
Mappe mit den heften unter dem
Arm, vom Institut zurück und ging
iiber den hof, dicht an der hausmauer
entlang- wo ein schmaler Weg in den
hohen Schnee geschippt war. Sie ging
wie ein müder Mensch, langsam, mit
hängendern Kopf.
Als sie an dem Prallschen Labora
torium vorüberschritt, wurde heftig
ein Fenster aufgeftoßen· Vom Fen
sterbrett ftob der Schnee bis auf ihren
Mantel, ein paar Flocken trafen ihre
Wange, so daß sie leicht zusammen
schrat und aussah.
Eugen Prall stand am Fenster,
nickte ihr zu und fragte: ,,Wenn’s
nicht unbescheiden ist« eFräulein Lora
— haben Sie Jhren Siegelring am
Fingers«
Lora erzwang ein tleines Lächeln.
.M«inen Siegelring? Gewiß. Aber
was soll's damit?q
«Wollen Sie nicht auf einen Au
genblick bei mir eintreten? Solch La
boratorium ist ja neutratez Gebiet.«
Oft genug war sie früher, mit dem
Onkel und allein in der Arbeitsstube
des Gelehrten gewesen. Sie war auch
»..-».. Its- ..-: —- .----L J
Icsc zu Ulltuuqusssuy usu usua- us
tedenken zu hegen. Trohdenr zögerte
ie.
»Ich möchte Ihnen gern etwas zei
gen, Fräulein Lora. Es hängt mit
deni Siegelring zusammen-«
Plöhlich nickte sie. »Meinetwegen,
Doltor —« und ging die paarSchritte
weiter zum Eingang. ·
Der Doktor kam ihr bis zur Thiir
entgegen. Sie trat rasch durch den
Korridor in das Laboratorium.
Eigentlich war’s nur die Küche der
kleinen Wohnung. Aber Prall hatte
sie sich geschickt für seine Zwecke einge
richtet, den herd erweitert, längs der
Fensterfront ein paar Arbeitttiirkie
aufgestellt, auf denen allerlei 7Appa
rate standen. Sogar eine tleine Dy
narnp fehlte in einer Ecke nicht«
»Was gibt’s, Doktor?« fragte sie
und legte die Mappe zwilchen einige
Retorten auf den nächsten Tisch- schob
ihr Pelzbarett ein wenig hoch und
strich rnit der Rechten über ihren
Scheitel.
Er stand dicht vor ihr und blickte
E aufmerksam an.
»Sie sehen nicht gut aus. Fräulein
Lora,« meinte er lopsschiittelnd. Es
klang ganz bekümmert. »So matt
. abgearbeitet . . . ich weis
nicht . . .«
»Ach ichl« Sie erzwang wieder ein
müdes Lächeln. »Lassen Sie mich»
nur aus dem Spiele!«« Dabei hatte
sie schon den Vandschuh abgestreift
und den Wappenring: »Da, Doltor
— er steht zu Jhrer Verfügung«
Er nahm den Ring und betrachtete
scheinbar mit größter Aufmerksamkeit
den Blutjaspis mit dem eingeschnittei
nen Wappen. Es war nur ein Vor
wand, er kannte diese drei ineinander
verschlungenen Ringe im Schilde ja
längst. Aber er war ein wenig be
sangen.
Damit wandte er sich einem großen
länglichen Kasten zu, der an derWand
angebracht war. »Ich möchte Jhnen
etwas zeigen, Fräulein Lora. Es hat
noch kein Mensch außer mir gesehen,
und ich bitte auch Sie, das, was Sie
sehen werden, ganz für sich zu behal
ten-« Er schloß den Kasten auf, der
vordere Deckel llappte herunter.
Jn dem Jnnenrauni, durch den ein
Gasrohr geleitet war, brannten ne
beneinander sechs Flammen. Davon
—- man konnte es selbst jetzt, im Däm
merlicht des Winternachmittags, deut
lich unterscheiden —- leuchteten die
drei rechten in strahlender Helle; ihr
Glanz war so groß, daß er das Licht
der drei linken sast grau erscheinen
ließ.
Lora war neben ihn getreten- .nun
doch interessirt.
Fortsetzung solgt.)
Tåtcwikkcn km Cuk Kunst.
Tätrzwiren gilt heute als Rudiment
barbarischer Gewohnheiten und ist nur
h noch bei« Seeleutenz bei Atrohkaten ht
lkkul, ucl Leute-H me uus uic neun us
rer Muskeln stolz sind und ihre Brust,
ihre Arme frei und bloß tragen. Und
doch ist diese Sitte uralt und blickt aus
eine ehrwürdige Vergangenheit zurück.
Schon Moses mußte den Jsraeliten
untersagen, Einschnitte in ihr Fleisch
zu machen oder irgend welche Zeichen
in ihre haut ein udriicken. Die Phö
nizier waren diesem Brauche so erge
ben, das; sie Tätowirunaen selbst an
ihren Götterbildern anbrachten. Eini
ge solcher Statuen, die in Sardinien
entdeckt wurden, sind über und über
mit Bildern bedeckt, die von Sachver
ständigen als Zeichen der Tätowirun
erklärt werden. herodot berichtet, da
die Thratier und andere wilde Berg
völker dieser Sitte buldtgten.
Unter den Jndianern gilt das Tra
gen von Tötowirun siir ein Zeichen
von Ansehen und acht, besonders
verbreitet ist dieses Einritzen in den
Südsoeinseln, aus deren Sprache, von
dem tahitischen Tatau, dasWort über
haupt genommen ist, in Neuseeland,
Japan und Burrnah. Es wird von
unseren Vorfahren berichtet, daß sie
,,ihre Haut mit punktirten Zeichnungen
ausschmiickten". So sandte man, als
aus dem weiten Schlachtfelde von ha
stings unter den hausen todter Leiber
der Leichnam harolds nicht zu finden
war, nach Edith Schtoanenhals, seiner
Geliebten, daß sie ihn an den »Man-n«
aus seinem Leibe erkennen möge. Dies
war ein Grund, aus dem man das
Tätowiren übte. Daneben wurde auch
durch diese in die haut einaeschnittenen
Zeichen dargetham welchem Stamm«
welchem Geschlecht, welcher Familie
ein jeder angehöre. Tratifche Häupt
linge z. B. erwiesen allein durch die
Tötowirung ihr edles Blut und ihre
hohe Abstammung.
Cook sand, daß alle Häuvtlinae der
Hawaii - Jnseln Hieroalvvhen auf ih
ren Armen trugen, die den Namen des
verstorbenen Königs und das Datum
seines Todes bedeuteten. Bei den wil
den Völkern war es sehr wichtig, d»·n
Stamm, zu dem ein Fremdling nehiiri
te, durch einen flüchtiaen Blick aus sei
ne Tätowirung zu erkennen. Eewisse
Veränderungen in Form und Farbe
zeigen Krieg oder Frieden an und wei
ten daraus hin, ob in guter oder bö
ser Absicht sich nahen. Durch Tätowi
rungen erkennen die Mitglieder eines
eheimen Bandes einander, und auch
ute noch dienen die meisten solcher
ssseichen da u, um eine abgesonderte
Bruders it näher und enaer zu ver
binden, re vertreten gleichsam den ge
heimen höndedruch an dem die Frei
xmaurer sich erkennen.
Man hätte kaum erwartet, eine ge
sheinre Verbindung unter den Korans
nas, dem unkultivirtesten Stammeder
Kaptolonie zu sinden. Doch Dr. Hohn,
der unter ihnen lebte. bemerkte das- ei
nige Manne drei lleine Einschnitte aus
der Brust hatten. Jahrelang fragte er
vergeblich der Bedeutung dieser Zei
chen nach. Schließlich erzählte ilnn
»ein Korannm »Ich kann durch unser
anzes Land und durch Grigualand
sicher wandern. Wenn ich meinen Rock
össne, dann muß jeder, der das Zeichen
sieht, mir helfen und mich aufnehmen«
Vor einigen Monaten wukde allen-nein
erzählt, daß die russische Polizei ge
wisse Abzeichen entdeckt hätte, durch
die alle Anarchiften iiber ganz Europa
sich gegenseitig erlennen könnten Es
Zoll dies eine unaussiillige Tätorvirung
ein.
-.--s——
Ein Idealist.
NAlso lieber Alwin wenn ich mich
verheirathe, erhalte ich außer meiner
Mit ift noch das Landbaus in der
Vorstadt ein Automobil den Scheust
meiner verstorbenen Mutter, eit
Uente von meinem Onkel, eine pet
felte Auisiattung
I »Ich sprich weiter, is
könnte Dir bit morgen fräih siehst-est