Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, December 02, 1904, Zweiter Theil, Image 12

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    - W
Wir Romaniwiisch.
M ckiqe aus dem russisch-japani
schen Kriege von Gregor Weinstock
In die weiten Steppen von Kaseau
war endlich doch der Sommer einge
M such wenn man weiter herun
ter kam in der Richtung aus Pajels
lot-a, Chabarowsk und Petrowstaja
leuchtete und glühte die Sonne. Die
aLndbewohner trafen Anstalten, die
diirstige Ernte in Sicherheit zu brin
gen. Es wurden dazu alle Hände ge
braucht und auch Wladimir Roman-)
tvitsch mußte mehr arbeiten, als ihm
lieb war und ihm dienlich erschien.
Gar manchmal sehnte er sich nach den
kurzen Wintertagen zurück, die er aus
der Ofenbank verbracht hatte. Da
hatte er langgestreckt gelegen und theil
nahmloö in die Gluth geblinzelt, die
zwei Holzscheite verbreiteten, die in
das Feuer des Herdes geworfen wor
den waren.
Wenn er jetzt des Abends todtmiide
nach Hause kam und sich in die Bett
ladetoarf, träumte er wohl von seinen
Soldatenjahrem er sah sich in der
schmuckenllnisorm der SibivSchiitzem
er erinerte sich, als er vor der Zita
delle Posten stand, er gedachte der
Herrlichkeiten der Butterwoche,—vor
bei, alles vobei! Hier in diesem elen
den Robotniter - Nest hatte er aller
dings die paar Garnisonschlacten, die
an ihm hangen geblieben waren, längst
wieder abgestreift. Er lebte dahin —
gleichgültig, unbekümmert darum, was
der nächste Tag bringen werde.
Als er sich Morgens fertig machte,
um zur Arbeit zu gehen, kam es ihm
so dor, als ob sich hinter dem Fenster
an jener Stelle, an welcher sich das ge
ölte Papier von dem Rest des Glases
abgeliist hatte, schwarze Gestalten zeig
ten« die sich der Hütte näherten. Erst
imdeutiirb der-m klarer scharf Um
rissener. . . .
«Tschort pobjeri« (hol’ mich der
Tellfel), fluchte Wladimir. »Das
scheinen wirklich und wahrhaftig Ko
saten zu sein. Wahrscheinlich wollen
diese Hundesöhne Steuern oder Ab
gaben eintreiben, —- aber ich werde es
ihnen geben, ordentlich werde ich es
ihnen geben«
Er stülpte sich seine Lammsellmiitze
auf den Kopf und trat in die haus
thitr, die er mit seinem breiten Rücken
gerade ausfülltr. Er beschattete mit
dem Handriiclen seine Augen und sah
jeßt ganz deutlich, daß es zwei Kasu
ten waren, die gerade auf seine Hütte
lpisprengten
»Wladimir Romanoroitsch,« rief der
eine, als sie in Hörroeite gelangt wa
ren.
»An ich«, gab Wladimir zurück,
ohne fich vom Fleck zu rühren.
»Reservist im dritten Sibip
Schüßen-Regiment?" forschte der Ko
sak weiter.
.«Wird ftimmen,« bestätigte Wladi
mir.
»Dann ist alles richtig«, der Kosak
lenkte sein Pferd so dicht an Würdi
mir, daß sein Pferd die Blute be
rührte und zog ein Papier aus der
Uniforrn, das er Wladimir überreich
te. »Hier nimm! Väterchen, unser
allergniidigfter Zar, hat zu befehlen
geruht, Dich zum 20. dieses Monats
wieder zu den glorreichen Fahnen sei
nes SchädemRegiments einzuberufen,
damit du hilfst, die japanischen Bar
baren zu vernichten.«
—, Bladimir nahm die Einberiifungs
order, warf einen Blick hinein und tief
den abreitenden Kosaten ein Schimpf
tpprt nach. Also zu seinem Regiment
mußte er wieder-, und zwar ohne Säu
men, denn der Terminst and unmittel
bar vor der Thür. Da die Kosaten
die Richtung nach dem Dorfe einschla
gen, konnte er sich schon den!en, daß
auch die anderen ausgedienten Solda
ten gleiche Befehle erhalten würden.
Da war das Dorf von der männlichen
arbeitsträftigen Bevölkerung beinahe
entblößt — «nitschewo", da mußten
die Beil-er sehen, wie sie allein mit
Le- cinbringen der Ernte fertig wur
— —- Ju der Stadt herrschte reges
- Inikitirifches Leben und Treiben, denn
die Eintleidung und Ausriistung der
ff Mir mußte mit beschleunigter
M betrieben werden. Ehe die Trup
pe- in die Manschurei befördert wur
den. gab’3 noch eine große Parade, die
Msegrmng der Soldaten, das Ver
theilen von wunderlräftigen Heiligen
Uldem. Dann eine lange Eisenbahn
Llth beschwerliche Märsche unter har
u Entbehrungen. Endlich Einrücken
tu die Irr-at. Das dritte Sism
SchüdemRegiment erhielt Befehl, die
rechte Flante zu decken, das zweiteBa
taillvu bezog Vorpostenftellung, die
achte Campagnie wurde in die Lauf
qräben geschickt
Die Leute froren und hüllten sich
dicht in ihre Mäntel. Feuer durfte
steht augezändet werden, und in den
, Sich-es stand das Wasser fußhqch.
«Schkechtei Geschaft das«, tnurrtt
Qlaitmir,«habt Ihr denn immer halt
f is Mer liegen müssen?« fragte er
, W Nachbarn, eine-. Kameraden
f« m der Linie.
's ift M nicht das Schlimmste«
J «arrf dem Rückzuge
W M am anders den«
' If des Rückzuge?« staunte Win
. . Jsroki possessi- hgom sich
Mich-U tufsischm
, Mächte-I Esseur
W
»Das ist doch schon einen Monat
her, erwiderte der Andere, da warst
Du doch noch in Deiner Heimatb.
habt Jbr denn noch nichts gehört von
der großen Schlacht, in der uns
die Uebermacht der Feinde zurück
drängte?«
Wladimir schüttelte den Kopf:
»Wir haben nur gehört, daß toir im
mer siegreich vorbringen und daß die
japanischen Barbaren ibren Vorn-ih,
Vöterchen Zar beleidigt zu haben,
schwer werden büßen müssen.«
»Man hat Euch betrogen«, erklärte
der Andere, »wie denn in Russland al
les Lug und Trug ist«.
«Du«, meinte Wladimir, »sei nicht
so unvorsichtig, wenn Jemand Dein
respetttoidriges Gerede hört, tann
Dir’s Kon und Kragen tosten.'«
«Pah,« machte der Andere verächtlich,
«toas mir schon daran liegt, ob man
hierd om Typhus gepackt wird, ob uns
eine Japanertugel den Garaus macht
oder ob man in Schlüsselburg am
Galgen baumelt; das ist Alles ein.«—
Wladimir verzichtete auf eine Ent
gegnung. hätte ihm auch gerade ge
fehlt, sich mit diesem Fabritproleten
aus Lodz in ein politisches Gespräch
einzulassen hier angesichts dieser japa
nischen Hundesöhne, von denen aller
dings vorläufig weder etwas zu seben
noch zu hören war.
Nichts zu sehen? Wladimir strengte
seine Augen an: war es ihm doch ge
wesen« als ob die Strahlen der unter
gehenden Sonne vom Bergabhang ge
genüber einen blitzenden Schein in’s
Gesicht geworfen hätten. Da lam noch
einer und dann . . . ah, da tauchten
ja ganze Reihen von Bajonetten auf,
deren jedes im Sonnenschein blinlte
nnd glitzertr.
»Du — Wladimir stieß seinen Ka
meraden an —, »da drüben ist was
los. Jch glaube, die Japaner rücken
an.«
«Nitschewo«, meinte der Andere
gleichmiithig, »ob man hier zum Hen
ter geht oder zu Haus, ob man. . . .«
Ein Fußtritt war die Antwort.
»Ruhe jedt«, herrschte Wladirnir den
tleinen Liniensoldaten an, »laus zu
riick und melde daß der Feind in der
Nähe ist.'«
Der Kleine war auch sosort aus den
Beinen. «Bin ja schon unterwegs«,
murrte er. »Du brauch Deine Bau
ernmanieren hier gar nicht so heraus
zustecken. Jhr Flegel aus dem Süden
seid immer gleich so grob. Und da
bei seid Jhr doch von gewaltiger
Dummheit — —", er war aus« dem
Graben gekrochen und schleppte seinen
Schießpriigel am Riemen hinterdrein.
Dann verschwand er hinter der Berg
toppe in der Richtung aus dic nächste
Feldtvache.
Wladimir Nornanowitsch hockte
allein im Graben, fein Gewehr im
Anschlag. Er lockerte den Patronen
gürtel.... »Zwanzig Stück«, zählte
er, wenn’s gut geht, lann ich zwanzig
japanische Heiden von dieser Erde
hinwegbesördern.«
Die Sonne war hinter den Bergen
verschwunden Da noch ein Ergliihen
der Wolten, dort noch ein Aufzucken
röthlich - weißen Lichtes. Die Däm
merung, die Nacht brach chsnell herein.
Drüben regte sich nichts. Hin und
wieder prasselte ein Stein die Berg
abhänge hinunter, dann war Alles
ruhig.
Wladimir legte sich seine paar Ge
danken bei dieser unheimliche-n Stille
folgerichtig zurecht. Er war in erster
Linie iaiserlich russischer Soldat, das
ist richtig. Dann aber hätter er doch
seht aus seinem Gütchen bei Petrows
taja die Ernte bergen müssen. Väter
chen Zar hatte das anders bestimmt:
er mußte seine Werst Land im Stich
lassen, die Ernte auch, und Japaner
—- diese Satans —- tthschieszem Ei
gentlich gingen ihn diese hundesöhne
nichts an, er wußte gar nicht, wie so
ein Kerl aussah, aber er, Wladimir
Romanowitsch, Reservist im dritten
Sibir- Schätzen- Regiment, er wiirde
es diesen lVallunten und Spitzduben
schon zeigen.
Da tlirrte eine Seitengetoehrscheibe
hinter ihm.
»Te, nimm Dich in Achts« suhr
Wla mir aus.
.,Beruhige Dich schon,« ries ihm der
Insowle n- se- m-0
—
ssssssssssssss u P- »Uras
« Ach so.« meinte Wladiniir und
lrümmte sich wieder in seinen Erdwall.
»Du Fabrikarbeiter von Lodz bist
wieder da? Hast Du Alles gemeldet,
hast Du Alles gesagt . . . ?«
»Psia lrew", das habe ich, aber sie
glauben’5 nicht· Die haben ihre Karte
vor und da heißt es: Hierrdurch diesen
Paß kommen sie nicht, hier diese Berge
können fre nicht·überllettern. Diesen
YOU-Fluß werden sie nicht passiren —
und weißt Du was geschehen ist ?'«
»Nie,« meinte Wladimir ganz ver
wundert.
»Siehsi,« erklärte ihm sein Kame
rad, »und trotzt-ern haben diese Barba
ren den Paß sorzirt, die Berge über
stiegen, den Fluß überschritten»
Wladirnir Romanowitsch gerieth in
Erregung. »Was?" ries er lauter als
es in der Vorpostenlette erlaubt war,
« »das haben diese Kerle Aei einricht.
Das nimmt Fest ein Ende , Isla
dinrir Romanotoitsch aus. .«
Ratsch, klatsch, klirr —
gen Denker. was ist dass«
, ersterer
er feine Msneeredr.
MUC Fräuxchenf rief sein
Kmrad «Da
Uns vor der Juni flammen Flas
W
men aus, ein Blii reihte sich an den
Asderem eine Salve liitte die andere
a .
Klatsch — das Ding pfiff in den
Erdwall und sprühte den Sand hoch
auf, Wladimir wurde ganz damit
überschüttet.
»Ihr hunde ie3t, ihr Hundesöhne,
und Wladimir lnallte seine zwanzig
Patronen hinaus. Und wanzig
tnallten noch neben ihm —- der Fabrik
arbeiter aus Lodz hatte auch geschossen.
Klatsch, llatfch, llirr...
Da kamen von unten geschlossene
Reihen, erst vereinzelt, dann dichter
und immer dichter. Und die Artille
rIe . . .
Eine Granate nach der anderen.
»Wenn Du tlug bist," rieth der Fa
britarbeiter, «lotnmft Du mit zurück.
Am Ende werden wir hier noch abge
murlst.«
»Ich, Wladimir Nomanowitsch,«
dellamirte der Reservist, »ich stehe hier« ’
um die Japaner. . .«
Da flog wieder ein solch glühendes
Granatending durch die Luft . . .
»Ich stehe hier, um die Japaner . . .«
Wladimir Romanowitsch vermochte
nicht mehr auszureden. Ein Splitter»
hatte seine Hand erfaßt.
»Gehen toir,'« — stimmte der Andere
zu.
Damit wurde der erste Laufgrabens
geräumt — in den nächsten stießen dies
Feinde aus erheblichen Widerstand auch
nicht mehr
Die gehortnmen Student-u
Es war in den ersten Jahren nach
den Befreiungstriegen, zur Zeit jener
Congresfe, aus denen die Fürsten Eu
ropas zusammenlanien, um persönlich
die Streitfraaen der durch dei Erschei
nung Napoleons so sehr inUnordnung
gerathenen Politit zu erledigen. Nie
nials zuvor hatte es an den deutschen
Hosen ein so reges Leben, so zahlreiche
Besuche getriinter Häupter gegeben.
So geschah es, daß eines Tages Kaiser
Alexander von Rußland auch nach
Weimar kam. Bei der Tafel gerieth
das Gespräch aus Jena und der Zar
äußerte den lebhaften Wunsch, die Je
nenser Studentenschaft, von der er
schon so Manches gehört hatte, einmal
beisammen zu sehen. Als aber der
Großherzog Karl August seine Zwei
sel über verschiedene dahingehenden
Vorschläge äußerte, meinte der Zar,
der Großherzog sollte einfach befehlen
lassen, daß die Studenten Spalier
stehen müßten, wenn er mit feinem
Gast nach Jena käme. Karl August
lächelte bei diesen Worten ganz merk
würdig aber bald daraus sprengte
wirllich ein Kurier mit einer eigenhän
digen Order des Großherzogs an den
Rettor nach Jena. Am folgenden Ta
ge fand dann der interessante Besuch
statt. Der Großherzog und der " ar
tamen in einer offenen Jagdtale che
und ehe sie noch in Jena einsuhren,
hatten sie schon daseVergniigen, die
Studenten zu sehen. Jn langen Rei
hen standen sie lints und rechts von
der Straße, die dreisarbigen Bänder
um die Brust, das bunte Cerevistäpp
chen aus dem Kopf u. die lange Pfeife
im Munde. So zahlreich waren sie
erschienen, daß der Zar die Ueberzeu
gung erhielt, nicht ein einziger habe
ten Befehl unbeachtet gelassen, unt
erfreut wandte er sich zu dem Großher
zog: »Da wird nun so viel von dein
unruhigen Geist der atademischen Ju
gend in Deutschland geredet,« sagte er.
»Mehr Gehorsam würde ich aber auch
in Rußland nicht finden.« Woran
Karl August, während er ein Blatt
Papier aus der Brusttasche zog, wie
der merkwürdig lächelte. »Wollen Sie
jetzt den Wortlaut meines Befehlg ten
nen lernen, Sire?" fragte er. »Hier
ist eine Abschrift der Order die ich
dem Rettor mit dem Bedeuten zugehen!
ließ, sie sofort im schwarzen Brett an
zuschlagenk Der Kaiser entsaltete
das Blatt und las das Folg-ende: »Da
morgen Se. K. Hoheit der Großherzog »
mit seinem erhabenen Gast Kaisers
Alexander von Russland in den Nach
mittaasstunden Jena passiren wirde
so wird hiermit auf ausdrücklichen
Befehl Sr. K. hoheit des Großherzo s
jedem Studirenden auf das strengste
verboten, sich an der Straße, welche
die hohen Neisenden passiren werden,
zu zeigen.« Der Zar zeigte natürlich
tein geringes Erstaunen, als er diesen
Befehl gelesen hatte, Karl August aber
lächtelte wieder und tagte: »Ja, ja,
Sire, Sie sehen, daß ich meine Pap
penheimer kenne."
i-— - —--—
Deutsche Sänger einst und ietzt.
Während sich heutzutage die deut
schen Sänger allgemeiner Anerkennung
erfreuen und nicht wenige von ihnen
Weltruf genießen, waren sie in frühe
ren Zeiten geradezu berüchtigt und der
Gegenstand der schärfsten Angriffe.
So sagt Johann der Diaton im 9.
zahrhundert von den deutschen
ängerm »Die süße Gesangweise
haben sie zu lernen sich abgemiiht, aber
wegen angeboreneeWildheit nicht rein
erhalten können. Nämlich: groß an
Leib wie Berge. donnert auch ihre
Stimme hochbrausend daher. tann also
nicht in süßem Gesange ertönen; und
wenn die harbarische Rohheit ihrer
durstigen Kehle den Gesang durch
Uebergönge und Nachhall zu ver
schleisen bemüht ist, so stößt sie die
harten Töne mit ganz eigenem Ge
prassel heraus, sast wie ein Lastwaxtn
der über die Steine rasselt. lo daß i- hr
und Gess l, statt sanft bewegt, er
schreckt un erschiittsert werden«
-·-—-—-—
Wer obenans iß."glauht immer an
des Recht des Stä ereu.
W
wie Toni zu seiner Kuni kam
Oumoresle von T h. T ii u be r.
I Seit Jahr und Tag lebte der Wald
moserbauer mit seinem Nachbar, dem
reichen hast« in bitterer Feindschaft
Das kam von einem Grenzstreit ber;
Waldmoser behauptete einmal plötz
lich, daß Hartls Feldwaa iiber seinen
eigenen Boden führe, also ihm gehöre.
Das wollte der andere natürlich nicht
zugeben und so begann denn ein er
bittertes Streiten und Prozessiren.
Aber auch privatim tbaten sie ein
ander alle möglichen «Possen« an, die
zuweilen sogar auch die Heiterteit der
Dorfbewohner erregten, denn die aus
den beiden Höfen bediensteten Knechte
und Mägde sorgen schon dafür, daß
»die biederen Martersdorfer von al
Y tem, was da geschah, Kunde erhielten.
So wußten fre von der todten Henne,
die eines Morgens auf Waldmosers
Kammersenster etegen hatte, als Iei
"nesweg·s angrnegrn duftender Feind
fchastsgruß; sie erfuhren auch von
den vielen todten Ratten und Mäu
sen, mit welchen wieder einmal Hackls
Schwelle bestreut war, und von dem
.,Spitz«, dem Hunde Waldtnosers,
der mit einem bunten Flickenaewande
und einer Narrentappe angethan, da
ber gesprungen tam.
So und ähnlich ging es weiter --
zum Ergöyen der Unbetheiligten
An einem wundervollen Frülilinag s
morgen —- die Sonne war eben erst
ausgegangen —- svazierte der Waldmo- x
set auf seinen Feldern herum, um nach(
Getreide zu sehen. Dabei iam er auch»
zu dem strittiaen Gren.iwea. i
»Kreuz satra« rief er plötzlich und
riß die tleinen Augen weit auf.
Denn hier« quer über den Weg
stand eine sonderbare, riefengrosie Ge
stalt, einer Vogel- oder Wildscheuche
ähnlich, die ein gemaltes Gesicht hatte.
Das heißt, ein rund geschnittenes Pa
pier war in primitiver Weise mit Au
gen« Mund und Nase versehen und
auf ein gleich rundes holzstiiet getlebt
worden. Offentar sollte diese; Ant
litz eine tomi che Aehnlichkeit mit dem
Waldrnoser aufweisen, denn es zeigte
denselben breiten, etwas schiefen Mund
und denselben Schnitt des Backenhar
tes. Mehr als alles verrieth die ab
sichtliche Stellung des künstlichen i
Mannes, wen er darstellte. Die Bei- l
ne waren weit ausgespreizt und ausi
Hopfenftangen gebitdet. Einer der
lan en Bohnen tangensArme war
na der hacktIschen Seite hin ausge
streckt. zwischen den holzstöckckiern dies
Hand und Finger vorstellen sollte-«
steckte ein auf Pappe getlebter weißer
Papierbogen, worauf in wahrhaft rie
siZeIn Buchstaben geschrieben stand«
» ein Eigenthum« Die andere
Hand hielt einen derben Finiittel dro
hend empor, wie zum Dreinbauen be
reit. Das ungeschlachte Ding war
übrigens auch mit hose, Jacke und
Mii e bekleidet
aldmofer betrachtete es lange mit
Ingrimm.
»Na, wart nur, hackt, dafiir thu i
Dir a wieder an Schabernack an
aber was fiir an?«
Und den ganzen Tag noch dachte er .
vergeblich nach. J
Erst am Abend, als er beim Nacht: s
mahl saß und einen Teller voll seitab- I
geschrnalzener Knödel und Sauertraut ;
und dem dazu gehörigen »G’selchten«
ver ehrte, titzte ein Gedante in ihm«
au , daß er plöglich vorn Schemet
schnellte und ohne Rücksicht auf dasj
Knsdelstiick im Munde laut ausrief:
»Ich hab’s! Ja, dös thu it«
Die Luni, seine zwanzigiiihrige
Tochter, ein fesches. watdfrisches
«Diandl,« das seit dem Tode der
Waldmoserdäuerin der großen Wirth
schaft wacker vorstand, tatn von der
Perdplattn woraus sie ten die Milch
chiisseln zum Aufwärmen gestellt, an
den Tisch zum Vater und fragte neu
gierig: »Was hast. Voda, was willst
thun« «
«Ab, nix,« brummte der Vater und
stopfte nun doppelt so große Bissen
als vorher in den Mund. um bald
fertig zu werden rnit dem Essen.
Und als er den sinddel mit dem
«G[setchten« den Garaus gemacht hat
re, fprang er, noch mit dem letzten Bit
fen im Munde auf. ergriff feine Mütze
und trabte zur Thür hinaus.
Die Luni folgte ihm bis auf den
Flnrraum nach
»Jess’, was is nur mit ’tn Voda
last« murmelte sie kopfschüttelnd
«Sollt’ er eggn was g’nierlt dami«
Der Waldmofer ater begab sich
Hdurch das Schennenthor auf das Feld
und schlich im Abendduniel zur Gren
j ze hin, wo feine nnd Hackls Aetter an
seinander stießen.
Ringen-n herrschte tiefe Einsamkeit,
nächtliche Stille.
f Der Mond war noch nicht aufgegan
Lgem aber die Sterne fchimmerten am
dunklen himmel und gossen ihr blei
ches Licht über die friedlichen Gefilde,
iiber Thälei und Berge auc.
Doch dem Waldmofer war ganz
und gar nicht friedlich zu Sinn —- tm
Gegentheil. feine Gedanlen beschäftig
ten iich angelegentlich damit, einem
Menschen Aerger zu bereiten
Jeit bliette er sich nach allen Sei
tmfcharf um. ob es rathfani war. den
fetndlichen Boden zu betreten —- er
«ficherte·, wie es in der Jägersprache
heißt.
St fchlich er init leifen Sohlen, einer
Knie gleich, zu dein rnitGebiifch be
meldfenen Feldrain hin. der einen Rü
benacker vorn hoferfeld trennte.
»Da tot-»F mnrneelte er. »Da Eint
der Unäbar früher immer Mart-er
eilen nnkajtellt g«habt... Ob’s jep c
n- bg is
« Und rieth nit gekrümmtem
W
Riiaen schlich er aus dem Plas herum
und suchte die Falle.
Richtig! Da neben der hagedorns
heele besand sie sich.
»Na wart « dachte der Bauer scha
denfrah, »heute sollst amol was curio
sei sangen» .diis is siir die Vogel
cheuch’.«n
Er schlich sich nun wieder iiber dies
Felder seinem Hause zu.
Dort angelommen, stieg er aus den
Hausbadem suchte in der Rumpelkam
mer mit der rößten Anstrengung seiner
Sehnerven —- nur die Sterne leuchte
ten ihm zur Dachluie herein-einige!
alte Lumpen zusammen und sormtel
daraus eine Art Puppe. l
Diese trug er zur Düngergrube und
parsiimitte sie dort gehörig.
Eine Stunde später, als im Hof die
Dienstleute schon schliefen, brachte er
die Lumpenpuppe zu dem Fangeisen
des Nachbars.
Behutsam legte er sie hinein Dach
lange nicht vorsichtig genug: klava
schlug die Falle zusammen und Wald
mosers Hand war gefangen und em
s psindlich verletzt.
: »Versluchtes Eisen!« schimpste er,
! während er sich zu befreien suchte, was
aber mit der einzigen Hand nicht ge
lang. »Wie dös weh thut! Gar net
zum Aughalteu... Kreuz fakrai was
soll ich nur machen-'
Ja, es war eine verzwictie Sian
tion. Und er lonnie sich nicht helfen,
ter gesungene Bauer »all« er rusen
damit Jemand lam? Das war wohl
das einzige, was ihm Befreiung
brachte.
Aber wenn man ihn dann in der
satalen Lage erblicttel Das gab den
Martersdorsern wieder etwas zu la
chen. Der Spott dann! Nein, das wäre
zu schrecklich gewesen. Er mußte doch
sehen, daß er allein lostam.
Alles vergeblich· Das verwünschte
Eisen war und blieb zugeschnappt und
es war auch sest in den Erdboden ein
gegraben.
»Jetz’ is ’s aber net mehr zum
Aushalten!« seufzte er und schickte sich,
widerwillig zwar, an um Hilfe zu
rusen.
Da drang halblauter Gesang aus
männlicher Kehle an sein Ohr.
«Zwa Sternderln am Himmel,
Die leuchten so schön,
Wenn ich zu mein’m Dirndl
Ganz hamlich thu geh’n.
Und bei meiner Kund
Da bin ich so gern,
Ich möcht« z’weg’n ihr’m Blondhaar
A Spinnradel wer’n.«
Waldmoser lauchte athemloå Was
sang der Bursche dort?
»Und bei meiner Kuni ——--——
So hieß sonst im Orte Niemand,
als seine Tochter. Und die Singstimme
lam ihm so betannt vor, sie tlang wie
die des Hackl-Toni.
Hatte der nicht vor einigen Wochen
aus der Huber’lchen Hochzeit fortwäh
rend mit der Kuni getanth Und das
hatte ihn, Waldmoser. schließlich io
sehr geärgert, daß er sein Mödel turz
weg beim Arm gepackt und gebrummt
hattet
«Wannst mit dem da immer tanzt,
so it« aus, wir geh’n z’hauo.«
Und trotz Lunis dringender Bitten
hatte er mit ihr den Hochzeit-shall ver
lassen.
Nonnten die beiden nicht hinter leis
nem.Riicken ein Liebegverhiiltniß ans
gebändelt haben?
Der sangeösreudige Bursche war in
dessen niiher getommen, Waldmoser
lonnte ihn, da der Mond bereits auf
j gegangen war, ertennen. Freilich war’s
der Toni. der Sohn seines frzfeindeL
» Und er strebte der Grenze u. Gewiß
!wollte er ·sensterln«.
Die eingetlemmte Hand schmerzte
- unerträglich am Ende tam vielleicht
T gar der Brand hinein — Waldmoser
glaubte schon ohnmiichtig zu werden·
Und so ries er denn laut und angst
voll: »Toni — Toni!'«
Augenblicklich wandte der junge
Mannsi ch um und schlug die Richtung
; ein, aus welcher der Ruf tam.
i Ka, Forli . .;»s·chnell, schnell!«
LUIII IIIIIZIU chcc IUUI Ul- IU
I dringlich Gerusene beim Walbmoser.
l Und lau-n halte er dessen Situation
. erfaßt, brach er in ein Lachen aus.
»Na, wie is denn das g’schtb’n?«
»Ab, verfluchte-Z Zeug! Jch bin bali
g’sangen.. . laß rni schnell aussi ans
dem niederlrächiigen Eisen..Jch bin
scho halbiobi vor Schmerz ——"
»Das is steili a seltsamer Fuchs,
der sich ba trin g’sangen hat . . . wenn
den mei Voda segal —«
«Toni —- mn Golieswillen rnach mi T
tos. ich but- Dich ga:.schsn... Ves- (
langen kannst von mir, was Du willst, !
aber sag« lan Menschen was von dera l
salrischen G’schicht . . . Gelt. Toni«
mir zwa haben ja nix mitanand —«?
»Wie bet brrr Nachbar etzi aus ein
mal so versöhnlich is zu mir . . . Da- :
malz. aus dem uberlsochzeitsball war
das Gegenlheil r Fall —«
«Mußi nel b«’ran benle, Toni —
schau, a guada Mensch rächt sich nei»
der hilsi sogar sein’in Feind Geli’
hils mir g’schivind baß ich loslumrn.« ’
«Jchl ann also verlangen, was ich
will, hai der Nachbar g’sagl. Gui,
ich verlor-g —«
»Ja, ja, mach kchnell —- ich slikb —«
»F is bald g' agi, Wald-nostr: bie
Kuni nnd ich, wir haben uns gern,
ich will sie heirathen, und wenn Ihr
nix dawider habi, nachher mach« ich’i
Eis-en ans.«
»Ja ja, do basi mein’ linke band
Maus ? gilt —- nur wach' schnell.«
Der Toni besteiie ben des-oben
kasch aus der schmerzlichen Ge augen
sschaih Dabei bemerkte er die Lumpen
WIN
w -—- —-..-.»..-!
— »Ich. dcn .Q·.nlert« da habt hr
’mein’ Voda in d’s«fallen thun wo en
J—— sa, so it: Wer iAndern eine Grube
räbt, der siillt oss selbt hinein...
der Euer Versprechen m Ist's halten.
Nu han« .
, ·rsteht sich.·(2in Mann ein Wort.
Bist in a braver, tüchtiger Bua wa
ruml sollt’ ich Dich net znsn Schwie
gersohn mögen . . . Aber was wird Dei
Vodn dazu sagen?«
»Ach, ver wird schon ja sagen.«
Der beglüclie Toni le te dein küns
tigen Schwiegervater Egeguichbliitter
auf die Wunde an der Hand und ver
band sie mit seinem Taschentnch. Dann
schritten die Männer einträchiig iiber
das Feld.
»Hast wohl sensierln wollen, Du
Malesizbua?«
»Fr’eilich... und wißt’s was, here
Schwiegervater: jetzt gehen wir zu
Euch und sagen’s der Kuni —«
»Na, wegen meiner.«
Still und dunlel lag der Waldmv
serhos da, das Gesinde schlief den
Schlaf des Gerechten. Aber die blonde
Kuni stand noch an ihrem Kammer
senster und spähte in den mondiiber
glänzten Garten hinaus.
«Qb er heut’ lommt?« slüsierte sie.
Da vernahm sie ein Knarren der
Thüre und schwere Tritte. Erschreckt
zündete sie ein Talglicht an und ging
in den Flure.
Und hier erblickte sie den heimlich
Geliebten neben ihrem Vater — bei
nahe ließ sie die Kerze fallen vor
Staunen. Hatte der Vater den Toni
ertappti
Jhr Staunen erreichte noch einen
höheren Grad, als jetzt der junge Mann
sie ungenirt umschlang.
»Der Vater weiß Alle-IV fliisterte er
ihr glückstrahlend zu.
Da schmiegte sie sich an des Liebsten
Brust.
Waldmoser trat in die Stube, na
einen Krug vom Bordbrett und stieg
in den Keller, um Wein zu holen zur
nächtlichen Verlobungsseier.
Der alte Hacklbauer wollte seine
Eintoillgung zuerst nicht ben. Aber
der Toni, sein einziger » ua", tvar
ihm doch zu sehr an’s herz gewachsen.
und so that er ihm den Willen. Die
Nachbarn föhnten sich zuletzt aus und
der Grenzftreit hatte ein gutes Ende
gefunden.
Der große Samee.
Das »Todte Meer Americas« scheint
allmählich austrocknen zu sollen Nach
den Angaben, die die Deutsche Rund
fchaa sur Geographie und Statistit
beibringt, ist der Spiegel des Sees von
Ende 1886 bis Ende lijutz also in ei
nem Zeitraume von 16 Jahren, um
Iltg Fuß, also durchschnittlich im
Jahre um 22 Centimeter gefallen. Be
tracht-It man die Messungen der letzten
drei Jahre allein, so findet man, daß
der jahrliche Wasserverlust noch größer
geworden ist und jeyt 30 Centimeter
im Jahre beträgt. Wenn dieses stetige
Sinten anhalt, so wird der See in 40
Jahren eine trockene Salzwiiste sein;
denn das Wasser im nördlichen Arm,
der Its der tiefste gilt, ist nicht tiefer
als 40 Jus-. Daß es sich hier um einen
Vorgang handelt, der nicht erst wäh
rend der Zeit der Besiedelurig durch
die Weißen eigesetzt hat« geht. daraus
hervor, daß die geologische Durchfor
fchung der neun bergigen Inseln im
See und der Ufer alte Wassersnottem
600 Fuß höher als der jetzige Spiegel
dürfte, so heißt es in dem genannten
Blatt, fiir die Gegenwart —neben der
Wirkung starker Verdunstunq, die das
Maß der Wasserzufuhr überschreitet
in de: Entnahme des Wassers siir
landwirthtchaftliche Zwecke die Haupt
ursache des beängftigend schnellen Sin
tens des Wasserspiegels zu suchen fein.
Als Brigham Young und seine Ge
fährten im Jahre 1847 im Lande, das
heute den Namen Utah führt« erschie
nen, fanden sie den Boden lultutfiihig
vor, doch es fehlte überall an Wasser-.
Formen wurden errichtet und Bewiitses
rungstanäle gebaut« die alle der Große
Salzsee speisir. Bis zum Jahre 1880
wurde dieseBewiisserung in keinem all
zu roßen Maßstabe betrieben, und
der gWasserstand des Sees wies in die
ser Zeit nur die gewöhnlichen Schwan
kungen aus; jedoch nach dern Jahre
1880 wurde zur Berieselung der um
liegenden Farmen so viel Wasser ent
nommen, daß selbst in dem regeneri
chen - ahre 1886 das Niveau urn Bli
Iuß anl. Jm Jahre 1889 wurden
aus diese Weise 609 Quadraimeilen
Ackerboden bewäiseri, Und man plant
jth noch eine neue, viel größere Be
wasserungsanlagr. Außerdem wird
schon heute die Vewasierung des gan
zen Uihaihales von den Zufliissen des
Großen Salzsees besorgt. Die größe
ren dieser Flüsse sind der Jordan der
Weber- und der Bäriluß Außer die
sen Wasserläusen werden noch die llei
neren Flüsse und Bäche zur Beriese
lung herangBogem in der Wei e, daß
ihr ganzes - asser aus die Iel r ge
leitet wird. Venn also die Bewiisiers
uns des Ackerbodens in der bisherigen
oder gar noch in verstörlier Weise fort
eseßi wird, so wird der Große Salz
» ee, eines der grdßien Binnengewiisser
’der Erde, in weniger als einein Men
schenalter verschwunden sein.
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Inasdermw
Sachse (im Eisenbahnabiheil): »Ach
Sie wärden giedid,st ean ldisen.
mei« sähr verähriek lniid’ges reileins
chen . . . ich mer-te Sie nämlich blo
ergäbe-ist aufmerksam nia n:
harnrn was icn Angel« —- Dame:
f,Soil« —- Er: .Ei ja. Nämlich —- so
was Liebes!« -