Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, November 25, 1904, Zweiter Theil, Image 14

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(8. Idttletuw «
»Es ist ja auch nur, weil wir hör
ten, Sie hätten hier einen Bruder . .«
warf der Maler etwas eingeschiichtert
dazwischen.
»Nun ja, freilich. den hab’ ich, und
eint liebe kleine Schwägerin dazu, und
hab' mich herzlich gefreut, daß die
Leut’ aus ihrem Norden, wo ich nie
und nimmer hätt’ hintomrnen tdnnen,
hierher verzogen sind, wo man sie doch
einmal fassen kann! Sie haben zwei
kleine Buben gekriegt, seit wir uns
das leste Mal sahen, und die Be
kanntschaft dieser sehr ehrenwerthen
jungen Herren half ich durchaus ma
chen sollen und auch llen... Kin
dernarr, der ich einma bin! Zudem
. . .. dem sentimentalen deutschen Mi
chel, der in mir drin steckt ——ja, ja,
urken Sie nur an mir herauf und
rab, wahr ist’s doch —- also, dem
Element in mir läßt’s doch keine
Ruhe, das muß von Zeit zu Zeit sein
Recht bekommen, und jetzt, wo ich
jahrelang in Jtalien festgesessen habc
ta mußt' ich eben deutsche Luft wieder
athmen und die Geschwister wieder
sehen! Ich wär’ zu ihnen gefahren
und wenn sie noch in ihrem Norden
gelebt hätten — ich hielt’s eben nicht
aus. es litt mich nicht mehr im Sü
den! Aber mich hier einwurzeln?
Rein ausgeben? Nie! Und wenn ich
aller Städte Reiz und Preis erkenne . .
leben kann ein Mensch, wie ich nun
mal einer bin, einzig in Rom!«
»Brav, Meister! Mir aus der Seele
FsprochenP rief Maxi enthusiastisch.
nd tief ausathmend fügte er hinzu:
.So Gott will, sitz’ ich im künftigen
Fuhr wieder bei Ihnen in der Via
argutta!«
»Das soll ein Wort sein, mein
Sohns Und fes-offner mail-n mir ans-i J
wie die Bericrler!«
»Aber Maxi shat uns gesagt, Sie
hätten sich hier in München ein Aielier
gemietket Hle Professor — ist das
wahr? fragte der Kupfersiecher.
»Und ob! Maxi hat ganz recht ge
sagtl Ich hab’ mir da in Eurer
Schmnthalerftraß’ etwas gemiethet,
was deuer nach allem anderen, als
nach ’nem Atelier ausschaut — nu —
wird schon werden, wird schon korn
nienl Jst noch nichts von Rom da,
was ich mir hab’ schicken lassen, und
die zwei Leut’, die ich nicht entbehren
kann. ohne die sich nichts beschicken
läßt, die sind auch noch nicht da.
Slizzen und Entmärfe, dazu gebrauch
ich niemanden, im Gegentdeil, Maxi
weiß, das darf kein menschliches Auge
ehenl Aber ich hab’ da zweierlei
chon aus dem gröbsten heraus —- da
zu brauch· ich meine Leut’!«
«Darf man wissen . . . L«
»Nein, man darf nicht« lieber Herr
-nichts für ungutl Wenn’ä fertig
ist, soll der Maxi Sie und Jhre zwei
Freunde da hernehmen und mir in
mein Atelier bringen, elf noch die
Herren Kunsthändler und Kritiler
drüber herfallen... da können Sie
sehen, ob hier in deutschen Landen
Das G’fcheites geworden ist von knei
nen Werten!««
Ic-- L-- Ez- -·«t. its-— -—s.-:4«-.
»Ah-Xb UUD ON UUW chkl UCUOCLU
wollen, Herr Professor! Man sollte
meinen, die Zeit in Deutschland
brauchten Sie zu Jhrer Erholung!«
»Erholung? Jch?" Cotta reckte seine
tastvvlle Gestalt höher. «Wozu braucht
ein Mensch wie ich denn Erholung?
Wissen Sie, was meine beste Erholung
ist? Die Arbeit! Ohne Arbeit tein
Leben für mich! Glauben denn Sie,
ich wär’ nach Deutschland herüberge
kommen, blosz uxn meinem Bruder die
Hand zu drücken, die Schwägerin zu
küssen und die beiden Buben aus mei
nen Kniee-r zu schauleln . . . allenfalls
noch in den Gasteiganlagen spazieren
zu laufen? So lang ich der Kerl von
heute din, wird stramm geschafft...
was später einmal wird, das kann ich
mir nicht denken! Wie lange ich hier
kleiden will? So lange es mir gefällt
—ecco! Feste Pläne mach’ ich rnir
keine! Die Pläne und die Grundsätze
sind irn menschlichen Leben bekanntlich
da u da, daß man sie nicht durch
sil rtl Jn Rom liegt und steht alles so,
tnß ich jeden Tag wieder eingreisen
lannt Und halt’i ch es endlich nicht
mehr aus ohne meinen Vatikan, mein
Kapital, meine braune Campagna . . .
dann brech’ ich eben hier eins, zwei,
drei meine Zelte ab, lchniir’ mein
Bündel nnd saus’ durch den Gottardo,
daß ei eine Luft ists Sieh, sieh —- das
ist ein erfreulicher Anblick!·
Von beiden Seiten waren die jun
gen Mädchen in den Salon getaznmen
—- sie dildeten, unsern von den vier
Herren in der Fensternische. eine plan
dernde, lachend-, tichernde Gruppe.
»wes-n iß Ihr Schwesterchen
Maxifx Tät-s Zug-at vbflrnzeltender
Mir -r n o vor.,,ie
Kleine da in rosa Seide? Sehr ein
Eil-M Kindl! Lassen Ste. lassen
I. ei eilst nicht so Mit der Vorstel
M S ruscht« halt noch s dissel
, Indiens-at Sehen Sie, meine
, res- ds per nni habe-J den leben
HIHMI fär- dat. M ich Ihnen
»Es-IX Ums-! Eis-ein« Tit-M
.
.-—x — ,-x, -.»
s-» D . ANY- TNPFDIfROfZRFIEV -
Frivoles damit gesagt haben — fern
sei M von mir! Jch mein’ nur: zu
nenig individuell, zu sehr-Uniform!
S«chauen’s mal: die lleine Dicke da
tragt genau solch’ Kleiberfacom toie
die hohe Schlante dort —- das thut
weh fiir die Augen, das müßt’ in einer
Stadt wie München nimmer passirent
Jn Rom trifft man auch viel Unnatur
und Geschmacklosigleit — es verstehen
es so wenige Mädeln, sieh fiir den
Körper und das Gesicht, was Mutter
Natur ihnen mit auf den Lebenswea
gegeben hat« passend zu kleiden-— von
den Manias und Schneiderinnen vol
lenö zu schweigend Manche Figur
tönnt’ sich mit Ehren sehen lassen,
wenn ihre Besideria sich eben ihrer
Mittel bewußt wär’ und teine Mode
närrin in ihr steckte, die sich für Ge
walt ebenso anziehen müßt’, wie Gre
tel und Lifel und Katbi. Was aber
für die Gretel hübsch ist« das verun
ziert die Liset, und was der Lisel an-:
stehen möcht', das vernichtet die HnthU
Auch hier nun-— schauen’s nur! Lau
ter Toiletten —- und iein einziges Ge
wandt Nichts Freies, Wallendes,
Künstlerischesl Alles nach der Scha
blone frisirt, geschnürt, geschniegelk
und gebügeltt Beim besten Willen
lönnt’ man keins von diesen hübschen
Kindern mit irgend ’ner Märchen
oder Fabelaeftalt vergleichen, lönnt’
zum Beispile —«
Er brach jöhlings ab — die blin
zelnden Augen lveiteten sich« wurden
ruht-; und groß.
Es U- M-I..s.-- cis
»Me- sss Ia »Ist-Haus«
Er faßte Maxi beim Arm; dieser
lachte.
»Meister, MeisteySie sind der le
bendige Widerspriech Eben noch sagen
Sie, es sei unmöglich· eine von de.n
ältliidehs mit einer Märchen-« oder Fa
«Nun ja, gewiß! Aber wer ist fie?«
wiederholte Cotta ungeduldig.
»Welche denn? Jch weiß noch gar
nicht... ach sa! Jetzt sehe ich! Die
dicke Rosi Werber schob sich dazwischen.
Die Seegriine meinen Sie mit dem
Silbergeriesel!'«
»Natürlich meine ich die! Jch kann
das Gesicht noch nicht sehen, aber die
Gestalt und der Anzug —«
»Das ist Hanna Piatrowslh, meiner
Schwester Elly beste Freundin. Jch
glaube übrigens, wir werden gleich zu
Tisch gehen. Verzeihen Sie schon, lie
ber Meister, aber ich muß Sie jetzt
endgültig einer Anzahl von Leuten
darstellen! ·Jhre Melusine ist natür
lich auch dabei!«
Etwas widerwillig nickte Cotta, er
rückte sich in den Schultern zurecht,
wie jemand, der ein unbe liches Ge
fühl abschiitteln möchte. Ge etlschasten
waren nicht sein Fall, das spürte er
eben jetzt wieder einmal sehr deutlich
— namentlich nicht ganz große und
ganz fremde Gesellschaften, wie dies
eine war. Seine guten Freunde in
Rom, o, die tannten ihn und erlaub
ten ihm vieles-, die bereiteten Fremde
ein wenig auf ihn bor, damit die Leute
sich nicht zu sehr iiber den Mann
wunderten, der itst von- sprudelnder
Lebhaftigteit, eit- halbe Stunde spä
ter, ohne besondere Ursache, schweig
sam wie ein Kartbiiuser war — zudem
festen sich die Feste, die Cotta in Rom
lesuchte, vielfach auf Künstlern zu
sammen — und wer »dem Bau« ist,
sei ei auch nur als Gattin- Mutter
cder Tochter, der nimmt es nicht fo
genau mit der ganzen Skala gefelliger
Formen.
München freilich ift auch eine Kunst
ftadt —- aber der heutige Kreis wies,
außer den jjungen Leuten, die Maxi
hier eingeführt hatte, lein tünitleri
fcheö Gepräge auf.
Das Haupttontingent der Gäste
ftaute sich jetzt im Salon. Maxi mußte
für fich und feinen Begleiter Bahn
schaan —- er wurde mehrfach dabei
aufgehalten, gefragt, angeredet... fo
kam es, daß er nicht gewahr wurde,
wie Cotta plötzlich wie angetvurzelt
stehen blieb und mit vorgeneigtem
Kopf nach einer bestimmten Richtung
starrte, als könne er feinen Augen
nicht trauen.
Es war gar nichts Besonderes ge
schehen. Nur hanna Piotrowsty hatte
sich zufällig umgedrebi.
Cotta sah fie immer noch starr und
staunend an; er bewegte leicht den
Kopf bin und ber, wie jemand, der
eine Thatsache bezweifeln möchte und
es doch nicht kann. Seine Stirn
furchte sich, die Nasenfliigel vibrirten
leise, der Mund war herbe geschlossen
. . . fo fah ibn Demna, der Elly eben
ins Ohr gerannt hatte: «Dreb« dich
unauffällig herum, Schaserh auer
über’n Saal tornmt der Max-i mit fei
nem Michelangelo, dem Gotte-, auf
uns losgesiieuertt' -
Das junge Mädchen erfchrat, ati es
in dies ausdruasvalle diifteve Män
nerantlid blickte. Das alfo war
Willfried Gotte-, der Schöpfer des »Ge
HissenP So fa er aus-i Und der
feste jovial und rmlsi und kindlich
heiter fein tönnenf Selbst Elly mußte
der strde in feinem Gesicht auf-«
fahre, denn sie tniff harrt-a in den
Inn nnd ’ :
«sa,s hat der Max-i mitfaimnt
keines III-M sit Im Kette anf
—
J
gestellt. das er so wllthig und in
grimmi ausschanti"
Jnde en drehte sich Maxi nach sei
nem abhanden getommenen Gefährten
zurück.
»Nun, Meisteri« "
«Jawok;l, ich tomme! Osten Sie-«
Maxi —« Cotta legte dem jungen
Mann die Hand aus die Schulter und
zwang ihn, noch einen Augenblick still
zu stehen —- «wie nannten Sie gleich
das Mädchen im hlaßgriinen Kleid-W
«Jhre Melusine meinen Sie? hanna
Piotrowsth!«
Wieder bewegte der Bildhauer
zweifelnd den Kopf hin und her.
»Kann sie wirklich so heißen?«
«Nu,« entgegnete Maxi nnd-lachte
.ich werde doch am End’ meiner
Schwester Elly beste Freundin heim
Namen kennen, zumal ich sie stark veri
ehre; sehr ein anziehendes Möbel ist
ras, trohdem es nicht gerade sehr aus
giehig in der Unterhaltung ist und
schwer an sich herankommen läßt«
Cotta schwieg hierzu gleich da
raus hatte er sich mehr als ein duhendx
mal zu verneigen, während ein unbe
lannter Name nach dem anderen an
seinem Ohr vorüberschwirrte. Unter
all diesen Namen war auch Dann-i
Piotrowsth. Er verheugte sich vor ihr
genau so fremd und gemessen, wie vor.
allen anderen, nur seine Augen sorsch :
ten in ihrem Gesicht —--- scharfhlickende,
iufassende Künstleraugem die ohne
weiteres das in ihren Besitz nahmen.
was ihrerAusmertsaInleit werth schier-«
Herr v. Meding trat zur Vorstel
lung heran; er gerieth sosort mit Cotta
in ein animirtes Gespräch und mühte
sich, auch seine Nichte Ellh in dassele
hineinzuziehen Es wollte nicht recht
gelingen; Ellh hatte ihren Oberleut
nant neben sich, einen sehr hübschen,
augenscheinlich blindlings verliebten
sp jungen Menfchen — die reizendeieleine
sah mit einem ganz vertraulichen Blick
zu Cotta empor, einem Blick, der deut
lich genug sagte: »Nicht wahr, du
willst nichts von mirs Du weißt recht
gut, daß wir zwei, ich und du, ein
ander nichts zu sagen haben, und du
überläßt mich demjenigen, der mir
alles ist und dem ich alles hint« Sie
hatte dem Oberleutnant ihre Blumen
und ihren Fächer zu halten gegeben —
iekt wünschte sie, ihr Eigenthum wie
der zu haben ———er wünschte, es noch
zu behalten — sie griff danach —- die
Hände begegneten fich — die Augen
trafen ineinander . . .
Onkel Medin runelte unmuthig die
Stirn. Wenn eine Nichte einen gro
ßen, berühmten Künstler fo ohne wei
teres lints liegen ließ-seinen Mann,
um den« sich die schönsten, reichften
Damen drängten —- um dafür einem
kleinen, absturen Leutnant deutliche
Avancen zu machen, fo war das zum
mindesten thöricht von ihr und wahr
lich tein Wunder, wenn der Professor
das bel nahm. Davon war allerdings
nichts zu merken, aber Eindruck schien
Elly dem Künstler gemacht zu haben
denn immer wieder gingen feine Au
gen zu ihr und Hanna Piotrowsty,
die zufammenftanden, hinüber.
Die Flügelthiiren zum Speifeiaal
öffneten sich, man ging zu Tisch. Cotta
hatte man zum Kavalier einer hüb
schen, gut tonfervirten Ministerial
riitbin ausertoren, die sich sehr für die
Kunst, noch niehr für interessante
Künstler begeistern sollte. Die Dame
war viel gereift, gewandt in dei- Un
terhaltung -—- wollte Cotta es sich be
quem machen, so ließ er einfach sie
reden, und dieSache war gut.
Er machte es fich bequem. Nach den
eeften zehn Minuten hatte er heruas,
wes Geistes Kind seine elegante Nach
barin war, und als er sie mit ein
paar Schlagwiirtern in Stimmung ge
bracht hatte und der gute französische
Sekt dazu kam, da machte die Dame,
die fich selbst unendlich gern sprechen
hörte, fo brillant Konverfatiom dafz
Cotta, der sich gut enug auf feinen
Vortheil verstan . Fast nur den Zu
hörer zu spielen brauchte. Selbstver
ständlich erzählte die Ministerial
riithin später jedermann, der berühmte
Bildhauer Professor Cotta habe sie
vortreff ’ch unterhalten, er sei ein viel
seitig ge ·ldeter, ungemein geistreicher
Mann.
Maxi Rode hatte es nach einigen
Debatten mit feiner Frau Martia
durchgefesh Hanna Pia rowsty zur
Tifchnachbarin zu bekommen- Sie
war ganz wohl Eh· zufrieden, fie
III - Z L
« seist-.- MossZ tust l-! --
- Ists-»s- «o- s du Ists-III
» ...-..,.. ..,. ,
und durfte sich nicht mit der Konser
vation quälen. Gleich beim Nieder
setzen vertraute ihr Maxi mit wichti
ger Miene an:
»Sie —- Fräul’n bannen unser
Cotta hat nach Jhnen gefragt —
zweimal sogar — und hat Sie »Me
lvsine" genannt, von wegen Ihrem
ariinsilbernen Gewand, das einzig
und allein Gnade bei ihm gesunden hat
unter all den schönen Toiletten hier
herum. Daran können Sie sich was
einbilden!«
Wenn hanna dies that, so tat-n
nichts davon zum Vorschein. Sie
lächelte « ic.lieblich, wie nur sie es
konnte, dann bat sie ihren- Nachbar,
ihr doch einigesf von Rom Und ro
fessor Cotta s- erziihlen, und axi.
der in dies "cheln «wild vernarrt«
nar, wie er das nannte, erzählte nicht
,einigec«, sondern sehr viel. da diese
keißden Themata ihn so bald nicht los
te en.
Nach dem Essen tatn der Tanz, nnd
fiir hanna, die eine sehr begehrte Tän
zerin war, wurde es richtig eine Ge
sellschaft wie hundert andere, und ihr
freudiges, schönes Vorsicht ließ sie
ganz nnd gar im Stich.
Seite hatte eine Meine Beile dem
Wllllg —-l. L M l .
Tanz, dem er selbst als junger Mann
nicht leidenschaftlich gehuldigt hatte,
zu schaut, dann war er gegangen.
t Hanna Piotrolosly hatte er
lein einziges Wort gesprochen.
8.
Ein llarer und sonniger Wintertag
war auf sehr viel Regen und Kälte ge
folgt. Die Münchener athmeten aus,
die vielen Fremden thaten ein Gleiches;
um diese Zeit begann bereits der
Durchzug nach Italien.
Var einein stattlichen Hause in der
Schwanthalerstraße hielt ein Mieth
wagen. Die Dame, die demselben ent
stieg. war dunlel und elegant gekleidet,
namentlich das Pelzwerl, das sie an
sich trug,·tvar von großer Kostbarkeit
Sie hieß den Kutscher, zu warten und
ging ins haus. Sehr langsam erstieg
sie die breite Treppe, und doch bewegte
sich während dieses bedächtigen Aufs-—
stiegs die freie linle Hand unaufhör
lich, ballte sich zusammen. spreizte die
Finger, wie wenn ihre Eigenthiitnerin
» besonders unruhig uno ungeduldig
’ wäre.
Die Dame lüstete jetzt den dichten
Schleier, der ihr Gesicht fast vollstän
dig verborgen hatte, und starrte wie
im Bann aus eine schmale, löngliche
Visitenlarte an der Thiit rechts. Will-:
sried ckotta war daraus zu lesen, wei
ter nichts. «
Seltsam heiße Augen waren ess, die
aus dem Namen hasteten. Lebens
durstige dunkle Augen. Sie mußten
doch schon viel gesehen, viel durchlitten
haben, denn fse standen in einem reisen
Frauengesicht. Edle, regelmäßig ge
schnittene Züge, üppigese braunrothes
haar —- aber ein ichlaffer. müder
Ausdruck spielte um die vollen Lippen.
kleine Fältchen zuckten um Schläfen
und Augentoinkel -——— die Jugend, die
schöne, lachende Jugend dieser Frau
war unwiederbringlich dahin.
Mit einem tiefen Athemzug warf
die Dame den schwarzen Schleier vol
lends zurück und lauschte. Drinnen
zvar alles still. Das konnte mancherlei
bedeuten. Der Künstler tonnte Mo
dell haben und intensiv arbeiten -—er
konnte einen Entwurf machen —— er
konnte måiszig sein —- endlich, er konnt.
einen Aus ang unternommen ha .
Um diese Frühe Stunde war letzteres
sehr unwahrscheinlich... und Modell
. . . in diesen wenigen Tagen, die er in
München zugebracht, würde erschwer
lich ein passendes gesunden haben.
Cotta war in den römischen Künstler
kreisen als sehr ioiihlerisch bekannt —
die landläufigen Modelle vom spani
schen Platz fanden sast nie Gnade vor
seinen Augen —- gewiihnlich ging er
selbst aus die Suche. Das dauerte
oft wochenlana, und hatte er endlich
ein passendes »Exemplar« gesunden,
so hütete er es eifersüchtig und zahlte
lieber den doppelten, dreifachen Preis.
ehe er es litt, daß es von anderm
ausgebeutet und »professionsmiißig
ichablonirt und verslacht« wurde,tvie
er das nannte.
Leise klopfte fest die Fremde an die
Thür... in zwei Absätzen, aus eine
bestimmte Manier, die der Künstler
kennen mußte. Ohne eine Aufforde
rung zum Nähertreten abzuwarten
driirkte sie den Thürgriff nieder und
trat ein. ;
Cotta war allein. Er stand neben
einem großen, viereckigen, mit Papier
rollen aller Art bedeuten Tisch neben
dem riesigen Fenster, hatte ein Etwas
in der leicht erhabenen rechten Hand
und drehte et prüfend im vollen Son:
nen- und Tageslicht hin und her. Er
trug über dem modernen dunklen
hauöanzug einen weißen Leinenkittel.
der Kon war unbederkt.
Die Störung schien ihm sehr unge
legen zu kommen —- unter usammen
gezogenen Brauen hervor fah er nach
der Thür, mit einer Miene, die nichts
weniger als einladend genannt werden
konnte.
»So böse, lieber Freund? Gan-z
böses« fragte die Dame mit angeneh
mer Altsttmme. indem sie ihrn mit
ausgestreuter hand und einem addit
tenden Lächeln niihertrat.
«Cillh! Wahrhaftig!« Langsam
lagte er das, als hätte er Mühe, fich
n die Wirklichkeit zurückgufinden
»Ja, wie kommen denn Sie... ich
habt ia keine Ahnung gehabt —«
»Ich klop te doch eben darum aus
meine beson e Manier!«
»Das hab’ ich ganz überhört —»
vielmehr nicht beachtet wich bin — "
eine Hand kann im Ihnen nicht geben
— Sie sehen, ich habe da was gekne
tånßentfchuldigen Sie — ich möchte
o —
Er sprach überhastei, drehte ihr hall
den Rücken zu. bemüht, die Sache, die
er in der hand hielt, unbemertt weg
zuftellem
Jn offenbarer Unruhe fah fte ihm
nach den Augen. —
»Sie dürfen gar keine befonder
Freude oder Ueberraschung marliren"«
vewerlte sie ein tvenig bitter. »Die
Freude, mich wiederzufehen, blüht Jlss
nen oft genug, und unsere Trennung
. . . lassen Sie einmal feden... wie
lanae ift’s den-n her, feit wir einander
in Rom adieu sagten Kaum vierzehn
Tage! Sie haben es erwartet,
dafz ich J n früher oder pater nack
Münchkit olgen würde —- oder haben
Sie das »a rivederei« von mir bei
unserem leiten Beifannnensein in der
Bia Marautta wirklich nicht verstehen
wolleni'
Er ließ diese Frage irr-beachtet und
schob ihr mit der freien hand einen
Stuhl hin.
»Ur-wen einmal few-, Eillyl Sehen
Sie sich, bitte, aber lieber nicht bei mir
um! So ein-Mich das noch keinsift
W
. . . der reine Mord, nicht wa r?
Nackte Wände, Geriiste, Modellir i
zer, Lehmttumpen.» etn reisende
Jnterieurt Und ebenso leer. wie hier
runduni, iteht’s auch zur Zeit in mei
nem Schädel aus-« von Arbeiten
natürlich noch teine Rede...«
»Halte la! Keine Aus-flüchte, aniicok
Zeigen Sie einmal her, was Sieda
in der Hand halten nnd vergebens vor
mir zu verstecken streben Das gibt es
nicht bei mir das sollten Sie doch
tsissent Jch habe ja diesc langen Jahre
hindurch immer alles zuerst sehen dür
fen, was Sie arbeiteten —
,,Dies ift doch teine Arbeit, ich bitte
Sie. Dies ist --«
»Sie brauchen wir gar teine Er
tliirungen zu tiefern Zeigen Sie es
trinker dann werde ich ja sehen, was
esi "
Sagen Sie doch, Cilly —- haben
Sie denn hier gute Freunde in Mün
chen?«
»Ich habe vor allen Dingen Sie
aber sonst, o ja, Betannte genug —
Leute, die von War-schau hierher ver
zogen sind» . nun lassen wir das!
Ehr-lich gesagt, Cotta: freut Sie’5,
tcß ich getommen hin?«
»Jmtner!« betonte er tovfniktend.
..Meine beste Freundin ist mir allemal
willkommen!«
»Auch kxute«.da Sie entschieden
präokkupirt sind?«
»Noch schöner! Jch soll —-" s
»Guter Will ——- führen Sie mit mir
doch keine Komödie aus, bitte —-- nein?
Es hat so gar keinen Sinn! Ich kenne
Sie so gut. Ivie mich selbst —- nein,
bessert Zunächst also: her mit dieser
sogenannten neuesten Arbeit!«
Mit einem tief hervorgeholten Sens
zkr und einem tragischen KopfschiiL
teln reichte er das aewiinschte dar.
»Da kann eher die Welt untergehen«
eh’ so ein Weibertops von seinem
Eigenfinn tiisztt Jn Gottes Namen
also »- ecroko! Und nun draus los
mit Jhrem Wolkenbruch von Fragen:
wer? wo? wie? wann? warum?«
Er seßte sich auf eine Kante des
Tisches und ließ beide Arme wie kam
psesmitde herunterhiingen
Entsetzung solgt.)
—
Dee forttee persstakom
Leben und Antlih dieser Stadt blei
ben sich ewi gleich. Der Fiaker, der
mich vom ahnhos abholte, suhr wie
jener, der mich vor sieben Jahren dort
absetzte, langsam, wenn die Straße
stei, und schnell, wenn sie gefällt
war. Der Pariser Droschtenkut cher
treiß die Ausregung eines Zu
sammenstoßeö zu schätzen. Jeder Wa
genknäuel zieht ihn an. Um jeden
Preis muß er hinein. Herunter aus
mich blickten wie einst Reihen von Zu
schauern aus Omnibuodächern, und
vorbei an mir schtvankten Marktwa
gen, beladen mit gelben Rüben und
rothen Radieschen und gelenkt von
Frauen. neben denen vom Kutschersitz
ein kleiner Kettenhund bellt. Um die
Wette mit ihm heult noch immer der
Kamelott, wie immer bereit, auf den
Wink eines Führers in Maife ans den
Faubourgs nach den Boulevards zu
matschiren, um mit allem Bestehenden
Fangball zu spielen. Mit schwarzem(
Rock und weißem Häubchen tänzelten
wie einst Dienstmädchen durch die
Straßen ——- am Arm den Korb« in der
Linken den langen, dünnen Brotlaib.
Entlang die Boulevards ward von
Promenirenden die gleiche schädige
Eleganz wie einst getragen. Wie im
mer wandelt dieseo Statistentum des
Pariser Lebenstheaters in von Ge
wohnheit und Tradition bemessenem
Kreise. Jmmer wieder tritt es am
Case de la Paix aus der linken Ku
lisse, zieht vor denen aus den Sperr
schen die Bühne entlang und hinter
ihr den gleichen Weg zurück.
Auch im hotel sint unten noch im
mer die Dame in Schwar , und oben
im Zimmer begrüßt den intretenden
noch immer das runde sreundliche Ge
sicht der Uhr aus dem Kamim jene Uhr
aus dem Kamm, die in keinem Gast
zimmer Frankreichs sehlt und mir als
Sinnbild und Wahrzeichen von Pa
ris gilt. hier iin altersgrauen Hause
der Rue St. Honore ist —- die einzige
Neuerung —- ein Badeztmmer einge
richtet worden. Aber die Uhr aus dem
Kamin ließ man in ihm stehen. Sie
rickte schon vor sieben Jahren nicht J
erst s is «
luccslu Alls- llisc lallt-III sclslsclch Uc
sicht lacht weiter wie das von Paris
nnd —- imrner wie einst!
Und immer noch versteht dieses Pas
rid, aus nichts ein Ereianiß oder ein
Schaustück zu machen. »Den eben
vollendeten Eingang zur Untergrund
vahn am Opernplatz müssen Sie se
hen!« Jeder Mund und jede Zeitung
rieth rnir so.
Arn Opernplatz drängten sich Hun
derte um —- ich wußte noch nicht was-.
Mithsam bahnte ich mir einen Weg
durch die Menge. Genugthuung und
Bestidigung aus den Gesichtern, be
trachtete sie eine ins-—Erdinnere süh
kende Steintreppe. umschlossen von ei
nein halblreissörmigen Mann-Irge
liinder. Ein Loch in der Erde. Nichts
weiter!
Dringender noch wurde, namentlich
von der Presse, zu einem Besuch des
herbstsalons gerathen. Die Jungen,
die Modernen, die Dekadenten, die
Degeneeirten, die Radilalesn oder auch
die Ansatchisten dee Kunst —- so nennt
Paris die Maler, deren Bilder heute
ins Stand-Palä- des Champi Ely
seez hängen. Wie dieser Solon
Essetmrne zustande lam, isi bekannt
Illzee seinosesnchrr gewinnt den Ein
M
druck, daß die ausstellenden Minsiler
erft in elfter Stunde den Wirbel der
Rellametrommel vernahmen. Anschei
nend in diefer erft griffen sie zu Pin
fel und Palette. Die Zeit muß ge
drängt haben. Mehr als ein Bild
sieht aug, als wäre es in höchstens ei
ner halben Stunde entstanden. Gans
fertig ist wohl kaum eins geworden.
So wenigstens dürfte mit wir jeder
andere nüchtern blickende Durch
schnittsmensch denken. Es ma ihm
und mir an Sachverständniß fehlen.
Aber wir beide sind nun einmal das
Vublituny der große Kunstrikhter
höchster und letzter Instanz, dessen
unt-sit aus fiekvtichen Menschen un
fterbliche macht
llaum eine Leinwand fesselt beim
erften flüchtigen Rundgang den Blick
des Befuchers genugsam, um feinen
Schritt langsamer werden zu lassen.
Trotzdem irrt, wer deshalb glaubt,
diese Ausstellung in kurzer Zeit be
sichtigen zu können. Jedes zweite Bild
gibt ein Räthsel auf. Jedes dritte ifi
ein Nebus. Nicht immer findet man
die Lösung«
- . Aber nicht ldas Räthselrathen allein
» us zutraut-end m vielem Vollm- Mc
Hausherren wissen anscheinend die
Anwesenheit von Besuchern zu schätzen.
Darum halten sie solche mit ndch an
deren Mitteln fest. Eine dünne Dame
sah ich zwischen vierGoldleisten durch’s
Gras wandeln. In der Linien hielt
sie ihr ausgelöstes Blondhaar, in der
Rechten eine Gänseblume. Um Gottes
Willen, wo will die hin? sragte ich
meinen Katalog. Nun trägt jedes
Bild eine Nummer. An diesem war
1687 zu lesen. Natürlich glaubte ich,
dieselbe Nummer des Katalogs wiirde
mein Interesse an der Dame befriedi
gen können. Es war ein Jrrthum.
So altmodische Pfade wandelt diese
moderne Kunst nicht mehr. Unter
1687 sagte der Katalog: Seestiick.
Also gilt es von neuem das-Buch auf
der Suche nach dem Namen des Ma
lerö zu durchblättern. Indessen auch
dafür, dasz dieses nicht zu schnell e
schehen kann, sorgt die junge Pari er
Schule. Wunderlich wie ihre Bilder
sind nämlich auch die Schnörlei in der
Ecke jeder Leinwand. Gewöhnlich ver
liert ja nichts-, wer den Namen nicht
entziffern kann. Aber in einem Falle
bedauerte ich es, nämlich, als ich vor
einem Bilde stand, das wirklich zu mir
sprach. Zwischen all diesem Farben
chaos, zwischen diesen franenhast ver
zerrten Joiotengesichtern und verrenk
ten Atrobatenfiguren hing auch ein
Kunstwerk an der Wand. Es zei i
die alte griine und bizarre Landschast
Japans, aus der hinten Iudschiuama,
ler Bergeiese unter ewig schneeweißem
Haarschopf aufragt. Vorn steht, klein
und unterseszt, gedrungen und breit
schulterig ein japanischer Jnfanterist
in blauer Uniform. Seine band hält
die Fahne mit rothem Sonnenball,
nnd sein Gesicht trägt einen Ausdruck,
der sich eben nicht mit der Feder be
schreiben läßt. Die opferwillige Hin
aabe, der blinde Gehorsam und die
duldsame Ergebenheit von Jahrtau
«enden sprechen aus seinen gelben Zü
gen. Den Geist eines Bolteö und ei
nes Heere-Z zeigen uns dieses Malers
cinselstriche Nicht mit leuchtenden
Tlugen blickt der Soldat aufwärts zur
Fahne empor. Abwärtg zur Erde ist
der niederaeschlagene Blick gewandt
Gleichmiithig schaut er larcin, obwohl
droben in den Wollen der Kriegs ott,
der Furchtbare, der Jenschi- an,
schwebt, rereit, ihn mit blanlern
Schwert zu erschlagen. Negungsloö
steht er in tiefem Schweigen, das auch
aus den alten IlurenliegL Kein Lüft
chen regt sich. Schlaff hängt die Fah
ne in Falten am Stock berab. —- Nie
werden diese balbgesckilossenrn Solda
tenaugen in stummer vorwurfsvoller
Frage lich zu dem General ausschlagen,
dessen Degen denWeg zu sicherem Tode
weist. Auch diesem werden sie unter
gleichmiitbig halbgeschlossenen Lidern
entgegenblictcn. Nie wird ein jubeln
der Siegesschrei von diesen festgeschlos
srnen Lippen ertönen. Aber wir sehen,
wie hinter ihnen Grimm und Muth
die Zähne auseinander beißen, in ei
nem festen Willen, zu siegen oder zu
sterben.
Noch haben wir alle vergeblich ver
sucht, mit der Feder den uns nahezu
unverständlichen japanischen Voltschas
kalter zu schildern. Wer lange genug
vor diesem Bilde steht, lernt ihn ver
stehen! Den Namen des Malers
konnte ich auf Grund der erwähnten
llekelitönde leider nur ungefähr selt
ltcllen. Er dürfte sich etwa Felix Le
aarney nennen.
fspksa
Crawlordt Ich hörte Sie zu Ihrer
Frau sprechen. Hatten Sie einen
Streits
Grablhawt O nein; wenn wir einen
Streit haben, besorgt meine Frau
alles Reden allein-.
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Ein Denker and Grübler einsamen
Schlags
Mag Menschenlenntniß lxesikem
Doch selten wird er im Kampfe des
Tags
Verftehm sie nagst-nützen
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Ja, ei tode einem innerer schwerer
emachi. den Lebensunterhalt zu be
streiten. —- st50,000 hat Fel. Altar
iir ein Halsband bezahlen niiiiieeh
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gar-an und Ausland in's Staren-n
lm : Das Ball, das auf Wär
Ist- ! ,
Beinen wär-: M W M- ai ,